TE Bvwg Erkenntnis 2018/4/30 W126 2154966-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 30.04.2018
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Entscheidungsdatum

30.04.2018

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55

Spruch

W126 2154966-1/12E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Dr. Sabine FILZWIESER-HAT als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX, StA. Afghanistan, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 11.04.2017, Zl. 1045461707-140176350, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 19.10.2017 zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird gemäß §§ 3 Abs. 1, 8 Abs. 1, 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG, §§ 55, 57 AsylG 2005 sowie §§ 46, 52 Abs. 2 Z 2 und Abs. 9, 55 FPG als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer stellte am 15.11.2014 einen Antrag auf internationalen Schutz.

In der Erstbefragung am 16.11.2014 gab der Beschwerdeführer zu seinem Fluchtgrund befragt an, in Afghanistan als Lehrer gearbeitet zu haben. In der Ortschaft, in der er unterrichtet habe, seien viele Taliban gewesen, welche ihn bedroht hätten. Sie hätten den Beschwerdeführer mit dem Umbringen bedroht, wenn er nicht aufhören würde zu unterrichten. Sonst habe er keine weiteren Fluchtgründe.

In der niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden als BFA bezeichnet) am 28.01.2016 führte der Beschwerdeführer an, gesund zu sein, aber vor kurzem eine Mandeloperation gehabt zu haben. Er brachte im Wesentlichen vor, ledig zu sein, der Volksgruppe der Tadschiken anzugehören und muslimischer Sunnit zu sein. Er sei in XXXX, einem Stadtteil von XXXX, in der Provinz Faryab geboren. In XXXX habe er zwölf Jahre lang die Schule besucht und danach angefangen als Lehrer zu arbeiten. Die Familie, bestehend aus Vater, Mutter, vier Schwestern und vier Brüdern, lebe vom Lebensmittelgeschäft des Vaters. Zu einem seiner Brüder habe er etwa alle zwei Wochen Kontakt.

Zum Fluchtgrund befragt erzählte er, dass er als Lehrer in XXXX (in weiterer Folge A.) gearbeitet habe, in dieser Region gebe es keine Sicherheit, da die Taliban aktiv seien. Eines Tages sei der Beschwerdeführer auf dem Weg von der Schule nach Hause mit dem PKW unterwegs gewesen, als ihn Taliban kontrolliert hätten. Sie hätten gesagt, dass der Beschwerdeführer für den afghanischen Staat arbeiten würde. Ihm seien die Augen verbunden worden und er vermute, dass er nach XXXX mitgenommen worden sei. Die Taliban hätten den Beschwerdeführer zwei Tage lang in einem kleinen Zimmer ohne Fenster gefangen gehalten und von ihm verlangt, dass er mit ihnen zusammenarbeite. Sie hätten einerseits verlangt, dass der Beschwerdeführer bzw. seine Eltern den Taliban ein Quartier geben sollten und andererseits hätte der Beschwerdeführer Namen der Personen, welche für den afghanischen Staat arbeiten, aufschreiben sollen. Sie hätten ihm angedroht, ihn zu töten, wenn er zur Polizei gehen sollte. Zwei Wochen habe sich der Beschwerdeführer bei seinem Onkel in XXXX versteckt. Nach langen Diskussionen habe er schließlich Afghanistan verlassen. Nach seiner Entführung sei weder er noch seine Familie nochmals konkret bedroht oder verfolgt worden. Bis jetzt seien die Taliban auch nicht bei der Familie des Beschwerdeführers aufgetaucht. Die Taliban hätten den Beschwerdeführer überall in Afghanistan finden können. Auf Frage, ob er weiter unterrichten habe sollen und den Taliban Informationen geben hätte sollen, antwortete er, die Taliban hätten gesagt, er wohne in der Hauptstadt und arbeite auch in einem anderen Distrikt und sehe, wann staatliche Behörden unterwegs seien und könne ihnen Nachrichten geben. Auf Vorhalt, angegeben zu haben von den Taliban mit Umbringen bedroht worden zu sein, falls er nicht aufhöre zu unterrichten, erwiderte er, vielleicht habe dies der Dolmetscher nicht richtig übersetzt.

Im Rahmen der niederschriftlichen Einvernahme legte der Beschwerdeführer ein am 20..05.2012 ausgestelltes Abschlusszeugnis der 12. Schulstufe, ein vom Ministerium für Erziehung der afghanischen Republik Afghanistan ausgestelltes Schulzeugnis, eine Tazkira, Teilnahmebestätigungen an Veranstaltungen für Lehrer im Jahr 2012 sowie drei Schreiben vor. Laut im Verwaltungsakt befindlicher Übersetzung handelt es sich beim ersten Dokument um ein Schreiben des Beschwerdeführers an das Gouverneursamt der Provinz Faryab, in welchem der Beschwerdeführer ausführte, dass er als Lehrer tätig sei und öfter von Regierungsfeinden bedroht worden sei. Sein Leben sei in Gefahr und er wolle daher das Land verlassen und bitte um Bestätigung seines Problems. Am Ende findet sich die Anmerkung, dass das Problem der genannten Person bestätigt wird und darunter ein Stempel und die Unterschrift des Polizeichefs vom 31.08.2014. In der Anmerkung vom 14.12.2014 steht die stichwortartige Anmerkung, dass das Problem gelöst worden sei. Im zweiten Dokument steht, dass der Beschwerdeführer als Lehrer tätig sei und sein Leben in Gefahr wäre, weil er von Feinden der Regierung bedroht werde. Darunter steht, dass die Bildungsbehörde des Distrikts A. bestätige, dass der Beschwerdeführer im Jahr 2011 die zwölfte Klasse abgeschlossen habe und im Jahr 2012 seine Arbeit als Lehrer in der Jugendschule im Distrikt A. begonnen habe. Er sei von Regierungsfeinden bedroht worden und im Jahr 2014 vom Dienst gekündigt worden. Im dritten Dokument des Verantwortlichen der Provinz Faryab an die Bildungsbehörde der Provinz Faryab, ausgestellt am 14.12.2014, wurde der Antrag des Beschwerdeführers, wohnhaft in XXXX und Lehrer bei der Jugendschule Distrikt A., mit der Bitte um Bearbeitung weitergeleitet.

Weiters legte der Beschwerdeführer Teilnahmebestätigungen von Kursen in Österreich und Unterstützungsschreiben vor.

Am 04.07.2016 langten beim BFA weitere Teilnahmebestätigungen an Kursen sowie eine Urkunde über die Teilnahme bei einem Lauf ein.

2. Mit angefochtenem Bescheid vom 11.04.2017 wies das BFA den Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status als Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) sowie hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 (Spruchpunkt II.) ab und erließ gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG 2005 (Spruchpunkt III). Unter Spruchpunkt IV. wurde ausgesprochen, dass gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG 2005 die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung beträgt.

Begründend wurde in umfangreichen Ausführungen zur Glaubhaftigkeit der Aussagen des Beschwerdeführers dargelegt, dass der Angabe, dass der Beschwerdeführer Lehrer gewesen sei, gefolgt werde, jedoch die näheren Umstände der Entführung des Beschwerdeführers durch die Taliban und seiner Flucht nicht nachvollziehbar seien. Diese Darstellung werde aufgrund der oberflächlichen Angaben und vollständig fehlender Details als nicht glaubhaft angesehen. Zur Rückkehrmöglichkeit nach Afghanistan wurde ausgeführt, dass die Heimatprovinz Faryab zu den volatilen Provinzen gehöre und eine Rückkehr derzeit nicht zugemutet werden könne. Für den Beschwerdeführer bestehe jedoch die Möglichkeit, sich in Kabul niederzulassen und sich dort ein Leben aufzubauen.

Mit Verfahrensanordnung des BFA vom 11.04.2017 wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG für das Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht die ARGE Rechtsberatung - Diakonie und Volkshilfe als Rechtsberater zur Seite gestellt.

3. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde in vollem Umfang.

In der Beschwerde wurde zusammengefasst ausgeführt, dass der Beschwerdeführer plausibel und leicht nachvollziehbar geschildert habe, dass er wegen seiner Tätigkeit als Lehrer in Afghanistan mit dem Tod bedroht worden sei. Zudem habe er ein Bestätigungsschreiben des Schuldirektors vorgelegt, das bezeuge, dass der Beschwerdeführer aufgrund seiner Tätigkeit als Lehrer bedroht und verfolgt worden sei. Die belangte Behörde habe das Schreiben ignoriert und das Verfahren dadurch mit einem Verfahrensmangel belastet. Darüber hinaus wurde auf diverse Länderberichte betreffend die Situation für Lehrer in Afghanistan, die Taliban, Binnenflüchtlinge und die Schutzfähigkeit der afghanischen Sicherheitsbehörden sowie auf die aktuellen UNHCR Richtlinien über Afghanistan vom 19.04.2016 verwiesen.

4. Am 19.10.2017 führte das Bundesverwaltungsgericht eine mündliche Verhandlung durch, an welcher der Beschwerdeführer und ein von diesem bevollmächtigter Rechtsanwalt teilnahmen. Ein Vertreter der belangten Behörde nahm (entschuldigt) nicht an der Verhandlung teil.

Der Beschwerdeführer gab in der Verhandlung zusammengefasst an, dass er gemeinsam mit seinem Vater, seiner Mutter und seiner Schwester in der Provinz Faryab in der Stadt im dritten Bezirk in XXXX gelebt habe. Seine Brüder seien verheiratet und würden nicht mehr bei den Eltern wohnen. Diese arbeiten selbständig in eigenen Geschäften und leben ebenfalls in der Provinz Faryab. Der Beschwerdeführer habe Kontakt zu einem seiner Brüder gehabt, seit 2016 habe er aufgrund der schlechten Verbindungen keinen Kontakt mehr zu seiner Familie, weshalb er auch nicht wisse, ob sich seine Familie weiterhin im Heimatort aufhalte. Vor circa acht Monaten sei seine Cousine nach Deutschland gekommen, weil ihr Ehemann dort lebe. Sie habe dem Beschwerdeführer erzählt, dass seine Eltern noch im Heimatdorf leben würden.

In Österreich habe er keine Verwandten. Er besuche drei Mal pro Woche einen Deutschkurs und nehme jeden Freitag in der "Familienstraße" am Mathematikunterricht sowie jeden Mittwoch am "Sprachcafe" teil. Derzeit besuche er den A2-Deutschkurs. Er sei mittlerweile in der Lage alleine zum Arzt zu gehen und Behördenwege zu erledigen. Er habe sich an die kulturellen Gegebenheiten gewöhnt und pflege Kontakte zu Österreichern.

In Afghanistan habe der Beschwerdeführer als Lehrer Biologie und Sport in einer Schule für Höhere Bildung unterrichtet. Seine Schüler seien Jungen zwischen 18 und 20 Jahren gewesen. Der Beschwerdeführer habe davor eine Schule für Höhere Bildung besucht und diese nach zwölf Jahren mit circa 20 oder 21 Jahren abgeschlossen. Da er keinen Beruf erlernt habe, habe er sich für die Stelle als Lehrer beworben. Sein Arbeitsort sei circa 30 km von der Stadt entfernt gewesen. Er sei am Samstag in der Früh in den Distrikt A. gefahren und sei bis Donnerstagnachmittag dort geblieben. Am Wochenende sei er zu Hause gewesen. Unter der Woche habe er in der Stadt A. ein Zimmer zur Verfügung gestellt bekommen.

Der Beschwerdeführer habe Afghanistan verlassen, weil die Region, in der er unterrichtet habe eine unsichere Region gewesen sei. Er habe an einem Donnerstag von A. nach Hause fahren wollen und sei mit zwei weiteren Fahrgästen mit einem Linienfahrzeug gesessen, als das Fahrzeug angehalten worden sei. Das Fahrzeug sei von drei bewaffneten Taliban auf zwei Motorrädern angehalten worden. Die Insassen seien durchsucht worden und dabei hätten sie Dokumente des Beschwerdeführers über die Schule gefunden. Sie hätten den Beschwerdeführer daraufhin mit verbundenen Augen auf einem der Motorräder mitgenommen. Der Beschwerdeführer habe den Taliban erklärt, dass er im Bildungsbereich tätig sei und unterrichten würde. Die Taliban hätten vom Beschwerdeführer verlangt, dass er mit ihnen zusammenarbeiten solle. Der Raum, in dem er festgehalten worden sei, sei eine kleine Hütte aus Holz und Erde gewesen. Die Taliban seien immer wieder zum Beschwerdeführer gekommen und hätten gesagt, dass er sie durch seine Kontakte beim Bildungspräsidium und in anderen Behörden einschleusen könne. Aus Angst habe er die Forderungen akzeptiert. Danach hätten die Taliban den Beschwerdeführer zu einer Straße ungefähr 30-45 Autominuten von der Hütte entfernt gebracht, woraufhin er nach Hause gegangen sei. Der Vater des Beschwerdeführers sei sehr besorgt gewesen und der Beschwerdeführer habe sich zwei Wochen im Haus seines Onkels väterlicherseits versteckt gehalten. In diesem Zeitraum sei seine Flucht organisiert worden.

Während seiner Gefangenschaft habe der Beschwerdeführer drei oder vier Leute gesehen, welche zu ihm in den Raum gekommen seien. Es seien immer die gleichen Personen gewesen. Die Taliban hätten gewollt, dass der Beschwerdeführer ihnen Zugang zu Behörden verschaffe und ihnen erzähle, wo Mitarbeiter der Regierung wohnen würden. Sie hätten diese Leute töten wollen, das sei ihr einziges Ziel. Der Beschwerdeführer habe über diese Informationen verfügt und habe auch Zugang zu den einzelnen Behörden gehabt. Als er freigelassen worden sei, habe sich der Beschwerdeführer bereit erklärt, ihre Forderungen zu erfüllen. Es sei vereinbart worden, dass der Beschwerdeführer nach Hause gehe und auf ihren Anruf warte. Zum Zeitpunkt der Entführung habe der Beschwerdeführer einen Unterrichtsplan und eine Anwesenheitsliste, auf der sein Name gestanden sei, bei sich gehabt. Die Taliban hätten den Beschwerdeführer nach seiner Adresse gefragt und aus Angst um sein Leben habe er ihnen alles erzählt. In den zwei Wochen, in denen sich der Beschwerdeführer versteckt gehalten habe, sei sein Vater zu den Behörden gegangen. Er habe ein Schreiben des Bildungspräsidiums, in dem stehe, dass der Beschwerdeführer wegen einer Bedrohung nicht mehr zur Arbeit erscheinen könne, vorgelegt. Der Schuldirektor habe von der zweitägigen Gefangenschaft gewusst, weil der Lenker, jenes Fahrzeuges, in dem der Beschwerdeführer angehalten worden sei, in der gleichen Straße wie der Schuldirektor gewohnt habe. Dieser habe es dem Direktor erzählt. Zum Zeitpunkt der Freilassung des Beschwerdeführers sei vereinbart worden, dass die Taliban Kontakt zum Beschwerdeführer aufnehmen würden. Da er nicht mehr zu Hause gewesen sei, hätten sie ihn auch nicht finden können. Während der zwei Wochen, in denen sich der Beschwerdeführer versteckt gehalten habe, habe sich für den Vater des Beschwerdeführers kein Vorfall ereignet. Bis jetzt habe der Vater des Beschwerdeführers keine Probleme mit den Taliban bekommen. Wenn der Beschwerdeführer in Afghanistan geblieben wäre, wäre seine ganze Familie getötet worden. Sein Vater sei alt, die Taliban hätten ihn nicht mehr für ihre Zwecke ausnutzen können. Beim Beschwerdeführer zu Hause seien die Taliban auch nach seiner Ausreise nie gewesen. Vielleicht seien sie noch immer auf der Suche nach ihm.

Im Jahr 2013 seien Mitarbeiter einer Organisation, die Schüler unterstützt hätten, von den Taliban auf dem Weg nach A. getötet worden. Es gebe 36 andere Lehrer, von denen viele in A. leben würden. Es sei möglich, dass sie Verbindungen zu den Taliban haben. Vor diesem Vorfall sei der Beschwerdeführer nicht von den Taliban bedroht worden. Danach habe er sich gefährdet gefühlt. In dem Ort, in dem der Beschwerdeführer gearbeitet habe, seien Regierungsfeinde immer aktiv gewesen. Der Beschwerdeführer sei immer mit Angst zur Arbeit gegangen. Im Fall einer Rückkehr befürchte der Beschwerdeführer, dass die Taliban ihn finden und töten werden, weil er sich geweigert habe, mit ihnen zusammenzuarbeiten. Hätte er sich den Taliban angeschlossen, wäre er einer Verfolgung durch die Regierung ausgesetzt gewesen. Er könne nicht nach Kabul gehen, weil die Taliban eine starke Bande seien, die ihre Zielpersonen überall finden könnten. Außerdem habe der Beschwerdeführer in Kabul keine Verwandten. Der Vater des Beschwerdeführers sei Verkäufer und könne mit dem Geld die Familie in Faryab versorgen. Abgesehen davon gebe es in Kabul immer wieder Anschläge und die Lage sei sehr unsicher.

Im Rahmen der mündlichen Verhandlung wurden das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Afghanistan, Gesamtaktualisierung vom 02.03.2017 inkl. Kurzinformation (aktuelle Version mit Stand Ende September 2017), die Richtlinien des UNHCR zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 19.04.2016, das Gutachten Mag. Karl Mahringer vom 05.03.2017 mit aktualisierter Ergänzung vom 15.05.2017 sowie die Notiz Afghanistan, EJPD, Alltag in Kabul, Juni 2017, Referat von Thomas Ruttig am 12.04.2017, dem Verfahren zugrunde gelegt und dem Beschwerdeführer eine Frist von zwei Wochen für eine Stellungnahme dazu eingeräumt.

Der Beschwerdeführer legte eine Teilnahmebestätigung an einem Deutschkurs und an einem Lauf und ein Foto davon sowie mehrere Referenzschreiben vor.

In der Stellungnahme des Beschwerdeführers vom 02.11.2017 wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass die Sicherheitslage in ganz Afghanistan nach wie vor schlecht sei. Aus den Länderfeststellungen sei klar ersichtlich, dass die Sicherheitslage nach wie vor äußerst instabil sei, obwohl Kabul als "sicher" eingestuft werde und die täglichen Anschläge nicht vordergründig der Zivilgesellschaft gelten, die meisten Opfer aber Zivilisten seien. Faryab, die Heimatprovinz des Beschwerdeführers, zähle zu den relativ volatilen Provinzen. Die Länderberichte würden das Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers bekräftigen, der aufgrund seiner Tätigkeit als Lehrer ins Visier der Taliban geraten sei und somit zu einer Risikogruppe gehöre. Der Beschwerdeführer habe sonst keine Berufserfahrung und würde bei einer etwaigen Rückkehr nach Afghanistan wieder als Lehrer arbeiten und es sei nicht ausgeschlossen, dass er an einem anderen Ort aufgrund seiner Tätigkeit Schwierigkeiten bekommen würde. Es sei bekannt, dass die Taliban Bildung als "gefährliches Gut" ansehen und es nicht gern gesehen werde, wenn Kinder weitergebildet werden. Somit seien Lehrer an erster Stelle gefährdet und sei der Beschwerdeführer durch seinen Beruf den Taliban ein Dorn im Auge.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer ist afghanischer Staatsangehöriger, Angehöriger der Volksgruppe der Tadschiken und sunnitischer Muslim. Seine Muttersprache ist Dari und er spricht auch Uzbiki.

Der Beschwerdeführer ist volljährig, gesund und im erwerbsfähigen Alter. Er ist zum Entscheidungszeitpunkt ledig und hat keine Kinder.

Er stammt aus XXXX in der Provinz Faryab. Die Eltern des Beschwerdeführers leben gemeinsam mit dessen Schwester nach wie vor im Heimatort. Die Brüder des Beschwerdeführers sind verheiratet und leben ebenfalls in der Provinz Faryab. Der Vater des Beschwerdeführers ist Eigentümer eines Lebensmittelgeschäftes und versorgt damit seine Familie. Die Brüder des Beschwerdeführers sind verheiratet und versorgen sich und ihre Familien. Einer der Brüder besitzt ein Bekleidungsgeschäft, ein anderer Bruder des Beschwerdeführers besitzt einen Teppichhandel.

Der Beschwerdeführer besuchte zwölf Jahre lang die Schule und arbeitete danach zwei Jahre lang von 2012 bis 2014 in der Stadt A. als Lehrer in einer Schule für Höhere Bildung und unterrichtete Jungen im Alter zwischen 18 und 20 Jahren. Der Beschwerdeführer wohnte in den zwei Jahren vor seiner Ausreise aus Afghanistan von Donnerstag bis Samstag gemeinsam mit seinen Eltern und seiner Schwester in XXXX und von Samstag bis Donnerstag in einem ihm zur Verfügung gestellten Zimmer in A..

1.2. Zur Rückkehrmöglichkeit nach Afghanistan:

Im Falle einer Rückkehr drohen dem Beschwerdeführer keine gegen seine Person gerichtete Bedrohungen oder Übergriffe. Es kam während der Tätigkeit des Beschwerdeführers zu keiner Entführung und Bedrohung durch die Taliban. Er wurde von den Taliban auch nicht zur Zusammenarbeit aufgefordert. Weder der Beschwerdeführer noch seine Familienangehörigen wurden in Afghanistan von den Taliban bedroht oder verfolgt.

Eine Rückkehr des Beschwerdeführers in seine Heimatprovinz Faryab ist nicht zumutbar.

Eine Ansiedlung des Beschwerdeführers in Kabul ist möglich und zumutbar. Er kann die Stadt Kabul von Österreich sicher mit dem Flugzeug erreichen. Der Beschwerdeführer hat bislang nicht in Kabul gelebt hat und verfügt dort über kein familiäres Netzwerk, er kann sich aber in Kabul eine Existenz aufzubauen und diese mit Hilfs- und Gelegenheitsarbeiten und unter Nutzung seiner Berufserfahrung und Schulbildung sichern. Er kann auch mit vorübergehender finanzieller Hilfe seiner in der Provinz Faryab lebenden Familie rechnen. Außerdem besteht die Möglichkeit, zunächst finanzielle Unterstützung in Form der Rückkehrhilfe in Anspruch zu nehmen.

1.3. Zur Situation des Beschwerdeführers in Österreich:

Der Beschwerdeführer befindet sich seit seiner Asylantragstellung am 15.11.2014 in Österreich.

Der Beschwerdeführer hat keine Familienangehörigen oder Verwandten in Österreich.

Der Beschwerdeführer wird im Rahmen der Grundversorgung versorgt.

Er besucht in Österreich drei Mal pro Woche einen Deutschkurs und nimmt wöchentlich an einem Mathematikunterricht sowie an einem Sprachcafe teil. Der Beschwerdeführer hat freundschaftlichen Kontakt zu österreichischen Privatpersonen, engagiert sich gemeinnützig und nimmt regelmäßig an gemeinsamen sportlichen Aktivitäten, wie zB Läufen, teil.

Der Beschwerdeführer ist zum Zeitpunkt dieser Entscheidung strafrechtlich unbescholten.

1.4. Zur maßgeblichen Lage in Afghanistan im konkreten Fall werden nachfolgende Feststellungen getroffen:

Sicherheitslage

Die Sicherheitslage ist beeinträchtigt durch eine tief verwurzelte militante Opposition. Die afghanische Regierung behält die Kontrolle über Kabul, größere Bevölkerungszentren, Transitrouten, Provinzhauptstädten und den Großteil der Distriktzentren. Die afghanischen Sicherheitskräfte zeigten Entschlossenheit und steigerten auch weiterhin ihre Leistungsfähigkeit im Kampf gegen den von den Taliban geführten Aufstand. Die Taliban kämpften weiterhin um Distriktzentren, bedrohten Provinzhauptstädte und eroberten landesweit kurzfristig Hauptkommunikationsrouten; speziell in Gegenden von Bedeutung wie z.B. Kunduz City und der Provinz Helmand (USDOD 12.2016). Zu Jahresende haben die afghanischen Sicherheitskräfte (ANDSF) Aufständische in Gegenden von Helmand, Uruzgan, Kandahar, Kunduz, Laghman, Zabul, Wardak und Faryab bekämpft (SIGAR 30.01.2017).

In den letzten zwei Jahren hatten die Taliban kurzzeitig Fortschritte gemacht, wie z.B. in Helmand und Kunduz, nachdem die ISAF-Truppen die Sicherheitsverantwortung den afghanischen Sicherheits- und Verteidigungskräften (ANDSF) übergeben hatten. Die Taliban nutzen die Schwächen der ANDSF aus, wann immer sie Gelegenheit dazu haben. Der IS (Islamischer Staat) ist eine neue Form des Terrors im Namen des Islam, ähnlich der al- Qaida, auf zahlenmäßig niedrigerem Niveau, aber mit einem deutlich brutaleren Vorgehen. Die Gruppierung operierte ursprünglich im Osten entlang der afghanisch-pakistanischen Grenze und erscheint, Einzelberichten zufolge, auch im Nordosten und Nordwesten des Landes (Lokaler Sicherheitsberater in Afghanistan 17.02.2017).

Mit Stand September 2016, schätzen Unterstützungsmission der NATO, dass die Taliban rund 10% der Bevölkerung beeinflussen oder kontrollieren. Die afghanischen Verteidigungsstreitkräfte (ANDSF) waren im Allgemeinen in der Lage, große Bevölkerungszentren zu beschützen. Sie hielten die Taliban davon ab, Kontrolle in bestimmten Gegenden über einen längeren Zeitraum zu halten und reagierten auf Talibanangriffe. Den Taliban hingegen gelang es, ländliche Gegenden einzunehmen; sie kehrten in Gegenden zurück, die von den ANDSF bereits befreit worden waren, und in denen die ANDSF ihre Präsenz nicht halten konnten. Sie führten außerdem Angriffe durch, um das öffentliche Vertrauen in die Sicherheitskräfte der Regierung, und deren Fähigkeit, für Schutz zu sorgen, zu untergraben (USDOD 12.2016). Berichten zufolge hat sich die Anzahl direkter Schussangriffe der Taliban gegen Mitglieder der afghanischen Nationalarmee (ANA) und afghanischen Nationalpolizei (ANP) erhöht (SIGAR 30.01.2017).

Einem Bericht des U.S. amerikanischen Pentagons zufolge haben die afghanischen Sicherheitskräfte Fortschritte gemacht, wenn auch keine dauerhaften (USDOD 12.2016). Laut Innenministerium wurden im Jahr 2016 im Zuge von militärischen Operationen - ausgeführt durch die Polizei und das Militär - landesweit mehr als 18.500 feindliche Kämpfer getötet und weitere 12.000 verletzt. Die afghanischen Sicherheitskräfte versprachen, sie würden auch während des harten Winters gegen die Taliban und den Islamischen Staat vorgehen (VOA 05.01.2017).

Obwohl die afghanischen Sicherheitskräfte alle Provinzhauptstädte sichern konnten, wurden sie von den Taliban landesweit herausgefordert: intensive bewaffnete Zusammenstöße zwischen Taliban und afghanischen Sicherheitskräften verschlechterten die Sicherheitslage im Berichtszeitraum (16.08. - 17.11.2016) (UN GASC 13.12.2016; vgl. auch: SCR 30.11.2016). Den afghanischen Sicherheitskräften gelang es im August 2016, mehrere große Talibanangriffe auf verschiedene Provinzhauptstädte zu vereiteln, und verlorenes Territorium rasch wieder zurückzuerobern (USDOD 12.2016).

Als sichere Gebiete werden in der Regel die Hauptstadt Kabul und die regionalen Zentren Herat und Mazar-e Sharif genannt. Die Wahrscheinlichkeit, hier Opfer von Kampfhandlungen zu werden, ist relativ geringer als zum Beispiel in den stark umkämpften Provinzen Helmand, Nangarhar und Kunduz (DW 31.05.2017).

Kontrolle von Distrikten und Regionen

Den Aufständischen misslangen acht Versuche, die Provinzhauptstadt einzunehmen; den Rebellen war es möglich, Territorium einzunehmen. High-profile Angriffe hielten an. Im vierten Quartal 2016 waren 2,5 Millionen Menschen unter direktem Einfluss der Taliban, während es im 3. Quartal noch 2,9 Millionen waren (SIGAR 30.01.2017).

Laut einem Sicherheitsbericht für das vierte Quartal, sind 57,2% der 407 Distrikte unter Regierungskontrolle bzw. -einfluss; dies deutet einen Rückgang von 6,2% gegenüber dem dritten Quartal: zu jenem Zeitpunkt waren 233 Distrikte unter Regierungskontrolle, 51 Distrikte waren unter Kontrolle der Rebellen und 133 Distrikte waren umkämpft. Provinzen, mit der höchsten Anzahl an Distrikten unter Rebelleneinfluss oder -kontrolle waren: Uruzgan mit 5 von 6 Distrikten, und Helmand mit 8 von 14 Distrikten. Regionen, in denen Rebellen den größten Einfluss oder Kontrolle haben, konzentrieren sich auf den Nordosten in Helmand, Nordwesten von Kandahar und die Grenzregion der beiden Provinzen (Kandahar und Helmand), sowie Uruzgan und das nordwestliche Zabul (SIGAR 30.01.2017).

Rebellengruppen

Regierungsfeindliche Elemente versuchten weiterhin durch Bedrohungen, Entführungen und gezielten Tötungen ihren Einfluss zu verstärken. Im Berichtszeitraum wurden 183 Mordanschläge registriert, davon sind 27 gescheitert. Dies bedeutet einen Rückgang von 32% gegenüber dem Vergleichszeitraum im Jahr 2015 (UN GASC 13.12.2016). Rebellengruppen, inklusive hochrangiger Führer der Taliban und des Haqqani Netzwerkes, behielten ihre Rückzugsgebiete auf pakistanischem Territorium (USDOD 12.2016).

Afghanistan ist mit einer Bedrohung durch militante Opposition und extremistischen Netzwerken konfrontiert; zu diesen zählen die Taliban, das Haqqani Netzwerk, und in geringerem Maße al-Qaida und andere Rebellengruppen und extremistische Gruppierungen. Die Vereinigten Staaten von Amerika unterstützen eine von Afghanen geführte und ausgehandelte Konfliktresolution in Afghanistan - gemeinsam mit internationalen Partnern sollen die Rahmenbedingungen für einen friedlichen politischen Vergleich zwischen afghanischer Regierung und Rebellengruppen geschaffen werden (USDOD 12.2016).

Zwangsrekrutierungen durch die Taliban, Milizen, Warlords oder kriminelle Banden sind nicht auszuschließen. Konkrete Fälle kommen jedoch aus Furcht vor Konsequenzen für die Rekrutierten oder ihren Familien kaum an die Öffentlichkeit (AA 9.2016).

Taliban

Die Fähigkeiten der Taliban und ihrer Operationen variieren regional signifikant; sie verwerten aber weiterhin ihre begrenzten Erfolge, indem sie diese auf sozialen Medien und durch Propagandakampagnen als strategische Siege bewerben (US DOD 6.2017).

Die Taliban haben ihre diesjährige Frühjahrsoffensive "Operation Mansouri" am 28. April 2017 eröffnet (UN GASC 20.06.2017; vgl. auch:

BBC 07.05.2017). In einer Stellungnahme verlautbarten sie folgende Ziele: um die Anzahl ziviler Opfer zu minimieren, wollen sie sich auf militärische und politische Ziele konzentrieren, indem ausländische Kräfte in Afghanistan, sowie ihre afghanischen Partner angegriffen werden sollen. Nichtdestotrotz gab es bezüglich der Zahl ziviler Opfer keine signifikante Verbesserung (UN GASC 20.06.2017).

Während des Berichtszeitraumes der Vereinten Nationen gelang es den Taliban den strategischen Distrikt Zaybak/Zebak in der Provinz Badakhshan zu erobern (UN GASC 20.06.2017; vgl. auch: Pajhwok 11.5.2017); die afghanischen Sicherheitskräfte konnten den Distrikt einige Wochen später zurückerobern (Pajhwok 11.05.2017). Kurzfristig wurden auch der Distrikt Sangin in Helmand, der Distrikt Qal'ah-e Zal in Kunduz und der Distrikt Baha' al-Din in Takhar von den Taliban eingenommen (UN GASC 20.6.2017).

Bei einer Friedens- und Sicherheitskonferenz in Kabul wurde unter anderem überlegt, wie die radikal-islamischen Taliban an den Verhandlungstisch geholt werden könnten (Tagesschau 6.6.2017).

Präsident Ghani verlautbarte mit den Taliban reden zu wollen:

sollten die Taliban dem Friedensprozess beiwohnen, so werde die afghanische Regierung ihnen erlauben ein Büro zu eröffnen; dies sei ihre letzte Chance (WP 06.06.2017).

Zivile Opfer

Die Mission der Vereinten Nationen in Afghanistan (UNAMA) dokumentiert weiterhin regierungsfeindliche Elemente, die illegale und willkürliche Angriffe gegen Zivilist/innen ausführen (UNAMA 10.2016). Zwischen 1.1. und 31.12.2016 registrierte UNAMA 11.418 zivile Opfer (3.498 Tote und 7.920 Verletzte) - dies deutet einen Rückgang von 2% bei Getöteten und eine Erhöhung um 6% bei Verletzten im Gegensatz zum Vergleichszeitraum des Jahres 2015 an. Bodenkonfrontation waren weiterhin die Hauptursache für zivile Opfer, gefolgt von Selbstmordangriffen und komplexen Attentaten, sowie unkonventionellen Spreng- und Brandvorrichtung (IED), und gezielter und willkürlicher Tötungen (UNAMA 6.2.2017).

UNAMA verzeichnete 3.512 minderjährige Opfer (923 Kinder starben und 2.589 wurden verletzt) - eine Erhöhung von 24% gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahres; die höchste Zahl an minderjährigen Opfern seit Aufzeichnungsbeginn. Hauptursache waren Munitionsrückstände, deren Opfer meist Kinder waren. Im Jahr 2016 wurden 1.218 weibliche Opfer registriert (341 Tote und 877 Verletzte), dies deutet einen Rückgang von 2% gegenüber dem Vorjahr an (UNAMA 6.2.2017).

Hauptsächlich waren die südlichen Regionen von dem bewaffneten Konflikt betroffen: 2.989 zivilen Opfern (1.056 Tote und 1.933 Verletzte) - eine Erhöhung von 17% gegenüber dem Jahr 2015. In den zentralen Regionen wurde die zweithöchste Rate an zivilen Opfern registriert: 2.348 zivile Opfer (534 Tote und 1.814 Verletzte) - eine Erhöhung von 34% gegenüber dem Vorjahreswert, aufgrund von Selbstmordangriffen und komplexen Angriffe auf die Stadt Kabul. Die östlichen und nordöstlichen Regionen verzeichneten einen Rückgang bei zivilen Opfern: 1.595 zivile Opfer (433 Tote und 1.162 Verletzte) im Osten und 1.270 zivile Opfer (382 Tote und 888 Verletzte) in den nordöstlichen Regionen. Im Norden des Landes wurden 1.362 zivile Opfer registriert (384 Tote und 978 Verletzte), sowie in den südöstlichen Regionen 903 zivile Opfer (340 Tote und 563 Verletzte). Im Westen wurden 836 zivile Opfer (344 Tote und 492 Verletzte) und 115 zivile Opfer (25 Tote und 90 Verletzte) im zentralen Hochgebirge registriert (UNAMA 6.2.2017).

Laut UNAMA waren 61% aller zivilen Opfer regierungsfeindlichen Elementen zuzuschreiben (hauptsächlich Taliban), 24% regierungsfreundlichen Kräften (20% den afghanischen Sicherheitskräften, 2% bewaffneten regierungsfreundlichen Gruppen und 2% internationalen militärischen Kräften); Bodenkämpfen zwischen regierungsfreundlichen Kräften und regierungsfeindlichen Kräften waren Ursache für 10% ziviler Opfer, während 5% der zivilen Opfer vorwiegend durch Unfälle mit Munitionsrückständen bedingt waren (UNAMA 6.2.2017).

Landesweit war der bewaffnete Konflikt weiterhin Ursache für Verluste in der afghanischen Zivilbevölkerung. Zwischen dem 01.01. und 30.06.2017 registrierte die UNAMA 5.243 zivile Opfer (1.662 Tote und 3.581 Verletzte). Dies bedeutet insgesamt einen Rückgang bei zivilen Opfern von fast einem 1% gegenüber dem Vorjahreswert. Dem bewaffneten Konflikt in Afghanistan fielen zwischen 1.1.2009 und 30.6.2017 insgesamt 26.512 Zivilist/innen zum Opfer, während in diesem Zeitraum 48.931 verletzt wurden (UNAMA 7.2017).

Im ersten Halbjahr 2017 war ein Rückgang ziviler Opfer bei Bodenoffensiven zu verzeichnen, während sich die Zahl ziviler Opfer aufgrund von IEDs erhöht hat (UNAMA 7.2017).

Die Provinz Kabul verzeichnete die höchste Zahl ziviler Opfer - speziell in der Hauptstadt Kabul: von den 1.048 registrierten zivilen Opfer (219 Tote und 829 Verletzte), resultierten 94% aus Selbstmordattentaten und Angriffen durch regierungsfeindliche Elemente. Nach der Hauptstadt Kabul verzeichneten die folgenden Provinzen die höchste Zahl ziviler Opfer: Helmand, Kandahar, Nangarhar, Uruzgan, Faryab, Herat, Laghman, Kunduz und Farah. Im ersten Halbjahr 2017 erhöhte sich die Anzahl ziviler Opfer in 15 von Afghanistans 34 Provinzen (UNAMA 7.2017)

Kabul

Die Provinzhauptstadt von Kabul und gleichzeitig Hauptstadt von Afghanistan ist Kabul Stadt. Die Provinz Kabul grenzt im Nordwesten an die Provinz Parwan, im Nordosten an Kapisa, im Osten an Laghman, Nangarhar im Südosten, Logar im Süden und (Maidan) Wardak im Südwesten. Kabul ist mit den Provinzen Kandahar, Herat und Mazar durch die sogenannte Ringstraße und mit Peshawar in Pakistan durch die Kabul-Torkham Autobahn verbunden. Die Stadt hat 22 Stadtgemeinden und 14 administrative Einheiten (Pajhwok o.D.z). Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf 4.523.718 geschätzt (CSO 2016).

Im Zeitraum 01.09.2015 - 31.05.2016 wurden im Distrikt Kabul 151 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert (EASO 11.2016).

Im Zeitraum 01.09.2015. - 31.05.2016 wurden in der gesamten Provinz Kabul 161 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert (EASO 11.2016).

Die afghanische Regierung behält die Kontrolle über Kabul, größere Transitrouten, Provinzhauptstädte und fast alle Distriktzentren (USDOD 12.2015). Aufständischengruppen planen oft Angriffe auf Gebäude und Individuen mit afghanischem und amerikanischem Hintergrund: afghanische und US-amerikanische Regierungseinrichtungen, ausländische Vertretungen, militärische Einrichtungen, gewerbliche Einrichtungen, Büros von Nichtregierungsorganisation, Restaurants, Hotels und Gästehäuser, Flughäfen und Bildungszentren (Khaama Press 13.01.2017). Nach einem Zeitraum länger andauernder relativer Ruhe in der Hauptstadt, explodierte im Jänner 2017 in der Nähe des afghanischen Parlaments eine Bombe; bei diesem Angriff starben mehr als 30 Menschen (DW 10.01.2017). Die Taliban bekannten sich zu diesem Vorfall und gaben an, hochrangige Beamte des Geheimdienstes wären ihr Ziel gewesen (BBC News 10.01.2017).

In der Provinz Kabul finden regelmäßig militärische Operationen statt (Afghanistan Times 08.02.2017; Khaama Press 10.01.2017; Tolonews 04.01.2017a; Bakhtar News 29.06.2016). Taliban Kommandanten der Provinz Kabul wurden getötet (Afghan Spirit 18.07.2016). Zusammenstößen zwischen Taliban und Sicherheitskräften finden statt (Tolonews 04.01.2017).

Regierungsfeindliche Aufständische greifen regelmäßig religiöse Orte, wie z.B. Moscheen, an. In den letzten Monaten haben eine Anzahl von Angriffen, gezielt gegen schiitische Muslime, in Hauptstädten, wie Kabul und Herat stattgefunden (Khaama Press 02.01.2017; vgl. auch: UNAMA 06.02.2017).

Faryab

Faryab ist eine nördliche Provinz, die an Turkmenistan grenzt. Die Provinz wird im Osten und Südosten von der Provinz Sar-e Pul eingeschlossen. Im Süden grenzt sie an die Provinz Ghor und im Westen an die Provinz Badghis. Die Hauptstadt ist Maimana City.

Faryab hat folgende Distrikte: Pashtun Kot, A., Qaysar, Khawaja Sahib Posh, ShirinTagab, Dawlat Abad, Bilchiragh, Gorzaiwan und Kohistan. In der Andikhoi Region die Bezirke Qurghan, Qarmaqol und Khan Charbagh. Der Bezirk Ghormach wurde vor Jahren von der Provinz Badghis an die Provinz Faryab abgetreten. Die offizielle Anerkennung der Bezirke Chalgazi, Bandar und Khawaja Musa durch die Zentralregierung ist noch ausständig (Pajhwok o.D.i). Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf 1.015.335 geschätzt (CSO 2016).

Im Zeitraum 01.09.2015 - 31.05.2016 wurden in der Provinz Faryab, 771 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert (EASO 11.2016).

Faryab zählt zu den relativ volatilen Provinzen in Nordafghanistan; Mitglieder Aufständischer Gruppen, wie den Taliban oder dem IMU (Islamic Movement of Uzbekistan) sind in dieser Provinz aktiv (Khaama Press 25.12.2016). Nordafghanistan war einst ein relativ friedlicher Teil des Landes (RFE/RL 03.06.2016). Die Taliban eroberten im Herbst 2016 kurzfristig das administrative Zentrum des Distrikts Ghormach (UN GASC 13.12.2016).

Taliban und andere lokale regierungsfeindliche Gruppen haben dieses Jahr territoriale Gewinne gemacht, indem immer wieder schlecht bemannte Polizei-Checkpoints in abgelegenen Distrikten eingenommen wurden (The Telegraph 01.02.2017; vgl. auch: Pajhwok 03.02.2017; Pajhwok 02.10.2016).

In der Provinz werden regelmäßig militärische Operationen durchgeführt um bestimmte Gegenden von Aufständischen zu befreien (The Telegraph 01.02.2017; Tolonews 02.01.2017; Tolonews 29.01.2017;

Khaama Press 10.01.2017; Khaama Press 25.12.2016; Pajhwok 23.12.2016; Khaama Press 03.09.2016; Radio Pakistan 16.05.2016);

unter anderem in Form von Luftangriffen (Khaama Press 29.12.2016). Es kommt zu Zusammenstößen zwischen afghanischen Sicherheitskräften und den Taliban (UNAMA 06.02.2017; The Telegraph 01.02.2017; RFE/RL 03.06.2016); dabei wurden Taliban-Kämpfer getötet (Pajhwok 03.02.2017; Pajhwok 07.11.2016).

Binnenflüchtlinge (IDPs) und Flüchtlinge

Einem Bericht des Internationalen Währungsfonds (IWF) zufolge, verkomplizieren rückkehrende Flüchtlinge die Situation der bereits mehr als eine Million Binnenvertriebenen, deren Anzahl sich aufgrund des Aufstandes im Jahr 2016 erhöht hat. Nach Meinung des IWF wird dies die Kapazitäten des Landes überfordern (DAWN 28.01.2017).

Die Zahl der Internvertriebenen im Jahr 2017 betrug 9.759 (Stand 04.02.2017) (UN OCHA 05.02.2017). 636.503 Menschen wurden insgesamt im Jahr 2016 aufgrund des Konfliktes vertrieben (UN OCHA 29.01.2017). Mehr als die Hälfte dieser Menschen (56%) waren Kinder unter 18 Jahren. Von Binnenvertreibung betroffen waren 31 Provinzen in unterschiedlichem Ausmaß; alle 34 Provinzen beherbergten Binnenvertriebene. Im Jahr 2016 stammten die meisten Binnenvertriebenen aus den Provinzen Kunduz, Uruzgan, Farah und Helmand. Gleichzeitig nahmen die Provinzen Helmand, Takhar, Farah, Kunduz und Kandahar die meisten Binnenvertriebenen auf. Viele Menschen suchen also in der Nähe ihrer Heimat Schutz. Binnenvertriebene tendieren dazu aus ländlichen Gebieten in die Provinzhauptstädte zu ziehen, oder in die angrenzenden Provinzen zu gehen. Sobald der Konflikt zu Ende ist, versuchen sie bald wieder nach Hause zu kehren (AAN 28.12.2016).

Der verhängnisvollste Monat war Oktober, in welchem die Taliban mehrere Provinzhauptstädte gleichzeitig angriffen: Kunduz City, Farah City, Maimana, und Lashkar Gah. Der Anstieg der IDP-Zahlen ist auch auf den Rückzug internationaler Truppen zurückzuführen, die durch Luftangriffe unterstützten; mittlerweile haben die Taliban ihre Angriffstaktik geändert und sind zu Bodenoffensiven übergegangen. Bodenoffensiven sind nicht nur die Ursache für Tote und Verletzte innerhalb der Zivilbevölkerung, sondern zwingen die Menschen aus ihren Heimen zu fliehen (AAN 28.12.2016).

Im Rahmen von humanitärer Hilfe wurden Binnenvertriebene, je nach Region und Wetterbedingungen, unterschiedlich unterstützt: Bargeld, Paket für Familien, winterliche Ausrüstung, Nahrungspakete, Hygienepakete, Decken, Zelte, und andere Pakete, die keine Nahrungsmittel enthielten usw. Auch wurde Aufklärung in Bereichen wie Hygiene betrieben (UN OCHA 05.02.2017; vgl. auch: UN OCHA 29.01.2017; UN OCHA 01.11.2016; UN OCHA 01.10.2016; vgl. ACBAR 07.11.2016).

Unterschiedliche Organisationen, wie z.B. das Internationale Rote Kreuz (IRC) oder das Welternährungsprogramm (WFP) usw. sind je nach Verantwortungsbereichen für die Verteilung von Gütern zuständig.

Dazu zählten: Nahrung, Zelte, sowie andere Güter, die keine Nahrungsmittel waren (IOM 17.04.2016; vgl. auch ACBAR 15.05.2016).

UNHCR unterstützt Rückkehrer/innen mit finanziellen Beihilfen in vier Geldausgabezentren, außerdem mit Transiteinrichtungen und elementaren Gesundheitsleistungen. Zusätzlich wurden sie in anderen Bereichen aufgeklärt, wie z.B. Schuleinschreibungen, Gefahren von Minen etc. (UNHCR 6.2016).

Im Jänner 2017 wurde ein humanitärer Plan für US$ 550 Millionen aufgestellt, mit dem Ziel im Jahr 2017 die vulnerabelste und marginalisierteste Bevölkerung des Landes zu unterstützen. Ziel sind strategische und lebensnotwendige Interventionen: Nahrung, Unterkunft, Gesundheitsvorsorge, Ernährung, sauberes Wasser und Hygiene. Im Rahmen des "Afghanistan 2017 Humanitarian Response Plan" sollen etwa 5,7 Millionen Menschen erreicht werden (UN News Centre 23.01.2017).

Rückkehr

Seit Jänner 2016 sind mehr als 700.000 nicht registrierte Afghanen aus dem Iran und Pakistan nach Afghanistan zurückgekehrt (Thomson Reuters Foundation 12.01.2017); viele von ihnen sind, laut Internationalem Währungsfonds (IMF), hauptsächlich aus Pakistan, aus dem Iran, Europa und anderen Regionen nach Afghanistan zurückgekehrt. Viele Afghan/innen, die jahrzehntelang im Ausland gelebt haben, kehren in ein Land zurück und sind Konflikten, Unsicherheit und weitreichender Armut ausgesetzt. Aufgrund schwieriger wirtschaftlicher Bedingungen, sind Rückkehrer/innen im Allgemeinen arm. Auch wenn reichere Rückkehrer/innen existieren, riskiert ein typischer rückkehrender Flüchtling in die Armut abzurutschen (RFL/RE 28.01.2017). Die meisten Rückkehrer/innen (60%) entschlossen sich - laut UNHCR - in den städtischen Gegenden Kabuls, Nangarhar und Kunduz niederzulassen (UNHCR 6.2016).

IOM verlautbarte eine Erhöhung von 50.000 Rückkehrer/innen gegenüber dem Vorjahr. UNHCR hat im Jahr 2016 offiziell 372.577 registrierte Afghanen in die Heimat zurückgeführt. Laut UNHCR und IOM waren der Großteil der Rückkehrer junge Männer aus dem Iran, die auf der Suche nach Arbeit oder auf dem Weg nach Europa waren (Thomson Reuters Foundation 12.01.2017). Der Minister für Flüchtlinge und Repatriierung sprach sogar von einer Million Flüchtlinge, die im letzten Jahr nach Afghanistan zurückgekehrt sind - davon sind über 900.000 freiwillig in ihre Heimat zurückgekehrt sind (Khaama Press 17.01.2017).

Erhaltungskosten und Situation in Kabul

Die monatlichen Lebenshaltungskosten in Kabul, für eine Person sind abhängig von den Ausgaben und liegen durchschnittlich zwischen 150-250 USD pro Person. Diese Zahlen beziehen sich nur auf Kleidung, Nahrung und Transport, die Unterbringung (Miete) ist dabei nicht berücksichtigt. Die Haus- oder Wohnungsmiete hängt von der Lage ab. Die Unterbringung im Zentrum der Stadt beträgt für eine Ein-Zimmer Wohnung (Bad und Küche) beginnend von 6.000 AFA (88 USD) bis zu 10.000 AFD (146 USD) pro Monat (IOM 22.04.2016). In Kabul sowie im Umland und auch anderen Städten stehen eine große Anzahl an Häusern und Wohnungen zur Verfügung. Die Kosten in Kabul City sind jedoch höher als in den Vororten oder auch anderen Provinzen. Private Immobilienhändler bieten Informationen zu Mietpreisen für Häuser, Apartments etc. an. Rückkehrer können bis zur 2 Wochen im IOM Empfangszentrum in Jangalak untergebracht werden (IOM 2016).

Unterstützung durch verschiedene Organisationen Vorort

Eine steigende Zahl von Institutionen bietet Mikrofinanzleistungen an. Die Voraussetzungen hierfür unterscheiden sich, wobei zumeist der Fokus auf die Situation/Gefährdung des Antragenden und die Nachhaltigkeit des Projekts gelegt wird. Rückkehrer und insbesondere Frauen erhalten regelmäßig Unterstützung durch Mikrofinanzleistungen. Jedoch sind die Zinssätze in der Regel vergleichsweise hoch (IOM 2016).

Das Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen (United Nations World Food Programme - WFP) hat in Afghanistan eine neunmonatige Operation eingeleitet, um die wachsenden Zahl der Rückkehrer/innen aus Pakistan und Binnenvertriebe zu unterstützen, indem ihnen Notfallsnahrung und andere Mittel zur Verfügung gestellt werden:

Sowohl das WFP als auch andere UN-Organisationen arbeiten eng mit der afghanischen Regierung zusammen, um die Kapazität humanitärer Hilfe zu verstärken, rasch Unterkünfte zur Verfügung zu stellen, Hygiene- und Nahrungsbedürfnisse zu stillen. Die Organisation bietet 163.000 nicht-registrierten Rückkehrer/innen, 200.000 dokumentierten Rückkehrer/innen und 150.000 Binnenvertriebenen, Flüchtlingen Nahrungs- und Finanzhilfe an; auch 35.000 Flüchtlinge in den Provinzen Khost und Paktika wurden unterstützt. Das WAFP hat seine Unterstützungen in Ostafghanistan verstärkt - um Unterernährung zu vermeiden; das WFP unterstützte mehr als 23.000 Kleinkindern aus Rückkehrer-Familien. Ziel des WFP ist es 550.000 Menschen durch Notfallsorganisationen zu helfen (UN News Centre 15.11.2016).

Einige Länder arbeiten auch eng mit IOM in Afghanistan im Rahmen des Programms Assisted Voluntary Return zusammen - insbesondere, um die Reintegration zu erleichtern. IOM bietet Beratung und psychologische Betreuung im Aufnahmeland, Unterstützung bei Reiseformalitäten, Ankunft in Kabul und Begleitung der Reintegration einschließlich Unterstützung bei der Suche nach einer Beschäftigung oder Gewährung eines Anstoßkredits an. Obwohl IOM Abschiebungen nicht unterstützt und keine Abschiebungsprogramme durchführt, gibt IOM auch abgeschobenen Asylbewerber/innen Unterstützung nach der Ankunft im Land (AA 9.2016). Mit Ausnahme von IOM gibt es keine weiteren Organisationen, die Unterstützung bei der Reintegration von Rückkehrer/innen in Afghanistan anbieten (IOM 2016).

2. Beweiswürdigung:

2.1. Die Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers und zu seiner Herkunft ergeben sich aus den Aussagen des Beschwerdeführers im gesamten Verfahren.

Das Datum der Einreise nach Österreich sowie das Datum der Asylantragstellung basiert auf dem Inhalt des Verwaltungsaktes.

Die Feststellungen zu seiner persönlichen Situation und zur Situation seiner Familie ergeben sich aus den während des gesamten Verfahrens gleichbleibenden Angaben des Beschwerdeführers. Es besteht kein Grund an der Richtigkeit dieser Schilderungen zu zweifeln.

Dass der Beschwerdeführer in Afghanistan als Lehrer gearbeitet hat, ergibt sich aus den diesbezüglichen glaubhaften Angaben des Beschwerdeführers.

Es ist dem Beschwerdeführer aber nicht gelungen, eine konkrete, ihm in Afghanistan drohende Verfolgungsgefahr glaubhaft zu machen.

Die Schilderungen des Beschwerdeführers wiesen Ungereimtheiten auf und gestalteten sich als unsubstantiiert und nicht nachvollziehbar. Während der Beschwerdeführer beim BFA zuerst anführte von den Taliban mit Umbringen bedroht worden zu sein, wenn er nicht aufhöre zu unterrichten und dann in der Einvernahme nur mehr davon berichtete, dass er entführt worden sei und die Taliban von ihm verlangt hätten, er bzw. seine Eltern sollen ihnen Quartier geben und er solle die Namen der Personen nennen, welche für den afghanischen Staat arbeiten, steigerte er in der mündlichen Verhandlung sein Vorbringen noch zusätzlich, indem er davon sprach, dass er den Taliban Zugang zu Behörden verschaffen habe sollen bzw. diese bei Behörden einschleusen habe sollen. Dass die Taliban ihn bedroht und verlangt hätten, dass er aufhören solle als Lehrer zu arbeiten, erwähnte er in der Verhandlung nicht. Auf Vorhalt beim BFA zu dieser Diskrepanz in seinen Aussagen, antwortete er, der Dolmetscher habe vielleicht falsch übersetzt. Selbst wenn man von Missverständnissen bei der Erstbefragung, wo die erste Möglichkeit der Darlegung der Fluchtgründe besteht, ausgehen würde, ändert dies nichts daran, dass der Beschwerdeführer sein Vorbringen im Laufe des Verfahrens gesteigert hat und in der Verhandlung seine Erzählung nicht mehr bloß auf die Informationsweitergabe über Behörden und Behördenvertreter an die Taliban beschränkt hat, sondern erklärt hat, er hätte die Taliban durch seine Kontakte ins Bildungspräsidium und in die Distriktsverwaltung einschleusen sollen und ihnen Zugang verschaffen sollen, um dort diese Leute zu töten, was in einer Zusammenschau Zweifel daran aufwirft, dass sich die Ereignisse tatsächlich so wie berichtet zugetragen haben.

Außerdem stellten sich seine Antworten im Rahmen der mündlichen Verhandlung als sehr vage und durchwegs ausweichend dar und schilderte er die Entführung und seine Gefangenschaft, obwohl er laut eigenen Angaben zwei Tage festgehalten worden sein soll, nur oberflächlich; auch zu der Zeit nach seiner Entführung bis zu seiner Ausreise tätigte der Beschwerdeführer sehr ungenaue Aussagen. So wich er Fragen zur Kontaktaufnahme durch die Taliban wiederholt aus und verneinte erst nach mehrmaligem Nachfragen jegliche Kontaktaufnahme durch die Taliban, und zwar auch nachdem der Beschwerdeführer aus Afghanistan ausgereist ist.

Auch die vorgelegten Bescheinigungsmittel waren nicht geeignet sein Vorbringen zu untermauern. Diese stützten sich lediglich auf die eigenen Angaben des Beschwerdeführers bzw. seines Vaters, wonach er mehrmals von Regierungsfeinden bedroht worden sei, was von der nationalen Sicherheitsbehörde bearbeitet und vom Polizeichef bestätigt wurde. Selbst wenn man davon ausgeht, dass die Dokumente echt sind, vermögen diese nicht die Entführung des Beschwerdeführers und eine aktuelle Bedrohung durch die Taliban zu bestätigen, bestätigen diese eben nur, was der Beschwerdeführer bzw. sein Vater zu Protokoll gegeben hat. Der Beschwerdeführer konnte in der Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht überdies nicht erklären, weshalb in einem der Schreiben von mehrmaligen Bedrohungen die Rede ist und er im gesamten Verfahren immer nur diesen einen Vorfall geltend gemacht hat. Im Rahmen der mündlichen Verhandlung bekräftigte er, dass seine Entführung der einzige Vorfall gewesen sei.

Generell vermochte der Beschwerdeführer die behauptete Bedrohungssituation nicht konkret und nachvollziehbar darzulegen und zum Beispiel überzeugend zu vermitteln, welche Zielsetzung die Taliban genau verfolgten und warum gerade er für sie von solchem Interesse hätte sein sollen.

Schließlich erscheint es nicht plausibel, dass die Taliban den Beschwerdeführer entführen und ihn nach Vereinbarung einer Zusammenarbeit frei lassen und - obwohl sie seine Adresse kennen - anschließend kein einziges Mal beim Haus des Beschwerdeführers erscheinen oder sonst Kontakt aufnehmen, um die Zusammenarbeit einzufordern. Der Beschwerdeführer gab an, dass die Taliban nach der vorgebrachten Entführung und auch nach seiner Ausreise sich weder an den Beschwerdeführer noch an ein Familienmitglied des Beschwerdeführers gewandt haben, was dagegen spricht, dass die Taliban tatsächlich so ein Interesse an der Person des Beschwerdeführers und an seiner Zusammenarbeit bzw. Mitwirkung (gehabt) haben, wie vom Beschwerdeführer behauptet.

Ebenso wenig lässt sich die Aussage des Beschwerdeführers nachvollziehen, dass er nicht nach Kabul gehen könne, da die Taliban ihn überall finden würden. Dies erscheint in Zusammenschau damit, dass die Taliban ihn offensichtlich nicht einmal im Heimatort gesucht haben, obwohl sie wussten, wo sie ihn finden können, nicht plausibel.

Gesamthaft betrachtet war der Beschwerdeführer nicht in der Lage, eine konkrete individuelle Verfolgung gegen ihn glaubhaft zu schildern und wird davon ausgegangen, dass das Fluchtvorbringen nicht den Tatsachen entspricht.

Was das Vorbringen in der Beschwerde und in der Stellungnahme zu den Länderberichten betrifft, dass Lehrer - wie in den Richtlinien des UNHCR angeführt - einer Risikogruppe angehören und unter anderen zu primären Zielen von Anschlägen zählen, ist festzuhalten, dass aus der Berichtslage nicht auf eine allgemeine systematische Verfolgung aller Lehrer in Afghanistan durch die Taliban geschlossen werden kann.

2.2. Die fallbezogenen Feststellungen zur Lage in Afghanistan stützen sich auf das dem Parteiengehör unterworfene Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Gesamtaktualisierung am 02.03.2017, Kurzinformation eingefügt am 25.09.2017, und beruhen auf einer Vielzahl von jeweils angeführten verschiedenen, voneinander unabhängigen Quellen von regierungsoffiziellen und nicht-regierungsoffiziellen Stellen. In ihrer Kernaussage bieten diese Dokumentationen ein stimmiges und einheitliches Gesamtbild ohne wesentliche Widersprüche und besteht daher für das Bundesverwaltungsgericht kein Anlass, an der Richtigkeit der darin getroffenen Länderfeststellungen zu zweifeln.

Insoweit den Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat Berichte älteren Datums zugrunde liegen, ist auszuführen, dass sich seither die darin angeführten Umstände unter Berücksichtigung der dem Bundesverwaltungsgericht von Amts wegen vorliegenden Berichte aktuelleren Datums für die Beurteilung der gegenwärtigen Situation nicht wesentlich geändert haben. So hat sich insbesondere auch seit der Verhandlung auf Basis der aktuellen Quellenlage, vor allem der aktualisierten Version des Länderinformationsblatts vom 30.01.2018, die Lage im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers nicht wesentlich verändert beziehungsweise nicht in einer Weise verändert, die für den Beschwerdeführer asylrechtlich von Relevanz wäre beziehungsweise für die Frage der Schutzgewährung entscheidungswesentlich wäre.

Insofern bietet das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Afghanistan eine ausreichende Entscheidungsgrundlage im gegenständlichen Fall und brauchen weitere Berichte nicht herangezogen werden beziehungsweise braucht auf die weiteren in die Verhandlung einbezogenen Länderberichte nicht näher eingegangen zu werden, zumal sie mit dem Länderinformationsblatt im Wesentlichen in Einklang stehen und allesamt keine Situation insbesondere in Kabul aufzeigen, welche - wenngleich schwierig - generell einer Rückkehr entgegenstehen würde (vgl. dazu auch die Ausführungen in der rechtlichen Beurteilung unter 3.2 zu Art. 3 EMRK und der Frage der Zumutbarkeit einer Übersiedlung nach Kabul). Der Beschwerdeführer, vertreten durch einen Rechtsanwalt, nahm zu den Länderberichten in der schriftlichen Stellungnahme vom 02.11.2017 ergänzend Stellung und machte im Wesentlichen die nach wie vor schlechte und volatile Sicherheitslage in Afghanistan und auch in Kabul sowie die Gefährdungssituation des Beschwerdeführer als Lehrer geltend. Die Ausführungen und Einwände des Beschwerdeführers und seines Vertreters zur allgemeinen Lage in Afghanistan und zur Rückkehrmöglichkeit des Beschwerdeführers waren nicht geeignet, den zu Grunde gelegten Länderfeststellungen und Quellen substantiiert entgegenzutreten und diese nachhaltig zu erschüttern.

Was die wirtschaftliche Lage in Afghanistan anbelangt, so ist aus den Länderberichten ersichtlich, dass diese im Allgemeinen schwierig ist, die Versorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln jedoch grundsätzlich gewährleistet ist. Dabei wird nicht verkannt, dass sich die Lage für Rückkehrer aufgrund der wirtschaftlichen Lage in Afghanistan als durchaus schwierig erweisen kann, jedoch kann, wie dargetan, auf Basis der Quellenlage nicht davon ausgegangen werden, dass eine Rückkehr nach Afghanistan allgemein nicht zugemutet werden kann und für jeden Rückkehrer eine existenzbedrohende Situation entsteht.

2.3. Die Feststellung zu den Folgen einer Ansiedlung des Beschwerdeführers in seiner Herkunftsprovinz Faryab ergibt sich aus den Länderfeststellungen, wonach die Provinz Faryab zu den relativ volatilen Provinzen Afghanistans zählt. Auf Basis der Berichte und Feststellungen kann im individuellen Fall nicht mit hinreichender Sicherheit gesagt werden, dass dem Beschwerdeführer dort unter Berücksichtigung seiner persönlichen Situation eine Ansiedlung und Existenzsicherung tatsächlich möglich und zumutbar ist.

Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer bislang nicht in Kabul gelebt hat und d

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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