Entscheidungsdatum
18.04.2018Index
41/02 Passrecht FremdenrechtNorm
NAG §21 Abs1Text
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Verwaltungsgericht Wien hat durch seinen Richter Mag. Pühringer über die Beschwerde der D. L. (geb.: ...1951, StA: Mazedonien), vertreten durch Rechtsanwälte, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 5. März 2018, Zl. MA35-9/3202104-01, mit welchem der Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels für den Zweck "Rot-Weiß-Rot – Karte plus" gemäß § 21 Abs. 1 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz – NAG, abgewiesen wurde,
zu Recht erkannt:
I. Die Beschwerde wird gemäß § 21 Abs. 1 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz, BGBl. I 100/2005 idF BGBl. I 145/2017, als unbegründet abgewiesen.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a Abs. 1 VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.
Entscheidungsgründe
I. Verfahrensgang
1. Mit bei der belangten Behörde eingebrachtem Antrag vom 16. Februar 2018 beantragte die Beschwerdeführerin einen Aufenthaltstitel für den Zweck "Rot-Weiß-Rot – Karte plus (Familiengemeinschaft)".
2. Die belangte Behörde wies diesen Antrag mit dem angefochtenen Bescheid vom 5. März 2018 ab, weil die Beschwerdeführerin nicht zur Inlandsantragstellung berechtigt gewesen sei.
3. Gegen diesen Bescheid richtete sich die – fristgerecht erhobene – Beschwerde, mit welcher die Beschwerdeführerin begehrt, das Verwaltungsgericht Wien möge den Bescheid beheben und der belangten Behörde auftragen, eine angemessene Frist zur Stellung eines Zusatzantrages gemäß § 21 Abs. 3 NAG einzuräumen.
4. Die belangte Behörde traf keine Beschwerdevorentscheidung und legte die Beschwerde samt dem Bezug habenden Verwaltungsakt dem erkennenden Gericht zur Entscheidung vor.
II. Sachverhalt
1. Das Verwaltungsgericht Wien legt seiner Entscheidung folgende Feststellungen zu Grunde:
Die Beschwerdeführerin, eine am ... 1951 geborene, mazedonische Staatsangehörige hält sich seit 30. Juli 2017 durchgehend in Österreich auf. Sie besitzt kein Visum für ihren Aufenthalt im Bundesgebiet und ist an der Adresse ihres Ehegatten in Wien, ..., gemeldet. Jener ist ebenfalls mazedonischer Staatsangehöriger und hat einen unbefristeten Aufenthaltstitel "Daueraufenthalt – EG" inne.
Mit persönlich bei der belangten Behörde eingebrachtem Erstantrag vom 16. Februar 2018 begehrte die Beschwerdeführerin die Erteilung eines Aufenthaltstitels "Rot-Weiß-Rot – Karte plus (Familiengemeinschaft)". Ein von der Beschwerdeführerin am selben Tag persönlich übernommenes Schreiben der belangten Behörde weist – neben anderen Ausführungen – folgenden Inhalt auf:
"[…]
Sie haben am Tag der Antragstellung, dem 16.2.2018, Ihre sichtvermerksfreie Zeit von 90 Tagen bereits massivst überschritten. Am Tag Ihrer Antragstellung befanden Sie sich bereits 202 Tage im Bundesgebiet.
Daher wird Ihnen folgendes explizit zur Kenntnis gebracht.
Gemäß § 21 Abs. 3 NAG kann die Behörde abweichend von Abs. 1 auf begründeten Antrag die Antragstellung im Inland zulassen, wenn kein Erteilungshindernis gemäß § 11 Abs. 1 Z 1, 2 oder 4 vorliegt und die Ausreise des Fremden aus dem Bundesgebiet zum Zweck der Antragstellung nachweislich nicht möglich oder nicht zumutbar ist:
1. im Fall eines unbegleiteten Minderjährigen (§ 2 Abs. 1 Z 17) zur Wahrung des Kindeswohls oder
2. zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK (§ 11 Abs. 3).
Die Stellung eines solchen Antrages ist nur bis zur Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides zulässig. Über diesen Umstand ist der Fremde zu belehren.
Aus der Aktenlage ergeben sich keinerlei besonders berücksichtigungswürdige Gründe, die eine Ausreise und korrekte Antragstellung bei der österreichischen Vertretungsbehörde in der Heimat nicht möglich oder nicht zumutbar machen würde im Sinne des § 21 Abs. 3 NAG. Ein entsprechender Zusatzantrag wurde bis dato nicht eingebracht.
[…]"
Die Beschwerdeführerin brachte hienach bis zur Erlassung des angefochtenen Bescheids keinen solchen Antrag nach § 21 Abs. 3 NAG ein.
Am 5. März 2018 erging sodann der nunmehr angefochtene Bescheid, welcher der Beschwerdeführerin am 9. März 2018 durch postalische Hinterlegung zugestellt wurde.
2. Diese Feststellungen ergeben sich aus folgender Beweiswürdigung:
Diese Feststellungen gründen sich auf den unzweifelhaften Inhalt des vorliegenden Verwaltungsakts, welcher auch im Beschwerdeschriftsatz nicht bestritten wurde, sowie auf der durch das Verwaltungsgericht Wien vorgenommenen Einsichtnahme in öffentliche Register, insbesondere das Zentrale Melderegister und das Zentrale Fremdenregister.
Dass sich die Beschwerdeführerin seit 30. Juli 2017 in Österreich aufhält, ergibt sich aus ihrem Vorbringen in der Beschwerde sowie dem Einreisestempel im Reisepass und deckt sich im Wesentlichen auch mit der Meldung des Hauptwohnsitzes im Zentralen Melderegister ab August 2017.
Der Inhalt des behördlichen Schreibens vom 16. Februar 2018 ergibt sich aus diesem, dem Akt einliegenden, Schriftstück und wird auch in der Beschwerde nicht bestritten, vielmehr bringt die Beschwerdeführerin selbst vor, dass ihr der Normtext des § 21 Abs. 3 NAG zur Kenntnis gebracht worden sei. Ob die Form der Belehrung im Sinne des § 21 Abs. 3 NAG erfolgte, ist schließlich eine Frage der rechtlichen Beurteilung.
Ferner wird auch nicht bestritten, dass die Beschwerdeführerin in der Folge keinen Antrag gemäß § 21 Abs. 3 NAG gestellt hat und lassen sich auch keine Anhaltspunkte im Akt erkennen, die auf die Stellung eines solchen Antrags hindeuten würden.
III. Rechtliche Beurteilung
1. Anzuwendende Rechtsvorschrift:
Die im Beschwerdefall maßgebliche Bestimmung des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes – NAG, BGBl. I 100/2005 idF BGBl. BGBl. I 145/2017, lautet auszugsweise:
"Verfahren bei Erstanträgen
§ 21. (1) Erstanträge sind vor der Einreise in das Bundesgebiet bei der örtlich zuständigen Berufsvertretungsbehörde im Ausland einzubringen. Die Entscheidung ist im Ausland abzuwarten.
(2) Abweichend von Abs. 1 sind zur Antragstellung im Inland berechtigt:
1. Familienangehörige von Österreichern, EWR-Bürgern und Schweizer Bürgern, die in Österreich dauernd wohnhaft sind und nicht ihr unionsrechtliches oder das ihnen auf Grund des Freizügigkeitsabkommens EG-Schweiz zukommende Aufenthaltsrecht von mehr als drei Monaten in Anspruch genommen haben, nach rechtmäßiger Einreise und während ihres rechtmäßigen Aufenthalts;
2. Fremde bis längstens sechs Monate nach Ende ihrer rechtmäßigen Niederlassung im Bundesgebiet, wenn sie für diese Niederlassung keine Bewilligung oder Dokumentation nach diesem Bundesgesetz benötigt haben;
[…]
(3) Abweichend von Abs. 1 kann die Behörde auf begründeten Antrag die Antragstellung im Inland zulassen, wenn kein Erteilungshindernis gemäß § 11 Abs. 1 Z 1, 2 oder 4 vorliegt und die Ausreise des Fremden aus dem Bundesgebiet zum Zweck der Antragstellung nachweislich nicht möglich oder nicht zumutbar ist:
1. im Fall eines unbegleiteten Minderjährigen (§ 2 Abs. 1 Z 17) zur Wahrung des Kindeswohls oder
2. zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK (§ 11 Abs. 3).
Die Stellung eines solchen Antrages ist nur bis zur Erlassung des Bescheides zulässig. Über diesen Umstand ist der Fremde zu belehren.
(4) Beabsichtigt die Behörde den Antrag nach Abs. 3 zurück- oder abzuweisen, so hat die Behörde darüber im verfahrensabschließenden Bescheid abzusprechen.
[…]"
2. Bei dem verfahrensgegenständlichen Antrag der Beschwerdeführerin vom 16. Februar 2018 handelt es sich um einen Erstantrag. Gemäß § 21 Abs. 1 NAG wäre die Beschwerdeführerin sohin grundsätzlich zur Antragsstellung bei der österreichischen Berufsvertretungsbehörde in Mazedonien verpflichtet gewesen, wogegen keine verfassungsrechtlichen Bedenken bestehen (vgl. VfSlg. 18.316/2007). Im Beschwerdefall ist nicht ersichtlich, dass eine von diesem Gebot abweichende Ausnahme des § 21 Abs. 2 NAG vorliegt. Insbesondere ist festzuhalten, dass die Beschwerdeführerin nach Ablauf der für mazedonische Staatsangehörige geltenden sichtvermerkfreien Zeit von 90 Tagen innerhalb von 180 Tagen – gerechnet von ihrer Einreise am 30. Juli 2017 an ergibt sich der 28. Oktober 2017 als Stichtag – im österreichischen Bundesgebiet verblieben ist und den verfahrenseinleitenden Antrag somit § 21 Abs. 1 NAG widersprechend während ihres illegalen Verbleibs im Bundesgebiet gestellt hat.
3. Im Beschwerdefall könnte sich eine Zulässigkeit der Inlandsantragstellung somit einzig aus § 21 Abs. 3 NAG ergeben. Zwingende Voraussetzung hiefür ist allerdings das Vorliegen eines begründeten Zusatzantrags des Fremden (vgl. VwGH 3.10.2013, 2013/22/0213), der bis zur Erlassung des verfahrensbeendenden Bescheids gestellt werden kann, wobei die Behörde über diese Möglichkeit zu belehren hat. Dass die hier eröffnete Möglichkeit zur Inlandsantragstellung antragsgebunden ist, stößt auf keine verfassungsrechtlichen Bedenken (vgl. VfSlg. 18.517/2008).
Eine bestimmte Form für diese Belehrung sieht das Gesetz nicht vor. In den Erläuterungen findet sich zu § 21 Abs. 3 NAG der Hinweis, dass die Belehrung in geeigneter, nachvollziehbarer Weise, etwa in Rahmen einer förmlichen Niederschrift oder mittels eines Informationsblattes in der Muttersprache des Fremden zu erfolgen hat (vgl. ErläutRV 88 BglNR 24. GP 9). Nach Ansicht des Verwaltungsgerichts Wien lässt sich dem Gesetzeswortlaut jedoch kein Gebot der Einhaltung einer dieser in den Erläuterungen beispielhaft aufgezählten Formgebote entnehmen. Zudem erschiene eine Belehrung (bloß) in der Muttersprache der Antragstellerin in Hinblick auf Art. 8 B-VG, welcher als Amtssprache die deutsche Sprache verfassungsrechtlich verankert, fragwürdig.
4. Die Beschwerdeführerin wurde mit Schreiben vom 16. Februar 2018 über die Möglichkeit der Stellung eines Zusatzantrags belehrt, indem ihr der Normtext des § 21 Abs. 3 NAG zur Kenntnis gebracht wurde. Dieses Schreiben wurde noch am selben Tag von der Beschwerdeführerin persönlich übernommen. Für das Verwaltungsgericht Wien ist kein Grund ersichtlich, weshalb die Zitierung des Normtexts kein geeignetes Mittel einer Belehrung iSd § 21 Abs. 3 NAG sein sollte, zumal die Widergabe des Normtexts die einzige Möglichkeit darstellt, umfassend alle erforderlichen Elemente einer Belehrung über den Gesetzesinhalt exakt anzuführen. Jedenfalls enthält § 21 Abs. 3 NAG kein Gebot, vor der eigentlichen Belehrung gesondert über den Umstand der zu erfolgenden Belehrung zu belehren, wie es die Beschwerde impliziert. Ebenso wenig schadet es, wenn die belangte Behörde der Antragstellerin im Zuge der Belehrung mitteilt, dass aus der bisherigen Aktenlage keine ausreichenden Gründe für die Zulassung der Inlandsantragstellung erkennbar seien.
5. Die Belehrung erfolgte somit in geeigneter und nachvollziehbarer Weise. Sofern die Beschwerdeführerin vorbringt, die belangte Behörde hätte eine angemessene Frist zur Antragstellung einräumen und über die Rechtsfolgen einer Fristverstreichung belehren müssen, ist darauf hinzuweisen, dass § 21 Abs. 3 NAG – im Gegensatz zu § 21a Abs. 5 NAG – gerade nicht auf § 13 Abs. 3 AVG verweist. Es ist daher nicht anzunehmen, dass in diesem Zusammenhang eine förmliche Frist iSd § 13 Abs. 3 AVG einzuräumen ist. Der Antragstellerin wird jedoch faktisch ausreichend Zeit einzuräumen sein, um einen entsprechend begründeten Antrag iSd § 21 Abs. 3 NAG zu stellen. Dies ist im Beschwerdefall durch die von der belangten Behörde faktisch gewährte Frist von drei Wochen bis zur Bescheiderlassung erfolgt. Weshalb es der Beschwerdeführerin trotz erfolgter Belehrung bis zur Bescheiderlassung nicht möglich gewesen sein soll, einen Zusatzantrag iSd § 21 Abs. 3 NAG zu stellen, lässt auch die Beschwerde offen.
6. Mangels zulässiger Inlandsantragstellung hat die Beschwerdeführerin somit gegen § 21 Abs. 1 NAG verstoßen und erweist sich die Abweisung des Antrags auf Erteilung eines Aufenthaltstitels durch die belangte Behörde als rechtmäßig; die dagegen gerichtete Beschwerde ist abzuweisen.
7. Diese Entscheidung konnte – ungeachtet des Antrags der Beschwerdeführerin – gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG ohne Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung getroffen werden, weil einzig nicht übermäßig komplexe Rechtsfragen zu klären waren und der entscheidungserhebliche Sachverhalt unstrittig anhand der Aktenlage und des Beschwerdevorbringens festgestellt werden konnte. In einem solchen Fall ist von vornherein absehbar, dass die mündliche Erörterung nichts zur Ermittlung der materiellen Wahrheit beitragen kann (VwGH 16.11.2015, Ra 2015/12/0026). Im Übrigen berührt die Versagung eines Aufenthaltstitels kein civil right iSd Art. 6 EMRK (VwGH 15.6.2010, 2009/22/0347).
8. Die ordentliche Revision ist unzulässig, da im Beschwerdefall keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Das Verwaltungsgericht Wien hat sich bei seiner Entscheidung insbesondere betreffend das Vorliegen der Voraussetzungen einer zulässigen Inlandsantragstellung und betreffend die Verhandlungspflicht an der zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes orientiert. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung ab, noch fehlt es an einer solchen Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Zwar liegt – soweit für das Verwaltungsgericht Wien überblickbar – keine ausdrückliche Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage, welche Form eine Belehrung iSd § 21 Abs. 3 NAG aufzuweisen hat, vor, diese Frage lässt sich jedoch unzweifelhaft aus dem Gesetzeswortlaut beantworten, die Rechtslage ist somit eindeutig (vgl. zur Unzulässigkeit der Revision bei eindeutiger Rechtslage VwGH 8.2.2018, Ra 2017/11/0292). Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfragen vor.
Schlagworte
Erstantrag, Inlandsantragstellung, antragsgebunden, Form der Belehrung, FristsetzungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGWI:2018:VGW.151.032.4758.2018Zuletzt aktualisiert am
07.05.2018