Entscheidungsdatum
01.03.2018Norm
BAO §93 Abs2Text
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich erkennt durch den Richter Mag. Hubmayr über die Beschwerde des AW vom 15. Dezember 2017 gegen den Bescheid des Stadtsenates der Stadt Wiener Neustadt vom 6. November 2017, Zahl: WN/49151/SA-GD-GS-WA/1, mit welchem eine Berufung gegen eine als „Grundbesitzabgaben 1. Quartal 2017“ bezeichnete Erledigung des Magistrates der Stadt Wiener Neustadt vom 15. Jänner 2017, als unzulässig zurückgewiesen wurde, zu Recht:
1. Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
2. Eine Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist nicht zulässig.
Rechtsgrundlagen:
§ 279 Bundesabgabenordnung – BAO
§ 25a Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 – VwGG
Entscheidungsgründe:
1. Sachverhalt und bisheriges Verfahren:
Mit einer im Betreff mit „Grundbesitzabgaben 1. Quartal 2017 u. Wasserendabrechnung“ bezeichneten Erledigung des Magistrates der Stadt Wiener Neustadt vom 15. Jänner 2017, Rechnungsnummer: ***, Kundennummer: ***, wurde Herr AW (in der Folge: Beschwerdeführer) vom Eintritt der Fälligkeit verschiedener Abgabenbeträge (Grundsteuer B, Wasserbezugsgebühr, Kanalbenützungsgebühr, Bereitstellungsgebühr, Abfallwirtschaftsgebühr, u.a.) für das 1. Quartal 2017 am 15. Februar 2017 verständigt.
Mit Schreiben vom 31. Jänner 2017 brachte der Beschwerdeführer gegen dieses Schreiben beim Magistrat der Stadt Wiener Neustadt das Rechtsmittel der Berufung ein. Die vorgeschriebenen Gebühren seien entsprechend einem Bericht des Rechnungshofes überhöht und daher zu mindern.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 6. November 2017 wurde diese Berufung vom Stadtsenat der Stadt Wiener Neustadt als unzulässig zurückgewiesen. Bei dem angefochtenen Schreiben handle es sich um eine Lastschriftanzeige, mit welcher die Abgabenfälligkeiten mitgeteilt worden seien. Es seien damit auch keine Abgaben vorgeschrieben worden. Es liege kein Bescheid vor, daher sei eine Berufung nicht zulässig.
Dieser Berufungsbescheid wurde vom Stadtsenat der Stadt Wiener Neustadt in seiner nichtöffentlichen Sitzung am 2. Oktober 2017 unter Tagesordnungspunkt 5 beschlossen. Die Beschlussdeckung ist durch das dem Landesverwaltungsgericht vorgelegte genehmigte Sitzungsprotokoll nachgewiesen.
Der Bescheid wurde dem Beschwerdeführer nachweislich am 20. November 2017 zugestellt.
Gegen diesen Berufungsbescheid des Stadtsenates vom 6. November 2017 richtet sich die gegenständliche Bescheidbeschwerde vom 15. Dezember 2017 an das Landesverwaltungsgericht. In der Beschwerde wird im Wesentlichen das Berufungsvorbringen wiederholt und zusätzlich vorgebracht, dass auf der Rückseite des als Lastschriftanzeige bezeichneten Schreibens ausdrücklich darauf hingewiesen werde, dass es sich dabei um einen Bescheid handle.
Die Beschwerde wurde dem Landesverwaltungsgericht Niederösterreich mit dem angeschlossenen Abgabenakt der Stadt Wiener Neustadt am 22. Jänner 2018 zur Entscheidung vorgelegt.
Dieser Sachverhalt konnte aufgrund des von der belangten Behörde vorgelegten unbedenklichen und ins Beweisverfahren einbezogenen Verwaltungsaktes, an dessen Vollständigkeit keine Zweifel entstanden sind, sowie aufgrund des Beschwerdevorbringens festgestellt werden.
2. Anzuwendende Rechtsvorschriften:
2.1. Bundesabgabenordnung – BAO:
§ 1. (1) Die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes gelten in Angelegenheiten der öffentlichen Abgaben (mit Ausnahme der Verwaltungsabgaben des Bundes, der Länder und der Gemeinden) sowie der auf Grund unmittelbar wirksamer Rechtsvorschriften der Europäischen Union zu erhebenden öffentlichen Abgaben, in Angelegenheiten der Eingangs- und Ausgangsabgaben jedoch nur insoweit, als in den zollrechtlichen Vorschriften nicht anderes bestimmt ist, soweit diese Abgaben durch Abgabenbehörden des Bundes, der Länder oder der Gemeinden zu erheben sind.
§ 2a. Die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes gelten sinngemäß in Verfahren vor den Verwaltungsgerichten, soweit sie im Verfahren vor der belangten Abgabenbehörde gelten. In solchen Verfahren ist das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) nicht anzuwenden. …
§ 93. …
(2) Jeder Bescheid ist ausdrücklich als solcher zu bezeichnen, er hat den Spruch zu enthalten und in diesem die Person (Personenvereinigung, Personengemeinschaft) zu nennen, an die er ergeht.
…
§ 243. Gegen Bescheide, die Abgabenbehörden erlassen, sind Beschwerden (Bescheidbeschwerden) an die Verwaltungsgerichte zulässig, soweit in Abgabenvorschriften nicht anderes bestimmt ist.
§ 260. (1) Die Bescheidbeschwerde ist mit Beschwerdevorentscheidung (§ 262) oder mit Beschluss (§ 278) zurückzuweisen, wenn sie
a) nicht zulässig ist oder
b) nicht fristgerecht eingebracht wurde.
…
§ 279. (1) Außer in den Fällen des § 278 hat das Verwaltungsgericht immer in der Sache selbst mit Erkenntnis zu entscheiden. Es ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung seine Anschauung an die Stelle jener der Abgabenbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern, aufzuheben oder die Bescheidbeschwerde als unbegründet abzuweisen.
…
§ 288. (1) Besteht ein zweistufiger Instanzenzug für Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches der Gemeinden, so gelten für das Berufungsverfahren die für Bescheidbeschwerden und für den Inhalt der Berufungsentscheidungen die für Beschwerdevorentscheidungen anzuwendenden Bestimmungen sinngemäß. Weiters sind die Beschwerden betreffenden Bestimmungen (insbesondere die §§ 76 Abs. 1 lit. d, 209a, 212 Abs. 4, 212a und 254) sowie § 93 Abs. 3 lit. b und Abs. 4 bis 6 sinngemäß anzuwenden.
…
2.2. Bundes-Verfassungsgesetz – B-VG:
Artikel 133.
(…)
(4) Gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
(…)
2.3. Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 – VwGG:
§ 25a. (1) Das Verwaltungsgericht hat im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
(…)
3. Würdigung:
3.1. Zu Spruchpunkt 1:
Bei dem Schreiben vom 15. Jänner 2017 handelte es sich um eine Lastschriftanzeige, mit der der Beschwerdeführer an die Fälligkeit der genannten Abgaben per 15. Februar 2017 erinnert wurde. Durch dieses Schreiben wurden keine Hausbesitzabgaben festgesetzt. Dieses Schreiben stellt eine Zahlungserinnerung dar, mit welcher auf die eintretende Fälligkeit des Vierteljahresbetrages dieser Abgaben hingewiesen wurde. Die Zahlungsverpflichtung zur Abgabenentrichtung wird durch dieses Schreiben jedoch nicht begründet. Auch die Wasserbezugsgebühr („Wasserendabrechnung“) konnte damit nicht festgesetzt werden. Zahlungsverpflichtungen hinsichtlich der angeführten Abgaben können nur mit gesonderten Abgabenbescheiden begründet werden. Das Schreiben vom 15. Jänner 2017 enthält keine Vorschrift, durch welche eine Verpflichtung zur Entrichtung einer Abgabe begründet werden könnte.
Gemäß § 93 Abs. 2 BAO hat ein Bescheid einen Spruch zu enthalten.
Entsprechend der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes fehlt einem Verwaltungsakt, der keinen bestimmten Spruch enthält, die Rechtsqualität als Bescheid.
Durch die Erledigung des Magistrates vom 15. Jänner 2017 wurde keine bestimmte Abgabe festgesetzt. Das Schreiben des Magistrates stellt sich dem Inhalt nach als Verständigung dar, durch die der Beschwerdeführer über Art, Höhe und Zeitpunkt seiner Zahlungsverpflichtungen unterrichtet wurde. Durch diese informelle Mitteilung konnte eine Zahlungspflicht jedenfalls nicht begründet werden. Bestand und Höhe der Abgabenschuld können nicht vom Inhalt einer derartigen Verständigung abhängen. Soweit die Rückseite des Schreibens verschiedene Formeln für Lastschriftanzeigen, Mahnungen oder Bescheide enthält, ist anzumerken, dass diese Angaben keinesfalls konstitutiv wirken, sondern jedenfalls der normative Gehalt der Erledigung insgesamt maßgeblich für die Beurteilung der Bescheidqualität ist.
Da durch diese Erledigung keine Verpflichtung zur Entrichtung der Abgabe begründet wurde, kommt ihr auch kein normativer Inhalt zu, sie enthält daher keinen Spruch. Eine Zahlungsverpflichtung zur Abgabenentrichtung (zur Entrichtung einer Grundsteuer, Wasserbezugsgebühr, Kanalbenützungsgebühr, etc.) wurde durch dieses Schreiben jedenfalls nicht begründet, sodass vom Vorliegen eines normativen Spruches nicht gesprochen werden kann.
Es handelt sich daher schon aus diesem Grund nicht um einen Bescheid, sondern um eine bloße Zahlungserinnerung, eben eine Lastschriftanzeige.
Eine Lastschriftanzeige („Quartalsvorschreibung“) vermag eine Verpflichtung zur Entrichtung einer Abgabe nicht zu begründen, sondern erinnert lediglich an eine bestehende Abgabenzahlungspflicht.
Der Verwaltungsgerichtshof hat mit Erkenntnis vom 26. September 1985, Zl. 85/14/0127, ausgesprochen, dass Lastschriftanzeigen keine Bescheide sind.
Das Gesetz selbst unterstreicht im Übrigen den bloßen Mitteilungscharakter der Lastschriftanzeige, spricht doch die § 227 Abs. 4 lit. a BAO im Zusammenhang mit der Lastschriftanzeige von einer Verständigung (Buchungsmitteilung), die den Abgabepflichtigen über Art, Höhe und Zeitpunkt der Zahlungsverpflichtung unterrichtet.
Im Übrigen ist das Schreiben auch nicht als Bescheid bezeichnet.
Bescheide sind ausnahmslos und ausdrücklich mit dem Wort „Bescheid“ zu bezeichnen (vgl. § 93 Abs. 2 BAO; Ritz, BAO5, § 93, Tz.4). Die Bezeichnung als Bescheid dient der Erkennbarkeit einer behördlichen Ausfertigung als normativer Akt (Stoll, BAO, 958). Die fehlende Bezeichnung einer Erledigung einer Behörde als Bescheid ist unschädlich, wenn sich aus dem Inhalt der Erledigung keine Zweifel am normativen Gehalt ergeben (vgl. z.B. VwGH 30.1.1990, 89/14/0162; 28.9.2004, 2002/14/0035). Bei Zweifeln über den Bescheidcharakter ist schließlich doch die Bezeichnung als Bescheid essentiell (vgl. VwGH 26.3.1993, 90/17/0117; 27.4.1995, 92/17/0288; 18.9.2002, 98/17/0283; 3.7.2009, 2007/17/0115).
Es handelt sich bei diesem Schreiben daher nicht um einen Bescheid.
Mit Berufung anfechtbar sind nur Bescheide, daher sind Berufungen gegen Schriftstücke ohne Bescheidcharakter als unzulässig zurückzuweisen (vgl. VwGH 15.2.2006, 2005/13/0179; 22.3.2006, 2006/13/0001; 28.11.2007, 2004/15/0131,0132; 11.11.2010, 2010/17/0066).
Eine Berufung ist gemäß § 243 iVm § 288 BAO nur gegen Bescheide zulässig.
Die Berufung vom 31. Jänner 2017 richtet sich daher nicht gegen einen Bescheid und ist somit – mangels eines tauglichen Anfechtungsgegenstandes – auch nicht zulässig.
Die Zurückweisung dieser Berufung durch den Stadtsenat mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 6. November 2017 erweist sich als rechtmäßig.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
3.2. Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung:
Diese Entscheidung konnte gemäß § 274 Abs. 1 BAO unter Entfall der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung getroffen werden. Die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung wurde vom Beschwerdeführer nicht beantragt. Auch aus dem vorgelegten Verwaltungsakt ist ersichtlich, dass eine mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt.
3.3. Zu Spruchpunkt 2 – Zulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß
Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist die Revision gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil die Entscheidung von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Im Hinblick auf die obigen Ausführungen (siehe 3.1.) liegen jedoch keine Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfragen vor.
Schlagworte
Finanzrecht; Verfahrensrecht; Bescheid; Unzulässigkeit;European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGNI:2018:LVwG.AV.111.001.2018Zuletzt aktualisiert am
07.05.2018