TE Bvwg Erkenntnis 2018/5/3 I406 2000108-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 03.05.2018
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Entscheidungsdatum

03.05.2018

Norm

AsylG 2005 §10
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §75 Abs20
AsylG 2005 §8 Abs1 Z1
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

I406 2000108-1/27E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Gerhard KNITEL über die Beschwerde des XXXX, geb. XXXX, StA. Nigeria, vertreten durch den Verein Menschenrechte Österreich, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 19.12.2013, Zl. 1318.295-BAT, 831829500, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 16.04.2018, zu Recht erkannt:

A)

I. Die Beschwerde wird hinsichtlich der Spruchpunkte I. und II. des angefochtenen Bescheides gemäß §§ 3 Abs. 1 und 8 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen.

II. Gemäß § 75 Abs. 20 AsylG 2005 wird das Verfahren zur Prüfung der Zulässigkeit einer Rückkehrentscheidung insoweit an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer gab bei der Erstbefragung durch ein Organ der PI Traiskirchen EAST am 14.12.2013 den im Spruch genannten Nachnamen sowie den dort erstgenannten Vornamen an, er sei am XXXX in Nigeria geboren, ledig, christlich, gehöre der Volksgruppe der Ibu an, habe von 1987 bis 1995 die Grundschule sowie von 1995 bis 2002 die Mittelschule besucht, danach von 2007 bis 2010 die Universität, jedoch nicht abgeschlossen. Er habe keine Berufsausbildung absolviert.

Seine Eltern seien verstorben, Geschwister habe er nicht. Seine Mutter sei christlich gewesen, sein Vater Moslem, er habe sich für die Religion seiner Mutter entschieden, nach dem Tod seiner Eltern hätte die Gemeinde seines Vaters gewollt, dass er zu ihrem Glauben übertrete, deshalb habe er um sein Leben gefürchtet.

Im September 2010 habe er Lagos verlassen, sei bis Griechenland gereist, nach eineinhalb Jahren weiter nach Österreich und dort im Juni 2013 angekommen.

Bei der Einvernahme durch das Bundesasylamt am 17.12.2013 gab er zum Fluchtgrund über sein Vorbringen in der Erstbefragung hinaus an, nach dem Tod seines Vaters hätte er dessen Platz in der Gemeinde übernehmen sollen. Er sei von Mitgliedern der Gemeinde seines Vaters nach Abuja gebracht worden, man habe "eine Art Flüssigkeit gemischt mit Blut, die ich hätte zubereiten und trinken sollen" gebracht, er habe sich geweigert und Bedenkzeit verlangt. Eine Woche später hätten sie ihn in der Schule aufgesucht, mit Messern bedroht und "gejagt". Die Schulbehörde und die Polizeistation in seinem Schulort Aba hätten ihm geraten, deswegen "wegzugehen". Die Polizei habe auch Geld von ihm gewollt, um seine Verfolger zu töten. Ansonsten habe er keine politischen oder "ähnliche" Gründe.

Auf die Frage nach seinen Gegnern gab der Beschwerdeführer an, es sei "eigentlich nur mein Onkel" gewesen, der Vater seines Bruders, die ganze Familie seines Onkels seien Moslems und hätten ihn bedroht, dies sei im Jahr 2009 gewesen, das erste Mal am 30.06., das zweite Mal im August. Es habe sich dabei um den Sohn seines Onkels und fünf weitere Personen gehandelt.

Auf die Frage nach weiteren Details gab der Beschwerdeführer an "Ja.... Jetzt fällt mir noch etwas ein, sie haben auch meine Mutter getötet, unser Haus niedergebrannt,.... Es war 2009 vielleicht im Dezember... Ich war schon in Lagos und habe das gehört". Auf die Frage, wann genau er nach Lagos gegangen sei, gab der Beschwerdeführer an "August... nein.... September 2009".

Mit Bescheid vom 19.12.2013, Zl. 13 18.295-BAT wies das Bundesasylamt den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz vom 12.12.2013 gemäß den §§ 3 (Spruchpunkt I.) sowie 8 betreffend seinen Herkunftsstaat Nigeria (Spruchpunkt II.) ab und wies ihn gemäß § 10 Absatz 1 AsylG nach Nigeria aus.

Mit Verfahrensanordnung vom 19.12.2013 stellte das Bundesasylamt dem Beschwerdeführer für das Beschwerdeverfahren vor dem Asylgerichtshof den Verein Menschenrechte Österreich als Rechtsberater amtswegig zur Seite.

Mit Eingabe vom 20.12.2013 erhob der Beschwerdeführer gegen den oben angeführten Bescheid des Bundesasylamtes Beschwerde und erstattete begründend dazu Ausführungen ausschließlich in englischer Sprache.

In Entsprechung eines Verbesserungsauftrages des Bundesverwaltungsgerichtes brachte der Beschwerdeführer vor, seine Verwandten väterlicherseits hätten immer Probleme mit seiner Religion gehabt, seine Mutter habe ihn beschützt. Als jedoch Vater und Mutter gestorben seien, habe der Bruder seines Vaters gewollt, dass er zum Islam konvertiere und ihn zu einem Ritual zu seiner Konvertierung eingeladen; da er nicht hingegangen sei, habe sich dieser beleidigt gefühlt und ihn überallhin verfolgt. Er sei von einer bewaffneten Gruppe in seiner Hochschule aufgesucht worden, zu diesem Zeitpunkt habe er sich im Dorf Oweri versteckt, da sein Leben in Gefahr gewesen sei. Er sei zur Polizei gegangen und habe um Schutz gebeten, diese habe jedoch Geld verlangt, er habe jedoch keines gehabt.

Mit handschriftlicher Stellungnahme vom 07.01.2015 gab der Beschwerdeführer an, sein Vater sei im Alter von 52 Jahren im Jahr 1996 verstorben und Kleinhändler und Imam in Joos, Plateau-State, dem Wohnort der Familie, gewesen, die Mutter, christlichen Glaubens, sei 2006 mit 45 Jahren ebendort gestorben, wo sie auch geboren worden sei; auch sie sei wie sein Vater Kleinhändlerin im Lebensmittelhandel gewesen. Er selbst habe von 1987 bis 1995 in Joos die Grundschule besucht sowie von 1995 bis 2002 die Hauptschule, danach habe er eine Polytechnische Universität, vergleichbar mit einer Fachhochschule in Österreich, in Abia State besucht, dies von 2007-2010, jedoch ohne Abschluss, da er als Kleinhändler gearbeitet habe, sich das Studium zeitlich und finanziell nicht ausgegangen sei, da er nach dem Tod seiner Mutter 2006 das "ganze Geschäft alleine meistern" habe müssen.

Mit Mail vom 14.02.2018 teilte die Rechtsvertretung des Beschwerdeführers mit, sie könne zu der mit Schreiben vom 08.02.2018 erfolgten Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme keine Stellungnahme abgeben, da der Beschwerdeführer für sie weder telefonisch noch sonst wie erreichbar sei.

Mit Beschluss vom 16.02.2018 stellte das Bundesverwaltungsgericht das Beschwerdeverfahren gemäß § 24 Absatz 2 AsylG ein.

Mit Schreiben vom 27.02.2018 teilte die Rechtsvertretung des Beschwerdeführers mit, dieser habe während des gesamten Zeitraumes über eine gültige Meldeadresse verfügt und lediglich seine Telefonnummer geändert.

Mit Schreiben vom 01.03.2018 übermittelte das Bundesverwaltungsgericht dem Beschwerdeführer unter einem mit der Ladung zur mündlichen Verhandlung Feststellungen zu seinem Herkunftsstaat zum rechtlichen Gehör sowie einen Fragenkatalog zu seiner persönlichen Situation.

Mit Eingabe vom 02.03.2018 übermittelte der Verein Menschenrechte Österreich die ihm vom Beschwerdeführer erteilte Vertretungs- sowie Zustellvollmacht.

Mit Eingabe vom 06.03.2018 gab der Beschwerdeführer bekannt, sein richtiger Name laute XXXX, sein richtiges Geburtsdatum laute XXXX, er sei in Imu-State, Nigeria geboren. Dazu übermittelte der Beschwerdeführer die Kopie eines englischsprachigen Dokumentes "National Population Commission", laut Kopfzeile sowie einem Stempel ausgestellt am 04.12.2017.

Mit Stellungnahme vom 14.03.2018 gab der Beschwerdeführer bekannt, er sei wegen Bluthochdruck in ärztlicher Behandlung und müsse regelmäßig Medikamente nehmen, dabei handle es sich um Lisinopril-ratiopharm. Er habe in Österreich keine Familienangehörigen, jedoch lebten seine Ehefrau, eine slowakische Staatsbürgerin, sowie das gemeinsame Kind in der Slowakei. Seinen Lebensunterhalt bestreite er durch den Verkauf eines Magazins auf der Straße. Er wohne in Wien zusammen mit einem engen Freund und habe darüber hinaus viele Freunde in Österreich. Er besuche seit 09.11.2017 Kurse bei XXXX zum Spracherwerb, weiters solche mit Inhalten betreffend Bewerbung sowie EDV und mache eine Ausbildung als Friseur. Er besuche sonntags die Kirche und sei ein regelmäßiges Mitglied der englischsprachigen Gemeinde der Erzdiözese Wien.

Vor seiner Ausreise aus dem Herkunftsstaat habe seine Mutter seinen Lebensunterhalt finanziert, sei jedoch wegen ihrer Religion vom Onkel des Beschwerdeführers getötet worden. Er habe Cousins und Neffen in Nigeria, jedoch keinen Kontakt mit diesen. Der nigerianische Staat könne ihn vor der Bedrohung durch seine Verwandten nicht schützen.

Dazu übermittelte der Beschwerdeführer

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ein Schreiben seines Mitbewohners

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zwei Schreiben der "XXXX"

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ein Schreiben der englischsprachigen Gemeinde in der Erzdiözese Wien

Mit Eingabe vom 09.04.2018 übermittelte die Rechtsvertretung

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ein Schreiben "XXXX"

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eine beglaubigte Übersetzung eines englischsprachigen Dokumentes, welches wiederum die beglaubigte Übersetzung eines slowakischen Dokumentes darstellt, wonach XXXX, wohnhaft XXXX, geboren am XXXX, erklärt, dass sie Mutter und der Beschwerdeführer Vater des minderjährigen XXXX geboren am XXXX, wohnhaft an der oben genannten Adresse, sind

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ein slowakischsprachiges Dokument "Zestne Vyhlasenie"

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ein slowakischsprachiges Dokument "Rodny List"

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eine beglaubigte Übersetzung "Slowakische Republik Geburtsurkunde"

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eine beglaubigte Übersetzung "Slowakische Republik Innenministerium- Sondermatrik Heiratsurkunde"

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ein slowakischsprachiges Dokument "Slovenska Republika Ministerstvo Vnutra-osobitna matrika sobasny list"

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die Kopie einer Karte "slovak republic" lautend auf XXXX

Am 16.04.2018 fand eine mündliche Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht statt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person des Beschwerdeführers

Die Identität des Beschwerdeführers steht mangels Vorlage unbedenklicher Dokumente nicht fest. Soweit er namentlich genannt wird, dient dies lediglich seiner Identifizierung als Verfahrenspartei, nicht jedoch einer Vorfragebeurteilung im Sinn des § 38 AVG.

Der Beschwerdeführer ist nigerianischer Staatsbürgerschaft sowie Herkunft, sowie Christ und verheiratet.

Im Strafregister der Republik Österreich scheinen folgende Verurteilungen auf:

01) LG XXXX vom XXXX RK XXXX

§§ 27 (1) Z 1 8. Fall, 27 (3) SMG

§§ 27 (1) Z 1 1. 2. Fall, 27 (2) SMG

Datum der (letzten) Tat 27.05.2014

Freiheitsstrafe 9 Monate, davon Freiheitsstrafe 7 Monate, bedingt, Probezeit 3 Jahre

Vollzugsdatum 11.10.2015

zu LG XXXX RK XXXX

Unbedingter Teil der Freiheitsstrafe vollzogen am 25.07.2014

LG XXXX vom XXXX

zu LG XXXX RK XXXX

Der bedingt nachgesehene Teil der Freiheitsstrafe wird widerrufen

LG XXXX vom XXXX

02) LG XXXX vom XXXX RK XXXX

§§ 27 (1) Z 1 8. Fall, 27 (3) SMG

Datum der (letzten) Tat 11.10.2014

Freiheitsstrafe 12 Monate

zu LG XXXX RK XXXX

Aus der Freiheitsstrafe entlassen am 31.10.2015, bedingt, Probezeit 3 Jahre

Anordnung der Bewährungshilfe

LG XXXX vom XXXX

zu LG XXXX RK XXXX

Aufhebung der Bewährungshilfe

LG XXXX vom XXXX

zu LG XXXX RK XXXX

Bedingte Entlassung aus der Freiheitsstrafe wird widerrufen

BG XXXX vom XXXX

03) BG XXXX vom XXXX RK XXXX

§§ 27 (1) Z 1 1.2. Fall, 27 (2), 27 (1) Z 1 8. Fall SMG

Datum der (letzten) Tat 22.03.2017

Freiheitsstrafe 4 Monate

Der Beschwerdeführer leidet nicht an schweren körperlichen oder psychischen Beeinträchtigungen, die einer Rückführung in seinen Herkunftsstaat entgegenstünden. Der Beschwerdeführer verfügt über mehrjährige Schulbildung im Herkunftsstaat, war dort mehrere Jahre im Kleinhandel berufstätig und verfügt über familiäre Anknüpfungspunkte im Herkunftsstaat. In Österreich verfügt er über keine familiären Anknüpfungspunkte, jedoch ist er mit einer slowakischen Staatsbürgerin, wohnhaft in der Slowakei, verheiratet und hat mit dieser ein gemeinsames Kind, wozu er in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht ausführte, "wenn ich zurückkehre, bin ich in Gefahr. Deshalb habe ich ja auch meine Frau geheiratet und mit ihr einen Sohn bekommen, damit ich hier bleiben kann". Der Beschwerdeführer verkauft eine Straßenzeitung und verfügt über private Anknüpfungspunkte in Österreich.

1.2. Zum Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers

Die einzige vom Beschwerdeführer vorgebrachte Verfolgung, nämlich jene durch Verwandte seines Vaters, kann nicht festgestellt werden, der Beschwerdeführer hat auch im Fall seiner Rückkehr in den Herkunftsstaat nicht mit Verfolgungshandlungen zu rechnen.

1.3. Zur Lage im Herkunftsstaat

1. Politische Lage

Nigeria ist in 36 Bundesstaaten und einen Bundeshauptstadtbezirk sowie 774 Local Government Areas (LGA/Bezirke) untergliedert. Die Bundesstaaten werden von direkt ge-wählten Gouverneuren regiert (AA 21.11.2016; vgl. AA 4.2017a; vgl. GIZ 7.2017a). Die Bun-desstaaten verfügen auch über direkt gewählte Parlamente (AA 4.2017a).

Nigeria verfügt über ein Mehrparteiensystem. Die Verfassung vom 29.5.1999 enthält alle Attribute eines demokratischen Rechtsstaates (inkl. Grundrechtskatalog), und orientiert sich insgesamt am System der USA. Einem starken Präsidenten, der zugleich Oberbefehlshaber der Streitkräfte ist, und einem Vizepräsidenten stehen ein aus Senat und Repräsentanten-haus bestehendes Parlament und eine unabhängige Justiz gegenüber (AA 21.11.2016; vgl. AA 4.2017a). In der Verfassungswirklichkeit dominiert die Exekutive in Gestalt des direkt gewählten Präsidenten und die direkt gewählten Gouverneure. Der Kampf um politische Äm-ter wird mit großer Intensität und häufig auch mit undemokratischen, gewaltsamen Mitteln geführt. Polizei und Justiz werden ebenfalls vom Bund kontrolliert (AA 21.11.2016).

Die Parteienzugehörigkeit orientiert sich bei den meisten der ca. 50 kleineren Parteien an Führungspersonen. Loyalitäten gegenüber der eigenen ethnischen Gruppe bzw. gegenüber Personen gehen anderen Loyalitäten vor; entsprechend repräsentiert keine der Parteien eine eindeutige politische Richtung (AA 21.11.2016).

Die Wahlen von Präsident und Nationalversammlung 2015 und die seitdem stattgefundenen

Wahlen der Gouverneur- und Landesparlamente in 31 von 36 Bundesstaaten haben die poli-tische Landschaft in Nigeria grundlegend verändert. Die seit 2013 im All Progressives' Con-gress (APC) vereinigte Opposition gewann neben der Präsidentschaftswahl eine klare Mehr-heit in beiden Häusern des Parlaments und regiert nun auch in 23 der 36 Bundesstaaten. Die seit 1999 dominierende People-s Democratic Party (PDP) musste zum ersten Mal in die Opposition und ist durch Streitigkeiten um die Parteiführung stark geschwächt. Lediglich in den südöstlichen Bundesstaaten des ölreichen Niger-Deltas konnte sie sich als Regierungs-partei behaupten (AA 21.11.2016).

Bei den Präsidentschaftswahlen am 28.3.2015 besiegte der frühere Militärmachthaber und Kandidat der Opposition, Muhammadu Buhari, den bisherigen Amtsinhaber Goodluck Jo-nathan mit 54,9 Prozent der abgegebenen Stimmen. Bei diesen Wahlen, die von der interna-tionalen Öffentlichkeit als beispielhaft für die Demokratie Afrikas gelobt wurden, kam es zum ersten Mal seit der Unabhängigkeit Nigerias zu einem demokratischen Machtwechsel (GIZ 7.2017a). Der APC gewann die Gouverneurswahlen in 20 von 29 Bundesstaaten. Er stellt in den 36 Bundesstaaten derzeit 24 Gouverneure, die PDP 11 und All Progress Grand Alliance (APGA) einen Gouverneur. Unter den 36 Gouverneuren ist weiterhin keine Frau. Die Wahlen vom März/April 2015 wurden sowohl in Nigeria als auch von internationalen Wahlbeobachtern trotz organisatorischer Mängel als im Großen und Ganzen frei und fair bezeichnet. Die Spitzenkandidaten Jonathan und Buhari hatten sich in einer Vereinbarung (Abuja Accord) zur Gewaltlosigkeit verpflichtet. Dies und die Tatsache, dass Präsident Jonathan seine Wahlniederlage sofort anerkannte, dürfte größere gewalttätige Auseinandersetzungen verhindert haben. Die Minister der Regierung Buhari wurden nach einem längeren Sondierungsprozess am 11.11.2015 vereidigt (AA 4.2017a).

Neben der modernen Staatsgewalt haben auch die traditionellen Führer immer noch einen nicht zu unterschätzenden, wenn auch weitgehend informellen Einfluss. Sie gelten als Kom-munikationszentrum und moralische Instanz und können wichtige Vermittler in kommunalen und in religiös gefärbten Konflikten sein (AA 4.2017a).

Fast im ganzen Norden Nigerias ist das System der LGA kollabiert. Große Teile kamen unter Kontrolle von Milizen und lokalen "Strongmen", die den politischen und sozio-ökonomischen Raum ausfüllen. Dies führte zur Vertiefung lokaler und regionaler Missstände (BS 2016).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (21.11.2016): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria

-

AA - Auswärtiges Amt (4.2017a): Nigeria - Innenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Nigeria/Innenpolitik_node.html, Zugriff 6.7.2017

-

BS - Bertelsmann Stiftung (2016): BTI 2016 - Nigeria Country Report,

https://www.bti-project.org/fileadmin/files/BTI/Downloads/Reports/2016/pdf/BTI_2016_Nigeria.pdf, Zugriff 6.7.2017

-

GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (7.2017a): Nigeria - Ge-schichte und Staat, http://liportal.giz.de/nigeria/geschichte-staat.html, Zugriff 2.8.2017

2. Sicherheitslage

Es gibt in Nigeria keine klassischen Bürgerkriegsgebiete und keine Bürgerkriegsparteien (AA 21.11.2016). In drei Gebieten herrschen Unsicherheit und Spannungen: im Nordosten (is-lamistische Gruppe Boko Haram); im Middle Belt (v.a. im Bundesstaat Plateau); und im Ni-gerdelta (SBM 17.1.2017). Laut SBM Intel war Boko Haram im Jahr 2016 für 71 Vorfälle mit 1.240 Toten verantwortlich. Den Fulani-Hirten werden für das Jahr 2016 47 Vorfälle mit 1425 Toten zugeschrieben. Viehdiebstahl, welcher für viele Jahre an Bedeutung verloren hat, ist inzwischen für Hirten, die hauptsächlich von Fulani abstammen, ein Grund für Konflikte und Angriffe geworden. Bei zwölf Vorfällen von Viehdiebstahl sind 470 Menschen getötet worden. Die Ölkonflikte, die sich im Jahr 2016 im Nigerdelta zugetragen haben, haben sich auf die ölproduzierenden Bundesstaaten im Südwesten und Südosten verbreitet. Bei 32 Vorfällen wurden 97 Menschen getötet (SBM 17.1.2017).

Es besteht aufgrund wiederholter Angriffe und Sprengstoffanschläge militanter Gruppen (Bo-ko Haram, Ansaru) derzeit ein sehr hohes Anschlagsrisiko insbesondere für Nord- und Nordostnigeria, einschließlich für die Hauptstadt Abuja. In mehreren Städten Nord- und Nordost-nigerias finden immer wieder Gefechte zwischen Sicherheitskräften und militanten Gruppen statt. Angehörige der Sicherheitskräfte, Regierungsstellen, christliche Einrichtungen - aber auch Einrichtungen gemäßigter Moslems - sowie Märkte, Wohnviertel und internationale Organisationen sind Anschlagsziele der militanten Gruppen. Drohungen bestehen gegen moslemische Einrichtungen im Süden (BMEIA 24.7.2017).

Das deutsche Auswärtige Amt warnt vor Reisen in die nördlichen Bundesstaaten Borno, Yo-be, Adamawa, Bauchi und Gombe. Darüber hinaus wird auch von nicht notwendigen Reisen in die übrigen Landesteile Nordnigerias abgeraten. Wegen des besonders hohen Entfüh-rungsrisikos wird außerdem von Reisen in die Bundesstaaten Delta, Bayelsa, Rivers, Imo (insb. Hauptstadt Owerri), Abia, Anambra, Ebonyi, Edo, Enugu, Delta, Kogi, den südlichen Teil von Cross Rivers, Ogun und Akwa Ibom abgeraten (AA 24.7.2017). Auch das österreichische Außenministerium warnt vor Reisen in die Bundesstaaten Borno, Yobe, Adamawa, Plateau sowie den südlichen Landesteil von Bauchi und Kano. Mit Gewaltausbrüchen in allen zwölf nördlichen Bundestaaten ist jederzeit zu rechnen (BMEIA 24.7.2017). Das britische Außenministerium warnt zusätzlich noch vor Reisen in die Flussgegenden der Bundesstaa-ten Delta, Bayelsa, Rivers, Akwa Ibom und Cross River States sowie an die Grenze zu Ni-ger im Bundesstaat Zamfara (UKFCO 24.7.2017).

Das österreichische Außenministerium hat für folgende Bundesstaaten eine partielle Reise-warnung ausgesprochen: Abia, Akwa Ibom, Anambra, Bayelsa, Delta, Ebonyi, Edo, Ekiti, Enugu, Imo, Kaduna, Kano, Oyo, Ondo, Rivers, einschließlich Port Harcourt und die vorge-lagerten Küstengewässer (BMEIA 24.7.2017). Das britische Außenministerium warnt vor unnötigen Reisen nach: Bauchi, Zamfara, Kano, Kaduna, Jigawa, Katsina, Kogi, Abia sowie an die Grenze zu Niger in Sokoto und Kebbi und die Trockengebiete von Delta, Bayelesa und Rivers (UKFCO 24.7.2017). In Nigeria können in allen Regionen meist kaum vorhersehbar lokale Konflikte aufbrechen. Ursachen und Anlässe dafür sind meist politischer, wirt-schaftlicher, religiöser oder ethnischer Art. Meist sind diese Auseinandersetzungen von kur-zer Dauer (wenige Tage) und örtlich begrenzt (meist nur einzelne Orte, in größeren Städten nur einzelne Stadtteile) (AA 24.7.2017).

In Lagos kommt es zu gewalttätigen Zusammenstößen zwischen verschiedenen Ethnien, politischen Gruppierungen aber auch zwischen Militär und Polizeikräften (BMEIA 24.7.2017) bzw. zu Problemen (u.a. Mobs, Plünderungen) durch die sogenannten "Area Boys". Der Ein-satz von Schlägertruppen und privaten Milizen zur Erreichung politischer oder wirtschaftlicher Ziele ist weit verbreitet (AA 21.11.2016).

Gemäß den Zahlen des Council on Foreign Relations für die Zeitspanne Jänner 2016 bis Juni 2017 stechen folgende nigerianische Bundesstaaten mit einer hohen Anzahl an Toten durch Gewaltakte besonders hervor: Borno (3.097), Benue (754), Rivers (360), Zamfara (308) und Adamawa (201). Folgende Bundesstaaten stechen mit einer relativ niedrigen Zahl hervor: Jigawa (2), Gombe (3), Kebbi (7) und Sokoto (8) (CFR 2017). Laut OSAC besteht eine erhebliche terroristische Bedrohung vor allem in Nordnigeria. Boko Haram hat für die meisten terroristischen Aktivitäten die Verantwortung übernommen. In der gesamten Nigerdelta-Region greifen mehrere aufständische Gruppen gezielt die Infrastruktur und Mitarbeiter von internationalen Ölgesellschaften an. Viele Gebiete im südlichen Nigeria erleben aufgrund großer Armut, mangelnder Bildung, Jugendarbeitslosigkeit und bedeutender Inflation Unruhen verursacht durch Zivilisten (OSAC 4.7.2017).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (21.11.2016): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria

-

AA - Auswärtiges Amt (24.7.2017): Nigeria - Reise- und Sicherheitshinweise (Teilreise-warnung), http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Laenderinformationen/00-SiHi/NigeriaSicherheit.html, Zugriff 24.7.2017

-

BMEIA - Außenministerium (24.7.2017): Reiseinformationen - Nigeria,

http://www.bmeia.gv.at/aussenministerium/buergerservice/reiseinformation/a-z-laender/nigeria-de.html, Zugriff 24.7.2017

-

CFR - Council on Foreign Relations (2017): Nigeria Security Tracker, http://www.cfr.org/nigeria/nigeria-security-tracker/p29483, Zugriff 25.7.2017

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OSAC - Overseas Security Advisory Council (4.7.2017): Nigeria 2017 Crime and Safety Report - Abuja, https://www.osac.gov/pages/ContentReportDetails.aspx?cid=21604, Zugriff 25.7.2017

-

SBM - SBM Intel (7.1.2017): A Look at Nigeria's Security Situation,

http://sbmintel.com/wp-content/uploads/2016/03/201701_Security-report.pdf, Zugriff 24.7.2017

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UKFCO - United Kingdom Foreign and Commonwealth Office (24.7.2017): Foreign Travel Advice - Nigeria, https://www.gov.uk/foreign-travel-advice/nigeria, Zugriff 24.7.2017

2.1. Nigerdelta

Das Nigerdelta, welches die Bundesstaaten Ondo, Edo, Delta, Bayelsa, Rivers, Imo, Abia, Akwa Ibom und Cross River umfasst, sorgt mit seinen Öl- und Gasreserven für 95 Prozent der Exporterlöse Nigerias (DACH 2.2013; vgl. OP 22.6.2017).

Die Lage im Nigerdelta hat sich seit November 2016 wieder beruhigt, ist aber noch nicht voll-ständig stabil und bleibt volatil; die Bedrohung der dort angesiedelten Öl- und Gasförderung durch militante Gruppen und Piraten bleibt ein Risiko, ebenso wie die Verschlechterung der ökologischen Grundlagen der Region (AA 4.2017c). Es gab eine Reihe von Angriffen auf die Ölinfrastrukturen, so zum Beispiel übernahm im Mai 2016 die aufständische Gruppe Niger Delta Avengers die Verantwortung für mehrere Angriffe auf die Ölgiganten Chevron, Shell und Nigerian National Petroleum Company (N24 29.5.2016). Ende August 2016 gaben die Niger Delta Avengers bekannt, dass die Gruppe die Feindseligkeiten einstellt und zum Dialog mit der Regierung bereit sei (NW 30.8.2016). Die Delta Avengers haben mit ihren Angriffen aufgehört, um den Friedensgesprächen eine Chance zu geben. Allerdings hat sich eine neue Gruppe, die sich die "New Delta Avengers" nennen, gebildet (Reuters 14.6.2017; vgl. NW 29.6.2017). Der Vizepräsident, Yemi Osinbajo, hat dem Nigerdelta bereits mehrere Besuche abgestattet und sich dabei mit traditionellen Führern und lokalen Politikern getroffen, um die Lage zu besprechen (FT 9.4.2017).

Entführungen sind besonders häufig im Nigerdelta und in den südöstlichen Bundesstaaten Abia, Imo und Anambra. Politiker, Reiche und Ausländer waren die häufigsten Opfer (FH 1.2017).

Von 2000 bis 2010 agierten im Nigerdelta militante Gruppen, die den Anspruch erhoben, die Rechte der Deltabewohner zu verteidigen und die Forderungen auf Teilhabe an den Ölein-nahmen auch mittels Gewalt gegenüber der Regierung durchzusetzen (AA 21.11.2016).

2009 gelang dem damaligen Präsidenten Yar'Adua mit dem Amnestieangebot für die Militan-ten im Niger-Delta eine Beruhigung des Konflikts. Unter Buhari lief das Programm am 15.12.2015 aus. Damit begannen wieder die Angriffe auf die Ölinfrastruktur und die Produk-tion brach ein. Die Regierung scheint vornehmlich auf eine militärische Lösung zu setzen (AA 21.11.2016). Mit dem Amnestieprogramm gingen Kriminalität und Gewalt im Süden zunächst merklich zurück. Allerdings steigen Kriminalität und Gewalt in letzter Zeit wieder an. Deshalb hat die Regierung Buhari im Februar 2016 beschlossen, das Ende 2015 ausgelaufene Amnestieprogramm um weitere zwei Jahre bis 2017 zu verlängern (AA 4.2017a).

Bei den bewaffneten Auseinandersetzungen im Nigerdelta handelt es sich sowohl um einen Konflikt zwischen regionalen militanten Gruppen und der Staatsgewalt, als auch um Rivalitä-ten zwischen den unterschiedlichen lokalen Gemeinschaften. Im ersten Fall stehen in der Regel finanzielle Interessen der bewaffneten Gruppen im Vordergrund, im zweiten Fall geht es um einen Verteilungskampf rivalisierender Gruppen. Abgelegene Gebiete im Nigerdelta sind bis heute teils unter Kontrolle von separatistischen und kriminellen Gruppen. Teile des unzugänglichen Gebiets stellen weiterhin einen weitgehend rechtsfreien Raum dar, in dem die Einflussmöglichkeiten staatlicher Ordnungskräfte begrenzt sind (AA 21.11.2016). Das UK Home Office berichtet, dass laut DefenceWeb eine Joint Task Force (JTF) 2013 eingerichtet wurde, um den Terrorismus und andere Bedrohungen im Nigerdelta zu bekämpfen (UKHO 8.2016a). Die JTF, auch Operation Pulo Shield genannt, wurde im Juni 2016 umstrukturiert und mit der neuen Operation Delta Safe ersetzt, damit die derzeitigen Sicherheitsprobleme im Nigerdelta angegangen werden können (PT 22.6.2016; vgl. auch NT 9.7.2016).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (21.11.2016): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria

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AA - Auswärtiges Amt (4.2017c): Nigeria - Wirtschaft, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Nigeria/Wirtschaft_node.html, Zugriff 26.7.2017

-

AA - Auswärtiges Amt (4.2017a): Nigeria - Innenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Nigeria/Innenpolitik_node.html, Zugriff 24.8.2016

-

DACH - Asylkooperation Deutschland-Österreich-Schweiz (27.2.2013):

D-A-CH Fact-sheet zu Nigeria,

http://www.ecoi.net/file_upload/1729_1361973048_dach-nigeria-factsheet-gr-2013-02.doc, Zugriff 27.7.2017

-

FH - Freedom House (1.2017): Freedom in the World 2017 - Nigeria, https://www.ecoi.net/local_link/341818/485138_de.html, Zugriff 26.7.2017

-

FT - Financial Times (9.4.2017): Talks help crude and peace flow in the Niger Delta,

https://www.ft.com/content/8fc6b24c-152a-11e7-80f4-13e067d5072c, Zugriff 26.7.2017

-

N24 - News 24 (29.5.2016): Buhari to keep Delta amnesty programme, http://www.news24.com/Africa/News/buhari-to-keep-delta-amnesty-programme-20160529-2, Zugriff 26.7.2017

-

NT - Nigerian Tribune (9.7.2016): Operation Delta Safe gets new Coordinator,

http://tribuneonlineng.com/operation-delta-safe-gets-new-coordinator/, Zugriff 26.7.2017

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NW - Newsweek (29.6.2017): Nigeria Oil: Militants Will 'Give Peace a Chance' and Stop Attacks in Niger Delta, http://www.newsweek.com/nigeria-oil-yemi-osinbajo-niger-delta-629964, Zugriff 26.7.2017

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NW - Newsweek (30.8.2016): Niger Delta Avengers say 'Hostilities ceased' against Nige-rian Government, http://europe.newsweek.com/niger-delta-avengers-say-hostilities-ceased-against-nigerian-government-494387?rm=eu, Zugriff 2.8.2017

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OP - Oilprice.com (22.6.2017): Once Again, Tensions Are Rising In Nigeria's Oil Sector,

http://oilprice.com/Energy/Crude-Oil/Once-Again-Tensions-Are-Rising-In-Nigerias-Oil-Sector.html, Zugriff 25.7.2017

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PT - Premium Times (22.6.2016): Nigerian military scraps Niger Delta 'Operation Pulo Shield',

http://www.premiumtimesng.com/news/top-news/205761-nigerian-military-scraps-niger-delta-operation-pulo-shield.html, Zugriff 26.7.2017

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Reuters (14.6.2017): Nigeria Oil: Militants Will 'Give Peace a Chance' and Stop Attacks in Niger Delta, http://www.reuters.com/article/nigeria-security-avengers-idUSL8N1J94QB, Zugriff 26.7.2017

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UKHO - UK Home Office (8.2016a): Country Information and Guidance Nigeria: Back-ground information, including actors of protection, and internal relocation,

http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1471849541_cig-nigeria-background-v2-0-august-2016.pdf, Zugriff 26.7.2017

2.2. Middle Belt inkl. Jos/Plateau

Die ethnischen Gegensätze in Nigeria werden durch religiös-konfessionelle Trennlinien ver-stärkt, die aufgrund historischer Entwicklungen und moderner Binnenmigration viel kompli-zierter verlaufen, als es das vereinfachte Bild einer Nord-Süd-Teilung Nigerias in einen überwiegend muslimischen Norden und einen stärker christlich geprägten Süden nahelegt. Immer wieder kommt es zu lokalen Konflikten zwischen einzelnen ethnischen, sozialen und religiösen Gruppen, wie insbesondere zwischen Hirten und Bauern in Zentralnigeria (AA 4.2017a). Während diese Gewalt gewöhnlich nicht als religiöser Konflikt beginnt, nimmt es häufig religiöse Untertöne an und wird so von vielen Beteiligten als religiöser Konflikt wahr-genommen (USCIRF 26.4.2017). Bei derartiger Gewalt liegt der Ursprung gewöhnlich jedoch darin, dass in einem sehr heterogenen und ethnisch vielfältigen Teil Nigerias eine Gruppe die Kontrolle des Staatsapparates gegenüber einer anderen Gruppe beansprucht (KAS 12.7.2013; vgl. WWR 20.3.2015, IRIN 13.6.2017). Die Gründe, die für die Gewalt genannt werden, sind unter anderem Landstreitigkeiten, da Hirten Weideland für ihre Rinder suchen; bewaffnete Hirten, die sich vor Viehdiebstahl schützen wollen; und Fulani, die im Süden von Kaduna Rache für 500 Muslime, die bei Gewalt nach den Wahlen getötet wurden, ausüben (USCIRF 26.4.2017).

Obwohl kommunale Auseinandersetzungen in nahezu allen Regionen des Landes vorkom-men, sind Intensität und Opfer in der Region des "Middle Belt? gravierender. Dies gilt v.a. für die Bundesstaaten Kaduna und Plateau, wo zahllose Menschen, vornehmlich Frauen und Kinder, auf brutalste Weise ermordet werden (KAS 12.7.2013; vgl. WWR 20.3.2015). Der Middle Belt bildet eine Brücke zwischen dem vorwiegend muslimischen Nordnigeria und dem hauptsächlich christlichen Süden. Die Region wird von kleinen christlichen Ethnien dominiert, die eine lange Tradition des Widerstandes gegen die muslimischen Ethnien aus dem Norden haben. Die Spannungen im Middle Belt sind mit dem Problem der "Indigenität" verbunden: Jeder Bundesstaat und jede LGA in Nigeria unterteilt seine Bevölkerung in "indigene" und "nicht-indigene" Bürger, oder "Einheimische" und "Siedler". Im Middle Belt genießen vorwiegend die o.g. kleinen christlichen Ethnien den Status der Indigenen, während die muslimischen Hausa und Fulani als Siedler eingestuft werden (DACH 2.2013; vgl. WWR 20.3.2015; IRIN 13.6.2017).

In Nigeria leben 18 Millionen Fulani, die auch Fulbe oder Peul genannt werden. 98 Prozent der Fulani sind muslimisch (CWI 6.2016). Die Fulani haben seit Jahrhunderten in einem großen Bereich Westafrikas ihre Rinderherden weiden lassen, doch sind sie dem wachsenden Druck ausgesetzt sich niederzulassen. Viele von ihnen haben es auch bereits getan. Da die Umweltbedingungen sich in der Sahelzone verschlechtern, sind die Fulani-Hirten gezwungen, auf der Suche nach neuen Weidegebieten langsam Richtung Süden und Westen zu wandern. Dies führt zu Konkurrenz und somit auch zu Kämpfen zwischen den Hirten und den Bauern um die natürlichen Ressourcen (CWI 6.2016; vgl. IRIN 27.7.2017).

Die wiederkehrende Gewalt zwischen den überwiegend christlichen Bauern und überwiegend muslimischen nomadischen Hirten ist im Jahr 2016 und Anfang 2017 angestiegen und hat zu hunderten von Toten und Zerstörungen von Kirchen geführt. Solche Angriffe wurden für Kaduna, Plateau, Bauchi, Taraba und Benue vermeldet. So wurden im März 2016 in Agatu Local Government Area, Benue zwischen 100-300 Menschen getötet und laut Berichten zufolge mindestens sechs Dörfer zerstört (USCIRF 26.4.2017). Eine andere Quelle spricht von über 500 Toten. Insgesamt sind im Jahr 2016 bei 59 Vorfällen 1.895 Menschen getötet worden (SBM 7.1.2017).

Die Regierung hat es lange nicht geschafft auf diese Gewalt adäquat zu reagieren. Die Bun-despolizei wird selten eingesetzt, geschweige denn rechtzeitig. Die Regierung hat Polizei und Militär ins südliche Kaduna entsandt, um die Gewalt dort in den Griff zu bekommen. Jedoch gibt es Berichte, dass die Truppen sich nur bei den Hauptstraßen aufhielten und nicht weiter in die ländlichen Gebiete, wo es auch zu Gewalt kommt, vorgedrungen sind (USCIRF 26.4.2017).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (4.2017a): Nigeria - Innenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Nigeria/Innenpolitik_node.html, Zugriff 26.7.2017

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CWI - 21st Century Wilberforce Initiative (6.2016): Nigeria, Fractured and Forgotten, Dis-crimination And Violence Along Religious Fault Lines,

http://www.standwithnigeria.org/wp-content/uploads/2016/06/NIgeria-Fractured-and-Forgotten.pdf, Zugriff 27.7.2017

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DACH - Asylkooperation Deutschland-Österreich-Schweiz (27.2.2013):

D-A-CH Facts-heet zu Nigeria,

http://www.ecoi.net/file_upload/1729_1361973048_dach-nigeria-factsheet-gr-2013-02.doc, Zugriff 27.7.2017

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IRIN - IRIN News (13.7.2017): The deadly conflict tearing Nigeria apart (and it's not Boko Haram), https://www.irinnews.org/analysis/2017/06/13/deadly-conflict-tearing-nigeria-apart-and-it%E2%80%99s-not-boko-haram, Zugriff 27.7.2017

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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