TE Bvwg Erkenntnis 2018/4/20 W258 2147386-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 20.04.2018
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Entscheidungsdatum

20.04.2018

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs1a
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs3

Spruch

W258 2147386-1/13E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Gerold PAWELKA-SCHMIDT über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch Verein Menschenrechte Österreich, 1090 Wien, Alserstraße 20, gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 30.01.2017, Zl. 1063894304-150390243, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 13.04.2017, zu Recht:

A) Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B) Die ordentliche Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht

zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer (in Folge kurz "BF") stellte am 17.04.2015 in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz.

In seiner Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 17.04.2015 gab der BF an, er sei Staatsbürger der Islamische Republik Afghanistan (in Folge kurz "Afghanistan"), stamme aus dem Dorf XXXX , Distrikt XXXX , Provinz Nangarhar, sei sunnitischer Moslem und gehöre der Volksgruppe der Paschtunen an. Er sei acht Jahre in die Schule gegangen und habe vier Jahre Berufserfahrung als Automechaniker. Er sei ledig und kinderlos. Aus Afghanistan sei er etwa im Februar 2015 wegen des Krieges und der Taliban geflohen, die ihn mit Zwang rekrutieren wollen würden. Seine Eltern, seine drei Schwestern und fünf Brüder wären noch in Afghanistan. Als Beweis für sein Vorbringen legte er eine Registrierungskarte für afghanische Staatsbürger in Pakistan vor (OZ 1 S 97).

Mit Beschluss der belangten Behörde vom 21.05.2015 wurde das gegenständliche Verfahren wegen unbekannten Aufenthalts des BF eingestellt.

Am 14.07.2015 wurde der BF gem EU-VO Nr 604/2013 von Belgien nach Österreich überstellt.

Mit Beschluss der belangten Behörde vom 21.05.2015 wurde das gegenständliche Verfahren neuerlich wegen unbekannten Aufenthalts des BF eingestellt.

In seiner Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in Folge "belangte Behörde") am 14.12.2016 führte der BF ergänzend aus, sein Name sei falsch protokolliert worden, tatsächlich heiße er XXXX und gehöre dem Stamm der XXXX an. Er sei im Dorf XXXX geboren und aufgewachsen. Er habe vier Brüder und vier Schwestern. Da er das letzte Mal im Jahr 2014 auf dem Weg nach Pakistan mit seinem Vater Kontakt hatte und keine Nummer seiner Familie habe, wisse er nicht, wo sich seine Eltern oder seine Geschwister derzeit aufhalten. Der Familie ging es finanziell gut, sein Vater habe die Schleppung nach Pakistan bezahlt. Nachdem die Taliban die Schule abgebrannt hätten, habe er eineinhalb Jahre in Jalalabad als Automechaniker gearbeitet. Aus Afghanistan sei er geflohen, weil ihn die Taliban beschuldigt hätten, auf einem Stützpunkt der Amerikaner zu arbeiten. Sie hätten ihn gefoltert und in einem Tunnel in XXXX gefangen gehalten, bis ihn die Amerikaner befreit hätten. Er sei nach Hause geflohen. Sein Vater sei mit ihm mit dem Pickup eines Nachbarn zu seinem Onkel nach Jalalabad gefahren, wo sie übernachtet hätten. Am nächsten Tag sei er mit seinem Vater zu seinem Chef gegangen. Der Sohn seines Onkels habe seinen Chef angerufen und erzählt, dass die Taliban bei ihnen gewesen wären, nach ihm gefragt und seinen Onkel getötet hätten. Sein Chef habe daraufhin die Flucht aus Afghanistan organisiert. Er habe Afghanistan habe im Jahr 2014 verlassen. Weil er illegal in den Iran gereist sei, sei er sechs bis sieben Monate in Pakistan in Haft gewesen.

Er sei während seines Verfahrens auf internationalen Schutz zweimal nach Belgien gereist, weil er gehört habe, dass Österreich Afghanen in ihr Herkunftsland abschiebe.

Die belangte Behörde wies den Antrag auf Zuerkennung des Status des Asylberechtigten und subsidiär Schutzberechtigten ab, sprach aus, dass die Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei, erteilte keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ eine Rückkehrentscheidung und legte die Frist für die freiwillige Ausreise mit vierzehn Tagen fest. Die Fluchtvorbringen des BF in seiner ersten und in seiner Einvernahme vor der belangten Behörden seien völlig verschieden. Überdies sei es im Widerspruch zu den Länderberichten zu Afghanistan, wonach allfällige Kolloborateure zuerst aufgefordert werden, ihre Tätigkeit für den Westen einzustellen. Unplausibel sei auch, dass der BF durch die Folter keine bleibenden Narben davon getragen habe.

Dagegen richtet sich die gegenständliche Beschwerde des BF vom 09.02.2017, wobei er im Wesentlichen die Verletzung von Verfahrensvorschriften, unrichtige Beweiswürdigung und unrichtige rechtliche Beurteilung geltend machte. Das Vorbringen des BF sei glaubhaft, mangels sozialer Anbindungen und Ausbildung sei es ihm nicht möglich, sich in Afghanistan niederzulassen.

In der am 13.04.2017 hg durchgeführten mündlichen Verhandlung wurde der BF neuerlich zu seinen Fluchtgründen befragt und ihm wurden Berichte über die Lage in seinem Herkunftsstaat übergeben.

Mit Schriftsatz vom 21.04.2017 nahm der BF zu den Länderberichten Stellung. Da er in das Visier der Taliban geraten sei und sie sehr gut vernetzt seien, könnten sie ihn überall in Afghanistan finden. Auf Grund der volatilen Sicherheitslage drohe ihm bei einer Rückkehr in die Unruheprovinz Nangarhar die Gefahr einer Verletzung der Art 2 oder 3 EMRK, mangels sozialen Netzes scheide eine innerstaatliche Fluchtalternative aus.

Wegen Zeitablaufs wurde dem BF die aktuelle Version des Länderinformationsblattes der Staatendokumentation zu Afghanistan übermittelt und ihm frei gestellt, dazu binnen einer Woche Stellung zu nehmen sowie allenfalls weitere Integrationsnachweise vorzulegen.

Mit Stellungnahme vom 13.04.2018 legte der BF eine Bestätigung der Initiative Open space hinsichtlich seiner Integration in Österreich vor.

Beweise wurden aufgenommen durch Einvernahme des BF als Partei sowie Einsicht in den Verwaltungsakt des BF (OZ 1) und in die folgenden Urkunden:

* Strafregisterauszug des BF vom 19.04.2018;

* UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 19.04.2016 (in Folge kurz "UNHCR 19.04.2016");

* Länderinformationsblatt Afghanistan der Staatendokumentation vom 30.01.2018 (in Folge kurz "LIB 30.01.2018");

* ACCORD-Anfragebeantwortung zur Sicherheitslage, insbesondere zur Gebietskontrolle der Taliban, in der Provinz Nangarhar vom 14.09.2016 (in Folge kurz "ACCORD 14.09.2016");

* Auszug des OCHA Distriktatlas Nangarhar, Detailkarte des Distrikt Pachieragam (in Folge kurz "Distriktatlas");

* Stellungnahme von Dr. Sarajuddin RASULY vom 14.02.2017 zur hg AZ W124 1419984-1 über die Sicherheitslage in Herat und insbesondere zur Frage, ob die Taliban in den afghanischen Großstädten, insbesondere in Kabul, Mazar-e-Sharif und Herat, Zivilisten bedrohen (in Folge kurz "RASULY 14.02.2017");

* Auszug aus der Anfragebeantwortung der Staatendokumentation zu Afghanistan vom 28.07.2016 zum Umgang der Taliban mit angeblichen Kollaborateuren (in Folge kurz "BFA 28.07.2016");

* Stellungnahme der Initiative Open space vom 05.02.2018.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Der folgende Sachverhalt steht fest:

1.1. Zur individuellen Situation des BF:

1.1.1. Allgemeines

Der männliche, volljährige, ledige und kinderlose BF ist afghanischer Staatsangehöriger, gehört der Volksgruppe der Paschtunen an und ist sunnitischer Moslem. Er spricht als Muttersprache Paschtu und wurde am XXXX in der Provinz Nangarhar, im Distrikt XXXX , der Heimatort ist nicht feststellbar, geboren und ist ebendort aufgewachsen. Der BF hat acht Jahre die Schule besucht. Im Anschluss hat er etwa vier Jahre als Automechaniker gearbeitet.

Der BF ist gesund und arbeitsfähig.

Der BF hat acht Geschwister, davon vier oder fünf, die genaue Anzahl ist nicht feststellbar, Brüder. Seine Eltern und Geschwister lebten zum Zeitpunkt der Ausreise des BF aus Afghanistan in XXXX , ihr derzeitiger Aufenthaltsort kann nicht festgestellt werden.

Der BF ist unter Umgehung der Grenzkontrollen in das Bundesgebiet Österreichs eingereist und hat am 17.04.2015 in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt.

1.1.2. Zu den Fluchtgründen:

Der BF wurde von den Taliban weder individuell bedroht, noch kam es zu Übergriffen der Taliban auf den BF. Insbesondere haben die Taliban den BF nicht beschuldigt, für die Amerikaner zu arbeiten.

1.1.3. Zum (Privat- und Familien-)Leben des BF in Österreich:

Der BF ist seit seiner Antragstellung am 17.04.2015 zweimal unzulässiger Weise nach Belgien ausgereist, weil er sich in Belgien einen für ihn günstigeren Ausgang seines Asylverfahrens erwartete. Am 15.07.2015 und am 10.11.2015 wurde er von Belgien nach Österreich rückgeführt. Seither ist er aufgrund einer vorübergehenden Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz 2005 rechtmäßig im Bundesgebiet aufhältig. Er bezieht Leistungen aus der vorübergehenden Grundversorgung.

Der BF verfügt in Österreich über keine Verwandten und keine vergleichbaren engen sozialen Bindungen. Er hat außerhalb seiner Asylunterkunft keine nennenswerten sozialen Kontakte. Er besucht zwar Deutschkurse, spricht aber kein nennenswertes Deutsch. Er hat in Österreich nicht gearbeitet und war auch nicht ehrenamtlich tätig. Er besucht regelmäßig verschiedene interkulturelle Begegnungen der Initiative Open space.

Der BF ist in Österreich strafgerichtlich unbescholten.

1.2. Zur Situation im Herkunftsstaat des BF:

1.2.1 Zur Sicherheitslage in Afghanistan im Allgemeinen und in den Provinz Nangarhar bzw in der Stadt Kabul im Besonderen:

Die Sicherheitslage ist beeinträchtigt durch eine tief verwurzelte militante Opposition. Die afghanische Regierung behält die Kontrolle über Kabul, größere Bevölkerungszentren, Transitrouten, Provinzhauptstädten und den Großteil der Distriktzentren. Die afghanischen Sicherheitskräfte zeigten Entschlossenheit und steigerten auch weiterhin ihre Leistungsfähigkeit im Kampf gegen den von den Taliban geführten Aufstand. Die Taliban kämpften weiterhin um Distriktzentren, bedrohten Provinzhauptstädte und eroberten landesweit kurzfristig Hauptkommunikationsrouten; speziell in Gegenden von Bedeutung wie zB Kunduz City und der Provinz Helmand. Zu Jahresende haben die afghanischen Sicherheitskräfte (ANDSF) Aufständische in Gegenden von Helmand, Uruzgan, Kandahar, Kunduz, Laghman, Zabul, Wardak und Faryab bekämpft (LIB S 44).

In den letzten zwei Jahren hatten die Taliban kurzzeitig Fortschritte gemacht, wie z.B. in Helmand und Kunduz, nachdem die ISAF-Truppen die Sicherheitsverantwortung den afghanischen Sicherheits- und Verteidigungskräften (ANDSF) übergeben hatten. Die Taliban nutzen die Schwächen der ANDSF aus, wann immer sie Gelegenheit dazu haben. Der IS (Islamischer Staat) ist eine neue Form des Terrors im Namen des Islam, ähnlich der al-Qaida, auf zahlenmäßig niedrigerem Niveau, aber mit einem deutlich brutaleren Vorgehen. Die Gruppierung operierte ursprünglich im Osten entlang der afghanisch-pakistanischen Grenze und erscheint, Einzelberichten zufolge, auch im Nordosten und Nordwesten des Landes (LIB S 44).

Mit Stand September 2016 beeinflussen oder kontrollieren die Taliban rund 10% der Bevölkerung. Die afghanischen Verteidigungsstreitkräfte (ANDSF) waren im Allgemeinen in der Lage, große Bevölkerungszentren zu beschützen. Sie hielten die Taliban davon ab, Kontrolle in bestimmten Gegenden über einen längeren Zeitraum zu halten und reagierten auf Talibanangriffe. Den Taliban hingegen gelang es, ländliche Gegenden einzunehmen; sie kehrten in Gegenden zurück, die von den ANDSF bereits befreit worden waren, und in denen die ANDSF ihre Präsenz nicht halten konnten. Sie führten außerdem Angriffe durch, um das öffentliche Vertrauen in die Sicherheitskräfte der Regierung, und deren Fähigkeit, für Schutz zu sorgen, zu untergraben. Berichten zufolge hat sich die Anzahl direkter Schussangriffe der Taliban gegen Mitglieder der afghanischen Nationalarmee (ANA) und afghanischen Nationalpolizei (ANP) erhöht (LIB S 46).

Die afghanischen Sicherheitskräfte haben Fortschritte gemacht, wenn auch keine dauerhaften. Im Jahr 2016 wurden im Zuge von militärischen Operationen - ausgeführt durch die Polizei und das Militär - landesweit mehr als 18.500 feindliche Kämpfer getötet und weitere 12.000 verletzt. Die afghanischen Sicherheitskräfte versprachen, sie würden auch während des harten Winters gegen die Taliban und den Islamischen Staat vorgehen (LIB S 46).

Obwohl die afghanischen Sicherheitskräfte alle Provinzhauptstädte sichern konnten, wurden sie von den Taliban landesweit herausgefordert: intensive bewaffnete Zusammenstöße zwischen Taliban und afghanischen Sicherheitskräften verschlechterten die Sicherheitslage im Berichtszeitraum (16.08.2016 bis 17.11.2016). Den afghanischen Sicherheitskräften gelang es im August 2016, mehrere große Talibanangriffe auf verschiedene Provinzhauptstädte zu vereiteln, und verlorenes Territorium rasch wieder zurückzuerobern (LIB S 46).

Die Provinz Nangarhar ist eine Hochburg des IS und der Taliban (LIB S 9), die einander dort bekämpfen, wobei die tatsächliche Beziehung zwischen den beiden Gruppierungen wenig nachvollziehbar ist. In Einzelfällen dürften die Kämpfer der beiden Seiten auch miteinander kooperieren (LIB S 14).

Verstärkte Luftangriffe hatten wesentliche Auswirkungen und führten zu hohen Opferzahlen bei Zivilisten und regierungsfeindlichen Elementen (LIB S 9). Speziell in der Provinz Nangarhar fielen viele Zivilisten Selbstmordattentaten, sowie komplexen Angriffen und IEDs (improvised explosive device) zum Opfer (LIB S 10 f). Wenngleich Luftangriffe die größten IS-Hochburgen in Nangarhar zerstörten, hielt das die Gruppierungen nicht davon ab, ihre Angriffe zu verstärken (LIB S 15).

Im Zeitraum vom 01.09.2015 bis zum 31.05.2016 wurden in der Provinz Nangarhar 1.901 sicherheitsrelevante Vorfälle, nämlich 127 Vorfälle von Gewalt gegen Einzelpersonen, 1.049 bewaffnete Konfrontationen und Luftangriffe, 199 Selbstmordattentate, IED-Explosionen und andere Explosionen, 460 wirksame Einsätze von Sicherheitskräften, 55 Vorfälle ohne Bezug auf den Konflikt und elf sonstigen Vorfälle registriert (LIB S 104).

Im Zeitraum vom 01.09.2015 bis zum 31.05.2016 wurden im Distrikt Kabul 151 sicherheitsrelevante Vorfälle, nämlich 21 Vorfälle von Gewalt gegen Einzelpersonen, 18 bewaffnete Konfrontationen und Luftangriffe, 50 Selbstmordattentate, IED-Explosionen und andere Explosionen, 31 wirksame Einsätze von Sicherheitskräften, 28 Vorfälle ohne Bezug auf den Konflikt und drei sonstigen Vorfälle registriert (LIB S 55).

Aufständischengruppen planen oft Angriffe auf Gebäude und Individuen mit afghanischem und amerikanischem Hintergrund: afghanische und US-amerikanische Regierungseinrichtungen, ausländische Vertretungen, militärische Einrichtungen, gewerbliche Einrichtungen, Büros von Nichtregierungsorganisation, Restaurants, Hotels und Gästehäuser, Flughäfen und Bildungszentren. Nach einem Zeitraum länger andauernder relativer Ruhe in der Hauptstadt, explodierte im Jänner 2017 in der Nähe des afghanischen Parlaments eine Bombe; bei diesem Angriff starben mehr als 30 Menschen. Die Taliban bekannten sich zu diesem Vorfall und gaben an, hochrangige Beamte des Geheimdienstes wären ihr Ziel gewesen (LIB S 56).

In der Provinz Kabul finden regelmäßig militärische Operationen statt. Taliban Kommandanten der Provinz Kabul wurden getötet. Zusammenstöße zwischen Taliban und Sicherheitskräften finden statt (LIB S 56).

Die Taliban erhöhen ihre Operationen, um ausländische Kräfte zu vertreiben; der IS hingegen versucht seinen relativ kleinen Einflussbereich zu erweitern. Kabul ist in diesem Falle für beide Gruppierungen interessant (LIB S 5). Im Jänner 2018 fanden in Kabul schwere Anschläge ua auf die Marshal Fahim Militärakademie mit mindestens elf getöteten und weiteren fünfzehn verletzten Soldaten, im Regierungs- und Diplomatenviertel mit mehr als 100 Toten und zumindest weiteren 235 Verletzten, auf die NGO Save the Children, mit zumindest zwei Toten und weiteren zwölf Verletzten und auf das Hotel Intercontinental, mit etwa achtzehn Toten und weiteren zehn Verletzten, statt (LIB S 5 ff).

Die Stadt Kabul steht unter Kontrolle der afghanischen Regierung (LIB S 56).

1.2.2. Rebellengruppen in Afghanistan im Allgemeinen und in Nangarhar im Besonderen:

Regierungsfeindliche Elemente versuchten weiterhin durch Bedrohungen, Entführungen und gezielten Tötungen ihren Einfluss zu verstärken. Im Berichtszeitraum wurden 183 Mordanschläge registriert, davon sind 27 gescheitert. Dies bedeutet einen Rückgang von 32% gegenüber dem Vergleichszeitraum im Jahr 2015. Rebellengruppen, inklusive hochrangiger Führer der Taliban und des Haqqani Netzwerkes, behielten ihre Rückzugsgebiete auf pakistanischem Territorium (LIB S 47).

Afghanistan ist mit einer Bedrohung durch militante Opposition und extremistischen Netzwerken konfrontiert; zu diesen zählen die Taliban, das Haqqani Netzwerk, und in geringerem Maße al-Qaida und andere Rebellengruppen und extremistische Gruppierungen. Die Vereinigten Staaten von Amerika unterstützen eine von Afghanen geführte und ausgehandelte Konfliktresolution in Afghanistan - gemeinsam mit internationalen Partnern sollen die Rahmenbedingungen für einen friedlichen politischen Vergleich zwischen afghanischer Regierung und Rebellengruppen geschaffen werden (LIB S 47).

Der IS operiert in den Bergen der östlichen Provinz Nangarhar; die Provinzhauptstadt Jalalabad wird als eine Festung des IS erachtet, dessen Kämpfer seit 2015 dort aktiv sind (LIB S 5).

1.2.2.1. Zum Umgang der Taliban mit (vermeintlichen) Kollaborateuren:

Wenn ein Taliban-Kämpfer vermutet, dass jemand mit der Regierung oder den Sicherheitskräften arbeitet, wird dessen Familie kontaktiert und gefordert, diese Tätigkeit einzustellen (Auskunft des Taliban-Sprechers Zabiullah Mujahid, Beilage ./IX).

1.2.3. Zivile Opfer:

Die Mission der Vereinten Nationen in Afghanistan (UNAMA) dokumentiert weiterhin regierungsfeindliche Elemente, die illegale und willkürliche Angriffe gegen Zivilist/innen ausführen. Zwischen 01.01.2016 und 31.12.2016 registrierte UNAMA 11.418 zivile Opfer (3.498 Tote und 7.920 Verletzte) - dies deutet einen Rückgang von 2% bei Getöteten und eine Erhöhung um 6% bei Verletzten im Gegensatz zum Vergleichszeitraum des Jahres 2015 an. Bodenkonfrontationen waren weiterhin die Hauptursache für zivile Opfer, gefolgt von Selbstmordangriffen und komplexen Attentaten, sowie unkonventionellen Spreng- und Brandvorrichtung (IED) und gezielten und willkürlichen Tötungen.

UNAMA verzeichnete 3.512 minderjährige Opfer (923 Kinder starben und 2.589 wurden verletzt) - eine Erhöhung von 24% gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahres; die höchste Zahl an minderjährigen Opfern seit Aufzeichnungsbeginn. Hauptursache waren Munitionsrückstände, deren Opfer meist Kinder waren. Im Jahr 2016 wurden 1.218 weibliche Opfer registriert (341 Tote und 877 Verletzte), dies deutet einen Rückgang von 2% gegenüber dem Vorjahr an.

Hauptsächlich waren die südlichen Regionen von dem bewaffneten Konflikt betroffen: 2.989 zivilen Opfern (1.056 Tote und 1.933 Verletzte) - eine Erhöhung von 17% gegenüber dem Jahr 2015. In den zentralen Regionen wurde die zweithöchste Rate an zivilen Opfern registriert: 2.348 zivile Opfer (534 Tote und 1.814 Verletzte) - eine Erhöhung von 34% gegenüber dem Vorjahreswert, aufgrund von Selbstmordangriffen und komplexen Angriffe auf die Stadt Kabul. Die östlichen und nordöstlichen Regionen verzeichneten einen Rückgang bei zivilen Opfern: 1.595 zivile Opfer (433 Tote und 1.162 Verletzte) im Osten und 1.270 zivile Opfer (382 Tote und 888 Verletzte) in den nordöstlichen Regionen. Im Norden des Landes wurden 1.362 zivile Opfer registriert (384 Tote und 978 Verletzte), sowie in den südöstlichen Regionen 903 zivile Opfer (340 Tote und 563 Verletzte). Im Westen wurden 836 zivile Opfer (344 Tote und 492 Verletzte) und 115 zivile Opfer (25 Tote und 90 Verletzte) im zentralen Hochgebirge registriert.

Laut UNAMA waren 61% aller zivilen Opfer regierungsfeindlichen Elementen zuzuschreiben (hauptsächlich Taliban), 24% regierungsfreundlichen Kräften (20% den afghanischen Sicherheitskräften, 2% bewaffneten regierungsfreundlichen Gruppen und 2% internationalen militärischen Kräften); Bodenkämpfen zwischen regierungsfreundlichen Kräften und regierungsfeindlichen Kräften waren Ursache für 10% ziviler Opfer, während 5% der zivilen Opfer vorwiegend durch Unfälle mit Munitionsrückständen bedingt waren (LIB S 51 f).

1.2.4. Verkehrssituation:

Der Flughafen in Kabul ist ein internationaler Flughafen. Ehemals bekannt als internationaler Flughafen Kabul, wurde er im Jahr 2014 in den internationalen Flughafen Hamid Karzai umbenannt. Dieser liegt 16 km außerhalb des Stadtzentrums von Kabul. In den letzten Jahren wurde der Flughafen erweitert und modernisiert. Ein neuer internationaler Terminal wurde hinzugefügt und der alte Terminal wird nun für nationale Flüge benutzt (LIB S 136).

1.2.5. Binnenflüchtlinge (IDPs) und Flüchtlinge:

Rückkehrende Flüchtlinge verkomplizieren die Situation der bereits mehr als eine Million Binnenvertriebenen, deren Anzahl sich aufgrund des Aufstandes im Jahr 2016 erhöht hat. Nach Meinung des IWF wird dies die Kapazitäten des Landes überfordern (LIB S 194).

Die Zahl der Internvertriebenen im Jahr 2017 betrug 9.759 (Stand 4. Februar 2017). 636.503 Menschen wurden insgesamt im Jahr 2016 aufgrund des Konfliktes vertrieben. Mehr als die Hälfte dieser Menschen (56%) waren Kinder unter 18 Jahren. Von Binnenvertreibung betroffen waren 31 Provinzen in unterschiedlichem Ausmaß; alle 34 Provinzen beherbergten Binnenvertriebene. Im Jahr 2016 stammten die meisten Binnenvertriebenen aus den Provinzen Kunduz, Uruzgan, Farah und Helmand. Gleichzeitig nahmen die Provinzen Helmand, Takhar, Farah, Kunduz und Kandahar die meisten Binnenvertriebenen auf. Viele Menschen suchen also in der Nähe ihrer Heimat Schutz. Binnenvertriebene tendieren dazu aus ländlichen Gebieten in die Provinzhauptstädte zu ziehen, oder in die angrenzenden Provinzen zu gehen. Sobald der Konflikt zu Ende ist, versuchen sie bald wieder nach Hause zu kehren (LIB S 194).

Der verhängnisvollste Monat war Oktober, in welchem die Taliban mehrere Provinzhauptstädte gleichzeitig angriffen: Kunduz City, Farah City, Maimana, und Lashkar Gah. Der Anstieg der IDP-Zahlen ist auch auf den Rückzug internationaler Truppen zurückzuführen, die durch Luftangriffe unterstützten; mittlerweile haben die Taliban ihre Angriffstaktik geändert und sind zu Bodenoffensiven übergegangen. Bodenoffensiven sind nicht nur die Ursache für Tote und Verletzte innerhalb der Zivilbevölkerung, sondern zwingen die Menschen, aus ihren Heimen zu fliehen (LIB S 194 f).

Im Rahmen von humanitärer Hilfe wurden Binnenvertriebene, je nach Region und Wetterbedingungen, unterschiedlich unterstützt: Bargeld, Paket für Familien, winterliche Ausrüstung, Nahrungspakete, Hygienepakete, Decken, Zelte, und andere Pakete, die keine Nahrungsmittel enthielten usw. Auch wurde Aufklärung in Bereichen wie Hygiene betrieben.

Unterschiedliche Organisationen, wie z.B. das Internationale Rote Kreuz (IRC) oder das Welternährungsprogramm (WFP) usw. sind je nach Verantwortungsbereichen für die Verteilung von Gütern zuständig.

Dazu zählten: Nahrung, Zelte, sowie andere Güter, die keine Nahrungsmittel waren.

UNHCR unterstützt Rückkehrer/innen mit finanziellen Beihilfen in vier Geldausgabezentren, außerdem mit Transiteinrichtungen und elementaren Gesundheitsleistungen. Zusätzlich wurden sie in anderen Bereichen aufgeklärt, wie z.B. Schuleinschreibungen, Gefahren von Minen etc.

Im Jänner 2017 wurde ein humanitärer Plan für USD 550 Millionen aufgestellt, mit dem Ziel im Jahr 2017 die vulnerabelste und marginalisierteste Bevölkerung des Landes zu unterstützen. Ziel sind strategische und lebensnotwendige Interventionen: Nahrung, Unterkunft, Gesundheitsvorsorge, Ernährung, sauberes Wasser und Hygiene. Im Rahmen des "Afghanistan 2017 Humanitarian Response Plan" sollen etwa 5,7 Millionen Menschen erreicht werden.

Im September 2016 suchten die Vereinten Nationen um 152 Millionen US Dollar an, um lebensnotwendige Hilfe für Internvertriebenen, nicht-dokumentierten Rückkehrer/innen und registrierten Flüchtlingen bieten zu können. Von den zugesagten 42 Millionen US Dollar wurden 40,2 Millionen US Dollar bereits entgegengenommen. Somit stand die gesamte humanitäre Unterstützung für Afghanistan im November 2016 bei 401 Millionen US Dollar (LIB S 195).

1.2.6. Grundversorgung und Wirtschaft:

Im Jahr 2015 belegte Afghanistan im "Human Development Index" (HDI) den 171. von 188 Plätzen. Afghanistan bleibt trotz eines gewaltigen Fortschritts innerhalb einer Dekade, eines der ärmsten Länder. Die Sicherheit und politische Ungewissheit, sowie die Reduzierung internationaler Truppen, gemeinsam mit einer schwachen Regierung und Institutionen, haben Wachstum und Beschäftigung gehemmt und seit kurzem zu einer erhöhten Migration geführt.

Trotz eines guten Wirtschaftswachstums von 2007 bis 2011, stagnierte die Armutsrate bei 36%. Am häufigsten tritt Armut in ländlichen Gebieten auf, wo die Existenzgrundlage von der Landwirtschaft abhängig ist. Die Regierung hat die landwirtschaftliche Entwicklung zur Priorität erhoben. Dadurch sollen auch gering qualifizierte Afghaninnen und Afghanen bessere Chancen auf einen Arbeitsplatz bekommen. Insbesondere sollen die landwirtschaftlichen Erzeugnisse Afghanistans wieder eine stärkere Rolle auf den Weltmärkten spielen. Gerade im ländlichen Raum bleiben die Herausforderungen für eine selbsttragende wirtschaftliche Entwicklung angesichts mangelnder Infrastruktur, fehlender Erwerbsmöglichkeiten außerhalb der Landwirtschaft und geringem Ausbildungsstand der Bevölkerung (Analphabetenquote auf dem Land von rund 90%) aber groß. Sicher ist, dass die jährlich rund 400.000 neu auf den Arbeitsmarkt drängenden jungen Menschen nicht vollständig vom landwirtschaftlichen Sektor absorbiert werden können.

Das BIP-Wachstum im Jahr 2015 wurde auf 1,5% geschätzt, als Faktoren zählten die sich verschlechternde Sicherheitslage, welche Privatinvestitionen schwächte; verspätete Vollstreckung des Haushaltsplanes und unvorteilhafte Wetterbedingungen, die zu einem niedrigeren landwirtschaftlichen Ertrag führten. Die wirtschaftliche Entwicklung Afghanistans wird trotz positiver Wachstumsraten in der letzten Dekade weiterhin nicht durch ein selbsttragendes Wirtschaftswachstum, sondern durch die Zuschüsse der internationalen Gebergemeinschaft stimuliert. Den größten Anteil am BIP (2015: 19,2 Mrd. USD, lt. Weltbank) hat der Dienstleistungssektor mit 55%, gefolgt von der Landwirtschaft mit 22,6%. Industrieproduktion ist kaum vorhanden. Trotz einer großen Bedeutung des Außenhandels - Afghanistan ist in hohem Maße von Importen abhängig - sind afghanische Produkte bisher auf internationalen sowie regionalen Märkten kaum wettbewerbsfähig. Das Wirtschaftswachstum ist in den Jahren 2014 und 2015 stark auf 1,5 bis 2 Prozent gesunken; internationale Entwicklungshilfe führte zu Wachstum und Jobs in Konfliktregionen, dennoch steuerte es nicht zu einer gesteigerten Produktivität bei. Ungleichheit stieg parallel zur ungleichen Wachstumsverteilung - Regionen im Nordosten, Osten, sowie im Westen des Zentralgebietes scheinen aufgrund ihrer geografischen Abgelegenheit, starken Klimaveränderungen, niedriger Hilfe und Unsicherheit, nachzuhinken. Arbeitslosigkeit, Naturgefahren, fehlender Zugang zu Dienstleistungen, sowie Gewalt, sind Hauptfaktoren für die hohe Armutsrate in Afghanistan. Entwicklungsschwierigkeiten verstärkten die wachsende Unsicherheit, Verunsicherung und schrumpfende Hilfe.

Wichtige Erfolge wurden im Bereich des Ausbaus der Infrastruktur erzielt. Durch den Bau von Straßen und Flughäfen konnte die infrastrukturelle Anbindung des Landes verbessert werden. Große wirtschaftliche Erwartungen werden an die zunehmende Erschließung der afghanischen Rohstoffressourcen geknüpft. In Afghanistan lagern die weltweit größten Kupfervorkommen sowie Erdöl, Erdgas, Kohle, Lithium, Gold, Edelsteine und seltene Erden. Mit dem 2014 verabschiedeten Rohstoffgesetz wurden die rechtlichen und institutionellen Rahmenbedingungen für privatwirtschaftliche Investitionen in diesem Bereich verbessert. Entscheidend für Wachstum, Arbeitsplätze und Einnahmen aus dem Rohstoffabbau ist die Umsetzung des Gesetzes. Darüber hinaus müssen Mechanismen zum Einnahmenmanagement etabliert werden. Der Abbau der Rohstoffe erfordert große und langfristige Investitionen in die Exploration und Infrastruktur durch internationale Unternehmen. Bisher sind diese noch kaum im Abbau von Rohstoffen im Land aktiv. Derzeit niedrige Weltmarktpreise lassen die Investitionsbereitschaft zusätzlich sinken.

Afghanistan bleibt weiterhin der weltweit größte Produzent für Opium, Heroin und Cannabis. Trotz einer breit angelegten Strategie verhindern die angespannte Sicherheitslage in den Hauptanbaugebieten im Süden des Landes sowie die weit verbreitete Korruption eine effiziente Bekämpfung des Drogenanbaus. Die hohen Gewinnmargen erschweren zudem die Einführung von alternativen landwirtschaftlichen Produkten (LIB S 196 f).

1.2.7. Projekte der afghanischen Regierung:

Im September 2016 fiel der Startschuss für das "Citizens' Charter National Priority Program"; dieses Projekt zielt darauf ab, die Armut zu reduzieren und den Lebensstandard zu erhöhen, indem die Kerninfrastruktur und soziale Dienstleistungen der betroffenen Gemeinschaften verbessert werden. Die erste Phase des Projektes hat ein Drittel der 34 Provinzen zum Ziel; die vier Städte Balkh, Herat, Kandahar und Nangarhar sind Schwerpunkt des städtischen Entwicklungsprogrammes, welche als erste behandelt werden sollen. In der ersten Phase sollen 8,5 Millionen Menschen erreicht werden, mit dem Ziel 3,4 Millionen Menschen sauberes Trinkwasser zur Verfügung zu stellen, die Gesundheitsdienstleistungen zu verbessern, Bildung, Landstraßen, Elektrizität, sowie Zufriedenheit zu steigern und Vertrauen der Bevölkerung in die Regierung zu erhöhen. Des Weiteren zielt das Projekt darauf ab, Binnenvertriebene, Menschen mit Behinderung, arme Menschen und Frauen besser zu integrieren (LIB S 197 f).

1.2.8. Medizinische Versorgung:

Die Datenlage zur medizinischen Versorgung in Afghanistan bleibt äußerst lückenhaft. In vielen Bereichen liegen Daten nur unzuverlässig oder nur ältere statistische Erhebungen der afghanischen Regierung oder der Weltgesundheitsorganisation vor. Besonders betroffen von unzureichender Datenlage sind hierbei die südlichen und südwestlichen Provinzen.

Gemäß der afghanischen Verfassung ist die primäre Gesundheitsversorgung in öffentlichen Einrichtungen, inklusive Medikamente, kostenfrei (Afghanische Verfassung Artikel 52).

Im regionalen Vergleich fällt die medizinische Versorgung weiterhin drastisch zurück. Dennoch hat das afghanische Gesundheitssystem in der letzten Dekade ansehnliche Fortschritte gemacht. Dies aufgrund einer soliden öffentlichen Gesundheitspolitik, innovativer Servicebereitstellung, sorgfältiger Überwachung und Evaluierung sowie Entwicklungshilfe. Trotz signifikanter Verbesserungen im Bereich des Deckungsgrades und der Qualität der Gesundheitsservices, wie auch einer Reduzierung der Sterberate von Müttern, Säuglingen und unter 5-jährigen, sind die afghanischen Gesundheitsindikatoren weiterhin schlechter als die der Niedrigeinkommensländer. Des Weiteren hat Afghanistan eine der höchsten Unterernährungsraten der Welt. Etwa 41% der Kinder unter 5 Jahren leiden unter chronischer Unterernährung. Sowohl Frauen als auch Kinder leiden an Vitamin- und Mineralstoffmangel.

Die medizinische Versorgung leidet trotz erkennbarer und erheblicher Verbesserungen landesweit weiterhin an unzureichender Verfügbarkeit von Medikamenten und Ausstattung der Kliniken, insbesondere aber an fehlenden Ärztinnen und Ärzten, sowie gut qualifiziertem Assistenzpersonal (v.a. Hebammen). Im Jahr 2013 stand 10.000 Einwohnern Afghanistans ca. eine medizinisch qualifiziert ausgebildete Person gegenüber. Auch hier gibt es bedeutende regionale Unterschiede innerhalb des Landes, wobei die Situation in den Nord- und Zentralprovinzen um ein Vielfaches besser ist als in den Süd- und Ostprovinzen.

Erhebliche Fortschritte der letzten Dekade sind: Die Mütter- und Kindersterblichkeitsrate hat sich signifikant reduziert; die Sterberate von Kindern unter 5 Jahren ist von 257 auf 55 pro 1.000 Lebendgeburten gesunken, die Säuglingssterblichkeitsrate von 165 auf

45. Die Müttersterblichkeitsrate ist auf 327 bei 100.000 Lebendgeburten gesunken. Im Vergleich dazu betrug die Müttersterblichkeitsrate im Jahr 2002 noch 1.600. Die Zahl funktionierender Gesundheitsanstalten verbesserte sich von 496 im Jahr 2002 auf 2.000 im Jahr 2012. Proportional dazu erhöhte sich die Zahl der Anstalten mit weiblichem Personal. Bei 34% der Geburten war ausgebildetes Gesundheitspersonal anwesend. Schätzungen der UN Population Division zufolge verwenden 23% der Frauen im gebärfähigem Alter moderne Methoden der Empfängnisverhütung (LIB S 199 f).

1.2.8.1. Krankenkassen und Gesundheitsversicherung:

Es gibt keine staatliche Krankenkasse und die privaten Anbieter sind überschaubar und teuer, somit für die einheimische Bevölkerung nicht erschwinglich. Die staatlich geförderten öffentlichen Krankenhäuser bieten ihre Dienste zwar umsonst an, jedoch sind Medikamente häufig nicht verfügbar und müssen bei privaten Apotheken von den Patient/innen selbst bezahlt werden. Untersuchungen, Labortests sowie Routine Check-Ups sind in den Krankenhäusern umsonst. Da kein gesondertes Verfahren existiert, haben alle Staatsbürger Zugang zu medizinischer Versorgung und Medikamenten. Physisch und geistig Behinderte sowie Opfer von Missbrauch müssen eine starke familiäre und gesellschaftliche Unterstützung sicherstellen. Für verschiedene Krankheiten und Infektionen ist medizinische Versorgung nicht verfügbar. Chirurgische Eingriffe können nur in ausgewählten Orten geboten werden, welche zudem meist einen Mangel an Ausstattung und Personal aufweisen. Diagnostische Ausstattungen wie Computer-Tomographie ist in Kabul (1 in Kabul) verfügbar (LIB S 200 f).

1.2.8.2. Medikamente:

Medikamente sind auf jedem Markt in Afghanistan erwerblich, Preise variieren je nach Marke und Qualität des Produktes. Obwohl freie Gesundheitsdienstleistungen in öffentlichen Einrichtungen zur Verfügung gestellt werden, können sich viele Haushalte gewisse Kosten für Medikamente oder den Transport zu Gesundheitsvorsorgeeinrichtungen nicht leisten bzw. ist es vielen Frauen nicht erlaubt, alleine zu einer Gesundheitseinrichtung zu fahren (LIB S 201).

1.2.8.3. Krankenhäuser in Afghanistan:

Eine begrenzte Zahl staatlicher Krankenhäuser in Afghanistan bietet kostenfreie medizinische Versorgung. Die Kosten für Medikamente in diesen Einrichtungen weichen vom lokalen Marktpreis ab. Privatkrankenhäuser gibt es zumeist in größeren Städten wie Kabul, Jalalabad, Mazar-e-Sharif, Herat und Kandahar. Die Behandlungskosten in diesen Einrichtungen variieren. Um Zugang zu erhalten, benötigt man die afghanische Nationalität (Ausweis/Tazkira). Man kann sich mit seinem Ausweis in jedem afghanischen Krankenhaus registrieren und je nach gesundheitlichen Beschwerden einem Arzt zugewiesen werden. Sollten Operation und ein Krankenhausaufenthalt nötig sein, wird dem Patienten in dem Krankenhaus ein Bett zur Verfügung gestellt (LIB S 201 f).

1.2.9. Rückkehr:

Seit Jänner 2016 sind mehr als 700.000 nicht registrierte Afghanen aus dem Iran und Pakistan nach Afghanistan zurückgekehrt; viele von ihnen sind, laut Internationalem Währungsfonds (IMF), hauptsächlich aus Pakistan, aus dem Iran, Europa und anderen Regionen nach Afghanistan zurückgekehrt. Viele Afghan/innen, die jahrzehntelang im Ausland gelebt haben, kehren in ein Land zurück und sind Konflikten, Unsicherheit und weitreichender Armut ausgesetzt. Aufgrund schwieriger wirtschaftlicher Bedingungen, sind Rückkehrer/innen im Allgemeinen arm. Auch wenn reichere Rückkehrer/innen existieren, riskiert ein typischer rückkehrender Flüchtling in die Armut abzurutschen (RFL/RE 28.1.2017). Die meisten Rückkehrer/innen (60%) entschlossen sich - laut UNHCR - in den städtischen Gegenden Kabuls, Nangarhar und Kunduz niederzulassen.

IOM verlautbarte eine Erhöhung von 50.000 Rückkehrern gegenüber dem Vorjahr. UNHCR hat im Jahr 2016 offiziell 372.577 registrierte Afghanen in die Heimat zurückgeführt. Laut UNHCR und IOM waren der Großteil der Rückkehrer junge Männer aus dem Iran, die auf der Suche nach Arbeit oder auf dem Weg nach Europa waren. Der Minister für Flüchtlinge und Repatriierung sprach sogar von einer Million Flüchtlinge, die im letzten Jahr nach Afghanistan zurückgekehrt sind - davon sind über 900.000 freiwillig in ihre Heimat zurückgekehrt sind (LIB S 204 f).

1.2.10. Erhaltungskosten in Kabul:

Die monatlichen Lebenshaltungskosten in Kabul, für eine Person sind abhängig von den Ausgaben und liegen durchschnittlich zwischen 150 bis 250 USD pro Person. Diese Zahlen beziehen sich nur auf Kleidung, Nahrung und Transport, die Unterbringung (Miete) ist dabei nicht berücksichtigt. Die Haus- oder Wohnungsmiete hängt von der Lage ab. Die Unterbringung im Zentrum der Stadt beträgt für eine Ein-Zimmer Wohnung (Bad und Küche) beginnend von 6.000 AFA (88 USD) bis zu 10.000 AFD (146 USD) pro Monat. In Kabul sowie im Umland und auch anderen Städten stehen eine große Anzahl an Häusern und Wohnungen zur Verfügung. Die Kosten in Kabul City sind jedoch höher als in den Vororten oder auch anderen Provinzen. Private Immobilienhändler bieten Informationen zu Mietpreisen für Häuser, Apartments etc. an. Rückkehrer können bis zur zwei Wochen im IOM Empfangszentrum in Jangalak untergebracht werden (LIB S 209).

1.2.11. Memorandum of Understanding (MoU):

Die Schweiz, Australien, Iran, Norwegen, Pakistan, Dänemark, Frankreich, Großbritannien, die Niederlande und Schweden haben seit 2002 mit Afghanistan und dem UNHCR sog. Drei-Parteien-Abkommen (MoU - Memorandum of Understanding) zur Regelung der freiwilligen Rückkehr von afghanischen Flüchtlingen in ihr Heimatland geschlossen. Die Abkommen sehen u.a. die Übernahme von Reisekosten, Wiedereingliederungshilfe und Unterstützungsmaßnahmen für besonders schutzbedürftige Flüchtlinge vor. Großbritannien, Frankreich, Italien, Dänemark, Norwegen, Schweden und Australien schieben abgelehnte Asylbewerber/innen afghanischer Herkunft nach Afghanistan ab. Von Norwegen ist bekannt, dass auch Familien mit minderjährigen Kindern abgeschoben werden. Der afghanische Flüchtlingsminister Balkhi (seit Ende Januar 2015 im Amt) lehnt die Rücknahme von afghanischen Flüchtlingen ab und ignoriert die MoUs, wurde jedoch von Präsident Ghani in seinem Einfluss beschnitten. Ein deutsch-afghanisches Rücknahme-MoU wurde am 2. Oktober 2016 in Kabul unterzeichnet (LIB S 210 f).

1.2.12. Zur innerstaatlichen Fluchtalternative Kabul (Auszug UNHCR 19.04.2016):

"[...] Bei der Prüfung der Relevanz einer internen Schutzalternative für afghanische Antragsteller müssen die folgenden Aspekte erwogen werden:

(i) Der instabile, wenig vorhersehbare Charakter des bewaffneten Konflikts in Afghanistan hinsichtlich der Schwierigkeit, potenzielle Neuansiedlungsgebiete zu identifizieren, die dauerhaft sicher sind, und

(ii) die konkreten Aussichten auf einen sicheren Zugang zum vorgeschlagenen Neuansiedlungsgebiet unter Berücksichtigung von Risiken im Zusammenhang mit dem landesweit verbreiteten Einsatz von improvisierten Sprengkörpern und Landminen, Angriffen und Kämpfen auf Straßen und von regierungsfeindlichen Kräften auferlegte Einschränkungen der Bewegungsfreiheit von Zivilisten.

[...] Im Lichte der verfügbaren Informationen über schwerwiegende und weit verbreitete Menschenrechtsverletzungen durch regierungsfeindliche Kräfte [...] in von ihnen kontrollierten Gebieten sowie der Unfähigkeit des Staates, für Schutz gegen derartige Verletzungen in diesen Gebieten zu sorgen, ist nach Ansicht von UNHCR eine interne Schutzalternative in Gebieten des Landes, die sich unter tatsächlicher Kontrolle regierungsfeindlicher Kräfte [...] befinden, nicht gegeben; es sei denn in Ausnahmefällen, in denen Antragsteller über zuvor hergestellte Verbindungen zur Führung der regierungsfeindlichen Kräfte [...] im vorgeschlagenen Neuansiedlungsgebiet verfügen. UNHCR geht davon aus, dass eine interne Schutzalternative in den vom aktiven Konflikt betroffenen Gebieten unabhängig davon, von wem die Verfolgung ausgeht, nicht gegeben ist.

[...]

Ob eine interne Schutzalternative zumutbar ist, muss anhand einer Einzelfallprüfung unter vollständiger Berücksichtigung der Sicherheits-, Menschenrechts- und humanitären Lage im voraussichtlichen Neuansiedlungsgebiet zum Zeitpunkt der Entscheidung festgestellt werden. Insbesondere stellen die schlechten Lebensbedingungen sowie die prekäre Menschenrechtssituation von Afghanen, die derzeit innerhalb des Landes vertrieben wurden, relevante Erwägungen dar, die bei der Prüfung der Zumutbarkeit einer vorgeschlagenen internen Schutzalternative berücksichtigt werden müssen. UNHCR ist der Auffassung, dass eine vorgeschlagene interne Schutzalternative nur dann zumutbar ist, wenn der Zugang zu (i) Unterkunft, (ii) grundlegender Versorgung wie sanitärer Infrastruktur, Gesundheitsdiensten und Bildung und zu (iii) Erwerbsmöglichkeiten gegeben ist. Ferner ist UNHCR der Auffassung, dass eine interne Schutzalternative nur dann zumutbar sein kann, wenn betroffene Personen Zugang zu einem traditionellen Unterstützungsnetzwerk durch Mitglieder ihrer (erweiterten) Familie oder durch Mitglieder ihrer größeren ethnischen Gruppe im vorgeschlagenen Neuansiedlungsgebiet haben und davon ausgegangen werden kann, dass diese willens und in der Lage sind, den Antragsteller tatsächlich zu unterstützen.

Die einzigen Ausnahmen von dieser Anforderung der externen Unterstützung stellen nach Auffassung von UNHCR alleinstehende leistungsfähige Männer und verheiratete Paare im berufsfähigen Alter ohne festgestellten besonderen Schutzbedarf dar. Diese Personen können unter bestimmten Umständen ohne Unterstützung von Familie und Gemeinschaft in urbanen und semiurbanen Umgebungen leben, die die notwendige Infrastruktur sowie Erwerbsmöglichkeiten zur Sicherung der Grundversorgung bieten und unter tatsächlicher staatlicher Kontrolle stehen. Angesichts des Zusammenbruchs des traditionellen sozialen Gefüges der Gesellschaft aufgrund jahrzehntelang währender Kriege, der massiven Flüchtlingsströme und der internen Vertreibung ist gleichwohl eine einzelfallbezogene Analyse notwendig. [...]"

2. Die Feststellungen gründen sich auf die folgende Beweiswürdigung:

2.1. Zu den Feststellungen zur Person des BF und zur allgemeinen Lage im Herkunftsstaat:

Die Feststellungen zu den persönlichen Daten, seinem Gesundheitszustand und zum Leben des BF ergeben sich aus seinen grundsätzlich gleichbleibenden Angaben. Der Heimatort des BF und das Geschlecht seiner Geschwister konnte nicht festgestellt werden, weil die Angaben des BF widersprüchlich waren (" XXXX " (OZ 1 S 9), " XXXX " (OZ 1 S 89 und OZ 6 S 4; "drei Schwestern und fünf Brüder (OZ 1 S 9)", "vier Schwestern und vier Brüder" (OZ 1 S 89 und OZ 6 S 5)). Die etwa vierjährige Berufserfahrung des BF ergibt sich aus seiner Ersteinvernahme und seiner Einvernahme vor dem erkennenden Gericht, wonach er insgesamt vier Jahre als Automechaniker gearbeitet hat (OZ 1 S 11), davon eineinhalb Jahre in Jalalabad (OZ 6 S 4 f).

Der Aufenthaltsort der Familie des BF konnte nicht festgestellt werden, weil der BF zwar grundsätzlich angegeben hat, er habe mit seiner Familie im Heimatdorf gelebt, er aber zugleich und gleichbleibend ausgesagt hat, er habe seit seiner Ausreise nach Pakistan keinen Kontakt mehr zu seiner Familie.

Die Feststellungen zur allgemeinen Lage in Afghanistan ergeben sich aus den bei den jeweiligen Feststellungen angeführten Quellen, die sich auf mehrere, im Wesentlichen übereinstimmende Berichte verschiedener anerkannter und teilweise vor Ort agierender staatlicher und nichtstaatlicher Institutionen und Personen gründen.

2.2. Zu den Feststellungen zum Fluchtvorbringen:

Dem Vorbringen des BF, die Taliban hätten ihn verdächtigt, für den Westen zu arbeiten und deswegen gefoltert und eingesperrt, konnte, trotz seiner detaillierten Ausführungen, nicht gefolgt werden.

Erstens war das Vorbringen des BF in seiner ersten Einvernahme einerseits und in seiner zweiten und in seiner gerichtlichen Einvernahme andererseits völlig verschieden. Während er in der ersten Einvernahme angab, Afghanistan auf Grund des Krieges und der Taliban verlassen zu haben, die ihn zwingen würden, gegen die Regierung zu kämpfen, brachte er in Folge vor, Taliban würden ihn verdächtigten, für den Westen zu arbeiten.

Die besondere Situation von Asylwerbern in der Ersteinvernahme, die regelmäßig von der Schleppung traumatisiert sind und uniformierten Beamten misstrauen, und allfällige Übersetzungsschwierigkeiten können die beiden völlig unterschiedlichen Vorbringen nicht erklären.

Zweitens blieb auch das geänderte Vorbringen widersprüchlich: So gab der BF in seiner Einvernahme vor der belangten Behörde an, die Amerikaner hätten die Taliban angegriffen und ihn befreit (OZ 1 S 90). In der hg Einvernahme gab er hingegen an, die Amerikaner hätten zwar gemeinsam mit Spezialeinsatzkräften der Afghanischen Armee Operationen durchgeführt und die Amerikaner hätten dort auch bombardiert. Den Angriff auf die Taliban habe aber ein afghanisches Kommando durchgeführt. Der BF habe die Kampfhandlungen ausgenutzt und sei geflohen (OZ 6 S 8).

Drittens ist das Vorbringen, wonach die Taliban den BF lediglich deswegen verdächtigt haben, für den Westen zu arbeiten, weil er - nachdem er nicht mehr im Heimatdorf Autos reparieren konnte - sich nicht mehr im Heimatdorf aufgehalten hat, nicht nachvollziehbar. So gibt es eine Vielzahl von Gründen, warum man sich nicht mehr regelmäßig in seinem Heimatdorf aufhält, beispielsweise weil man, wie der BF, in einer benachbarten Stadt, hier Jalalabad, als KFZ-Mechaniker arbeitet. Der BF kann zwar die genauen Beweggründe der Taliban nicht kennen und es sind daher auch andere Gründe denkbar, warum die Taliban den BF verdächtigt haben, es ist aber jedenfalls davon auszugehen, dass die Taliban im Verdachtsfall Ermittlungen angestellt hätten und nicht sofort den BF entführt und gefoltert hätten. Dass der BF als Automechaniker in Jalalabad tätig war, hätten die in Helmand gut etablierten Taliban wohl leicht herausfinden können.

Letztens steht das Vorbringen des BF, wonach die Taliban ihn ohne Vorwarnung entführt und gefoltert hätten, im Widerspruch zu den Länderfeststellungen, wonach die Taliban Personen, die sie verdächtigen für den Westen zu arbeiten, grundsätzlich zuerst auffordern, ihre Tätigkeit einzustellen (Beilage ./IX). Seinem Erklärungsversuch, wonach die Taliban seinen Vater ja bereits mehrfach aufgefordert hätten, sein Sohn solle zu ihnen kommen, sein Vater diese Aufforderungen jedoch ignoriert hätte, konnte nicht gefolgt werden, weil der BF trotz seiner sonst sehr detaillierten Schilderung die mehrfachen Aufforderungen an seinen Vater erst nach dem Vorhalt des Widerspruchs seines Vorbringens zu den Länderberichten erwähnt hat.

2.3. Zu den Feststellungen zum Privat- und Familienleben des BF:

Die Feststellungen zur Einreise, zu den Ausreisen nach und Rückführungen aus Belgien sowie zum behördlichen Asylverfahren bzw der Grundversorgung des BF ergeben sich aus dem unbedenklichen Verwaltungsakt.

Die Feststellungen zu den familiären Bindungen, Privatleben und zur Integration des BF in Österreich ergeben sich aus seinen gelichbleibenden Aussagen. Die Feststellung zu seinen Deutschkenntnissen bzw der Teilnahme an Deutschkursen ergibt sich aus den mangelnden Sprachnachweisen, seiner hg Befragung und der Bestätigung von Open space vom 05.02.2018. Die Feststellung zu seiner Teilnahme an interkulturellen Begegnungen gründet auf der Bestätigung von Open space vom 05.02.2018

Die Feststellung der strafrechtlichen Unbescholtenheit des BF ergibt sich aus seinem Strafregisterauszug.

3. Rechtlich folgt daraus:

Zu A) Spruchpunkt I.:

3.1 Asyl nach § 3 Asylgesetz 2005:

Gemäß § 3 Abs 1 Asylgesetz 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht.

Flüchtling im Sinn Art 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention, BGBl 1955/55, in der Fassung des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl 1974/78, (in Folge kurz als "GFK" bezeichnet) ist, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen.

Eine wohlbegründete Furcht vor Verfolgung liegt dann vor, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde. Verlangt wird eine "Verfolgungsgefahr", wobei unter Verfolgung ein Eingriff von erheblicher Intensität in die vom Staat zu schützende Sphäre des Einzelnen zu verstehen ist, welcher geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen (vgl VwGH 05.09.2016, Ra 2016/19/0074 uva).

Auch einer von Privatpersonen bzw privaten Gruppierungen ausgehender und auf einem Konventionsgrund beruhender Verfolgung kommt Asylrelevanz zu, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, diese Verfolgungshandlungen hintan zu halten (VwGH 03.03.2017, Ra 2016/01/0293). Von einer mangelnden Schutzfähigkeit des Staates kann aber nicht bereits dann gesprochen werden, wenn der Staat nicht in der Lage ist, seine Bürger gegen jedwede Übergriffe seitens Dritter präventiv zu schützen. Entscheidend für die Frage, ob eine ausreichend funktionierende Staatsgewalt besteht, ist vielmehr, ob für einen von dritter Seite aus den in der GFK genannten Gründen Verfolgten trotz staatlichen Schutzes der Eintritt eines - asylrelevante Intensität erreichenden - Nachteiles aus dieser Verfolgung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist (vgl VwGH 06.07.2011, Zl 2008/19/0994; 24.02.2015, Ra 2014/18/0063; zum Erfordernis der maßgeblichen Wahrscheinlichkeit siehe VwGH 15.03.2016, Ra 2015/01/0069).

Relevant kann dabei nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr sein; zum Entscheidungszeitpunkt muss mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit mit Verfolgungshandlungen aus den in Art 1 Abschnitt A Z 2 GFK genannten Gründen zu rechnen sein (vgl ua VwGH 03.05.2016, Ra 2015/18/0212).

3.1.1. Zu den individuellen Fluchtgründen:

Aus den Feststellungen kann keine auf Grund der Konventionsgründe erfolgte individuelle Verfolgung des BF abgeleitet werden.

3.2. Subsidiärer Schutz nach § 8 Asylgesetz 2005:

3.2.1. Allgemeines:

Gemäß § 8 Abs 1 Asylgesetz 2005 ist der Status des subsidiär Schutzberechtigten einem Fremden zuzuerkennen, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird oder dem der Status des Asylberechtigten aberkannt worden ist, wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art 2 EMRK, Art 3 EMRK oder der Protokolle Nr 6 oder Nr 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

Nach § 8 Abs 2 Asylgesetz 2005 ist die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach Abs 1 leg cit mit der abweisenden Entscheidung nach § 3 leg cit zu verbinden.

Die Beurteilung eines drohenden Verstoßes gegen Art 2 oder 3 EMRK setzt dabei eine Einzelfallprüfung voraus, in deren Rahmen konkrete und nachvollziehbare Feststellungen zu der Frage zu treffen sind, ob einer Person im Fall der Rückkehr in ihren Herkunftsstaat die reale Gefahr ("real risk") insbesondere einer gegen Art 2 oder 3 EMRK verstoßenden Behandlung droht. Es bedarf einer ganzheitlichen Bewertung der möglichen Gefahren, die sich auf die persönliche Situation des Betroffenen in Relation zur allgemeinen Menschenrechtslage im Zielstaat zu beziehen hat (vgl etwa VwGH 08.09.2016, Ra 2016/20/0053, mwN).

Herrscht im Herkunftsstaat eines Asylwerbers eine prekäre allgemeine Sicherheitslage, in der die Bevölkerung durch Akte willkürlicher Gewalt betroffen ist, so liegen stichhaltige Gründe für die Annahme eines realen Risikos bzw für die ernsthafte Bedrohung von Leben oder Unversehrtheit eines Asylwerbers bei Rückführung in diesen Staat dann vor, wenn diese Gewalt ein solches Ausmaß erreicht hat, dass es nicht bloß möglich, sondern geradezu wahrscheinlich erscheint, dass auch der betreffende Asylwerber tatsächlich Opfer eines solchen Gewaltaktes sein wird. Davon kann in einer Situation allgemeiner Gewalt nur in sehr extremen Fällen ausgegangen werden, wenn schon die bloße Anwesenheit einer Person in der betroffenen Region Derartiges erwarten lässt. Davon abgesehen können nur besondere in der persönlichen Situation der oder des Betroffenen begründete Umstände (Gefährdungsmomente) dazu führen, dass gerade bei ihr oder ihm ein - im Vergleich zur Bevölkerung des Herkunftsstaats im Allgemeinen - höheres Risiko besteht, einer dem Art 2 oder 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt zu sein bzw. eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit befürchten zu müssen (vgl VwGH 21.02.2017, Ra 2016/18/0137, mwN insbesondere zur Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte und des Europäischen Gerichtshofes).

Die Außerlandesschaffung eines Fremden in den Herkunftsstaat kann auch dann eine Verletzung von Art 3 EMRK bedeuten, wenn der Betroffene dort keine Lebensgrundlage vorfindet, also die Grundbedürfnisse der menschlic

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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