TE Bvwg Erkenntnis 2018/4/30 W203 2178390-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 30.04.2018
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Entscheidungsdatum

30.04.2018

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs5
AsylG 2005 §34 Abs2
B-VG Art.133 Abs4
VwGVG §28 Abs2

Spruch

W203 2178389-1/4E

W203 2178387-1/4E

W203 2112755-2/4E

W203 2178394-1/4E

W203 2178390-1/4E

W203 2178385-1/4E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

I. Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Gottfried SCHLÖGLHOFER über die Beschwerde von (1.) XXXX , geboren am XXXX 1982, StA. Syrien, vertreten durch Diakonie Flüchtlingsdienst gem. GmbH, ARGE Rechtsberatung, Wattgasse 48/3. Stock, 1170 Wien, gegen Spruchteil I. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 11.10.2017, Zl. 1083623406 - 151140563 zu Recht:

A) Der Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 2

Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. I Nr. 33/2013, stattgegeben und XXXX gemäß § 3 Abs. 1 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005), BGBl. I Nr. 100/2005, i.d.g.F., der Status des Asylberechtigten zuerkannt.

Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

II. Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Gottfried SCHLÖGLHOFER über die Beschwerden von (2.) XXXX , geboren am XXXX 1990, (3.) XXXX , geboren am XXXX 2008, (4.) XXXX , geboren am XXXX 2010, (5.) XXXX , geboren am XXXX 2013, und (6.) XXXX , geboren am XXXX 2015, alle StA. Syrien, vertreten durch Diakonie Flüchtlingsdienst gem. GmbH, ARGE Rechtsberatung, Wattgasse 48/3. Stock, 1170 Wien, gegen Spruchteil I. der Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 11.10.2017, Zl.: (2.) 1083633500 - 151140580, (3.) 1002384710 - 14422592, (4.) 1083625509 - 151140741,

(5.) 1083625302 - 151140652 und (6.) 1091942200 - 151601501 zu Recht:

A) Den Beschwerden wird gemäß § 28 Abs. 2

Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. I Nr. 33/2013, stattgegeben und XXXX , XXXX , XXXX , XXXX und XXXX gemäß § 3 Abs. 1 i. V.m. § 34 Abs. 2 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005), BGBl. I Nr. 100/2005, i.d.g.F., der Status von Asylberechtigten zuerkannt.

Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 wird festgestellt, dass XXXX , XXXX , XXXX , XXXX und XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Erstbeschwerdeführer (im Folgenden: BF1) ist der Ehemann der Zweitbeschwerdeführerin (im Folgenden: BF2). Sie sind die Eltern der minderjährigen Dritt- bis Sechstbeschwerdeführer (im Folgenden: BF3 bis BF6). Sämtliche Beschwerdeführer sind syrische Staatsbürger und gehören der kurdischen Volksgruppe an. Der BF1, die BF2 und die durch sie vertretenen BF4 bis BF5 stellten am 20.08.2015 und die BF3 am 01.03.2014 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz. Der BF6 ist in Österreich geboren, sein Asylantrag wurde am 22.10.2015 durch seine gesetzliche Vertreterin gestellt.

2. Am 01.03.2014 wurde die - vor den BF1, BF2 sowie BF4 bis BF6 in Österreich eingereiste - BF3 in Anwesenheit einer Rechtsberaterin durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes der Erstbefragung unterzogen. Sie gab an, der Volksgruppe der Kurden anzugehören und sich zum muslimischen Glauben zu bekennen. Zur Fluchtroute konnte die BF3 keine Angaben machen, da es sich bei der BF3 zu diesem Zeitpunkt um ein "Kleinkind" handelte. Der Großvater der BF3 gab sinngemäß an, dass er von einem unbekannten Mann angerufen und ihm gesagt worden sei, dass er seine Enkelin bei einer Straßenbahnstation in Wien abholen solle. Dies habe er getan und einen Asylantrag für das Enkelkind gestellt. Mit Einreise der Eltern der BF3 (BF1 und BF2) übernahmen diese wieder die Obsorge für die BF3.

3. Am 22.08.2015 wurde der BF1 durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes der Erstbefragung unterzogen. Dabei gab er an, dass er syrischer Staatsbürger und in Aleppo geboren sei. Er sei traditionell und standesamtlich mit der BF2 verheiratet. Er gehöre der kurdischen Volksgruppe an und bekenne sich zur muslimischen Religion (genauer: er sei Sunnit). Er gab an, von 1988 bis 1994 die Grundschule in Aleppo besucht zu haben und zuletzt als Handyverkäufer tätig gewesen zu sein Die Ausreise aus Syrien sei von Aleppo aus illegal in die Türkei erfolgt. Seine Tochter (die BF3) sei ca. 1,5 Jahre vor der restlichen Familie - die gemeinsam aus Syrien ausgereist sei - nach Österreich gekommen. Befragt zu seinem Fluchtgrund gab der BF1 an, dass die BF Syrien wegen des Krieges verlassen hätten. Besonders als Kurden seien sie gefährdet, vom IS verfolgt und getötet zu werden. Vorgelegt wurde ein syrischer Personalausweis.

Am selben Tag wurde auch die BF2 der Erstbefragung unterzogen. Sie gab an, dass sie verheiratet sei. Neben der mit ihr gereisten Familie und der vorgereisten Tochter (BF3) würden sich noch ihr Vater, ihre Mutter, zwei Brüder sowie eine Schwester in Österreich befinden. Die BF2 gab an, sie gehöre ebenfalls der kurdischen Volksgruppe sowie der sunnitischen Religionsgemeinschaft an. Von 1996 bis 2004 habe sie die Grundschule in Aleppo besucht. Auch die BF2 gab als Fluchtgrund an, dass sie Syrien wegen des Krieges und der Verfolgung aufgrund ihrer Eigenschaft als Kurdin mit ihrer Familie verlassen habe. Die BF2 stellte auch fest, dass ihre Angaben auch für ihre minderjährigen Kinder gelten würden. Sie legte ein syrisches Familienbuch vor und gab an, nie einen Reisepass besessen zu haben.

4. Am 02.08.2017 wurde der BF1 vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: belangte Behörde) niederschriftlich einvernommen. Dabei gab er im Wesentlichen an, dass er im bisherigen Verfahren die Wahrheit gesagt habe, es sei ihm das Protokoll der Erstbefragung aber nicht rückübersetzt worden und er könne somit auch nicht bestätigen, dass alles, was er gesagt habe, auch protokolliert worden sei. Ergänzend vorgelegt wurden diverse Teilnahmebestätigungen, die Kopie eines syrischen Führerscheins, eine Amublanzkarte aus der Krankenanstalt XXXX sowie ein Empfehlungsschreiben der Pfarre XXXX . Befragt zu seinem gesundheitlichen Zustand gab der BF1 an, dass er Diabetiker sei und in Österreich eine Leistenbruchoperation vornehmen lassen hätte müssen, diese sei aber aufgrund erhöhter Zuckerwerte nicht durchgeführt worden. Er habe auch Tabletten aufgrund seines hohen Blutdruckwertes bekommen. Der BF1 sei verheiratet und habe vier Kinder, die BF2 sei seine einzige Ehefrau. Von 2001 bis 2004 habe er seinen Wehrdienst abgeleistet. Sein Wehrdienstbuch sei in Syrien zurückgeblieben, er wisse nicht, was damit geschehen sei. Befragt zu seinem Fluchtgrund gab der BF1 an, dass er an Demonstrationen gegen das Regime teilgenommen habe und deswegen vom Regime gesucht werde. Weiters, dass der IS Kurden getötet habe, da Kurden vom IS als "Ungläubige" angesehen würden. Die Demonstrationen, an denen er teilgenommen habe, seien anfangs friedlich gewesen, dann seien Teilnehmer von Sicherheitskräften verhaftet worden. Es sei auch gezielt auf Demonstranten geschossen worden. Zur Frage nach einem bestehenden Haftbefehl gab der BF1 an, dass er aufgrund seiner Eigenschaft als Kurde sowie der Teilnahme an Demonstrationen gegen das Regime gesucht werde. Im Falle einer Rückkehr würde er durch das Regime hingerichtet werden.

Ebenfalls am 02.08.2017 wurde auch die BF2 vor der belangten Behörde niederschriftlich einvernommen. Die BF2 legte diverse Zertifikate, eine Teilnahmebestätigung sowie ein Empfehlungsschreiben vor und gab an, dass alle anderen Unterlagen im Besitz des BF1 wären. Sie gab zusammengefasst an, dass sie gesund sei und nicht regelmäßig Medikamente einnehmen müsse. Ihr syrischer Personalausweis liege bereits im Original im Akt. Eine Heiratsurkunde besitze sie nicht, sie und ihr Mann hätten vor Gericht geheiratet und nachfolgend das Familienbuch bekommen. Befragt zu ihrem Fluchtgrund gab die BF2 an, dass sie der kurdischen Volksgruppe angehöre, die gezielt vom IS gesucht und getötet werde. Sie habe auch vor dem Regime Angst, da Kurden keinen eigenen Staat hätten. Betreffend ihre minderjährigen Kinder gab die BF2 an, dass ihre Asylgründe und auch die ihres Mannes auch für ihre Kinder gelten und legte Schulbesuchsbestätigungen sowie die Geburtsurkunde des BF6 vor.

5. Mit den im Spruch genannten Bescheiden vom 11.10.2017 - zugestellt am 25.10.2017 - wies die belangte Behörde die Anträge der BF auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status von Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 i.V.m. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 ab (Spruchpunkt I). Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 wurde den BF der Status von subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt (Spruchpunkt II.) und ihnen gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 eine befristete Aufenthaltsberechtigung erteilt (Spruchpunkt III.).

Festgestellt wurde durch die belangte Behörde den BF1 betreffend, dass dessen Identität feststehe. Er sei verheiratet und Vater von zwei Söhnen und zwei Töchtern. Er sei illegal in Begleitung seiner Ehefrau (BF2) und der BF4 und BF5 nach Österreich eingereist. Die BF3 befinde sich schon seit 01.03.2014 in Österreich, der BF6 sei am 16.10.2015 in Wien geboren. Der BF1 sei Diabetiker und habe einen hohen Blutdruck. Er habe weiters keine asylrelevante Verfolgung in seinem Herkunftsland glaubhaft gemacht. Syrien verlassen habe er gemeinsam mit seiner Familie aufgrund des dort herrschenden Bürgerkrieges und der damit verbundenen schlechten Sicherheitslage. Es habe nicht festgestellt werden können, dass der BF1 in Syrien einer asylrelevanten Verfolgungshandlung ausgesetzt gewesen sei bzw. dass eine solche für die Zukunft zu befürchten sei. Eine andere Gefährdung, welche einzig aufgrund von personenbezogenen Merkmalen erfolgen würde, wie etwa aufgrund der Volksgruppen- oder der Religionszugehörigkeit der BF, sei nicht erkennbar. Es wurde festgestellt, dass ein Familienverfahren vorliege und es wurde festgehalten, dass die Familienangehörigen des BF1 am selben Tag eine gleichlautende Entscheidung erhalten würden. Beweiswürdigend wurde ausgeführt, dass die Teilnahme des Beschwerdeführers an Demonstrationen von diesem nicht glaubhaft dargelegt worden sei. Diese Tatsache habe er auch bei der Erstbefragung mit keinem Wort erwähnt. Im Rahmen der Befragung vor der belangten Behörde habe der BF1 es nicht geschafft, konkrete Angaben zu den vorgebrachten Demonstrationen zu machen. Er sei auch wegen dieser Teilnahme nicht verhaftet worden und die Erklärung, dass Agenten des Regimes die Teilnahme weitergegeben hätten, beruhe auf den subjektiven Vermutungen des BF1. Festgehalten wurde auch, dass der BF1 bereits im Jahre 2014 versucht habe, nach Europa zu gelangen und als dies fehlgeschlagen war, nach Syrien zurückgekehrt sei und die damit verbundene Ein- bzw. Ausreise - wie auch immer erfolgt - spreche nicht für den Umstand, dass den BF in Syrien eine Verfolgung drohe. Alleine der Umstand, dass die BF Kurden wären, lasse nicht den Grund zur Annahme zu, dass nur aus diesem Grund eine Verfolgung drohe, zumal sich die Angehörigen der BF nach wie vor in Syrien aufhielten. Aus dem Vorbringen des BF1 ergebe sich auch, dass er seinen Wehrdienst bereits von 2001 bis 2004 abgeleistet und nicht davon gesprochen habe, dass er Reservist oder bereits erneut zum Wehrdienst einberufen worden sei. Ein Wehrdienstbuch sei nicht vorgelegt worden. Da der BF1 in dieser Hinsicht keine Fluchtgründe vorgebracht habe, sei nicht davon auszugehen, dass er aus diesem Grund mit einer Verfolgung in Syrien zu rechnen hätte. Weiters habe der BF1 im Rahmen des Asylverfahrens hauptsächlich allgemeine kriegsbedingte Gefahrenpotentiale in seiner Heimat angeführt, worunter auch die Präsenz des IS falle, welche ihn und seine Familie dazu bewogen hätte, das Land zu verlassen und es sei auch hierzu keine individuelle Verfolgung ins Treffen geführt worden. Rechtlich führte die belangte Behörde aus, dass der BF1 in Syrien keinen Verfolgungshandlungen im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention ausgesetzt gewesen sei und solche auch künftig nicht zu erwarten seien. Der BF1 habe lediglich vorgebracht, dass er wegen der allgemeinen gefährlichen Lage in Syrien sein Heimatland verlassen habe und dass es deswegen auch keine Zukunft und keine Sicherheit für seine Kinder in Syrien gäbe. Das Vorbringen zu einer Verfolgung durch das syrische Regime wegen Teilnahme an Großdemonstrationen sei nicht glaubhaft. Der BF1 sei nach seiner erstmaligen Ausreise 2014 freiwillig nach Syrien zurückgekehrt, bevor er sich erneut auf den Weg nach Europa gemacht habe. Er habe in diesem Zusammenhang keine Probleme erwähnt. Somit seien die Voraussetzungen für eine Asylgewährung nicht vorgelegen.

Die BF2 sowie die BF3 bis BF6 betreffend wurde - wie im Bescheid des BF1 angeführt - ein nahezu gleichlautender Bescheid erlassen.

7. Am 21.11.2017 brachten die BF1 bis BF6 gemeinsam Beschwerde jeweils gegen Spruchpunkt I der angefochtenen Bescheide der belangten Behörde ein und begründeten diese Beschwerde im Wesentlichen wie folgt:

Der BF1 habe in der Einvernahme vom 02.08.2017 vorgebracht, dass er an Demonstrationen gegen das Regime teilgenommen habe und nun von diesem gesucht werde. Weiters hätte der IS Kurden gezielt entführt und getötet. Ergänzend wurde in der Beschwerde ausgeführt, dass dem BF1 bei seiner zweiten Teilnahme mitgeteilt worden sei, dass er fotografiert worden sei und diese Dokumentation für die Regierung bestimmt gewesen sei. Daraufhin habe sich der BF1 versteckt und sei nicht mehr nach Hause zurückgekehrt. Die BF2 habe ergänzend angegeben, dass Mitglieder des IS durch die Gassen der Stadt und gezielt zu Häusern von Kurden gegangen seien, die BF hätten rechtzeitig flüchten können. Sie habe Angst, entweder vom Regime verhaftet oder vom IS verschleppt zu werden. Im Falle der BF gäbe es gleich mehrere Gründe, die nach den Richtlinien des UNHCR vom November 2017 für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft sprechen würden. Der BF1 werde aufgrund der Teilnahme an Demonstrationen in Syrien als Regierungsgegner eingestuft, er sei im wehrfähigen Alter, es würden ihm Repressalien aufgrund der Weigerung, für die YPG zu kämpfen, drohen und die BF seien Kurden. Auch Frauen und Kinder seien tendenziell besonders gefährdet. Weiters könnten auch Familienangehörige von (mutmaßlich) oppositionellen Personen von Repressalien betroffen sein.

8. Einlangend am 30.11.2017 wurden die Beschwerden samt den zugehörigen Verfahrensakten von der belangten Behörde - ohne von der Möglichkeit einer Beschwerdevorentscheidung Gebrauch zu machen - dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vorgelegt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person der BF und deren Fluchtgründen:

Der BF1 bis BF6 sind syrische Staatsangehörige und gehören der kurdischen Volksgruppe an.

Der BF1 ist mit der BF2 verheiratet, die BF3 bis BF6 sind die gemeinsamen, minderjährigen Kinder der beiden. Die Ehe des BF1 und der BF2 wurde vor der Einreise nach Österreich geschlossen. Es liegt somit ein Familienverfahren vor.

Der BF1 ist 1982 geboren und somit im wehrdienstfähigen Alter. Er hat den Wehrdienst von 2001 bis 2004 abgeleistet. Es droht dem BF1 die reale Gefahr, dass er in Syrien - bei einer nunmehrigen Rückkehr - zum Militärdienst bei der syrischen Armee oder auch bei der YPG eingezogen werde und er ist im Zusammenhang mit der Einziehung zum Militärdienst und der Ableistung desselben der Gefahr ausgesetzt, zu menschen- und völkerrechtsverletzenden Handlungen gezwungen bzw. bei Verweigerung des Militärdienstes unverhältnismäßig bestraft zu werden.

Die BF sind strafgerichtlich unbescholten.

1.2. Zur maßgeblichen Situation in Syrien:

Aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Syrien vom 05.01.2018, Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, S. 36 ff):

Zum Wehr- und Reservedienst und zu Rekrutierungen

Seit Jahren versuchen immer mehr Männer die Rekrutierung zu vermeiden, indem sie beispielsweise das Land verlassen oder lokalen bewaffneten Gruppen beitreten, die das Regime unterstützen. Jenen, die den Militärdienst verweigern, oder auch ihren Familienangehörigen, können Konsequenzen drohen. Es ist schwer zu sagen, in welchem Ausmaß die Rekrutierung durch die syrische Armee in verschiedenen Gebieten Syriens, die unter der Kontrolle verschiedener Akteure stehen, tatsächlich durchgesetzt wird, und wie dies geschieht. In der syrischen Armee herrscht zunehmende Willkür und die Situation kann sich von einer Person zur anderen unterscheiden (FIS 23.8.2016).

Die Rekrutierung von männlichen Syrern findet nach wie unvermindert statt (DRC/DIS 8.2017). Für männliche syrischen Staatsbürger und Palästinenser, welche in Syrien leben, ist ein Wehrdienst von 18 oder 21 Monaten ab dem Alter von 18 Jahren verpflichtend, außerdem gibt es einen freiwilligen Militärdienst. Frauen können ebenfalls freiwillig einen Militärdienst ableisten (CIA 5.12.2017; vgl. FIS 23.8.2016; vgl. BFA 8.2017). Diejenigen männlichen palästinensischen Flüchtlinge, im Alter von 18 bis 42 Jahren, welche vor 1956 bei der General Administration for Palestine Arab Refugees (GAPAR) registriert waren, und deren Nachkommen müssen den verpflichtenden Wehrdienst bei der Palästinensischen Befreiungsarmee (PLA), einer Einheit der syrischen Streitkräfte, ableisten. Für diese Palästinenser gelten die gleichen Voraussetzungen für den Wehrdienst wie für Syrer (BFA 8.2017).

Laut Gesetz sind in Syrien junge Männer im Alter von 17 Jahren dazu aufgerufen, sich ihr Militärbuch abzuholen und sich einer medizinischen Untersuchung zu unterziehen. Im Alter von 18 Jahren wird man einberufen, um den Wehrdienst abzuleisten. Wenn bei der medizinischen Untersuchung ein gesundheitliches Problem festgestellt wird, wird man entweder vom Wehrdienst befreit, oder muss diesen durch Tätigkeiten, die nicht mit einer Teilnahme an einer Kampfausbildung bzw. -einsatz verbunden sind, ableisten. Wenn eine Person physisch tauglich ist, wird sie entsprechend ihrer schulischen bzw. beruflichen Ausbildung eingesetzt. "Rekrut" ist der niedrigste Rang, und die Rekruten müssen eine 45-tägige militärische Grundausbildung absolvieren. Männer mit niedrigem Bildungsstand werden häufig in der Infanterie eingesetzt, während Männer mit einer höheren Bildung oft in prestigeträchtigeren Positionen eingesetzt werden. Gebildetere Personen kommen damit auch mit höherer Wahrscheinlichkeit in Positionen, in denen sie über andere Personen Bericht erstatten oder diese bestrafen müssen (BFA 8.2017).

Normalerweise werden Einberufungsbefehle schriftlich mit der Post zugestellt, zurzeit wird jedoch eher auf persönlichem Wege zum verpflichtenden Militärdienst rekrutiert, um ein Untertauchen der potentiellen Rekruten möglichst zu verhindern. Zu diesem Zweck werden Mitarbeiter des Rekrutierungsbüros zum Haus der Wehrpflichtigen geschickt. Wenn der Gesuchte zu Hause ist, wird er direkt mitgenommen. Wenn er nicht zu Hause ist, wird der Familie mitgeteilt, dass er sich bei der nächsten Kaserne zu melden habe. Es gibt immer wieder Razzien, wie zum Beispiel Anfang Mai 2017, als bei einem Fußballspiel in Tartus alle Männer beim Verlassen des Stadions versammelt und zum Dienst verpflichtet wurden. Einige Zeit zuvor gab es einen weiteren Vorfall, bei dem vor einem Einkaufszentrum in Damaskus alle wehrfähigen Männer eingesammelt und rekrutiert wurden. Auch ein "Herauspflücken" bei einem der zahlreichen Checkpoints ist weit verbreitet. Die Altersgrenze ist auf beiden Enden des Altersspektrums nur theoretisch und jeder Mann in einem im weitesten Sinne wehrfähigen Alter, kann rekrutiert werden (BFA 8.2017; vgl. FIS 23.8.2016; vgl. Syria Direct 7.12.2017). Berichten zufolge besteht aber auch für - teils relativ junge - Minderjährige die Gefahr, in Zusammenhang mit der Wehrpflicht an Checkpoints aufgehalten zu werden und dabei Repressalien ausgesetzt zu sein (UNHCR 30.11.2016). Wenn eine persönliche Benachrichtigung nicht möglich ist, können Männer, die das wehrfähige Alter erreichen, auch durch Durchsagen im staatlichen Fernsehen, Radio oder der Zeitung zum Wehrdienst aufgerufen werden (DIS 26.2.2015).

Die syrische Armee hat durch Todesfälle, Desertionen und Überlaufen zu den Rebellen einen schweren Mangel an Soldaten zu verzeichnen (FIS 23.8.2016; vgl. ISW 8.3.2017). Viele weigern sich, der Armee beizutreten. Die regulären Rekrutierungsmethoden werden in Syrien noch immer angewendet, weil das Regime zeigen will, dass sich nichts verändert hat, und das Land nicht in totaler Anarchie versinkt. Es gibt auch Männer im kampffähigen Alter, die frei in Syrien leben. Dem Regime liegt nicht daran, alle wehrtauglichen Personen in die Flucht zu treiben. Es werden nämlich auch künftig motivierte Kämpfer benötigt (FIS 23.8.2016).

Bei der Einreise nach Syrien über den Flughafen Damaskus oder andere Einreisepunkte in Gebiete, die vom syrischen Regime kontrolliert werden, wird bei Männern im wehrfähigen Alter überprüft, ob diese ihren Militärdienst bereits abgeleistet haben. Selbst wenn sie ihren Militärdienst bereits absolviert haben, kommt es vor, dass Männer im wehrfähigen Alter erneut zwangsrekrutiert werden (IRB 19.1.2016; vgl. Zeit 10.12.2017).

Im November 2017 beschloss das syrische Parlament eine Gesetzesnovelle der Artikel 74 und 97 des Militärdienstgesetzes. Die Novelle besagt, dass jene, die das Höchstalter für die Ableistung des Militärdienstes überschritten haben und den Militärdienst nicht abgeleistet haben, und auch nicht aus anderen gesetzlich vorgesehenen Gründen vom Wehrdienst befreit sind, eine Kompensationszahlung von 8.000 USD oder dem Äquivalent in SYP leisten müssen. Diese Zahlung muss innerhalb von drei Monaten nach Erreichen des Alterslimits geleistet werden. Wenn diese Zahlung nicht geleistet wird, ist die Folge eine einjährige Haftstrafe und die Zahlung von 200 USD für jedes Jahr, um welches sich die Zahlung verzögert, wobei der Betrag 2000 USD oder das Äquivalent in SYP nicht übersteigen soll. Jedes begonnene Jahr der Verzögerung wird als ganzes Jahr gerechnet. Außerdem kann basierend auf einem Beschluss des Finanzministers das bewegliche und unbewegliche Vermögen der Person, die sich weigert den Betrag zu bezahlen, konfisziert werden (SANA 8.11.2017; vgl. SLJ 10.11.2017; vgl. PAR 15.11.2017)

Zusatzinformationen zum Reservedienst

Gemäß Artikel 15 des Gesetzesdekrets Nr. 30 von 2007 bleibt ein syrischer Mann nach Beendigung des Pflichtwehrdienstes, und wenn er sich gegen einen Eintritt in den Militärdienst als Berufssoldat entscheidet, Reservist und kann bis zum Erreichen des 42. Lebensjahres in den aktiven Dienst einberufen werden. Vor dem Ausbruch des Konflikts bestand der Reservedienst im Allgemeinen nur aus mehreren Wochen oder Monaten Ausbildung zur Auffrischung der im Militär erforderlichen Fähigkeiten, und die Regierung berief Reservisten nur selten ein. Seit 2011 hat sich das jedoch geändert. Es liegen außerdem einzelne Berichte vor, denen zufolge die Altersgrenze für den Reservedienst erhöht wird, wenn die betreffende Person besondere Qualifikationen hat (das gilt z.B. für Ärzte, Panzerfahrer, Luftwaffenpersonal, Artilleriespezialisten und Ingenieure für Kampfausrüstung). Manche Personen werden zum Reservedienst einberufen, andere wiederum nicht, was von vielen verschiedenen Faktoren abhängt (BFA 8.2017). Bei der Einberufung von Reservisten ist das Alter weniger entscheidend als der Beruf oder die Ausbildung einer Person, sowie Rang und Position während des bereits abgeleisteten Militärdienstes oder die Einheit, in der gedient wurde (DIS 26.2.2015; vgl. DRC/DIS 8.2017). Es scheint, dass es schwieriger wird, einen Aufschub zu erlangen, je länger der Konflikt andauert (BFA 8.2017). Reservisten können je nach Gebiet und Fall auch im Alter von 50 bis 60 Jahren zum aktiven Dienst einberufen werden. Sie werden z.B. mittels Brief, den die Polizei persönlich zustellt, oder an Checkpoints rekrutiert (FIS 23.8.2016).

Das Militärbuch zeigt lediglich Informationen über den verpflichtenden Wehrdienst und nicht, ob eine Person Reservist ist oder nicht. Männer können ihren Dienst-/Reservedienststatus bei der Militärbehörde überprüfen. Die meisten würden dies jedoch nur auf informellem Weg tun, um zu vermeiden, sofort rekrutiert zu werden. Es ist sehr schwierig zu sagen, ob jemand tatsächlich zum Reservedienst einberufen wird (BFA 8.2017).

Befreiung und Aufschub

Es gibt verschiedene Gründe, um vom Militärdienst befreit zu werden. Der einzige Sohn einer Familie, Studenten oder Versorger der Familie können vom Wehrdienst befreit werden oder diesen aufschieben. Außerdem sind Männer mit Doppelstaatsbürgerschaft, die den Wehrdienst bereits in einem anderen Land abgeleistet haben, üblicherweise vom Wehrdienst befreit (FIS 23.8.2016; vgl. DIS 26.2.2015). Diese Ausnahmen sind theoretisch immer noch als solche definiert, die Situation in der Praxis ist jedoch anders. Präsident al-Assad versucht den Druck in Bezug auf den Wehrdienst zu erhöhen, und es gibt nun weniger Befreiungen und Aufschübe beim Wehrdienst. Generell werden die Regelungen nun strenger durchgesetzt, außerdem gibt es Gerüchte, dass Personen trotz einer Befreiung oder eines Aufschubs rekrutiert werden. Was die Regelungen zur Befreiung oder zum Aufschub des Wehrdienstes betrifft, so hat man als einziger Sohn der Familie noch die besten Chancen. Das Risiko der Willkür ist jedoch immer gegeben (BFA 8.2017; vgl. DRC/DIS 8.2017).

Unbestätigte Berichte legen nahe, dass der Geheimdienst innerhalb kurzer Zeit über den Wegfall von Aufschubgründen informiert ist, und diese auch digital überprüft werden. Zuvor mussten Studenten den Status ihres Studiums selbst dem Militär melden, in den letzten zwei Jahren wird der Status von Studenten aktiv überprüft. Generell werden Universitäten nun strenger überwacht und von diesen wird nun verlangt, dass sie das Militär über die Anwesenheit bzw. Abwesenheiten der Studenten informieren. Kürzlich gab es eine Änderung bezüglich des Aufschubs aufgrund eines Lehramts-Studiums. Zuvor war es möglich, einen Aufschub des Wehrdienstes zu erwirken, wenn man ein Lehramts-Masterstudium begann, unabhängig davon welches Bachelor-Studium man zuvor absolviert hatte. Dieser Aufschubgrund funktioniert nun nur noch, wenn man auch den Bachelorabschluss im Lehramtsstudium gemacht hat (BFA 8.2017).

Es gibt Beispiele, dass Männer sich durch die Bezahlung von Bestechungsgeldern vom Wehrdienst freigekauft haben, was jedoch keineswegs als einheitliche Praxis betrachtet werden kann, sondern schlicht Willkür darstellt. So war es vor dem Konflikt gängige Praxis sich vom Wehrdienst freizukaufen, was einen aber nicht davor schützt, im Zuge des aktuellen Konfliktes - manchmal sogar Jahre danach - trotzdem eingezogen zu werden (BFA 8.2017).

Es gibt ein Gesetz, das syrischen Männern, die mehr als fünf Jahre außerhalb des Landes gelebt haben, gegen Zahlung eines Bußgeldes die Befreiung vom Militärdienst ermöglicht. Diese Gebühr wurde von 5.000 USD auf 8.000 USD erhöht (BFA 8.2017).

Christliche und muslimische religiöse Führer können weiterhin den Kriegsdienst verweigern, wobei muslimische Führer eine Abgabe bezahlen müssen, um vom Kriegsdienst befreit zu werden (USDOS 15.8.2017). Zunehmend zieht die Regierung, wie berichtet wird, zuvor "geschützte" Personen wie Studenten, Beamte und Häftlinge zum Militärdienst ein (BFA 8.2017; vgl. UNHCR 3.11.2017). Von Staatsangestellten wird erwartet, dass sie dem Staat zur Verfügung stehen. Um sich ein "Pool" von potentiell zur Verfügung Stehenden zu sichern, wurde ein Dekret bezüglich Staatsangestellte und Wehrdienst erlassen: Laut Legislativdekret Nr. 33 von 2014 wird das Dienstverhältnis von Staatsangestellten beendet, wenn sie sich der Einberufung zum Wehr- oder Reservedienst entziehen (BFA 8.2017). Hierzu gab es bereits Ende 2016 ein Dekret, welches jedoch nicht umfassend durchgesetzt wurde. Im November 2017 gab es eine erneute Direktive des Premierministers Imad Khamis, laut der "die Anstellung von jenen beendet werden soll, die den verpflichtenden Wehrdienst oder den Reservedienst vermeiden". Dieser Direktive folgten bereits Entlassungen, wobei nicht bekannt ist, in welchem Ausmaß sie stattfinden (Syria Direct 7.12.2017). Gerade auch in alawitischen Gebieten gibt es eine Verbindung zwischen Staatsangestellten und der Notwendigkeit der Erfüllung bürgerlicher Pflichten (BFA 8.2017).

Entlassungen

Es liegen aktuell keine Informationen zu Entlassungen von Soldaten aus dem Militärdienst vor, es ist jedoch möglich, dass dies trotzdem vorkommt. Viele Männer haben Angst, nicht mehr aus dem Dienst entlassen zu werden, wenn sie einmal eingezogen werden. Manche Männer, die den verpflichtenden Wehrdienst bereits abgeleistet haben, werden wieder zum Dienst einberufen, oder der Dienst mancher Männer wird einfach verlängert (BFA 8.2017; vgl. FIS 23.8.2016; vgl. DIS 26.2.2015). Es gibt Männer in der Armee, die seit dem Beginn der Revolution 2011 in der Armee sind. Mittlerweile ist Desertion häufig der einzige Ausweg (FIS 23.8.2016; vgl. DIS 26.2.2015).

Amnestien

Seit 2011 hat der syrische Präsident für Mitglieder bewaffneter oppositioneller Gruppen, Wehrdienstverweigerer und Deserteure eine Serie von Amnestien erlassen, die Straffreiheit vorsahen, wenn sie sich innerhalb einer bestimmten Frist zum Militärdienst melden. Am 17. Februar 2016 veröffentlichte der Präsident das Gesetzesdekret Nr. 8, mit dem Deserteure innerhalb und außerhalb von Syrien sowie Wehrdienstverweigerer und Reservisten eine Amnestie erhalten. Es gibt keine Informationen darüber, wie viele Personen die Amnestie genutzt haben. In manchen Fällen wurden Personen aus der Haft entlassen, wobei die Regierung jedoch danach eine erneute Welle von Verhaftungen durchführte. In diesem Zusammenhang ist nicht klar, aus welchem Grund bestimmte Personen freigelassen werden und ob die Amnestie jenen hilft, die davon profitieren sollten [also Wehrdienstverweigerern oder Deserteuren, Anm.], oder anderen Personen. Menschenrechtsorganisationen und Beobachter haben diese Amnestien wiederholt als intransparent und unzureichend kritisiert. Ihrer Ansicht nach profitierten davon nicht die vorgeblich angesprochenen Personengruppen (BFA 8.2017; vgl. FIS 23.8.2016; vgl. Reuters 20.7.2016).

Wehrdienstverweigerung / Desertion

Besonders aus dem Jahr 2012 gibt es Berichte von desertierten syrischen Soldaten, welche gezwungen wurden, auf unbewaffnete Zivilisten und Protestierende, darunter Frauen und Kinder, zu schießen. Falls sie sich weigerten, wären sie Gefahr gelaufen, erschossen zu werden (AI 6.2012).

Wehrdienstverweigerer werden laut Gesetz in Friedenszeiten mit ein bis sechs Monaten Haft bestraft, die Wehrpflicht besteht dabei weiterhin fort. In Kriegszeiten wird Wehrdienstverweigerung laut Gesetz, je nach den Umständen, mit Gefängnisstrafen von bis zu 5 Jahren bestraft. Nach Verbüßen der Strafe muss der Wehrdienstverweigerer weiterhin den regulären Wehrdienst ableisten. Bei einer Wehrdienstverweigerung hat man die Möglichkeit sich zu verstecken und das Haus nicht mehr zu verlassen, das Land zu verlassen, sich durch Bestechung freizukaufen oder einer anderen Gruppierung beizutreten. Bezüglich Konsequenzen einer Wehrdienstverweigerung gehen die Meinungen der Quellen auseinander. Während die einen eine Foltergarantie und Todesurteil sehen, sagen andere, dass Verweigerer sofort eingezogen werden (BFA 8.2017). Die Konsequenzen hängen jedoch vom Profil und den Beziehungen der Person ab. Wenn es eine Verbindung zu einer oppositionellen Gruppe gibt, wären die Konsequenzen ernster (DIS 26.2.2015).

Wenn jemand den Wehrdienst verweigert und geflohen ist, gibt es die Möglichkeit seinen Status zu "regularisieren", wobei möglicherweise auch ein signifikanter Betrag zu entrichten ist (gerüchteweise bis zu 8.000 USD). Eine solche "Regularisierung" schützt allerdings nicht automatisch vor Repressalien oder einer zukünftigen Rekrutierung. Berichten zufolge betrachtet die Regierung Wehrdienstverweigerung nicht nur als eine strafrechtlich zu verfolgende Handlung, sondern auch als Ausdruck von politischem Dissens und mangelnder Bereitschaft, das Vaterland gegen "terroristische" Bedrohungen zu schützen (BFA 8.2017).

Desertion wird gemäß dem Militärstrafgesetz von 1950 in Friedenszeiten mit ein bis fünf Jahren Haft bestraft und kann in Kriegszeiten bis zu doppelt so lange Haftstrafen nach sich ziehen. Deserteure, die zusätzlich außer Landes geflohen sind (so genannte externe Desertion), unterliegen Artikel 101 des Militärstrafgesetzbuchs, der eine Strafe von fünf bis zehn Jahren Haft in Friedenszeiten und 15 Jahre Haft in Kriegszeiten vorschreibt. Desertion im Angesicht des Feindes ist mit lebenslanger Haftstrafe zu bestrafen. In schwerwiegenden Fällen wird die Todesstrafe verhängt (BFA 8.2017).

In vielen Fällen erwartet Deserteure der Tod. Möglicherweise werden sie inhaftiert, befragt und gefoltert, wobei die Behandlung eines Deserteurs auch davon abhängt wer er ist, welcher Konfession er angehört, wie wohlhabend er ist etc. Die große Sorge vieler ist hierbei auch, dass dies nicht nur den Tod des Deserteurs oder die Vergeltung gegen ihn, sondern auch Maßnahmen gegen seine Familie nach sich ziehen kann. Die gängige Vorgehensweise ist, Deserteure nicht zurück an die Front zu schicken, sondern sie zu töten. Berichten zufolge werden sie an Ort und Stelle erschossen. Theoretisch ist ein Militärgerichtsverfahren vorgesehen und Deserteure könnten auch inhaftiert und dann strafrechtlich verfolgt werden. Außergerichtliche Tötungen passieren dennoch (BFA 8.2017; vgl. FIS 23.8.2017). Für ‚desertierte', vormals bei der Armee arbeitende Zivilisten gelten dieselben Konsequenzen wie für einen Deserteur. Solche Personen werden als Verräter angesehen, weil sie über Informationen über die Armee verfügen (FIS 23.8.2016).

Im Gegensatz zum Beginn des Konfliktes haben sich mittlerweile die Gründe für Desertion geändert: Nun desertieren Soldaten, weil sie kampfmüde sind und dem andauernden Krieg entkommen wollen (BFA 8.2017).

Auch Familien von Deserteuren oder Wehrdienstverweigerern haben mit Konsequenzen zu rechnen. Eine Familie kann von der Regierung unter Druck gesetzt werden, wenn der Deserteur dadurch vielleicht gefunden werden kann. Familienmitglieder (auch weibliche) können festgenommen werden, um den Deserteur dazu zu bringen, sich zu stellen. Manchmal wird ein Bruder oder der Vater eines Deserteurs ersatzweise zur Armee rekrutiert (FIS 23.8.2016; vgl. BFA 8.2017).

In Gebieten, welche durch sogenannte Versöhnungsabkommen wieder unter die Kontrolle des Regimes gebracht wurden, werden häufig Vereinbarungen bzgl. Wehrdienst getroffen. Manche Vereinbarungen besagen, dass Männer nicht an die Front geschickt, sondern stattdessen bei der Polizei eingesetzt werden. Berichten zufolge wurden solche Zusagen von der Regierung aber bisweilen auch gebrochen, was jedoch schwer zu beweisen ist (BFA 8.2017).

Die kurdischen Volksverteidigungskräfte (YPG/YPJ)

Die kurdischen Volksverteidigungskräfte (YPG) sind der bewaffnete Flügel der kurdischen Partei der Demokratischen Union (PYD) (FIS 23.8.2016). Bis 2014 war der Militärdienst bei der YPG freiwillig. Seit 2014 gibt es jedoch in den Gebieten unter Kontrolle der PYD eine gesetzliche Verordnung zum verpflichtenden Wehrdienst. Jede Familie ist dazu verpflichtet, ein Familienmitglied im Alter von 18 bis 30 Jahren als "Freiwilligen" für einen sechsmonatigen Wehrdienst bei der YPG aufzubieten. Wird dieser Verpflichtung nicht nachgekommen, kommt es zu Zwangsrekrutierungen, sowohl von Erwachsenen als auch von Minderjährigen, oder zu rechtlichen Konsequenzen (KurdWatch 30.6.2016; vgl. SEM 21.12.2015). In Artikel 2 und 3 des Wehrpflichtgesetzes wird zunächst der Personenkreis definiert, auf den sich das Gesetz bezieht. So heißt es in Artikel 2: "Die Pflicht zur Selbstverteidigung ist eine gesellschaftliche und moralische Pflicht der gesamten Bevölkerung. Aufgrund dessen obliegt es jeder in der Region ansässigen Familie, einen Angehörigen für die Ausübung der Pflicht zur Selbstverteidigung zu stellen."

Artikel 3 führt weiter aus: "Die Bestimmungen dieses Gesetzes gelten für alle männlichen Personen im Alter zwischen 18 und 30 Jahren. Frauen können sich freiwillig zur Selbstverteidigung verpflichten."

Der Wehrdienst beträgt gemäß Artikel 4 sechs Monate, die in der Regel innerhalb von höchstens einem Jahr abzuleisten sind. Laut Artikel 5 sind Personen, deren Familien "einen Märtyrer aus den Reihen der Volksverteidigungseinheiten, des Asayis [Sicherheitsdienstes] oder der kurdischen Volksbefreiungsbewegung zu beklagen haben" sowie Einzelkinder von der Wehrpflicht befreit. Ferner sind Menschen freigestellt, die die Wehrpflicht aus gesundheitlichen Gründen nicht ausüben können, und darüber ein ärztliches Attest vorweisen können (KurdWatch 5.2015).

Das Grundproblem dieses Gesetzes besteht zum einen darin, dass es nicht von einer dazu legitimierten staatlichen Instanz beschlossen wurde, sondern von einem von der PYD eingesetzten Gremium. Beim bewaffneten Arm der PYD, den YPG, handelt es sich nicht um eine quasistaatliche Armee, sondern um eine Parteimiliz. Zum anderen sieht das Gesetz keine Möglichkeit der Wehrdienstverweigerung aus Gewissensgründen vor (KurdWatch 5.2015).

Die YPG unternimmt umfangreiche Rekrutierungskampagnen - auch aufgrund der Schlacht um Raqqa. Die YPG verkündete kürzlich eine Amnestie für Wehrdienstverweigerer, laut welcher diese die zusätzliche Dienstzeit von üblicherweise 3 Monaten, die als Bestrafung definiert ist, nicht ableisten müssen, sondern nur die reguläre Wehrdienstdauer. Berichten zufolge kommt es in den kurdischen Gebieten zu Zwangsrekrutierungen von Männern und Jungen (BFA 8.2017). Mehrfach ist es zu Fällen gekommen, in denen Männer von der YPG rekrutiert werden, die älter als 30 Jahre waren. Dabei handelte es sich um Personen, die PYD-kritisch politisch aktiv waren, und die mit hoher Wahrscheinlichkeit durch die Rekrutierung abgestraft werden sollten (ES EZKS 3.11.2017).

Während einer Fact Finding Mission der Staatendokumentation des BFA gaben zwei Quellen an, dass es keine Beweise für Zwangsrekrutierungen von Frauen durch die kurdischen Frauenverteidigungseinheiten (YPJ) gibt, es jedoch einzelne Fälle der Zwangsrekrutierung von Frauen in kleineren lokalen kurdischen Milizen, die gegen den IS kämpfen, geben kann (BFA 8.2017). Laut Eva Savelsberg vom Europäischen Zentrum für Kurdische Studien sind jedoch auch Frauen und Mädchen von Zwangsrekrutierungen betroffen:

KurdWatch und das Europäische Zentrum für Kurdische Studien haben mehrere Fälle recherchiert, in denen minderjährige Mädchen rekrutiert bzw. zwangsrekrutiert wurden. Darüber hinaus sind Fälle bekannt, in denen kurdische Frauen, die der YPG zunächst freiwillig beitraten, daran gehindert wurden, die YPG wieder zu verlassen (ES EZKS 3.11.2017).

Organisationen wie Human Rights Watch, den Vereinten Nationen und KurdWatch zufolge rekrutiert die YPG sogar Kinder, einige nicht älter als zwölf Jahre, um sie im Kampf einzusetzen. Nurman Ibrahim Khalifa etwa wurde von der YPG entführt, als sie dreizehn Jahre alt war, und in ein PKK-kontrolliertes Lager in Irakisch-Kurdistan verschleppt. Während ihres Zwangsaufenthaltes dort wurde sie Zeugin, wie eine achtzehnjährige Frau nach mehreren Fluchtversuchen aus dem Lager öffentlich von einer PKK-Funktionärin hingerichtet wurde. Der tote Körper der Frau wurde in den nahe gelegenen Fluss geworfen. Derartige Brutalität ist eher die Regel als die Ausnahme; Zwangsrekrutierungen sind seit ihrer Einführung zu einem der Hauptgründe junger, kurdischer Männer geworden, aus den kurdischen Regionen zu fliehen. Dies trifft nicht auf junge Araber zu: Im Gegensatz zu Kurden sind sie nicht von Zwangsrekrutierungen betroffen. Wenn Araber in den kurdischen Gebieten rekrutiert werden, dann vom syrischen Regime (ES BFA 8.2017).

Die syrische Regierung zog sich 2012 weitgehend aus der Jazira Region im Nordosten Syriens zurück, hat ihre Kontrolle jedoch in zwei urbanen Zentren der Region, Hassakah und Teilen von Qamishli, aufrechterhalten. Die PYD kontrolliert den Großteil der Jazira, abgesehen von diesen beiden urbanen Zentren. Die Regierung hat in der Jazira jedoch noch immer essentielle Machtstrukturen inne, weshalb in dieser Region ein duales Sicherheitsarrangement herrscht. Die administrativen Strukturen der Regierung und der PYD überschneiden sich, zumindest in Bezug auf Überwachung und die Militarisierung der lokalen Bevölkerung. So kann es jungen Männern in der Jazira-Region passieren, dass sie von beiden Seiten zum verpflichtenden Wehrdienst einberufen werden, weil keine der beiden Gruppierungen die offiziellen Militärdienstdokumente der jeweils anderen anerkennt (BFA 8.2017).

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen zur Person der BF ergeben sich aus deren diesbezüglich gleichlautenden und in sich schlüssigen Angaben vor der belangten Behörde und aus den vorgelegten Unterlagen.

Dass der BF1 mit der BF2 rechtsgültig verheiratet ist, ergibt sich aus dem vorgelegten Familienbuch sowie den schlüssigen Angaben der BF. Die Feststellung, dass die BF3 bis BF6 die leiblichen Kinder des BF1 und der BF2 sind, ergibt sich aus dem Familienbuch bzw. der vorgelegten Geburtsurkunde betreffend den BF6.

Die Feststellung, dass der BF1 im wehrdienstfähigen Alter ist, ergibt sich aus den Ausführungen im Länderbericht. In diesem wird festgehalten, dass Syrer ab dem 18. Lebensjahr wehrdienstpflichtig sind und bis zum 42. Lebensjahr als Reservisten einberufen werden können.

Dass der BF1 den Wehrdienst bereits abgeleistet hat, ergibt sich aus seinen eigenen glaubwürdigen Aussagen.

Aus den Länderfeststellungen ergibt sich, dass der BF1 bei einer Rückkehr nach Syrien mit hoher Wahrscheinlichkeit seinen Wehrdienst bei der syrischen Armee oder auch bei der YPG antreten müsste; seine Absicht, die Ableistung des Wehrdienstes zu verweigern, ergibt sich aus seinem glaubwürdigen Vorbringen.

Die Feststellungen zur Situation in Syrien beruhen auf den genannten (nunmehr aktualisierten) Quellen, die schon die belangte Behörde ihren Bescheiden zugrunde legte und die im Wesentlichen inhaltsgleich blieben. Es handelt sich um Berichte verschiedener anerkannter und teilweise vor Ort agierender staatlicher und nichtstaatlicher Institutionen und Personen, die in ihren Aussagen ein übereinstimmendes, schlüssiges Gesamtbild der Situation in Syrien ergeben. Angesichts der Seriosität der angeführten Erkenntnisquellen und der Plausibilität der überwiegend übereinstimmenden Aussagen besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln.

In einem Fall wie dem vorliegenden, in dem es um eine behauptete Bedrohung durch das syrische Regime (wegen "Wehrdienstverweigerung") geht, kommt es nicht (unbedingt) darauf an, ob eine Einberufung zum Militärdienst (vor der Ausreise) bereits erfolgt ist, ob eine behördliche Suche (wegen des Militärdienstes) bereits (vor der Ausreise) stattgefunden hat oder ob die Ausreise legal erfolgen konnte, sondern vielmehr darauf, mit welcher Wahrscheinlichkeit von einem Einsatz beim Militär (im Falle einer nunmehrigen Rückkehr/Wiedereinreise in den Herkunftsstaat) auszugehen ist, was anhand der Situation (hinsichtlich der Einberufung zum Militärdienst) im Herkunftsstaat und anhand des Profils der betroffenen Person zu beurteilen ist. Aus den Feststellungen zu den Voraussetzungen/Kriterien einer Wehrdiensteinberufung in Syrien (diesen Feststellungen zufolge besteht in Syrien ein verpflichtender Wehrdienst für männliche Staatsbürger ab dem Alter von 18 Jahren; alle Männer zwischen 18 und 42 Jahren kommen für den Militärdienst in Frage und es kommt aufgrund der angespannten Situation in Syrien und der Schwierigkeiten für die syrische Regierung, neue Rekruten auszuheben, zu Einberufungen aller Männer im wehrfähigen Alter) und den persönlichen Umständen des BF1 - er ist nunmehr 36 Jahre alt und somit im wehrfähigen Alter - ergibt sich, dass eine Person mit dem Profil des BF1 in Syrien angesichts des dortigen innerstaatlichen Konfliktes und des Mangels an Soldaten, die sich zum Dienst melden, mit erheblicher Wahrscheinlichkeit damit rechnen muss, zum Militärdienst eingezogen zu werden.

Es ist daher angesichts der Feststellungen davon auszugehen, dass dem BF1 - im Falle einer Rückkehr/Wiedereinreise nach Syrien - die Einziehung durch die syrische Armee oder auch durch die kurdische YPG mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit droht.

Vor dem Hintergrund der den gegenständlichen Verfahren zugrunde gelegten Länderfeststellungen erweisen sich die Aussagen des BF1 als plausibel.

Die strafgerichtliche Unbescholtenheit der BF ergibt sich aus den Auszügen aus dem Strafregister.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zuständigkeit und anzuwendendes Recht:

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Da eine Senatsentscheidung in den einschlägigen Bundesgesetzen nicht vorgesehen ist, liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013 idF BGBl. I Nr. 122/2013, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist.

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn 1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder 2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer eheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

3.2. Zu Spruchpunkt I. A):

3.2.1. Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Asylantrag gestellt hat, soweit der Antrag nicht wegen Drittstaatsicherheit oder wegen Zuständigkeit eines anderen Staates zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge BGBl. 55/1955 (Genfer Flüchtlingskonvention, in der Folge: GFK) droht (vgl. auch die Verfolgungsdefinition in § 2 Abs. 1 Z 11 AsylG 2005, die auf Art. 9 der RL 2004/83/EG des Rates verweist). Gemäß § 3 Abs. 3 AsylG 2005 ist der Asylantrag bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abzuweisen, wenn dem Fremden eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG 2005) offen steht oder wenn er einen Asylausschlussgrund (§ 6 AsylG 2005) gesetzt hat.

Flüchtling iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK (idF des Art. 1 Abs. 2 des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge BGBl. 78/1974) - deren Bestimmungen gemäß § 74 AsylG 2005 unberührt bleiben - ist, wer sich "aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren."

Zentraler Aspekt des Flüchtlingsbegriffs der GFK ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Wohlbegründet kann eine Furcht nur dann sein, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers und unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist (vgl. zB VwGH 22.12.1999, 99/01/0334; 25.01.2001, 2001/20/0011). Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation (aus Konventionsgründen) fürchten würde. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH 21.12.2000, 2000/01/0131; 25.01.2001, 2001/20/0011). Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in einem der Gründe haben, welche Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK nennt (VwGH 09.09.1993, 93/01/0284; 23.11.2006, 2005/20/0551); sie muss Ursache dafür sein, dass sich der Asylwerber außerhalb seines Heimatlandes bzw. des Landes seines vorigen Aufenthaltes befindet.

Bei der Entscheidung, ob eine wohlbegründete Furcht vor Verfolgung besteht, handelt es sich immer um eine Prognoseentscheidung, die eine auf die Zukunft gerichtete Verfolgung verlangt. Das Wort "Furcht" bezieht sich dabei nicht nur auf Personen, die tatsächlich verfolgt wurden, sondern auch auf solche, die einer Situation aus dem Wege gehen möchten, die eine Gefahr der Verfolgung in sich birgt. (vgl. UNHCR, Ergänzende aktuelle Länderinformationen Syrien: Militärdienst, vom 30. November 2016, S. 1)

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. VwGH 28.03.1995, 95/19/0041; 23.07.1999, 99/20/0208; 26.02.2002, 99/20/0509 mwN; 17.09.2003, 2001/20/0177; 28.10.2009, 2006/01/0793) ist eine Verfolgungshandlung nicht nur dann relevant, wenn sie unmittelbar von staatlichen Organen (aus Gründen der GFK) gesetzt worden ist, sondern auch dann, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, Handlungen mit Verfolgungscharakter zu unterbinden, die nicht von staatlichen Stellen ausgehen, sofern diese Handlungen - würden sie von staatlichen Organen gesetzt - asylrelevant wären. Eine von dritter Seite ausgehende Verfolgung kann nur dann zur Asylgewährung führen, wenn sie von staatlichen Stellen infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt nicht abgewandt werden kann (VwGH 22.03.2000, 99/01/0256 mwN).

Wenn Asylsuchende in bestimmten Landesteilen vor Verfolgung sicher sind und ihnen insoweit auch zumutbar ist, den Schutz ihres Herkunftsstaates in Anspruch zu nehmen, bedürfen sie nicht des Schutzes durch Asyl (vgl. zB VwGH 24.03.1999, 98/01/0352 mwN; 15.03.2001, 99/20/0036). Damit ist nicht das Erfordernis einer landesweiten Verfolgung gemeint, sondern vielmehr, dass sich die asylrelevante Verfolgungsgefahr für den Betroffenen - mangels zumutbarer Ausweichmöglichkeit innerhalb des Herkunftsstaates - im gesamten Herkunftsstaat auswirken muss (VwSlg. 16.482 A/2004). Das Zumutbarkeitskalkül, das dem Konzept einer "internen Flucht- oder Schutzalternative" (VwSlg. 16.482 A/2004) innewohnt, setzt daher voraus, dass der Asylwerber dort nicht in eine ausweglose Lage gerät, zumal auch wirtschaftliche Benachteiligungen dann asylrelevant sein können, wenn sie jede Existenzgrundlage entziehen (VwGH 08.09.1999, 98/01/0614, 29.03.2001, 2000/20/0539; 17.03.2009, 2007/19/0459).

3.2.2. Im Falle einer Rückkehr läuft der BF1 aufgrund seines Alters und der Tatsache, dass er sich - bis auf gesundheitliche Einschränkungen, die eine Ableistung des Militärdienstes nicht verunmöglichen - in einem ausreichend guten Gesundheitszustand befindet, Gefahr, zum Militärdienst in die syrische Armee einrücken zu müssen. Daran vermag auch der Umstand nichts zu ändern, dass der BF1 bis dato keinen Einberufungsbefehl erhalten hat, da es zum nunmehrigen Zeitpunkt aufgrund des bestehenden Mangels an Soldaten zu willkürlichen Einberufungen kommt. Zum einen müsste der BF1 bei einer Rückkehr befürchten, in der syrischen Armee zur Aufstandsbekämpfung eingesetzt und damit zur Mitwirkung an völkerrechtswidrigen Handlungen gezwungen zu werden, widrigenfalls ihm jedenfalls eine Gefängnisstrafe droht. Zum anderen wäre eine Weigerung, in die Armee einzurücken, gemäß den Länderfeststellungen mit drastischen Konsequenzen verbunden. Die Länderfeststellungen lassen erkennen, dass in der Weigerung, den Dienst in der Armee anzutreten, eine oppositionelle politische Gesinnung gesehen wird, die durch unverhältnismäßige Strafen geahndet wird. Dass der BF1 in einem rechtsstaatlichen Verfahren die Gelegenheit hätte, den Vorwurf einer regimefeindlichen Gesinnung zu entkräften, kann nicht angenommen werden.

Aus den Länderfeststellungen geht hervor, dass der Militäreinsatz in der syrischen Armee - dem sich der BF1 letztlich durch seine Ausreise entzogen hat - im derzeitigen bewaffneten Konflikt in Syrien mit einem Zwang zur Verübung menschenrechtswidriger Handlungen und zur Teilnahme an völkerrechtswidrigen Militäraktionen (etwa Angriffe auf die Zivilbevölkerung) verbunden (und damit im Sinne des Abs. 171 des UNHCR-Handbuches über Verfahren und Kriterien zur Feststellung der Flüchtlingseigenschaft den "Grundregeln menschlichen Verhaltens" widersprechend) ist und dass völlig unverhältnismäßige Bestrafungsmaßnahmen und Sanktionen bei Wehrdienstverweigerung und bei Verweigerung von Befehlen im Bereich des Militärdienstes bzw. des Militäreinsatzes (etwa Hinrichtung von Soldaten, die sich weigern, auf Zivilisten und Protestierende, darunter Frauen und Kinder, zu schießen) erfolgen. Davon ist der BF1, dem der Wehrdiensteinsatz bei der syrischen Armee droht, im Falle der Verweigerung bzw. Ablehnung eines solchen Einsatzes mit hoher Wahrscheinlichkeit betroffen. Unter den besonderen Verhältnissen in Syrien kann die Anwendung dieser völlig unverhältnismäßigen Bestrafungsmaßnahmen und Sanktionen seitens der syrischen Regierung nicht anders als dahingehend beurteilt werden, als dass sie auf der generellen Unterstellung einer oppositionellen Gesinnung der Betroffenen beruht. Damit liegt im Hinblick auf die dem BF1 drohende Bestrafung wegen "Wehrdienstverweigerung" als drohender Eingriff von erheblicher Intensität eine asylrelevante Verfolgung vor, weil die Bestrafung in Zusammenhang mit einem Konventionsgrund, nämlich mit dem der "politischen Gesinnung", steht.

In seiner Rechtsprechung vertritt der Verwaltungsgerichtshof die Ansicht, dass unter dem Gesichtspunkt des Zwangs zu völkerrechtswidrigen Militäraktionen - etwa gegen die Zivilbevölkerung - auch eine bloße Gefängnisstrafe asylrelevante Verfolgung darstellen kann (siehe VwGH 25.03.2003, 2001/01/0009). Daher stellt eine (drohende) Strafverfolgung oder Bestrafung wegen Verweigerung des Militärdienstes in einem Konflikt, wenn der Militärdienst Verbrechen oder Handlungen umfassen würde, die unter den Anwendungsbereich der Ausschlussklauseln des Art. 12 Abs. 2 der Richtlinie 2011/95/EU fallen, eine (drohende) asylrelevante Verfolgung dar.

Dies ist nach den Feststellungen der Fall. Es ist davon auszugehen, dass der B

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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