TE Bvwg Erkenntnis 2018/4/24 W207 2130391-1

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Veröffentlicht am 24.04.2018
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Entscheidungsdatum

24.04.2018

Norm

BBG §40
BBG §41
BBG §45
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

W207 2130391-1/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Michael SCHWARZGRUBER als Vorsitzender und die Richterin Mag. Natascha GRUBER sowie den fachkundigen Laienrichter Mag. Gerald SOMMERHUBER als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Wien, vom 01.07.2016, Passnummer: XXXX , betreffend Abweisung des Antrages auf Ausstellung eines Behindertenpasses, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird gemäß § 40 Abs. 1, § 41 Abs. 1 und § 45 Abs. 1 und 2 Bundesbehindertengesetz (BBG) als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang

Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger Indiens, stellte am 01.03.2016 beim Sozialministeriumservice (in der Folge auch als belangte Behörde bezeichnet) einen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses. Der Beschwerdeführer legte ein umfassendes Konvolut an medizinischen Unterlagen sowie eine Kopie einer auf seinen Namen ausgestellten Karte des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl für subsidiär Schutzberechtigte gemäß § 52 AsylG 2005, ausgestellt am 08.05.2015, bei.

Die belangte Behörde gab in der Folge ein Sachverständigengutachten eines Arztes für Innere Medizin unter Anwendung der Bestimmungen der Einschätzungsverordnung in Auftrag. In diesem Sachverständigengutachten vom 14.06.2016 wurde nach Durchführung einer persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers am 14.06.2016 Folgendes - hier in den wesentlichen Teilen wiedergegeben - ausgeführt:

"Anamnese:

Er erscheint in Begleitung eines anderen pakistanischen Antragswerbers, der ihm sprachlich hilft.

Die Erhebung der Anamnese gestaltet sich trotzdem schwierig, unter Zuhilfenahme des Spitalsbefundes in Aktenseite 19 und 20 lässt sich erheben, dass er 2006 einen Myokardinfarkt erlitten hat, im Jahr 2006 wurde er auch einer aortokoronaren Bypass-OP unterzogen. Diese OP habe in England stattgefunden.

Derzeitige Beschwerden:

Die Linksventrikelfunktion ist laut Brief geringfügig reduziert, weiters ist er zuckerkrank, Insulin muss er nicht spritzen, leidet außerdem unter Asthma bronchiale

In Abl. 17 scheint auch auf perniziöse Anämie?, vermerkt ist dort, dass er Eryzithol und Folsan erhält.

Behandlung/en / Medikamente / Hilfsmittel:

Thrombo ASS, Folsan, Pantoloc, Nebiian, Metformin, Ferrogradumed, Foster

Sozialanamnese:

(wird nur soweit erhoben, wie für internistische Beurteilung erforderlich)

Beruf: Der Kläger stammt aus Indien, ist seit 2015 in Wien, er arbeitet nichts.

Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe):

Siehe oben!

Untersuchungsbefund:

Allgemeinzustand:

Gut

Ernährungszustand:

Gut

Größe: 165 cm, Gewicht: 90 kg, gering schwankend, Blutdruck: 120/80 mmHg, Frequenz 80/Min. rhythm.

Klinischer Status - Fachstatus:

Knochenbau: normal, Haut und Schleimhäute: unauffällig

Lymphknoten nicht tastbar

Augen: isokor, prompte Lichtreaktion

Zunge: normal, Zähne: lückenhaft

Hals: unauffällig, Schilddrüse nicht tastbar, Pulse vorhanden, keine Gefäßgeräusche, Venen nicht gestaut

Thorax: symmetrisch, mäßig elastisch, blande OP-Narbe

Lunge: sonorer Klopfschall vesikuläres Atemgeräusch

Herz: reine rhythmische Herztöne

Abdomen: mäßig adipös, Leber am Rippenbogen, Milz nicht abgrenzbar

Rektal nicht untersucht, Nierenlager frei

Extremitäten und Wirbelsäule: Wirbelsäule unauffällig, Arme normal, an den Beinen altersgemäß normaler Gelenksstatus, Pulse tastbar, keine Varizen, keine Ödeme

Gesamtmobilität - Gangbild:

Normal

Status Psychicus:

Entfällt bei Begutachtung Im internistischen Fachbereich

Ergebnis der am 14.06.2016 durchgeführten Begutachtung:

Lfd. Nr.

Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkunr? , welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden: Begründung der Positionsnummer und des Rahmensatzes:

Pos. Nr.

GdB %

1

Koronare Herzkrankheit Oberer Rahmensatz, da ein Herzinfarkt durchgemacht wurde, eine aortokoronare Bypass-OP erforderlich war und die Linksventrikelfunktion als gering reduziert beschrieben wird. Hypertonie ist in dieser Position erfasst.

05.05.02

40

2

Diabetes mellitus Typ II 1 Stufe über dem unteren Rahmensatz, da Behandlung mit oraler Medikation ausreicht.

09.02.01

20

3

Asthma bronchiale Oberer Rahmensatz, da therapeutisch stabilisiert.

06.05.01

20

Gesamtgrad der Behinderung 40 v. H.

Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung:

Die führende funktionelle Einschränkung wird durch die übrigen Leiden nicht weiter erhöht.

Es liegt keine ungünstige wechselseitige Leidensbeeinflussung vor.

Folgende beantragten bzw. in den zugrunde gelegten Unterlagen diagnostizierten Gesundheitsschädigungen erreichen keinen Grad der Behinderung:

Anämie, da medikamentös behandelbar.

......

X Dauerzustand

......"

Mit Bescheid vom 01.07.2016 wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf Ausstellung eines Behindertenpasses ab und führte begründend aus, dass das medizinische Beweisverfahren einen Grad der Behinderung von 40 v.H. ergeben habe und somit die Voraussetzungen zur Ausstellung eines Behindertenpasses nicht gegeben seien. Die wesentlichen Ergebnisse des ärztlichen Begutachtungsverfahrens seien dem eingeholten ärztlichen Sachverständigengutachten, das einen Bestandteil der Begründung bilde, zu entnehmen. Dieses medizinische Sachverständigengutachten vom 14.06.2016 wurde dem Beschwerdeführer gemeinsam mit dem Bescheid übermittelt.

Mit undatiertem Schriftsatz, bei der belangten Behörde eingelangt am 11.07.2016, erhob der Beschwerdeführer gegen diesen Bescheid vom 01.07.2016 fristgerecht die gegenständliche Beschwerde, in der Folgendes ausgeführt wird:

"Beschwerde

Ich bin mit dem Ergebnis nicht einverstanden! Mein Krankheiten sind schlimmer als 40 %. Bitte um neue Überprüfung!

Unterschrift des Beschwerdeführers"

Der Beschwerde wurde ein Ärztliches Attest einer näher genannten Ärzten für Allgemeinmedizin vom 11.07.2016 beigelegt, in dem ausgeführt wird, der Patient wolle eine Beschwerde bzw. eine neuerliche Untersuchung bezüglich des Antrages auf einen Behindertenausweis. Im vorgelegten Gutachten stehe ein Gewicht von 90 kg, er habe aber 70 kg. Weiters "stehe" die Diagnose Aids; es werde um Erklärung ersucht. Weiters sei der Patient der Meinung, dass seine Erkrankungen und Operationen einen Behindertenpass rechtfertigen würden.

Die Beschwerde wurde in der Folge von der belangten Behörde dem Bundesverwaltungsgericht versehen mit dem Vermerk, die Beschwerde enthalte keine neuen relevanten Angaben bezüglich Gesundheitsschädigung, daher werde von einer Beschwerdevorentscheidung abgesehen, vorgelegt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Beschwerdeführer brachte am 01.03.2016 den gegenständlichen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses beim Sozialministeriumservice ein.

Der Beschwerdeführer hat seinen Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt im Inland.

Der Beschwerdeführer leidet unter folgenden Funktionseinschränkungen:

1. Koronare Herzkrankheit; ein Herzinfarkt wurde durchgemacht, eine aortokoronare Bypass-OP war erforderlich und die Linksventrikelfunktion wird als gering reduziert beschrieben. Hypertonie ist in dieser Position erfasst.

2. Diabetes mellitus Typ II; Behandlung mit oraler Medikation reicht aus.

3. Asthma bronchiale; therapeutisch stabilisiert

Der Gesamtgrad der Behinderung des Beschwerdeführers beträgt aktuell 40 v.H.

Hinsichtlich der beim Beschwerdeführer bestehenden einzelnen Funktionseinschränkungen und deren Ausmaß sowie der Frage der wechselseitigen Leidensbeeinflussung werden die diesbezüglichen Beurteilungen im oben wiedergegebenen Sachverständigengutachten vom 14.06.2016 der nunmehrigen Entscheidung zu Grunde gelegt.

2. Beweiswürdigung:

Das Datum der Einbringung des gegenständlichen Antrages auf Ausstellung eines Behindertenpasses basiert auf dem Akteninhalt.

Die Feststellung zum Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt des Beschwerdeführers ist unbestritten. Aus der vom Beschwerdeführer vorgelegten Kopie der Karte für subsidiär Schutzberechtigte des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl geht hervor, dass der Beschwerdeführer aktuell rechtmäßig im österreichischen Bundesgebiet aufhältig ist.

Die festgestellten Funktionseinschränkungen und der Gesamtgrad der Behinderung gründen sich auf das durch die belangte Behörde eingeholte medizinische Sachverständigengutachten des Arztes für Innere Medizin vom 14.06.2016.

In diesem medizinischen Sachverständigengutachten wird auf Grundlage einer persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers und unter Berücksichtigung der vom Beschwerdeführer im Verfahren vor der belangten Behörde vorgelegten medizinischen Unterlagen auf die Art der Leiden des Beschwerdeführers und deren Ausmaß schlüssig und widerspruchsfrei eingegangen. Die getroffenen Einschätzungen entsprechen den festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen.

Der Beschwerdeführer gibt in der Beschwerde zu verstehen, dass er die vorgenommenen Einstufungen als zu gering erachtet und er sich daher einen höheren Grad der Behinderung erwartet, tut aber in der Folge nicht dar, inwiefern die jeweils vorgenommene Einstufung konkret unzutreffend sein sollte; auch von Amts wegen ist auf Grundlage der vom Beschwerdeführer ins Verfahren vor der belangten Behörde eingebrachten medizinischen Unterlagen sowie auf Grundlage des eingeholten medizinischen Sachverständigengutachtens - insbesondere auch unter Berücksichtigung der oben wiedergegebenen Befundung - keine rechtsunrichtige Einstufung der jeweiligen Funktionseinschränkungen erkennbar.

Insoweit in dem der Beschwerde beigelegten ärztlichen Attest einer näher genannten Ärztin für Allgemeinmedizin vom 11.07.2016 ausgeführt wird, im eingeholten medizinischen Sachverständigengutachten stehe ein Gewicht von 90 kg, der Beschwerdeführer habe aber nur 70 kg, so wird mit diesem Umstand keine Rechtsunrichtigkeit der vorgenommenen Einstufungen aufgezeigt, zumal auch nicht dargelegt wird, inwiefern sich im Fall des Beschwerdeführers ein geringeres Körpergewicht als im eingeholten medizinischen Sachverständigengutachten festgehalten (70 kg statt 90 kg bei einer Körpergröße von 165 cm) - welches sich grundsätzlich auf den Allgemeinzustand jedenfalls positiv auswirken sollte - negativ auf den Gesundheitszustand des Beschwerdeführers auswirken sollte und damit allenfalls zu einer Erhöhung des Grades der Behinderung führen könnte.

Insoweit in diesem ärztlichen Attest schließlich zum Ausdruck gebracht wird, im eingeholten medizinischen Gutachten stehe die Diagnose "Aids", so kann diesem Vorbringen nicht gefolgt werden. Die im eingeholten medizinischen Sachverständigengutachten vom 14.06.2016 festgestellten und damit für den gegenständlichen Fall entscheidungsrelevanten Funktionseinschränkungen, basierend auf einer persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers am 14.06.2016 sowie auf den von ihm im Verfahren vorgelegten medizinischen Unterlagen beinhalten die oben dargelegten, im Rahmen der Leidenspositionen 1 bis 3 festgestellten und eingestuften Funktionseinschränkungen bzw. Leiden; Aids findet sich nicht darunter.

Zutreffend ist allerdings, dass in weiterer Folge im eingeholten medizinischen Sachverständigengutachten unter der Rubrik "Folgende Gesundheitsschädigungen im Sinne von Mehraufwendungen wegen Krankendiätverpflegung liegen vor", die Sparte "Tuberkulose, Zuckerkrankheit, Zölliakie, Aids oder eine vergleichbare schwere Stoffwechselerkrankung nach Pos. 09.03. GdB 20 %" mit "Ja" angekreuzt wurde, dies deshalb, weil der Beschwerdeführer unter Diabetes mellitus Typ II mit oraler Medikation, bewertet mit einem (Einzel)Grad der Behinderung von 20 v.H., leidet und somit wegen der vorliegenden Zuckerkrankheit - nicht aber wegen "Aids" - das "Ja" unter dieser Rubrik vom medizinischen Sachverständigen angekreuzt wurde. Diesem Umstand kommt aber im gegenständlichen Fall, in dem dem Beschwerdeführer mangels eines Gesamtgrades der Behinderung von 50 v.H. kein Behindertenpass ausgestellt wird, ohnedies keine Entscheidungsrelevanz zu.

Der Beschwerde wurden - abgesehen von dem ärztlichen Attest einer näher genannten Ärztin für Allgemeinmedizin vom 11.07.2016 - keine weiteren medizinischen Unterlagen beigelegt, die die vorgenommenen Einstufungen widerlegen oder diesen entgegenstehen würden.

Der Beschwerdeführer ist dem von der belangten Behörde eingeholten medizinischen Sachverständigengutachten in der Beschwerde daher nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten, steht es dem Antragsteller, so er der Auffassung ist, dass seine Leiden nicht hinreichend berücksichtigt wurden, nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes doch frei, das im Auftrag der Behörde erstellte Gutachten durch die Beibringung eines Gegengutachtens eines Sachverständigen seiner Wahl zu entkräften (vgl. etwa das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 27.06.2000, Zl. 2000/11/0093).

Seitens des Bundesverwaltungsgerichtes bestehen keine Zweifel an der Richtigkeit, Vollständigkeit und Schlüssigkeit des vorliegenden medizinischen Sachverständigengutachtens eines Arztes für Innere Medizin vom 14.06.2016. Dieses seitens der belangten Behörde eingeholte Sachverständigengutachten wird daher in freier Beweiswürdigung der gegenständlichen Entscheidung zu Grunde gelegt.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchteil A)

1. Zur Entscheidung in der Sache

Die gegenständlich maßgeblichen Bestimmungen des Bundesbehindertengesetzes (BBG) lauten:

"§ 40. (1) Behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% ist auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpass auszustellen, wenn

1. ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist oder

2. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen oder

3. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten oder

...

5. sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, angehören.

(2) Behinderten Menschen, die nicht dem im Abs. 1 angeführten Personenkreis angehören, ist ein Behindertenpaß auszustellen, wenn und insoweit das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen auf Grund von Vereinbarungen des Bundes mit dem jeweiligen Land oder auf Grund anderer Rechtsvorschriften hiezu ermächtigt ist.

§ 41. (1) Als Nachweis für das Vorliegen der im § 40 genannten Voraussetzungen gilt der letzte rechtskräftige Bescheid eines Rehabilitationsträgers (§ 3) oder ein rechtskräftiges Urteil eines Gerichtes nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, BGBl. Nr. 104/1985, ein rechtskräftiges Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes oder die Mitteilung über die Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs. 5 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967, BGBl. Nr. 376. Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen hat den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen, wenn

1. nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hiefür maßgebenden Vorschriften keine Einschätzung vorsehen oder

2. zwei oder mehr Einschätzungen nach bundesgesetzlichen Vorschriften vorliegen und keine Gesamteinschätzung vorgenommen wurde oder

3. ein Fall des § 40 Abs. 2 vorliegt.

...

§ 42. (1) Der Behindertenpass hat den Vornamen sowie den Familien- oder Nachnamen, das Geburtsdatum, eine allfällige Versicherungsnummer, den Wohnort und einen festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.

...

§ 45. (1) Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.

(2) Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu.

(3) In Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung hat die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.

(4) Bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß Abs. 3 hat eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Die fachkundigen Laienrichterinnen oder Laienrichter (Ersatzmitglieder) haben für die jeweiligen Agenden die erforderliche Qualifikation (insbesondere Fachkunde im Bereich des Sozialrechts) aufzuweisen.

......

§ 46. Die Beschwerdefrist beträgt abweichend von den Vorschriften des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes, BGBl. I Nr. 33/2013, sechs Wochen. Die Frist zur Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung beträgt zwölf Wochen. In Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht dürfen neue Tatsachen und Beweismittel nicht vorgebracht werden."

Wie oben unter Punkt II.2. im Rahmen der beweiswürdigenden Ausführungen, auf die verwiesen wird, ausgeführt wurde, wird der gegenständlichen Entscheidung das seitens der belangten Behörde eingeholte medizinische Sachverständigengutachten eines Arztes für Innere Medizin vom 14.06.2016 zu Grunde gelegt, wonach der Grad der Behinderung des Beschwerdeführers aktuell 40 v.H. beträgt.

Der Beschwerdeführer legte im Rahmen der Beschwerde keine weiteren Befunde vor, die geeignet wären, die durch den medizinischen Sachverständigen getroffenen Beurteilungen zu widerlegen oder zusätzliche einschätzungsrelevante Dauerleiden bzw. eine zwischenzeitlich eingetretene Verschlechterung des Zustandes des Beschwerdeführers zu belegen. Die getroffenen Einschätzungen, basierend auf einer persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers und den vom Beschwerdeführer im Verfahren vor der belangten Behörde vorgelegten medizinischen Unterlagen, entsprechen den festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen. Der Beschwerdeführer ist dem von der belangten Behörde eingeholten medizinischen Sachverständigengutachten in der Beschwerde, wie bereits erwähnt, daher nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten.

Das medizinische Sachverständigengutachten ist auch nicht zu beanstanden, wenn es im Sinne des § 3 Abs. 3 und 4 der Einschätzungsverordnung eine entscheidungswesentliche ungünstige wechselseitige Leidensbeeinflussung in dem Sinne, dass sich eine Funktionsbeeinträchtigung auf eine andere besonders nachteilig auswirken würde oder mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vorliegen würden, die gemeinsam zu einer wesentlichen Funktionsbeeinträchtigung führen würden, im gegenständlichen Fall nicht gegeben sieht; diesbezüglich werden auch in der Beschwerde keinerlei näher konkretisierte Ausführungen dazu getroffen, in welchem der festgestellten Leiden der Beschwerdeführer eine besonders nachteilige Beeinflussung eines anderen Leidens erblickt.

Da der Sachverhalt feststeht und die Sache daher entscheidungsreif ist, war dem in der Beschwerde zum Ausdruck gebrachten Wunsch auf Durchführung einer weiteren Untersuchung nicht Folge zu geben, zumal bereits ein medizinisches Sachverständigengutachten, basierend auf einer persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers, aus dem fachbereich der Inneren Medizin eingeholt wurde und der Entscheidung zu Grunde gelegt wird. Lediglich der Vollständigkeit halber ist darauf hinzuweisen, dass kein Rechtsanspruch auf die Zuziehung eines Facharztes eines bestimmten medizinischen Teilgebietes besteht.

Mit einem Gesamtgrad der Behinderung von 40 v.H. sind die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses gemäß § 40 Abs. 1 BBG, wonach behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbstätigkeit von mindestens 50 v.H. ein Behindertenpass auszustellen ist, aktuell nicht erfüllt.

Im Übrigen ist aber auch darauf hinzuweisen, dass bei einer belegten Verschlechterung des Leidenszustandes die neuerliche Einschätzung des Grades der Behinderung im Rahmen einer neuerlichen Antragstellung beim Sozialministeriumservice - allerdings nach Maßgabe des § 41 Abs. 2 BBG - in Betracht kommt.

Die Beschwerde war daher spruchgemäß abzuweisen.

2. Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

Gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn

1. der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder

2. die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist.

Gemäß § 24 Abs. 3 VwGVG hat der Beschwerdeführer die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden.

Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen.

Die Frage der Feststellung des Gesamtgrades der Behinderung wurde unter Mitwirkung eines ärztlichen Sachverständigen geprüft. Die Tatsachenfragen (Art und Ausmaß der Funktionseinschränkungen) gehören dem Bereich zu, der vom Sachverständigen zu beleuchten ist. Der entscheidungsrelevante Sachverhalt ist vor dem Hintergrund des vorliegenden, nicht substantiiert bestrittenen schlüssigen medizinischen Sachverständigengutachtens geklärt, sodass im Sinne der Judikatur des EGMR und der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. VwGH 16.12.2013, 2011/11/0180) und des Verfassungsgerichtshofes (vgl. VfGH 09.06.2017, E 1162/2017) eine mündliche Verhandlung nicht geboten war. Art. 6 EMRK bzw. Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union stehen somit dem Absehen von einer mündlichen Verhandlung gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG nicht entgegen. Im vorliegenden Fall wurde darüber hinaus seitens beider Parteien eine mündliche Verhandlung nicht beantragt (vgl. VwGH 16.12.2013, 2011/11/0180 mit weiterem Verweis auf die Entscheidung des EGMR vom 21.03.2002, Nr. 32.636/96). All dies lässt die Einschätzung zu, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten ließ und eine Entscheidung ohne vorherige Verhandlung im Beschwerdefall nicht nur mit Art. 6 EMRK und Art. 47 GRC kompatibel ist, sondern auch im Sinne des Gesetzes (§ 24 Abs. 1 VwGVG) liegt, weil damit dem Grundsatz der Zweckmäßigkeit, Raschheit, Einfachheit und Kostenersparnis (§ 39 Abs. 2a AVG) gedient ist, gleichzeitig aber das Interesse der materiellen Wahrheit und der Wahrung des Parteiengehörs nicht verkürzt wird.

Zu Spruchteil B)

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Dieser Ausspruch ist kurz zu begründen. Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer solchen Rechtsprechung, des Weiteren ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen.

Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen.

Schlagworte

Behindertenpass, Grad der Behinderung, Sachverständigengutachten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:W207.2130391.1.00

Zuletzt aktualisiert am

07.05.2018
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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