Entscheidungsdatum
24.04.2018Norm
BBG §40Spruch
W133 2167408-1/3E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Natascha GRUBER als Vorsitzende und den Richter Mag. Michael SCHWARZGRUBER sowie den fachkundigen Laienrichter Mag. Gerald SOMMERHUBER als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX, gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Wien, vom 07.07.2017, betreffend die Abweisung des Antrages auf Ausstellung eines Behindertenpasses, zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang
Die Beschwerdeführerin, eine Staatsangehörige von Polen mit Hauptwohnsitz in Österreich, stellte am 20.02.2017 einen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses beim Sozialministeriumservice, Landesstelle Wien (in der Folge als "belangte Behörde" bezeichnet) und legte medizinische Unterlagen vor.
Die belangte Behörde holte in der Folge ein Sachverständigengutachten eines Arztes für Allgemeinmedizin vom 06.07.2017 ein. In diesem wurden nach einer persönlichen Untersuchung und umfassender Darstellung der Statuserhebung die Funktionseinschränkungen den Leidenspositionen
Lfd. Nr.
Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:
Pos.Nr.
GdB%
1
degenerative Veränderung der Wirbelsäule, hochgradige Osteoporose mit Zustand nach Kyphoplastie des 1. Lendenwirbelkörpers, Spondylarthrose der Lendenwirbelsäule, Osteochondrose L5/S1, skoliotischen Fehlhaltung der Lendenwirbelsäule unterer Rahmensatz, da keine maßgeblichen motorischen Defizite fassbar; inkludiert Polyneuropathie und Begleitdepression
02.01.02
30
2
chronische Niereninsuffizienz, Hyponatriämie unterer Rahmensatz, da zwar befunddokumentiert, jedoch keine signifikante erhöhte Nierenfunktionsparameter dokumentiert werden und keine behandlungswürdige renale Anämie besteht
05.04.01
10
3
Zustand nach Entfernung der Gebärmutter fixer Rahmensatz
08.03.02
10
4
Zustand nach Entfernung des linken Ovars fixer Rahmensatz
08.03.04
10
5
Bewegungsstörung des linken Schultergelenkes fixer Rahmensatz
02.06.01
10
6
Rhizarthrose beidseits unterer Rahmensatz, da keine signifikante Einschränkung der Globalfunktion beider Hände
02.06.26
10
zugeordnet und
nach der Einschätzungsverordnung ein Gesamtgrad der Behinderung von 30 von Hundert (v.H.) eingeschätzt. Begründend führte der Gutachter aus, dass das führende Leiden Nr. 1) durch die Gesundheitsschädigungen unter den Nummern 2) bis 6) nicht erhöht werde, da kein maßgebliches ungünstiges Zusammenwirken bestehe.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 07.07.2017 wies die belangte Behörde den Antrag der Beschwerdeführerin auf Ausstellung eines Behindertenpasses gemäß §§ 40, 41 und 45 Bundesbehindertengesetz (BBG) ab, da sie mit dem festgestellten Grad der Behinderung von 30 v.H. die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses nicht erfülle. In der Begründung verwies die belangte Behörde auf das ärztliche Sachverständigengutachten, wonach der Grad der Behinderung 30 v.H. betrage. Das Gutachten wurde der Beschwerdeführerin als Beilage des Bescheides übermittelt.
Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 09.08.2017 fristgerecht eine Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht. Darin führt sie im Wesentlichen aus, ihr Gesundheitszustand habe sich verschlimmert. Sie habe starke Schmerzen und Probleme mit dem Bewegungsapparat. Der Beschwerde legte sie medizinische Befunde bei.
Am 14.08.2017 legte die belangte Behörde die Beschwerde und den Bezug habenden Verwaltungsakt dem Bundesverwaltungsgericht vor.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen (Sachverhalt):
Die Beschwerdeführerin brachte am 20.02.2017 einen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses bei der belangten Behörde ein.
Sie ist Staatsangehörige von Polen und hat ihren Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt in Österreich.
Bei der Beschwerdeführerin bestehen folgende Gesundheitsschädigungen, die voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:
1) degenerative Veränderung der Wirbelsäule, hochgradige Osteoporose mit Zustand nach Kyphoplastie des 1. Lendenwirbelkörpers, Spondylarthrose der Lendenwirbelsäule, Osteochondrose L5/S1, skoliotischen Fehlhaltung der Lendenwirbelsäule ohne fassbare maßgebliche motorische Defizite; inkludiert Polyneuropathie und Begleitdepression;
2) chronische Niereninsuffizienz, Hyponatriämie, zwar befunddokumentiert, jedoch keine signifikante erhöhte Nierenfunktionsparameter dokumentiert und keine behandlungswürdige renale Anämie bestehend;
3) Zustand nach Entfernung der Gebärmutter;
4) Zustand nach Entfernung des linken Ovars;
5) Bewegungsstörung des linken Schultergelenkes;
6) Rhizarthrose beidseits, ohne signifikante Einschränkung der Globalfunktion beider Hände.
Das führende Leiden Nr. 1) wird durch die Gesundheitsschädigungen unter den Nummern 2) bis 6) nicht erhöht, da kein maßgebliches ungünstiges Zusammenwirken besteht.
Der Gesamtgrad der Behinderung der Beschwerdeführerin beträgt aktuell 30 v. H.
Hinsichtlich der bei der Beschwerdeführerin bestehenden einzelnen Funktionseinschränkungen, deren Ausmaß, wechselseitiger Leidensbeeinflussung und medizinischer Einschätzung werden die diesbezüglichen Beurteilungen im Sachverständigengutachten des Arztes für Allgemeinmedizin vom 06.07.2017 der nunmehrigen Entscheidung zu Grunde gelegt; diesbezüglich wird auf die nachfolgenden beweiswürdigenden und rechtlichen Ausführungen verwiesen.
Unter Berücksichtigung der dem Gericht vorliegenden medizinischen Befunde und der Untersuchungsergebnisse im Gutachten ist eine höhere Einschätzung der festgestellten Leidenszustände zum Entscheidungszeitpunkt nicht möglich.
2. Beweiswürdigung:
Das Datum der Einbringung des gegenständlichen Antrages auf Ausstellung eines Behindertenpasses basiert auf dem Akteninhalt.
Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit und zum Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt der Beschwerdeführerin im Inland ergeben sich aus der im Akt aufliegenden Kopie des polnischen Reisepasses und der Meldebestätigung sowie ihren eigenen Angaben bei der Antragstellung; konkrete Anhaltspunkte dafür, dass sie ihren Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt nicht mehr im Inland hätte, sind im Verfahren nicht hervorgekommen. Auch die belangte Behörde ging vom Vorliegen dieser Voraussetzung aus.
Der Gesamtgrad der Behinderung basiert auf dem seitens der belangten Behörde eingeholten Sachverständigengutachten des Arztes für Allgemeinmedizin vom 06.07.2017. In diesem Gutachten wird auf die Art der Leiden der Beschwerdeführerin und deren Ausmaß vollständig, nachvollziehbar und widerspruchsfrei eingegangen. Der Gutachter setzt sich auch umfassend und nachvollziehbar mit den vorgelegten Befunden und dem Vorbringen der Beschwerdeführerin im Rahmen der Untersuchung auseinander. Die getroffene Einschätzung, basierend auf den im Rahmen persönlicher Untersuchung erhobenen Befunden, entspricht auch den festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen (diesbezüglich wird auch auf die oben nur auszugsweise wiedergegebenen Ausführungen im Gutachten verwiesen); die Gesundheitsschädigungen wurden nach der Einschätzungsverordnung richtig eingestuft.
Führendes Leiden der Beschwerdeführerin ist ihr unter Nr. 1) genanntes Wirbelsäulenleiden im Bereich der Lendenwirbelsäule unter Mitberücksichtigung der bestehenden Polyneuropathie und Begleitdepression, welches der Sachverständige korrekt der Positionsnummer 02.01.02 der Anlage zur Einschätzungsverordnung zugeordnet hat. Diese betrifft Funktionseinschränkungen der Wirbelsäule mittleren Grades. Der Gutachter ordnete die vorliegende Funktionseinschränkung dem unteren Rahmensatz dieser Positionsnummer mit einem Einzelgrad der Behinderung von 30% zu. Diese Einschätzung ist vor dem Hintergrund der Ergebnisse der persönlichen Untersuchung anlässlich der Begutachtung und der vorgelegten medizinischen Befunde nachvollziehbar und richtig. Im Rahmen der gutachterlichen Untersuchung wurde betreffend die Wirbelsäule folgendes Untersuchungsergebnis dokumentiert:
"Wirbelsäule: Halswirbelsäule frei beweglich, Kinn-Jugulum-Abstand 2cm, seichte linkskonvexe Kyphoskoliose der Brustwirbelsäule, Fingerbodenabstand 20cm, thorakaler Schober 30/32cm, Ott: 10/14cm, Hartspann der Lendenwirbelsäule,
Abdomen: weich, über Thoraxniveau, Hepar und Lien nicht palpabel, keine Resistenz tastbar,
Nierenlager: beidseits frei,
obere Extremität: frei beweglich bis auf Elevationsstörung des linken Arme 0/0/120 Grad, keine Involutionsatrophie der Armmuskulatur, Oberarmumfang rechts (Gebrauchsarm): 25cm (li.: 24,5cm), Unterarmumfang rechts: 23cm (li.: 23cm), Globalfunktion und grobe Kraft beidseits erhalten, Nacken- und Kreuzgriff möglich,
untere Extremität: frei beweglich bis auf schmerzbedingte endlagige Flexionsstörung beider Hüftgelenke, keine signifikante Involutionsatrophie der Unterschenkelmuskulatur, Umfang des rechten Unterschenkels: 32cm (links: 32,5cm), keine Ödeme, Besenreiservarizen und Gefäßzeichnung ohne trophische Hautstörungen, Reflex lebhaft auslösbar, Babinski negativ, Hallux valgus rechts > links, Zehen- und Fersengang möglich"
Die gewählte Einschätzung erweist sich somit unter Berücksichtigung des Umstandes, dass nur leichte Funktionseinschränkungen vorlagen, als nachvollziehbar begründet, sodass auch das Bundesverwaltungsgericht den gewählten Einzelgrad der Behinderung von 30% als gerechtfertigt und richtig erachtet. Eine höhere Einstufung ist bei diesem Leiden aufgrund der in der Anlage zur Einschätzungsverordnung genau genannten Referenzwerte nicht möglich. Auch der Analgetikabedarf und die rezidivierenden Schmerzepisoden sind unter diesem führenden Leiden ebenso mitberücksichtigt wie die damit zusammenhängende Polyneuropathie und Begleitdepression. Auch die von der Beschwerdeführerin in der Beschwerde nachgereichten Befunde vermögen keine höhere Einschätzung zu begründen, zumal auch diese keine schwereren Funktionseinschränkungen, als gutachterlich bereits festgestellt wurden, dokumentieren. Auch die in den neurologischen Befunden vom 12.05.2017 und 03.07.2017 diagnostizierte Polyneuropathie und Depression waren vom Gutachter bereits mitberücksichtigt worden.
Auch das Leiden Nr. 2 wurde korrekt dem unteren Rahmensatz der Positionsnummer 05.04.01 der Anlage zur Einschätzungsverordnung, welche Funktionseinschränkungen der Niere leichten Grades betrifft, zugeordnet. Der Gutachter begründete unter Berücksichtigung der vorliegenden Befunde nachvollziehbar, dass keine signifikant erhöhten Nierenfunktionsparameter dokumentiert sind und keine behandlungswürdige renale Anämie besteht. Diese Einstufung erweist sich auch unter Berücksichtigung der Untersuchungsbefunde als nachvollziehbar und richtig.
Auch die Leiden 3 bis 6 wurden unter Berücksichtigung der Untersuchungsergebnisse und der vorliegenden Befunde ebenfalls korrekt berücksichtigt, wobei bei Leiden 3, 4 und 5 ein fixer Rahmensatz mit einem Einzelgrad der Behinderung von jeweils 10% rechtlich vorgesehen ist und bei Leiden Nr. 6 aufgrund der geringen Einschränkung der Funktion der Hände der gewählte untere Rahmensatz der Positionsnummer 02.06.26 der Anlage zur Einschätzungsverordnung nachvollziehbar und vom Gutachter richtig gewählt wurde.
Im Gutachten wird weiters zutreffend ausgeführt, dass ein erhöhter Blutfettspiegel zwar einen Risikofaktor darstellt, jedoch mangels Funktionseinschränkung keinen Grad der Behinderung erreicht. Auch geringgradige morphologische Veränderungen der Schilddrüse ohne Nachweis einer Dysfunktion und ohne einschlägiges Therapieerfordernis bedingen keinen Grad der Behinderung.
Dass der Gutachter die Funktionseinschränkungen der Beschwerdeführerin tatsachenwidrig beurteilt hat, kann vor dem Hintergrund der vorgelegten Befunde sowie unter Berücksichtigung der Untersuchungsergebnisse nicht erkannt werden. Die Funktionseinschränkungen der Beschwerdeführerin wurden umfassend und differenziert nach den konkret vorliegenden Krankheitsbildern auch im Zusammenwirken zueinander nachvollziehbar und richtig berücksichtigt.
Das Vorbringen der Beschwerdeführerin im Rahmen der Beschwerde ist somit nicht geeignet, das vorliegende fachärztliche Sachverständigengutachten zu entkräften und eine Änderung des Ermittlungsergebnisses herbeizuführen. Die Beschwerdeführerin ist dem Sachverständigengutachten im Rahmen der Beschwerde auch nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten, steht es dem Antragsteller, so er der Auffassung ist, dass seine Leiden nicht hinreichend berücksichtigt wurden, nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes doch frei, das im Auftrag der Behörde erstellte Gutachten durch die Beibringung eines Gegengutachtens eines Sachverständigen seiner Wahl zu entkräften (vgl. etwa das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 27.06.2000, Zl. 2000/11/0093).
Seitens des Bundesverwaltungsgerichtes bestehen folglich keine Zweifel an der Richtigkeit, Vollständigkeit und Schlüssigkeit des vorliegenden Sachverständigengutachtens vom 06.07.2017. Dieses wird daher in freier Beweiswürdigung der gegenständlichen Entscheidung zu Grunde gelegt.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu Spruchteil A)
Die gegenständlich maßgeblichen Bestimmungen des Bundesbehindertengesetzes (BBG), BGBl. 283/1990 idF BGBl. I Nr. 155/2017, lauten auszugsweise:
"§ 40. (1) Behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% ist auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpass auszustellen, wenn
1. ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist oder
2. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen oder
3. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten oder
...
5. sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, angehören.
(2) Behinderten Menschen, die nicht dem im Abs. 1 angeführten Personenkreis angehören, ist ein Behindertenpass auszustellen, wenn und insoweit das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen auf Grund von Vereinbarungen des Bundes mit dem jeweiligen Land oder auf Grund anderer Rechtsvorschriften hiezu ermächtigt ist.
§ 41. (1) Als Nachweis für das Vorliegen der im § 40 genannten Voraussetzungen gilt der letzte rechtskräftige Bescheid eines Rehabilitationsträgers (§ 3), ein rechtskräftiges Urteil eines Gerichtes nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, BGBl. Nr. 104/1985, ein rechtskräftiges Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes oder die Mitteilung über die Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs. 5 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967, BGBl. Nr. 376. Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen hat den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen, wenn
1. nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hiefür maßgebenden Vorschriften keine Einschätzung vorsehen oder
2. zwei oder mehr Einschätzungen nach bundesgesetzlichen Vorschriften vorliegen und keine Gesamteinschätzung vorgenommen wurde oder
3. ein Fall des § 40 Abs. 2 vorliegt.
...
§ 42. (1) Der Behindertenpass hat den Vornamen sowie den Familiennamen, das Geburtsdatum eine allfällige Versicherungsnummer und den festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.
...
§ 45.
(1) Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.
(2) Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu.
(3) In Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung hat die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.
(4) Bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß Abs. 3 hat eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Die fachkundigen Laienrichterinnen oder Laienrichter (Ersatzmitglieder) haben für die jeweiligen Agenden die erforderliche Qualifikation (insbesondere Fachkunde im Bereich des Sozialrechts) aufzuweisen.
....
§ 46. Die Beschwerdefrist beträgt abweichend von den Vorschriften des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes, BGBl. I Nr. 33/2013, sechs Wochen. Die Frist zur Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung beträgt zwölf Wochen. In Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht dürfen neue Tatsachen und Beweismittel nicht vorgebracht werden."
Wie oben unter Punkt II.2. eingehend ausgeführt wurde, wird der gegenständlichen Entscheidung das vollständige, schlüssige und widerspruchsfreie allgemeinmedizinische Sachverständigengutachten vom 06.07.2017 zu Grunde gelegt, wonach der Grad der Behinderung der Beschwerdeführerin 30 v. H. beträgt. Die Gesundheitsschädigungen wurden in dem Gutachten auch nach den Bestimmungen der Einschätzungsverordnung richtig eingestuft; diesbezüglich wird auch auf die obigen detaillierten Ausführungen im Rahmen der Beweiswürdigung verwiesen. Wie ebenfalls bereits oben im Rahmen der Beweiswürdigung dargelegt wurde, waren die im Rahmen der Beschwerde erhobenen Einwendungen nicht geeignet, das vorliegende aktuelle Gutachten zu entkräften. Es ist daher davon auszugehen, dass der Grad der Behinderung der Beschwerdeführerin zum aktuellen Entscheidungszeitpunkt 30 v.H. beträgt.
Mit einem Gesamtgrad der Behinderung von 30 v.H. sind die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses gemäß § 40 Abs. 1 BBG, wonach behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbstätigkeit von mindestens 50 v.H. ein Behindertenpass auszustellen ist, nicht erfüllt.
Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass für das Verfahren nach § 46 Bundesbehindertengesetz eine Neuerungsbeschränkung besteht, wonach im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht neue Tatsachen und Beweismittel nicht vorgebracht werden dürfen. Bei einer Verschlechterung des Leidenszustandes kommt jedoch eine neuerliche Einschätzung des Grades der Behinderung nach Maßgabe des § 41 Abs. 2 BBG in Betracht.
Die Beschwerde war daher spruchgemäß abzuweisen.
Im gegenständlichen Fall wurde die Frage der Feststellung des Gesamtgrades der Behinderung unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen geprüft. Die strittigen Tatsachenfragen (Schmerzen, Art und Ausmaß der Funktionseinschränkungen) gehören dem Bereich zu, der vom Sachverständigen zu beleuchten ist. Der entscheidungsrelevante Sachverhalt ist vor dem Hintergrund des vorliegenden, nicht substantiiert bestrittenen schlüssigen Sachverständigengutachtens geklärt, sodass im Sinne der Judikatur des EGMR und der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 16.12.2013, Zl. 2011/11/0180) eine mündliche Verhandlung nicht geboten war. Art. 6 EMRK bzw. Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union stehen somit dem Absehen von einer mündlichen Verhandlung gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG nicht entgegen (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 16.12.2013, Zl. 2011/11/0180 mit weiterem Verweis auf die Entscheidung des EGMR vom 21.03.2002, Nr. 32.636/96). Beide Parteien stellten zudem keinen Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung. All dies lässt die Einschätzung zu, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten ließ und eine Entscheidung ohne vorherige Verhandlung im Beschwerdefall nicht nur mit Art. 6 EMRK und Art. 47 GRC kompatibel ist, sondern auch im Sinne des Gesetzes (§ 24 Abs. 1 VwGVG) liegt, weil damit dem Grundsatz der Zweckmäßigkeit, Raschheit, Einfachheit und Kostenersparnis (§ 39 Abs. 2a AVG) gedient ist, gleichzeitig aber das Interesse der materiellen Wahrheit und der Wahrung des Parteiengehörs nicht verkürzt wird (vgl. dazu die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes vom 09.06.2017, Zl. E 1162/2017-5).
Zu Spruchteil B)
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Dieser Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden, noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen.
Schlagworte
Behindertenpass, Grad der Behinderung, SachverständigengutachtenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2018:W133.2167408.1.00Zuletzt aktualisiert am
07.05.2018