TE Bvwg Erkenntnis 2018/4/24 W207 2130253-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 24.04.2018
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Entscheidungsdatum

24.04.2018

Norm

BBG §40
BBG §41
BBG §45
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

W207 2130253-1/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Michael SCHWARZGRUBER als Vorsitzender und die Richterin Mag. Natascha GRUBER sowie den fachkundigen Laienrichter Mag. Gerald SOMMERHUBER als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Herbert POCHIESER, gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Wien, vom 19.05.2016, Passnummer: XXXX , betreffend Abweisung des Antrages auf Ausstellung eines Behindertenpasses, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird gemäß § 40 Abs. 1, § 41 Abs. 1 und § 45 Abs. 1 und 2 Bundesbehindertengesetz (BBG) als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang

Die Beschwerdeführerin stellte am 23.01.2014 beim Sozialministeriumservice (in der Folge auch als belangte Behörde bezeichnet) einen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses. Sie legte diesem Antrag ein umfassendes Konvolut an medizinischen Unterlagen bei.

Die belangte Behörde gab in der Folge ein Sachverständigengutachten einer Ärztin für Allgemeinmedizin und Fachärztin für Unfallchirurgie unter Anwendung der Bestimmungen der Einschätzungsverordnung in Auftrag. In diesem Sachverständigengutachten vom 23.07.2014, basierend auf einer persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin am 23.06.2014, wurde ein Gesamtgrad der Behinderung von 20 v.H. festgestellt. Dies erfolgte auf Grundlage der festgestellten Funktionseinschränkungen 1. "Organisches Psychosyndrom bei Zustand nach Schädel-Hirn-Trauma; 1 Stufe über dem unteren Rahmensatz, da Wortfindungsstörungen, Kopfschmerzen und rasche Ermüdbarkeit. Berücksichtigt wird die Restparese des Rektus inferior rechts mit intermittierenden Doppelbildern." bewertet mit einem (Einzel)Grad der Behinderung von 20 v.H. nach der Positionsnummer 04.01.01 der Anlage der Einschätzungsverordnung, und 2. "Geringgradige Funktionseinschränkung linkes Handgelenk nach operativ versorgte Fraktur; Fixer Richtsatzwert.", bewertet mit einem (Einzel)Grad der Behinderung von 10 v.H. nach der Positionsnummer 02.06.20 der Anlage der Einschätzungsverordnung.

Nach Einräumung von Parteiengehör zu diesem medizinischen Sachverständigengutachten und in der Folge weiterer von der Beschwerdeführerin erstatteter Stellungnahmen und vorgelegter medizinischer Unterlagen holte die belangte Behörde ein Sachverständigengutachten einer Fachärztin für Augenheilkunde vom 12.09.2014 ein, welches die Funktionseinschränkung "Geringes Höhenschielen mit Doppelbildern; Unterer Rahmensatz, da mit Prismen kompensierbar ", bewertet mit einem (Einzel)Grad der Behinderung von 10 v.H. nach der Positionsnummer 11.01.03 der Anlage der Einschätzungsverordnung beinhaltet.

Darüber hinaus holte die belangte Behörde ein auf einer persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin basierendes medizinisches Sachverständigengutachten einer Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie vom 14.11.2014 ein, in welchem die Funktionseinschränkung 1 "Kognitive Defizite leichter Ausprägung; 1 Stufe über dem unteren Rahmensatz, da Rekonvaleszenzstadium nach schwerem Schädelhirntrauma", bewertet mit einem (Einzel)Grad der Behinderung von 20 v.H. nach der Positionsnummer 03.03.01 der Anlage der Einschätzungsverordnung, festgestellt wurde. Zum Vorgutachten wurde ausgeführt, es ergebe sich keine Änderung des Grades der Behinderung, nur ein neuer Wortlaut.

In der Folge erging ein weiteres von der belangten Behörde eingeholtes medizinisches Sachverständigengutachten der Ärztin für Allgemeinmedizin und Fachärztin für Unfallchirurgie, die bereits das medizinisches Sachverständigengutachten vom 23.07.2014 erstattet hatte, dies unter Berücksichtigung und unter Zugrundelegung der Ergebnisse des eingeholten augenfachärztlichen Sachverständigengutachtens vom 12.09.2014 und des auf einer persönlichen Untersuchung beruhenden nervenfachärztlichen Sachverständigengutachtens vom 14.11.2014. In diesem medizinischen Sachverständigengutachten vom 19.11.2014, basierend auf einer abermaligen persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin am 05.11.2014, wurde Folgendes - hier in den wesentlichen Teilen wiedergegeben - ausgeführt:

"Anamnese :

Letzte Begutachtung im Sozialministerium am 23.06.2014, Gesamt-GdB 20%, Abl. 34.

In der Stellungnahme vom 25.08.2104, Abl. 37 wird eingewendet, dass die berufliche Leistungsfähigkeit mit überwiegender Bildschirmtätigkeit deutlich beeinträchtigt sei, da die AW an Doppelbildern leide, weiters an reduzierter Konzentrationsfähigkeit und erhöhter Ermüdbarkeit.

Zwischenanamnese:

keine Operation, kein stationärer Aufenthalt.

Derzeitige Beschwerden:

"Habe fast täglich Kopfschmerzen, auch am Wochenende, belastungsabhängig zunehmend, die Kopfschmerzen fangen in der Früh an, etwas Besserung mit Mexalen. Muss oft früher von der Arbeit nach Hause gehen.

Bin seit einem Jahr 1 x/Monat in neurologisch fachärztlicher Behandlung. Bin oft weinerlich, traurig. Habe seit Sommer 2014 unregelmäßigen Zyklus mit längeren Pausen."

Behandlung/en / Medikamente / Hilfsmittel

Medikamente: Mexalen, Baldrian, Saroten, Escitalopram, Agnucaston

Nikotin: 0.

Allergien: 0.

Laufende Therapie bei Hausarzt Dr. X., Wien.

Sozialanamnese:

Ledig, lebt alleine in einer Wohnung im 6. Stockwerk mit Lift.

Berufsanamnese: Technische Zeichnerin in einem Architekturbüro, seit 01/13 wieder berufstätig (25 Stunden).

Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe):

Abl. 42-43, Augenfachärztlicher Befund vom 04.06.2014, siehe Aktengutachten Dr. Sch. vom 12.09.2014

Gutachten Dr. S., FA für Neurologie vom 14.11.2014

Untersuchungsbefund:

Allgemeinzustand:

gut

Ernährungszustand:

gut

Größe: 175 cm Gewicht: 55 kg Blutdruck: 110/80

Status (Kopf / Fußschema) - Fachstatus:

Augen: beim Blick nach rechts unten werden Doppelbilder angegeben,

Visus unauffällig Caput: links hinter dem Ohr Stufenbildung tastbar,

Narbe links parietotemporal Thorax: symmetrisch, elastisch

Atemexkursion seitengleich, sonorer Klopfschall, VA. HAT rein, rhythmisch.

Abdomen: klinisch unauffällig, keine pathologischen Resistenzen tastbar, kein Druckschmerz.

Obere Extremitäten:

Rechtshänder. Der Schultergürtel steht horizontal, symmetrische Muskelverhältnisse.

Die Durchblutung ist ungestört, die Sensibilität wird als ungestört angegeben.

Die Benützungszeichen sind seitengleich vorhanden.

Im Bereich des linken Handgelenks volar eine Narbe von 5 cm bei äußerlich unauffälligem Gelenk, keine Umfangsvermehrung, keine Überwärmung, kein Erguss, bandstabiles Gelenk, keine Bewegungsschmerzen, jedoch werden diffus Druckschmerzen angegeben.

Sämtliche weiteren Gelenke sind bandfest und klinisch unauffällig.

Aktive Beweglichkeit: Schultern, Ellbogengelenke, Vorderarmdrehung seitengleich frei, Handgelenk rechts 80-0-60, links 60-0-50, F rechts 20-0-30, links 20-0-30, Daumen und Langfinger seitengleich frei beweglich. Grob- und Spitzgriff sind uneingeschränkt durchführbar. Der Faustschluss ist komplett, Fingerspreizen beidseits unauffällig, die grobe Kraft bds. KG 5.

Untere Extremitäten:

Freies Stehen sicher möglich, Barfußgang in 3 Gangarten durchführbar.

Einbeinstand ist ohne Anhalten möglich. Die tiefe Hocke ist nicht eingeschränkt.

Die Beinachse ist im Lot. Symmetrische Muskelverhältnisse. Beinlänge ident.

Die Durchblutung ist ungestört, keine Ödeme, keine Varizen, die Sensibilität wird als ungestört angegeben. Die Beschwielung ist in etwa seitengleich.

Bewegungsschmerzen werden im linken Knie bei sonst unauffälligem Gelenk angegeben.

Sämtliche weiteren Gelenke sind bandfest und klinisch unauffällig.

Aktive Beweglichkeit: Hüften, Knie, Sprunggelenke und Zehen sind seitengleich frei beweglich.

Gesamtmobilität - Gangbild:

Fortsetzung Status:

Das Abheben der gestreckten unteren Extremität ist beidseits bis 60° bei KG 5 möglich. Wirbelsäule:

Schultergürtel und Becken stehen horizontal, in etwa im Lot, regelrechte Krümmungsverhältnisse. Die Rückenmuskulatur ist symmetrisch ausgebildet. Deutlich Hartspann im Bereich der Schulter- und Nackenmuskulatur, Druckschmerz im Bereich der unteren HWS. Kein Klopfschmerz auslösbar, ISG und Ischiadicusdruckpunkte sind frei.

Aktive Beweglichkeit:

HWS: KJA: 2/18, F 30-0-30, R 70-0-70.

BWS/LWS: FBA: 5 cm, Rotation und Seitneigung jeweils 30° möglich.

Lasegue bds. negativ, Muskeleigenreflexe seitengleich auslösbar.

Gangbild

Kommt selbständig gehend mit Halbschuhen in Begleitung der Mutter, ohne Gehhilfe, das Gangbild ist hinkfrei und unauffällig.

Das Aus- und Ankleiden wird selbständig im Sitzen durchgeführt.

Status Psychicus:

Allseits orientiert, Merkfähigkeit, Konzentration und Antrieb unauffällig, Stimmungslage ausgeglichen.

Sprache etwas verlangsamt, vereinzelt Wortfindungsstörungen, sonst unauffällig.

Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:

Lfd, Nr.

Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbeding- ten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden: Begründung der Positionsnummer und des Rahmensatzes:

Pos. Nr.

GdB %

1

Kognitive Defizite leichter Ausprägung 1 Stufe über dem unteren Rahmensatz, da Rekonvaleszenzstadium nach schwerem Schädelhirntrauma

03.03.01

20%,

2

Geringgradige Funktioneinschränkung linkes Handgelenk nach opertativ versorgter Fraktur Fixer Richtsatzwert.

02.06.20

10%

3

Geringes Höhenschielen mit Doppelbildern Unterer Rahmensatz, da mit Prismen kompensierbar.

11.01.03

10%

Gesamtgrad der Behinderung 20 v. H.

Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung:

Leiden 1 wird durch Leiden 2 und 3 nicht erhöht, da kein maßgebliches ungünstiges Zusammenwirken.

Begründung für die Änderung des Gesamtgrades der Behinderung:

Keine Änderung.

Folgende beantragten bzw. in den zugrunde gelegten Unterlagen diagnostizierten Gesundheitsschädigungen erreichen keinen Grad der Behinderung:

///

Stellungnahme zu Vorgutachten:

Leiden 1 wird neu bezeichnet, Hinzukommen von Leiden 3.

X Dauerzustand

......."

Nach Einräumung von Parteiengehör zu diesen weiteren eingeholten medizinischen Sachverständigengutachten mit Schreiben der belangten Behörde vom 02.12.2014 und in der Folge weiterer von der - nunmehr rechtsanwaltlich vertretenen - Beschwerdeführerin erstatteter Stellungnahmen und weiterer vorgelegter medizinischer Unterlagen zu teilweise neu vorgebrachten Leiden holte die belangte Behörde ein weiteres Sachverständigengutachten einer Fachärztin für Augenheilkunde vom 26.06.2015 ein, in welchem Folgendes ausgeführt wurde:

"Augenfachärztliches Sachverständigengutachten

Stellungnahme zu dem Einwand der AS das Augenleiden sei zu gering eingeschätzt worden und zu dem neuen Befund des Hanusch KH vom 4.3 15 Abl 84:

Anamnese: Zust n SHT 2012

Seither Doppelbilder, die mit Prismen kompensiert werden

Visus rechts corr 1,2 Jg 1

Links sc 1,2 Jg 1

Beide Augen Motilität oB

CT dekompensierte Hyperphorie re

Diagnose:

Geringes Höhenschielen

Pos. 11.01 03 GdB 10%

Unterer Rahmensatz da mit Prismen kompensierbar

Es besteht keine maßgebliche Änderung zum Befund des Hanusch KH vom 4.6.14 Abl. 43 und keine Änderung des Gutachtens vom 12.9.14 Abl. 45

Eine Erhöhung des GdB ist derzeit nicht gegeben"

Darüber hinaus holte die belangte Behörde ein auf einer persönlichen Untersuchung basierendes Sachverständigengutachten eines Arztes für Hals-, Nasen- und Ohrenkrankheiten vom 05.04 2016 folgenden Inhaltes ein:

"HNO-fachärztliches-Sachverständigengutachten

VORGESCHICHTE

Kommt in Begleitung der Mutter. Hat vor dem Unfall bds. gut gehört, SHT am 27.4.2012, u.a. mit Schläfenbeinfraktur links. In der Folge Hörstörung bds" links mehr als rechts. Ist in regelm. Kontrolle bei Dr. XXXX . Hörgeräte helfen gut.

Therapie derzeit: Hat HG i.O bds. XXXX . seit 2015. Logop. Therapie; B12-Pronerv.

Befunde:

1. Tonaudiogramm von HNOFA Dr. XXXX vom2.3.2015 [Abl.86=Abl. 79=Abl. 81} und vom 30.3.2016 (beigebracht]: Letzteres zeigt nach Röser rechts eine Hörstörung von 23%, links von 71%

SUBJEKTIVE BESCHWERDEN

Hörstörung bds., li > re; Tinnitus manchmal, stundenweise.

STATUS

Rechts Ohr:

Linkes Ohr:

Nase:

Mund/Rachen:

Hals:

Klinische Hörprüfung:

Tonaudiogramm von Dr. XXXX vom 30.3.2016 wird übernommen.

BEWERTUNG:

1. Hörstörung bds., links mehr als rechts 12.02.01 20%

Fixer Rahmensatz Z2/K4

2. Tinnitus 12.02.02 10%

Unterer Rahmensatz, da nicht dekompensiert"

In weiterer Folge erging ein weiteres von der belangten Behörde eingeholtes medizinisches Sachverständigengutachten der Ärztin für Allgemeinmedizin und Fachärztin für Unfallchirurgie, die bereits die medizinischen Sachverständigengutachten vom 23.07.2014 und vom 19.11.2014 erstattet hatte, dies unter Berücksichtigung der Ergebnisse der eingeholten augenfachärztlichen und HNO-fachärztlichen Sachverständigengutachten vom 26.06.2015 bzw. vom 05.04.2016. In diesem medizinischen Sachverständigengutachten vom 24.04.2016 wurde Folgendes - hier in den wesentlichen Teilen wiedergegeben - ausgeführt:

"Zusammenfassung relevanter Befunde mit Datumsangabe:

Letzte Begutachtung im Sozialministerium Service am 5. 11. 2014, Abl. 47, Gesamt-GdB 20 %.

In einer Stellungnahme Abl. 64-66, rechtsfreundlich vertreten durch RA Dr. Pochieser, werden Einwendungen aus dem Fachgebiet der Augenheilkunde und HNO erhoben, siehe diesbezügliche Facharztgutachten.

Weiters wird in Abl. 64 angeführt, dass eine ungünstige wechselseitige Leidensbeeinflussung zwischen Funktionseinschränkung des linken Handgelenks und Visuseinschränkungen vorliegen. v

Stellungnahme:

Die im eigenen orthopädischen Status vom 5. 11.2014 festgestellte Funktionseinschränkung des linken Handgelenks mit endlagiger Behinderung in der Sagittalebene bei sonst unauffälligem Gelenk stellt ein geringgradiges Defizit dar.

Hinweise für eine eingeschränkte Feinmotorik, für eine Funktionseinschränkung des Spitz-oder Grobgriffs konnten nicht festgestellt werden, die Visusminderung führt somit zu keiner Beeinträchtigung der Funktionalität der linken Hand.

Behandlung/en / Medikamente / Hilfsmittel:

Medikamente: Mexalen, Baldrian, Saroten, Escitalopram, Agnucaston

Nikotin: 0.

Allergien: 0.

Laufende Therapie bei Hausarzt Dr. X, Wien.

Hilfsmittel: Hörgeräte beidseits, Prismen.

Lfd. Nr.

Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden: Begründung der Positionsnummer und des Rahmensatzes:

Pos. Nr.

GdB %

1

Kognitive Defizite leichter Ausprägung 1 Stufe über dem unteren Rahmensatz, da Rekonvaleszenzstadium nach schwerem Schädelhirntrauma

03.03.01

20%

2

Geringgradige Funktioneinschränkung linkes Handgelenk nach operativ versorgter Fraktur Fixer Richtsatzwert.

02.06.20

10%

3

Hörstörung beidseits, links mehr als rechts Fixer Rahmensatz.

12.02.01, Tabelle, Zeile 2, Kolonne 4

20%

4

Tinnitus Unterer Rahmensatz, da nicht dekompensiert.

12.02.02

10%

5

Geringes Höhenschielen Unterer Rahmensatz, da mit Prismen kompensierbar.

11.01.03

10%

Gesamtgrad der Behinderung 20 v.H.

Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung:

Leiden 1 wird durch die weiteren Leiden nicht erhöht, da kein ungünstiges Zusammenwirken in behinderungsrelevanten Ausmaß vorliegt.

Folgende beantragten bzw. in den zugrunde gelegten Unterlagen diagnostizierten Gesundheitsschädigungen erreichen keinen Grad der Behinderung:

Keine.

Stellungnahme zu gesundheitlichen Änderungen im Vergleich zum Vorgutachten:

Hinzukommen von Leiden 3 und 4, da fachärztlich dokumentiert.

Die weiteren Leiden werden unverändert eingestuft, da keine maßgebliche Änderung festgestellt werden konnte.

Begründung für die Änderung des Gesamtgrades der Behinderung:

Keine Änderung des Gesamt-GdB.

X Dauerzustand

......."

Mit Bescheid vom 19.05.2016 wies die belangte Behörde den Antrag der Beschwerdeführerin auf Ausstellung eines Behindertenpasses ab und führte begründend aus, dass das medizinische Beweisverfahren einen Grad der Behinderung von 20 v.H. ergeben habe und somit die Voraussetzungen zur Ausstellung eines Behindertenpasses nicht gegeben seien. Die wesentlichen Ergebnisse des ärztlichen Begutachtungsverfahrens seien unter Berücksichtigung der im Zuge des eingeräumten Parteiengehörs erhobenen Einwände den eingeholten ärztlichen Sachverständigengutachten, die einen Bestandteil der Begründung bilden, zu entnehmen. Die eingeholten medizinischen Sachverständigengutachten wurden der Beschwerdeführerin gemeinsam mit dem Bescheid übermittelt.

Mit Anwaltsschriftsatz vom 05.07.2016 wurde gegen diesen Bescheid vom 19.05.2016 fristgerecht Beschwerde erhoben. Die Beschwerde wendet sich im Wesentlichen nicht gegen die einzelnen im Rahmen der Leidenspositionen 1 bis 5 vorgenommenen Einstufungen der festgestellten Funktionseinschränkungen, sondern vielmehr gegen den Umstand, dass die insgesamt fünf festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen nicht im Sinne des § 3 Abs. 2 Satz 1 der Einschätzungsverordnung addiert worden seien, was insgesamt einen Grad der Behinderung (GdB) von 70 v.H., mindestens jedoch von 50 v. H., wenn nicht sogar 55 v.H. oder 60 v.H. ergeben würde. Aufgrund der rechtlich unrichtigen und isolierten Würdigung von § 3 Einschätzungsverordnung durch die belangte Behörde ergebe sich jedoch lediglich ein GdB von 20 v.H. Zudem sei diese Bestimmung verfassungswidrig, weil sie im Ergebnis ein Additionsverbot normiere. Dieses Additionsverbot nehme eine sachlich nicht gerechtfertigte Differenzierung zwischen Behinderten, die an mehreren Funktionsbeeinträchtigungen leiden wie die Beschwerdeführerin, und Behinderten, die beispielsweise an einer Funktionsbeeinträchtigung mit einem GdB von zumindest 50 v.H. leiden, vor. § 3 Einschätzungsverordnung widerspreche daher dem aus dem Gleichheitsgrundsatz abgeleiteten Sachlichkeitsgebot und sei daher als gleichheitswidrig aufzuheben. Weiters sei - offenkundig bezogen auf das eingeholte medizinische Sachverständigengutachten vom 24.04.2016 - das Parteiengehör verletzt worden, der Beschwerdeführerin sei nicht Gelegenheit gegeben worden, vom Ergebnis der Beweisaufnahme Kenntnis zu erlangen und dazu Stellung zu nehmen. Weiters weise der angefochtene Bescheid keine nachvollziehbare Begründung auf. Diese ergebe sich lediglich aus dem Aktengutachten von 24.04 2016.

Der Beschwerde wurden keine weiteren medizinischen Unterlagen beigelegt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die Beschwerdeführerin brachte am 23.01.2014 den gegenständlichen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses beim Sozialministeriumservice ein.

Die Beschwerdeführerin hat ihren Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt im Inland.

Die Beschwerdeführerin leidet unter folgenden Funktionseinschränkungen:

1. Kognitive Defizite leichter Ausprägung; Rekonvaleszenzstadium nach schwerem Schädelhirntrauma

2. Geringgradige Funktioneinschränkung linkes Handgelenk nach operativ versorgter Fraktur

3. Hörstörung beidseits, links mehr als rechts

4. Tinnitus; nicht dekompensiert

5. Geringes Höhenschielen; mit Prismen kompensierbar

Der Gesamtgrad der Behinderung der Beschwerdeführerin beträgt aktuell 20 v.H.

2. Beweiswürdigung:

Das Datum der Einbringung des gegenständlichen Antrages auf Ausstellung eines Behindertenpasses basiert auf dem Akteninhalt.

Die Feststellung zum Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt der Beschwerdeführerin ist unbestritten.

Die festgestellten Funktionseinschränkungen und der Gesamtgrad der Behinderung gründen sich auf die durch die belangte Behörde eingeholten medizinische Sachverständigengutachten der Ärztin für Allgemeinmedizin und Fachärztin für Unfallchirurgie, die bereits die auf persönlichen Untersuchungen der Beschwerdeführerin basierenden medizinischen Sachverständigengutachten vom 23.07.2014 und vom 19.11.2014 erstattet hatte, vom 24.04.2016 und die in diesem Sachverständigengutachten vom 24.04.2016 berücksichtigten augenfachärztlichen und HNO-fachärztlichen Sachverständigengutachten vom 26.06.2015 und vom 05.04.2016.

In diesen medizinischen Sachverständigengutachten wird - fußend auf persönlichen Untersuchungen der Beschwerdeführerin und unter Berücksichtigung der von der Beschwerdeführerin im Verfahren vor der belangten Behörde vorgelegten medizinischen Unterlagen - auf die Art der Leiden der Beschwerdeführerin und deren Ausmaß schlüssig und widerspruchsfrei eingegangen. Die getroffenen Einschätzungen entsprechen den festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen.

Die Beschwerde wendet sich - abgesehen von der unter der Leidensposition 3 festgestellten Hörstörung beidseits - nicht gegen die einzelnen im Rahmen der Leidenspositionen 1 bis 5 vorgenommenen Einstufungen der festgestellten Funktionseinschränkungen und sind auch aus amtswegiger Sicht keine rechtsunrichtig vorgenommenen Einstufungen zu erkennen. Insoweit aber in der Beschwerde im Hinblick auf die unter der Leidensposition 3 festgestellte "Hörstörung beidseits, links mehr als rechts", eingestuft unter der Positionsnummer 12.02.01, Tabelle Zeile 2, Kolonne 4 der Anlage der Einschätzungsverordnung, bewertet mit einem (Einzel)Grad der Behinderung von 20 v.H., unter Hinweis auf eine am 29.04.2015 erstellte Sprachaudiometrie ausgeführt wird, entgegen den Ausführungen des im Verfahren beigezogenen HNO-Sachverständigen sei es äußerst unwahrscheinlich, dass die vom Facharzt Professor B. festgestellte Verschlechterung des Gehörs nicht auf den gegenständlichen Unfall (gemeint: Unfall vom 27.04.2012) zurückzuführen sei, so ist diesbezüglich darauf hinzuweisen, dass sich zum einen letztere Behauptung nicht aus dem eingeholten, auf einer persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin basierenden medizinischen Sachverständigengutachten eines Facharztes für Hals-, Nasen- und Ohrenkrankheiten vom 05.04.2016 ergibt und dass im Übrigen die von der Beschwerdeführerin im Rahmen des Verfahrens vor der belangten Behörde vorgelegten Tonaudiogramme, letztmalig und am aktuellsten vom 30.03.2016, in diesem Sachverständigengutachten ausdrücklich übernommen und somit berücksichtigt wurden, und dass es abgesehen davon im gegebenen Zusammenhang nach den Bestimmungen des BGG nicht entscheidungserheblich auf die Frage der Kausalität einer Funktionsbeeinträchtigung, sondern ausschließlich um das aktuelle und dauerhafte Vorliegen einer Funktionsbeeinträchtigung ankommt. Wie in der vorgenommenen Einstufung im Übrigen begründend ausgeführt wird, handelt es sich beim herangezogenen Rahmensatz um einen fixen Rahmensatz und wird abgesehen davon in der Beschwerde auch nicht dargetan, inwiefern die von der Beschwerdeführerin vorgelegten Befundberichte Dris. XXXX entscheidungserheblich abweichen sollten vom Ergebnis des im gegenständlichen Fall eingeholten HNO-fachärztlichen Sachverständigengutachten vom 05.04.2016, das der Entscheidung zu Grunde gelegt wird.

Insoweit in der Beschwerde gerügt wird, dass die insgesamt fünf festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen nicht im Sinne des § 3 Abs. 2 Satz 1 der Einschätzungsverordnung addiert worden seien, so ist dieses Vorbringen zutreffend und ist eine Addition entsprechend § 3 Abs. 1 Einschätzungsverordnung rechtsrichtig nicht erfolgt; diesbezüglich wird auf die nachfolgenden rechtlichen Ausführungen verwiesen.

Der Beschwerde wurden keine weiteren medizinischen Unterlagen beigelegt, die die vorgenommenen Einstufungen widerlegen oder diesen entgegenstehen würden.

Die Beschwerdeführerin ist den von der belangten Behörde eingeholten medizinischen Sachverständigengutachten in der Beschwerde daher im Ergebnis nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten, steht es dem Antragsteller, so er der Auffassung ist, dass seine Leiden nicht hinreichend berücksichtigt wurden, nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes doch frei, das im Auftrag der Behörde erstellte Gutachten durch die Beibringung eines Gegengutachtens eines Sachverständigen seiner Wahl zu entkräften (vgl. etwa das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 27.06.2000, Zl. 2000/11/0093).

Seitens des Bundesverwaltungsgerichtes bestehen keine Zweifel an der Richtigkeit, Vollständigkeit und Schlüssigkeit der eingeholten medizinischen Sachverständigengutachten der Ärztin für Allgemeinmedizin und Fachärztin für Unfallchirurgie, die bereits die auf persönlichen Untersuchungen der Beschwerdeführerin basierenden medizinischen Sachverständigengutachten vom 23.07.2014 und vom 19.11.2014 erstattet hatte, vom 24.04.2016 und der in diesem Sachverständigengutachten vom 24.04.2016 berücksichtigten augenfachärztlichen und HNO-fachärztlichen Sachverständigengutachten vom 26.06.2015 und vom 05.04.2016. Diese Sachverständigengutachten werden daher in freier Beweiswürdigung der gegenständlichen Entscheidung zu Grunde gelegt.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchteil A)

1. Zur Entscheidung in der Sache

Die gegenständlich maßgeblichen Bestimmungen des Bundesbehindertengesetzes (BBG) lauten:

"§ 40. (1) Behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% ist auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpass auszustellen, wenn

1. ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist oder

2. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen oder

3. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten oder

...

5. sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, angehören.

(2) Behinderten Menschen, die nicht dem im Abs. 1 angeführten Personenkreis angehören, ist ein Behindertenpaß auszustellen, wenn und insoweit das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen auf Grund von Vereinbarungen des Bundes mit dem jeweiligen Land oder auf Grund anderer Rechtsvorschriften hiezu ermächtigt ist.

§ 41. (1) Als Nachweis für das Vorliegen der im § 40 genannten Voraussetzungen gilt der letzte rechtskräftige Bescheid eines Rehabilitationsträgers (§ 3) oder ein rechtskräftiges Urteil eines Gerichtes nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, BGBl. Nr. 104/1985, ein rechtskräftiges Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes oder die Mitteilung über die Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs. 5 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967, BGBl. Nr. 376. Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen hat den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen, wenn

1. nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hiefür maßgebenden Vorschriften keine Einschätzung vorsehen oder

2. zwei oder mehr Einschätzungen nach bundesgesetzlichen Vorschriften vorliegen und keine Gesamteinschätzung vorgenommen wurde oder

3. ein Fall des § 40 Abs. 2 vorliegt.

...

§ 42. (1) Der Behindertenpass hat den Vornamen sowie den Familien- oder Nachnamen, das Geburtsdatum, eine allfällige Versicherungsnummer, den Wohnort und einen festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.

...

§ 45. (1) Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.

(2) Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu.

(3) In Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung hat die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.

(4) Bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß Abs. 3 hat eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Die fachkundigen Laienrichterinnen oder Laienrichter (Ersatzmitglieder) haben für die jeweiligen Agenden die erforderliche Qualifikation (insbesondere Fachkunde im Bereich des Sozialrechts) aufzuweisen.

......

§ 46. Die Beschwerdefrist beträgt abweichend von den Vorschriften des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes, BGBl. I Nr. 33/2013, sechs Wochen. Die Frist zur Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung beträgt zwölf Wochen. In Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht dürfen neue Tatsachen und Beweismittel nicht vorgebracht werden."

§ 3 der Einschätzungsverordnung in der geltenden Fassung lautet:

"Gesamtgrad der Behinderung

§ 3. (1) Eine Einschätzung des Gesamtgrades der Behinderung ist dann vorzunehmen, wenn mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vorliegen. Bei der Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung sind die einzelnen Werte der Funktionsbeeinträchtigungen nicht zu addieren. Maßgebend sind die Auswirkungen der einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen zueinander.

(2) Bei der Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung ist zunächst von jener Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, für die der höchste Wert festgestellt wurde. In der Folge ist zu prüfen, ob und inwieweit dieser durch die weiteren Funktionsbeeinträchtigungen erhöht wird. Gesundheitsschädigungen mit einem Ausmaß von weniger als 20 vH sind außer Betracht zu lassen, sofern eine solche Gesundheitsschädigung im Zusammenwirken mit einer anderen Gesundheitsschädigung keine wesentliche Funktionsbeeinträchtigung verursacht.

Bei Überschneidungen von Funktionsbeeinträchtigungen ist grundsätzlich vom höheren Grad der Behinderung auszugehen.

(3) Eine wechselseitige Beeinflussung der Funktionsbeeinträchtigungen, die geeignet ist, eine Erhöhung des Grades der Behinderung zu bewirken, liegt vor, wenn

-

sich eine Funktionsbeeinträchtigung auf eine andere besonders nachteilig auswirkt,

-

zwei oder mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vorliegen, die gemeinsam zu einer wesentlichen Funktionsbeeinträchtigung führen.

(4) Eine wesentliche Funktionsbeeinträchtigung ist dann gegeben, wenn das Gesamtbild der Behinderung eine andere Beurteilung gerechtfertigt erscheinen lässt, als die einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen alleine."

Wie oben unter Punkt II.2. im Rahmen der beweiswürdigenden Ausführungen, auf die verwiesen wird, ausgeführt wurde, werden der gegenständlichen Entscheidung die seitens der belangten Behörde eingeholte medizinische Sachverständigengutachten einer Ärztin für Allgemeinmedizin und Fachärztin für Unfallchirurgie vom 24.04.2016 und die in diesem Sachverständigengutachten vom 24.04.2016 berücksichtigten augenfachärztlichen und HNO-fachärztlichen Sachverständigengutachten vom 26.06.2015 und vom 05.04.2016 zu Grunde gelegt, wonach der Grad der Behinderung der Beschwerdeführerin aktuell 20 v.H. beträgt.

Die Beschwerdeführerin legte im Rahmen der Beschwerde keine weiteren Befunde vor, die geeignet wären, die durch die medizinischen Sachverständigen getroffenen Beurteilungen zu widerlegen oder zusätzliche einschätzungsrelevante Dauerleiden bzw. eine zwischenzeitlich eingetretene Verschlechterung des Zustandes der Beschwerdeführerin zu belegen. Die getroffenen Einschätzungen entsprechen den festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen. Die Beschwerdeführerin ist den von der belangten Behörde eingeholten medizinischen Sachverständigengutachten in der Beschwerde, wie bereits erwähnt, nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten.

Das medizinische Sachverständigengutachten ist auch nicht zu beanstanden, wenn es im Sinne des § 3 Abs. 3 und 4 der Einschätzungsverordnung eine entscheidungswesentliche ungünstige wechselseitige Leidensbeeinflussung in dem Sinne, dass sich eine Funktionsbeeinträchtigung auf eine andere besonders nachteilig auswirken würde oder mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vorliegen würden, die gemeinsam zu einer wesentlichen Funktionsbeeinträchtigung führen würden, im gegenständlichen Fall nicht gegeben sieht; dies gilt auch im Hinblick auf die festgestellten Leiden 1 und 3. Die beigezogene Ärztin für Allgemeinmedizin und Fachärztin für Unfallchirurgie führte in ihrem Sachverständigengutachten vom 24.04.2016 Stellung nehmend zu Einwendungen der Beschwerdeführerin aus, die im eigenen orthopädischen Status festgestellte Funktionseinschränkung des linken Handgelenks mit endlagiger Behinderung in der Sagittalebene bei sonst unauffälligem Gelenk stelle ein geringgradiges Defizit dar. Hinweise für eine eingeschränkte Feinmotorik, für eine Funktionseinschränkung des Spitz-oder Grobgriffs konnten nicht festgestellt werden, die Visusminderung führe somit zu keiner Beeinträchtigung der Funktionalität der linken Hand. Entsprechend § 3 Abs. 2 Einschätzungsverordnung sind Gesundheitsschädigungen mit einem Ausmaß von weniger als 20 v.H. außer Betracht zu lassen, sofern eine solche Gesundheitsschädigung im Zusammenwirken mit einer anderen Gesundheitsschädigung keine wesentliche Funktionsbeeinträchtigung verursacht. Letzteres ist aber im gegenständlichen Fall nicht ersichtlich.

Zutreffend wird in der Beschwerde ausgeführt, dass die insgesamt fünf festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen nicht im Sinne des § 3 Abs. 2 Satz 1 der Einschätzungsverordnung addiert worden seien; diese rechtskonforme Vorgangsweise entspricht der Bestimmung des § 3 Abs. 1 Einschätzungsverordnung, wonach bei der Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung die einzelnen Werte der Funktionsbeeinträchtigungen nicht zu addieren sind.

Anders als in der Beschwerde dargetan vermag das Bundesverwaltungsgericht allerdings keinen dem Sachlichkeitsgebot widersprechenden und daher als gleichheitswidrig zu erkennenden Inhalt in der Regelung zu erblicken, dass bei der Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung die Auswirkungen der einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen zueinander maßgebend sind und dass darauf abzustellen ist, ob sich eine Funktionsbeeinträchtigung auf eine andere besonders nachteilig auswirkt oder mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vorliegen, die gemeinsam zu einer wesentlichen Funktionsbeeinträchtigung führen. Mangels Vorliegens von Bedenken gegen die Verfassungskonformität dieser Bestimmung sieht sich das Bundesverwaltungsgericht daher nicht zu einer Anfechtung derselben beim Verfassungsgerichtshof veranlasst.

Was das offenkundig auf das eingeholte medizinische Sachverständigengutachten vom 24.04.2016 bezogene Vorbringen in der Beschwerde betrifft, dass das Parteiengehör verletzt worden sei, der Beschwerdeführerin sei nicht Gelegenheit gegeben worden, vom Ergebnis der Beweisaufnahme Kenntnis zu erlangen und dazu Stellung zu nehmen, so ist diesbezüglich darauf hinzuweisen, dass der Mangel im Parteiengehör durch die Erhebung der Beschwerde als saniert anzusehen ist. Selbiges gilt auch für den in der Beschwerde vorgebrachten Begründungsmangel des angefochtenen Bescheides.

Mit einem Gesamtgrad der Behinderung von 20 v.H. sind die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses gemäß § 40 Abs. 1 BBG, wonach behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbstätigkeit von mindestens 50 v.H. ein Behindertenpass auszustellen ist, aktuell nicht erfüllt.

Im Übrigen ist aber auch darauf hinzuweisen, dass bei einer belegten Verschlechterung des Leidenszustandes die neuerliche Einschätzung des Grades der Behinderung im Rahmen einer neuerlichen Antragstellung beim Sozialministeriumservice - allerdings nach Maßgabe des § 41 Abs. 2 BBG - in Betracht kommt.

Die Beschwerde war daher spruchgemäß abzuweisen.

2. Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

Gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn

1. der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder

2. die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist.

Gemäß § 24 Abs. 3 VwGVG hat der Beschwerdeführer die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden.

Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen.

Die Frage der Feststellung des Gesamtgrades der Behinderung wurde unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen geprüft. Die Tatsachenfragen (Art und Ausmaß der Funktionseinschränkungen) gehören dem Bereich zu, der vom Sachverständigen zu beleuchten ist. Der entscheidungsrelevante Sachverhalt ist vor dem Hintergrund der vorliegenden, nicht substantiiert bestrittenen schlüssigen medizinischen Sachverständigengutachten geklärt, sodass im Sinne der Judikatur des EGMR und der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. VwGH 16.12.2013, 2011/11/0180) und des Verfassungsgerichtshofes (vgl. VfGH 09.06.2017, E 1162/2017) eine mündliche Verhandlung nicht geboten war. Art. 6 EMRK bzw. Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union stehen somit dem Absehen von einer mündlichen Verhandlung - trotz in der Beschwerde gestellten Antrages - gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG nicht entgegen. Dies lässt die Einschätzung zu, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten ließ und eine Entscheidung ohne vorherige Verhandlung im Beschwerdefall nicht nur mit Art. 6 EMRK und Art. 47 GRC kompatibel ist, sondern auch im Sinne des Gesetzes (§ 24 Abs. 1 VwGVG) liegt, weil damit dem Grundsatz der Zweckmäßigkeit, Raschheit, Einfachheit und Kostenersparnis (§ 39 Abs. 2a AVG) gedient ist, gleichzeitig aber das Interesse der materiellen Wahrheit und der Wahrung des Parteiengehörs nicht verkürzt wird.

Zu Spruchteil B)

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Dieser Ausspruch ist kurz zu begründen. Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer solchen Rechtsprechung, des Weiteren ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen.

Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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