TE Bvwg Erkenntnis 2018/4/24 W207 2126396-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 24.04.2018
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Entscheidungsdatum

24.04.2018

Norm

BBG §40
BBG §41
BBG §45
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

W207 2126396-1/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Michael SCHWARZGRUBER als Vorsitzender und die Richterin Mag. Natascha GRUBER sowie den fachkundigen Laienrichter Mag. Gerald SOMMERHUBER als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Wien, vom 13.04.2016, Passnummer: XXXX , betreffend Abweisung des Antrages auf Ausstellung eines Behindertenpasses, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird gemäß § 40 Abs. 1, § 41 Abs. 1 und § 45 Abs. 1 und 2 Bundesbehindertengesetz (BBG) als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang

Die Beschwerdeführerin stellte erstmals am 19.05.2014 einen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses, der mit Bescheid des Sozialministeriumservice (in der Folge auch als belangte Behörde bezeichnet) vom 04.09.2014 rechtskräftig abgewiesen wurde. Dies erfolgte auf Grundlage eines medizinischen Sachverständigengutachtens vom 12.08.2014, in dem auf Grundlage der Bestimmungen der Anlage der Einschätzungsverordnung die Funktionseinschränkungen 1. "Degenerative Wirbelsäulenveränderung", bewertet mit einem (Einzel)Grad der Behinderung von 30 v.H. nach der Positionsnummer 02.01.02 der Anlage der Einschätzungsverordnung, 2. "Zustand nach Totalendoprothese beide Kniegelenke mit Funktionseinschränkungen", bewertet mit einem (Einzel)Grad der Behinderung von 30 v.H. nach der Positionsnummer 02.05.19 der Anlage der Einschätzungsverordnung, 3. "Bluthochdruck (leichte Hypertonie)", bewertet mit einem (Einzel)Grad der Behinderung von 10 v. H. nach der Positionsnummer 05.01.01 der Anlage der Einschätzungsverordnung, und 4. "Zustand nach Mammatumoroperation Feber 2009", bewertet mit einem (Einzel)Grad der Behinderung von 10 v. H. nach der Positionsnummer 13.01.02 der Anlage der Einschätzungsverordnung, festgestellt wurden. Festgestellt wurde damals ein Gesamtgrad der Behinderung von 40 v.H.

Am 02.02.2016 stellte die Beschwerdeführerin beim Sozialministeriumservice neuerlich einen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses, dem sie ein Konvolut an medizinischen Unterlagen beilegte.

Die belangte Behörde gab in der Folge ein Sachverständigengutachten eines Arztes für Allgemeinmedizin unter Anwendung der Bestimmungen der Einschätzungsverordnung in Auftrag. In diesem Sachverständigengutachten vom 03.03.2016 wurde nach Durchführung einer persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin am 03.03.2016 Folgendes - hier in den wesentlichen Teilen wiedergegeben - ausgeführt:

"Anamnese und Sozialanamnese: ausgeübter Beruf: Pensionistin

Stand: geschieden, erwachsene Kinder

Hilfsmittel: kommt ohne Gehhilfen zur Untersuchung.

ZWISCHENANAMNESE

Bezüglich der Anamnese darf auf das Vorgutachten verwiesen werden

Seit der letzten Begutachtung werden folgende zwischenzeitliche gesundheitliche Ereignisse angegeben:

Aktuelle Beschwerden: Meine WS Schmerzen sind schlechter geworden. Beim Gehen bekomme ich nach ca. 10 min Schmerzen in Kreuz und beiden Hüftgelenken mit Ausstrahlung in beide OS. Nächtliche Schmerzen in WS und ein bamstiges Gefühl in den Unterschenkeln.

Aktuelle Medikamente: Amlodipin, NSR bei Bedarf, Thyrex, Calzium, Xefo 2x1

Relevantes aus den beigelegten Befunden:

Aktenblatt 34: Becken RÖ 2014 Mäßiggradäge Coxarthrose beidseits

Aktenblatt 35: NLG sensomotorisches Neuropathiesyndrom

Aktenblatt 37: MRT WS, multisegmentale Osteochondrose, konsekutiv mäßige Verterostenosen

Untersuchungsbefund:

Grösse: 1,68 m Gewicht: 84 kg BMI: 29,76

Selbstständiges Entkleiden ist ohne Hilfe möglich. Kein Selbstpflegedefizit

Guter AZ und normaler EZ Psychischer Eindruck: grob psychisch unauffällig.

Der Blutdruck ist mit 170/90 hyperton und der Puls mit 72

Hautfarbe: normal Die Schleimhäute sind gut durchblutet.

Die Atmung ist Vesikuläratmung

Kopf: Zähne- Prothese, HNAP unauffällig Rachen bland Tonsillen bland

Sinnesfunktionen: weitgehend ungestört

Hals: keine Einflussstauung, Schilddrüse Narbe nach STREK und schluckverschieblich Lymphknoten: nicht palpabel

Thorax: symmetrisch

Cor: rhythmisch und normfrequent, Herztöne rein

Pulmo: Vesikuläratmung, Basen gut verschieblich, normaler Klopfschall

Wirbelsäule: KJA:0 cm FBA: 40 cm

HWS: keine funktionellen Behinderungen

BWS: keine funktionellen Behinderungen

LWS: endlagige Bewegungseinschränkungen in allen Ebenen

Abdomen: Bauchdecken: weich im Thoraxniveau

Leber: nicht palpabel Milz: nicht palpabel Rectal: nicht untersucht

Nierenlager: frei

Obere Extremitäten: alle Gelenke altersentsprechend frei beweglich symmetrische Muskelverlältnisse

Kreuzgriff: beidseits möglich Nackengriff: beidseits möglich

Untere Extremitäten: keine wesentlichen funktionellen Behinderungen

Freies Stehen sicher möglich,

Rechts: Hüftgelenk: Beugung 100 R: 40-0-40

Kniegelenk: 0-0-110 Narbe nach TEP

OSG: frei beweglich USG: frei beweglich Verkürzung der Bein länge re ca 2cm

Links: Hüftgelenk: Beugung 100 R: 40-0-40

Kniegelenk: 0-0-110 Narbe nach TEP

OSG: frei beweglich USG: frei beweglich

Varizen: keine Fußpulse: beidseits palpabel keine Ödeme

Fersenstand: wird nicht vorgezeigt Zehenstand: beidseits möglich

Neurologisch: grob neurologisch ob

Gesamt Mobilität-Gangbild: etwas watschelnd (Knie) aber kommt ohne Gehbehelfe

Ergebnis der durchgeführten Untersuchung vom: 03.03.2016

Lfd. Nr.

Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:

Pos. Nr.

GdB %

1

Abnützungen der Wirbelsäule Heranziehung dieser Position, da mäßige radiologische Veränderungen bei mittelgradigen Funktionseinschränkungen. Unterer Rahmensatz, da ohne radikuläre Symptomatik.

02.01.02

30

2

Funktionseinschränkung beider Kniegelenke Heranziehung dieser Position mit dem oberen Rahmensatz, da Zustand nach beidseitiger Endoprothese bei beidseitig erhaltener Beugefunktion bis 90°

02.05.19

30

3

Arterielle Hypertonie

05.01.01

10

4

Zustand nach Brust CA Operation Heranziehung dieser Position mit dem unteren Rahmensatz, da mehr als 5 Jahre ohne Rezidiv und ohne signifikante Funktionseinschränkungen

13.01.02

10

5

Abnützung beider Hüftgelenke Wahl dieser Position mit dem unteren Rahmensatz, da beidseits nur geringfügige Funktionsbeeinträchtigungen.

02.05.08

20

6

Zustand nach Entfernung größerer Teile der Schilddrüse Unterer Rahmensatz, da mittels oraler Substitutionstherapie ausreichend behandelbar.

09.01.01

10

7

Diabetische Polyneuropathie Heranziehung dieser Position mit dem unteren Rahmensatz, da leichtgradige Ausfälle an den unteren Extremitäten.

04.06.01

10

Gesamtgrad der Behinderung 40 v. H.

Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung:

Die führende funktionelle Einschränkung Nr. wird durch die funktionelle Einschränkung lfd. Nr. 2 um 1 Stufe(n) erhöht Begründung: negative, wechselseitige Leidensbeeinflussung. Die anderen Leiden erhöhen nicht weiter.

Folgende beantragten bzw. in den zugrunde gelegten Unterlagen diagnostizierten Gesundheitsschädigungen erreichen keinen Grad der Behinderung:

xxxx

Stellungnahme zu gesundheitlichen Änderungen im Vergleich zum Vorgutachten:

Neue Antragsleiden anerkannt. Pos 5,6,7 jedoch dadurch keine Veränderung des gesamt GdB

Begründung für die Änderung des Gesamtgrades der Behinderung keine

X Dauerzustand

...

"

Mit dem angefochtenen Bescheid vom 13.04.2016 wies die belangte Behörde den Antrag der Beschwerdeführerin auf Ausstellung eines Behindertenpasses ab und führte begründend aus, dass das durchgeführte medizinische Beweisverfahren einen Grad der Behinderung von 40 v.H. ergeben habe und somit die Voraussetzungen zur Ausstellung eines Behindertenpasses nicht gegeben seien. Die wesentlichen Ergebnisse des ärztlichen Begutachtungsverfahrens seien dem eingeholten ärztlichen Sachverständigengutachten, das einen Bestandteil der Begründung bilde, zu entnehmen. Dieses medizinische Sachverständigengutachten vom 03.03.2016 wurde der Beschwerdeführerin gemeinsam mit dem Bescheid übermittelt.

Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin fristgerecht die gegenständliche Beschwerde, die am 09.05.2016 bei der belangten Behörde einlangte. Darin führt die Beschwerdeführerin aus, dass sie den falschen Befund bezüglich ihrer Varizea beeinspruche, diesbezüglich lege sie eine Richtigstellung, ausgestellt von ihrem Hausarzt, bei. Sie habe Polyneuropathie, aber nicht Diabetes. Darüber hinaus sei sie Orthesenträgerin bei längerer Belastung, dies sei bei der Untersuchung nicht gefragt/berücksichtigt worden. Wenn sie länger als 10 Minuten gehe, brauche sie Wanderstöcke als Gehilfe. Deshalb beantrage sie die Richtigstellung des Grades ihrer Behinderung.

Der Beschwerde wurde eine ärztliche Bestätigung einer näher genannten Ärztin für Allgemeinmedizin vom 29.04.2016 zur Ergänzung der Diagnosen folgenden Inhaltes beigelegt:

"Varikositas bd. Beine (re ? li)

Chron Lumbalgie (Tragen eines Lumbotrains bei körperlicher Belastung)"

Weitere medizinische Unterlagen wurden im weiteren Verlauf des Beschwerdeverfahrens nicht vorgelegt.

Da es keine Anhaltspunkte für eine Beschwerdevorentscheidung gab, legte die belangte Behörde den Verwaltungsakt am 13.05.2016 dem Bundesverwaltungsgericht vor.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die Beschwerdeführerin brachte am 02.02.2016 den gegenständlichen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses beim Sozialministeriumservice ein.

Die Beschwerdeführerin hat ihren Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt im Inland.

Die Beschwerdeführerin leidet unter folgenden Funktionseinschränkungen:

1. Abnützungen der Wirbelsäule

2. Funktionseinschränkung beider Kniegelenke

3. Arterielle Hypertonie

4. Zustand nach Brust CA Operation

5. Abnützung beider Hüftgelenke

6. Zustand nach Entfernung größerer Teile der Schilddrüse

7. Diabetische Polyneuropathie

Der Gesamtgrad der Behinderung der Beschwerdeführerin beträgt aktuell 40 v.H.

Hinsichtlich der bei der Beschwerdeführerin bestehenden einzelnen Funktionseinschränkungen und deren Ausmaß sowie der Frage der wechselseitigen Leidensbeeinflussung werden die diesbezüglichen Beurteilungen im oben wiedergegebenen Sachverständigengutachten vom 03.03.2016 der nunmehrigen Entscheidung zu Grunde gelegt.

2. Beweiswürdigung:

Das Datum der Einbringung des gegenständlichen Antrages auf Ausstellung eines Behindertenpasses basiert auf dem Akteninhalt.

Die Feststellung zum Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt der Beschwerdeführerin ist unbestritten.

Die festgestellten Funktionseinschränkungen und der Gesamtgrad der Behinderung gründen sich auf das durch die belangte Behörde eingeholte medizinische Sachverständigengutachten eines Arztes für Allgemeinmedizin vom 03.03.2016.

In diesem medizinischen Sachverständigengutachten wird auf Grundlage einer persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin und unter Berücksichtigung der von der Beschwerdeführerin im Verfahren vorgelegten medizinischen Unterlagen auf die Art der Leiden der Beschwerdeführerin und deren Ausmaß schlüssig und widerspruchsfrei eingegangen. Die getroffenen Einschätzungen entsprechen den festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen.

Mit dem unkonkret gehaltenen Beschwerdevorbringen, die Beschwerdeführerin beeinspruche "den falschen Befund" bezüglich ihrer Varizea und lege diesbezüglich eine Richtigstellung einer näher genannten Ärztin für Allgemeinmedizin vor, legt die Beschwerdeführerin in der Beschwerde nicht ausreichend konkret dar, aus welchen Gründen sie mit dem Ergebnis der sachverständigen Begutachtung nicht einverstanden ist bzw. welche konkreten Aspekte in der sachverständigen Beurteilung unzutreffend wären und ist dies auch aus amtswegiger Sicht nicht erkennbar. Zwar beinhaltet die der Beschwerde beigelegte Ärztliche Bestätigung vom 29.04.2016 die Diagnose "Varikositas bd. Beine (re ? li)", jedoch wird damit keinerlei konkrete Aussage getroffen über das Ausmaß bzw. das Stadium dieses Krankheitsbildes und damit keinerlei Aussage über damit allenfalls verbundene funktionelle Defizite bzw. Funktionseinschränkungen. Abgesehen davon wurde die Varikositas/Varizea von der Beschwerdeführerin im Verfahren vor der belangten Behörde und insbesondere im Rahmen der medizinischen Untersuchung durch den medizinischen Sachverständigen gar nicht vorgebracht, was ebenfalls nicht als ausreichend konkreter Anhaltspunkt für das tatsächliche Vorliegen einer Funktionseinschränkung maßgeblicher und damit einstufungsrelevanter Intensität angesehen werden kann. Die der Beschwerde beigelegte ärztliche Bestätigung ist daher nicht geeignet, der im eingeholten medizinischen Sachverständigengutachten vom 03.03.2016 getroffenen Beurteilung entgegenzutreten, zumal - wie bereits erwähnt - weder im Beschwerdevorbringen noch in der ärztlichen Bestätigung eine damit verbundene Funktionseinschränkung maßgeblicher und damit einstufungsrelevanter Intensität konkret vorgebracht bzw. belegt wird. Das diesbezügliche Vorliegen einer einstufungsrelevanten Funktionseinschränkung im Sinne der Einschätzungsverordnung ist daher nicht objektiviert.

Wenn die Beschwerdeführerin vorbringt, dass sie zwar Polyneuropathie, aber nicht Diabetes habe, ist auf die unter der Leidensposition 7 herangezogene Positionsnummer 04.06.01 der Anlage der Einschätzungsverordnung zu verweisen. Diese lautet wie folgt:

"04.06 Polyneuropathien und Polyneuritiden

Die Einstufung orientiert sich an den jeweiligen Ausfallserscheinungen.

04.06.01

Sensible und motorische Ausfälle leichten Grades

10 - 40 %

04.06.02

Sensible und motorische Ausfälle leichten Grades

50 - 70 %

04.06.03

Sensible und motorische Ausfälle schweren Grades

80 - 100 %"

Daraus geht hervor,

dass die bei der Beschwerdeführerin vorliegende Polyneuropathie - unabhängig von der Bezeichnung der Diagnose - unter der Leidensposition 7 ("Diabetische Polyneuropathie; Heranziehung dieser Position mit dem unteren Rahmensatz, da leichtgradige Ausfälle an den unteren Extremitäten.") in Ansehung der vorliegenden Funktionsbeeinträchtigung bzw. der vorliegenden Ausfallserscheinungen rechtsrichtig unter dem zutreffenden Regelungskomplex ("04.06 Polyneuropathien und Polyneuritiden") im Rahmen der Positionsnummer 04.06.01 der Anlage der Einschätzungsverordnung eingestuft wurde.

Auch aus dem Beschwerdevorbringen, die Beschwerdeführerin sei bei längerer Belastung Orthesenträgerin, ist für sie nichts zu gewinnen. Die bei der Beschwerdeführerin vorliegende chronische Lumbalgie (Schmerzen in der Lendenwirbelsäulenregion) wurde in das Sachverständigengutachten vom 03.03.2016 miteinbezogen. Eine Abnutzung der Wirbelsäule und damit verbundene Schmerzen wurde im Rahmen der Anamnese aufgenommen und im Rahmen der Statuserhebung unter "Wirbelsäule; LWS: endlagige Bewegungseinschränkung in allen Ebenen" festgehalten und unter der Leidensposition 1 ("Abnützungen der Wirbelsäule; Heranziehung dieser Position, da mäßige radiologische Veränderungen bei mittelgradigen Funktionseinschränkungen. Unterer Rahmensatz, da ohne radikuläre Symptomatik.") berücksichtigt und unter der Positionsnummer 02.01.02 der Anlage der Einschätzungsverordnung zutreffend eingeschätzt. Anderes ergibt sich auch nicht aus der vorgelegten Ärztlichen Bestätigung einer näher genannten Ärztin für Allgemeinmedizin vom 29.04.2016.

Das Vorbringen, dass die Beschwerdeführerin, wenn sie länger als 10 Minuten gehe, Schmerzen bekomme/Wanderstöcke als Gehilfe benötige, wurde im Rahmen der Anamnese aufgenommen und bei der Feststellung der vorliegenden Leiden unter der Leidensposition 2 ("Funktionseinschränkung beider Kniegelenke; Heranziehung dieser Position mit dem oberen Rahmensatz, da Zustand nach beidseitiger Endoprothese bei beidseitig erhaltener Beugefunktion bis 90°berücksichtigt.") und Leidensposition 5 ("Abnützung beider Hüftgelenke; Wahl dieser Position mit dem unteren Rahmensatz, da beidseits nur geringfügige Funktionsbeeinträchtigungen.") entsprechend berücksichtigt.

Weitere medizinische Unterlagen wurden - wie bereits erwähnt - der Beschwerde nicht beigelegt und auch im weiteren Verlauf des Beschwerdeverfahrens nicht vorgelegt. Die Beschwerdeführerin ist dem von der belangten Behörde eingeholten medizinischen Sachverständigengutachten in der Beschwerde daher im Ergebnis nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten, steht es dem Antragsteller, so er der Auffassung ist, dass seine Leiden nicht hinreichend berücksichtigt wurden, nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes doch frei, das im Auftrag der Behörde erstellte Gutachten durch die Beibringung eines Gegengutachtens eines Sachverständigen seiner Wahl zu entkräften (vgl. etwa das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 27.06.2000, Zl. 2000/11/0093).

Seitens des Bundesverwaltungsgerichtes bestehen keine Zweifel an der Richtigkeit, Vollständigkeit und Schlüssigkeit des vorliegenden medizinischen Sachverständigengutachtens des Arztes für Allgemeinmedizin vom 03.03.2016. Dieses von der belangten Behörde eingeholte Sachverständigengutachten wird daher in freier Beweiswürdigung der gegenständlichen Entscheidung zu Grunde gelegt.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchteil A)

1. Zur Entscheidung in der Sache

Die gegenständlich maßgeblichen Bestimmungen des Bundesbehindertengesetzes (BBG) lauten:

"§ 40. (1) Behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% ist auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpass auszustellen, wenn

1. ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist oder

2. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen oder

3. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten oder

...

5. sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, angehören.

(2) Behinderten Menschen, die nicht dem im Abs. 1 angeführten Personenkreis angehören, ist ein Behindertenpaß auszustellen, wenn und insoweit das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen auf Grund von Vereinbarungen des Bundes mit dem jeweiligen Land oder auf Grund anderer Rechtsvorschriften hiezu ermächtigt ist.

§ 41. (1) Als Nachweis für das Vorliegen der im § 40 genannten Voraussetzungen gilt der letzte rechtskräftige Bescheid eines Rehabilitationsträgers (§ 3) oder ein rechtskräftiges Urteil eines Gerichtes nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, BGBl. Nr. 104/1985, ein rechtskräftiges Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes oder die Mitteilung über die Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs. 5 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967, BGBl. Nr. 376. Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen hat den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen, wenn

1. nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hiefür maßgebenden Vorschriften keine Einschätzung vorsehen oder

2. zwei oder mehr Einschätzungen nach bundesgesetzlichen Vorschriften vorliegen und keine Gesamteinschätzung vorgenommen wurde oder

3. ein Fall des § 40 Abs. 2 vorliegt.

...

§ 42. (1) Der Behindertenpass hat den Vornamen sowie den Familien- oder Nachnamen, das Geburtsdatum, eine allfällige Versicherungsnummer, den Wohnort und einen festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.

...

§ 45. (1) Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.

(2) Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu.

(3) In Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung hat die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.

(4) Bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß Abs. 3 hat eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Die fachkundigen Laienrichterinnen oder Laienrichter (Ersatzmitglieder) haben für die jeweiligen Agenden die erforderliche Qualifikation (insbesondere Fachkunde im Bereich des Sozialrechts) aufzuweisen.

..."

Wie oben unter Punkt II.2. im Rahmen der beweiswürdigenden Ausführungen, auf die verwiesen wird, ausgeführt wurde, wird der gegenständlichen Entscheidung das seitens der belangten Behörde eingeholte medizinische Sachverständigengutachten vom 03.03.2016 zu Grunde gelegt, wonach der Grad der Behinderung der Beschwerdeführerin 40 v.H. beträgt.

Die Beschwerdeführerin ist diesem medizinischen Sachverständigengutachten in der Beschwerde im Ergebnis, wie bereits erwähnt, nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten. Die getroffenen Einschätzungen, basierend auf einer persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin und den von der Beschwerdeführerin vorgelegten medizinischen Unterlagen, entsprechen den festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen.

Das medizinische Sachverständigengutachten ist auch nicht zu beanstanden, wenn es im Sinne des § 3 Abs. 3 und 4 der Einschätzungsverordnung eine entscheidungswesentliche ungünstige wechselseitige Leidensbeeinflussung in dem Sinne, dass sich eine Funktionsbeeinträchtigung auf eine andere besonders nachteilig auswirken würde oder mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vorliegen würden, die gemeinsam zu einer wesentlichen Funktionsbeeinträchtigung führen würden, im gegenständlichen Fall in Form einer Erhöhung des Gesamtgrades der Behinderung um eine Stufe von 30 v.H. auf 40 v.H. wegen ungünstiger wechselseitiger Leidensbeeinflussung von Leiden 1 durch Leiden 2 gegeben sieht.

Die Beschwerdeführerin legte im Rahmen der Beschwerde keine weiteren Befunde vor, die geeignet wären, die durch den medizinischen Sachverständigen getroffenen Beurteilungen zu widerlegen oder zusätzliche einschätzungsrelevante Dauerleiden bzw. eine zwischenzeitlich eingetretene Verschlechterung des Zustandes der Beschwerdeführerin zu belegen. Dies gilt, wie bereits oben ausgeführt, auch für die von der Beschwerdeführerin der Beschwerde beigelegte Ärztlichen Bestätigung einer näher genannten Ärztin für Allgemeinmedizin vom 29.04.2016.

Mit einem Gesamtgrad der Behinderung von 40 v.H. sind die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses gemäß § 40 Abs. 1 BBG, wonach behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbstätigkeit von mindestens 50 v.H. ein Behindertenpass auszustellen ist, aktuell nicht erfüllt.

Im Übrigen ist aber auch darauf hinzuweisen, dass bei einer späteren Verschlechterung des Leidenszustandes die neuerliche Einschätzung des Grades der Behinderung nach Maßgabe des § 41 Abs. 2 BBG in Betracht kommt.

Die Beschwerde war daher spruchgemäß abzuweisen.

2. Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

Gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn

1. der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder

2. die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist.

Gemäß § 24 Abs. 3 VwGVG hat der Beschwerdeführer die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden.

Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen.

Die Frage der Feststellung des Gesamtgrades der Behinderung wurde unter Mitwirkung eines ärztlichen Sachverständigen geprüft. Die Tatsachenfragen (Art und Ausmaß der Funktionseinschränkungen) gehören dem Bereich zu, der vom Sachverständigen zu beleuchten ist. Der entscheidungsrelevante Sachverhalt ist vor dem Hintergrund des vorliegenden, nicht substantiiert bestrittenen schlüssigen medizinischen Sachverständigengutachtens geklärt, sodass im Sinne der Judikatur des EGMR und der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. VwGH 16.12.2013, 2011/11/0180) und des Verfassungsgerichtshofes (vgl. VfGH 09.06.2017, E 1162/2017) eine mündliche Verhandlung nicht geboten war. Art. 6 EMRK bzw. Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union stehen somit dem Absehen von einer mündlichen Verhandlung gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG nicht entgegen. Im vorliegenden Fall wurde darüber hinaus seitens beider Parteien eine mündliche Verhandlung nicht beantragt (vgl. VwGH 16.12.2013, 2011/11/0180 mit weiterem Verweis auf die Entscheidung des EGMR vom 21.03.2002, Nr. 32.636/96). All dies lässt die Einschätzung zu, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten ließ und eine Entscheidung ohne vorherige Verhandlung im Beschwerdefall nicht nur mit Art. 6 EMRK und Art. 47 GRC kompatibel ist, sondern auch im Sinne des Gesetzes (§ 24 Abs. 1 VwGVG) liegt, weil damit dem Grundsatz der Zweckmäßigkeit, Raschheit, Einfachheit und Kostenersparnis (§ 39 Abs. 2a AVG) gedient ist, gleichzeitig aber das Interesse der materiellen Wahrheit und der Wahrung des Parteiengehörs nicht verkürzt wird.

Zu Spruchteil B)

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Dieser Ausspruch ist kurz zu begründen. Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer solchen Rechtsprechung, des Weiteren ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen.

Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen.

Schlagworte

Behindertenpass, Grad der Behinderung, Sachverständigengutachten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:W207.2126396.1.00

Zuletzt aktualisiert am

07.05.2018
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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