TE OGH 2018/3/21 9ObA112/17m

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Veröffentlicht am 21.03.2018
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Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden, die Hofrätinnen Hon.-Prof. Dr. Dehn und Mag. Korn sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Bianca Hammer und Harald Kohlruss als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei N*****, vertreten durch Summer Schertler Kaufmann Droop Lerch Rechtsanwälte GmbH in Bregenz, gegen die beklagte Partei A*****, vertreten durch die Dr. Gustav Teicht, Dr. Gerhard Jöchl Kommandit-Partnerschaft, Rechtsanwälte in Wien, wegen 49.198,16 EUR sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei (Revisionsinteresse 29.741,43 EUR sA) gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 29. Juni 2017, GZ 15 Ra 35/17k-54, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1. Die geltend gemachte Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens wurde geprüft, liegt jedoch nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO).

2. Kollektivvertragliche oder einzelvertragliche Ausschlussfristen, die eine Verkürzung der Verjährungsfrist auch für nach dem Gesetz unabdingbare Ansprüche vorsehen, sind nach ständiger Rechtsprechung zulässig, sofern dadurch die Rechtsverfolgung nicht übermäßig erschwert wird (vgl RIS-Justiz RS0034517, RS0016688). An dieser Rechtsansicht, die darauf gründet, dass zwischen der vertraglichen Unabdingbarkeit eines Anspruchs und der Frist für dessen Geltendmachung zu unterscheiden ist, wurde trotz Kritik in der Lehre ausdrücklich festgehalten (vgl insbesondere 9 ObA 1/14h).

2. Ausgehend vom Grundsatz, dass die jeweils nachrangigen Rechtsquellen die Stellung des Arbeitnehmers nicht verschlechtern, sondern nur verbessern können, ist – unter sinngemäßer Anwendung der Kriterien des § 3 Abs 2 ArbVG – auch im Verhältnis einer einseitig zwingenden gesetzlichen Regelung zu einer abweichenden Bestimmung in einem Kollektivvertrag oder einer Betriebsvereinbarung bzw einem Arbeitsvertrag ein Günstigkeitsvergleich anzustellen (RIS-Justiz RS0050828 [T10]).

Regelungen in nachrangigen Rechtsquellen können dann vom Gesetz abweichen, wenn sie insgesamt günstiger sind als die gesetzliche Regelung. Bei der Beurteilung, ob dies der Fall ist, sind nicht einzelne isolierte Bestimmungen, sondern der Gesamtkomplex der sachlich und rechtlich zusammenhängenden Bestimmungen zu vergleichen. Die Wertung richtet sich aber nicht nach der subjektiven Einschätzung des Arbeitnehmers oder Arbeitgebers, sondern nach objektiven Kriterien (RIS-Justiz RS0051060; RS0051056; 8 ObA 50/05v ua).

3. In der Entscheidung 9 ObA 141/05h beurteilte der Oberste Gerichtshof eine in einem Kollektivvertrag enthaltene Bestimmung, nach der sämtliche Ansprüche, sofern sie nicht innerhalb einer Frist von vier Monaten nach Fälligkeit schriftlich beim Arbeitgeber geltend gemacht werden, verfallen, bei rechtzeitiger Geltendmachung jedoch die gesetzliche dreijährige Verjährungsfrist gewahrt bleibt, als für den Arbeitnehmer insgesamt günstiger als die sechsmonatige Frist des § 1162d ABGB. Der Vorteil des Arbeitnehmers aus der außergerichtlichen formlosen Geltendmachung werde durch den Nachteil der Fristverkürzung nicht aufgewogen.

Die dieser Judikatur folgende Beurteilung des Berufungsgerichts, dass im vorliegenden Fall die vertragliche Vereinbarung einer dreimonatigen Frist für eine formlose Geltendmachung von Ansprüchen, wobei bei rechtzeitiger Geltendmachung die gesetzliche Verjährungsfrist gewahrt bleibt, für die Klägerin bei objektiver Betrachtungsweise insgesamt günstiger ist, als die sechsmonatige Frist für die gerichtliche Geltendmachung des § 34 AngG, ist nicht korrekturbedürftig.

4. Aus dem Einleitungssatz der vereinbarten Verfallsklausel, dass diese nur gelte, „sofern (…) aufgrund kollektivvertraglicher Bestimmungen nicht zwingend Abweichendes gilt“, ist für die Klägerin nichts zu gewinnen, da nicht mehr strittig ist, dass ihr Dienstverhältnis keinem Kollektivvertrag unterliegt. Dass sie nur aufgrund des Vertrauens auf eine bestimmte kollektivvertragliche Regelung eine Klagsführung unterließ, hat die Klägerin in erster Instanz nicht geltend gemacht, wäre aber auch im Hinblick darauf, dass die Beklagte nie die Anwendung eines Kollektivvertrags behauptete, ohne Relevanz.

5. Der zwingende Charakter der Abfertigung hat nicht zur Folge, dass eine kollektivvertragliche oder einzelvertragliche Festsetzung von Verfallsfristen für diese Ansprüche unwirksam wäre. Eine dreimonatige Verfallsfrist zur Geltendmachung der Abfertigung ist nicht unangemessen und somit nicht sittenwidrig (vgl 8 ObA 34/07v).

Nach der Vereinbarung beginnt der Lauf der Verfallsfrist ausdrücklich mit der Fälligkeit des betreffenden Anspruchs, somit zu dem Zeitpunkt, zu dem der Anspruch erstmals geltend gemacht werden kann. Soweit die Abfertigung daher mit Beendigung des Dienstverhältnisses fällig wird, beginnt zu diesem Zeitpunkt auch die Verfallsfrist zu laufen. Dass § 23 Abs 4 AngG für Teile der Abfertigung erst eine spätere Fälligkeit vorsieht, hat darauf keinen Einfluss.

6. Mangels Vorliegens einer Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO ist die außerordentliche Revision zurückzuweisen. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Zurückweisungsbeschluss nicht (§ 510 Abs 3 Satz 3 ZPO).

Textnummer

E121350

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2018:009OBA00112.17M.0321.000

Im RIS seit

11.05.2018

Zuletzt aktualisiert am

07.03.2019
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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