TE Bvwg Erkenntnis 2018/4/20 W233 2180066-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 20.04.2018
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Entscheidungsdatum

20.04.2018

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs2
AsylG 2005 §3 Abs5
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

W233 2180066-1/6E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Andreas FELLNER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX, geboren am XXXX, Staatsangehöriger von Afghanistan, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 13.11.2017, Zl 1105839103-160256650, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 27.03.2018 zu Recht erkannt:

A)

I. Der Beschwerde wird stattgegeben und XXXX gemäß § 3 Abs. 1 Asylgesetz 2005 der Status des Asylberechtigten zuerkannt.

II. Gemäß § 3 Abs. 5 Asylgesetz 2005 wird festgestellt, dassXXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

1. Verfahrensgang:

1.1. Der Beschwerdeführer, ein männlicher Staatsbürger Afghanistans, stellte am 17.02.2016 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

1.2. In seiner Erstbefragung vor Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 17.02.2016 führte er zu seinem Fluchtgrund im Wesentlichen aus, er sei als Schüler von seinen drogensüchtigen Klassenkameraden bzw. der Drogenmafia mit dem Tod bedroht worden.

1.3. Im Rahmen seiner niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 16.10.2017 wiederholte der Beschwerdeführer im Wesentlichen sein Vorbringen aus der Erstbefragung betreffend der von ihm geschilderten Drogenvorfälle, ergänzte jedoch sein Fluchtvorbringen damit, dass er in Afghanistan eine Bibel besessen hätte, die ihm die Personen, die in seiner Schule Drogen verkauft hätten, aus seinem Rucksack entnommen hätten. Er sei daraufhin als Ungläubiger beschimpft und angegriffen worden und habe sein Vater gesagt, dass er das Land verlassen müsse.

1.4. In der umfassenden Stellungnahme vom 30.10.2017 wurden die Übersetzung des Dolmetschers in die niederschriftlichen Einvernahme bemängelt, auf die Anfragebeantwortung des Recherchedienstes ACCORD zur Lage von vom Islam abgefallenen Personen in Afghanistan verwiesen sowie die Sicherheitslage, humanitäre Lage und Menschenrechtssituation in Afghanistan und insbesondere Kabul erörtert.

1.5. Nach Durchführung des Ermittlungsverfahrens wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl mit dem im Spruch angeführten Bescheid vom 13.11.2017 den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz vom 17.02.2016 hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG ab (Spruchpunkt I.); weiters wurde der Antrag hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Afghanistan gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt II.), dem Beschwerdeführer kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gem. §§ 57 und 55 AsylG erteilt, gegen den Beschwerdeführer gem. § 52 Abs. 1 Z 2 FPG eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers nach Afghanistan gem. § 46 FPG zulässig sei.

Begründend wurde im Wesentlichen vorgebracht, dass die Fluchtgründe des Beschwerdeführers nicht glaubwürdig seien, insbesondere, dass sein Interesse am Christentum nur zum Schein bestehe und er ohnehin nicht konvertiert sei.

1.6. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom 06.12.2017, eingelangt am 13.12.2017, rechtzeitig Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie der Verletzung von Verfahrensvorschriften.

1.7. Zur Ermittlung des maßgeblichen Sachverhalts fand am 27.03.2018 in Beisein einer Dolmetscherin für die Sprache Dari eine öffentliche mündliche Beschwerdeverhandlung statt, an welcher der Beschwerdeführer sowie dessen Rechtsvertreterin teilnahmen. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl als belangte Behörde ist bei der Verhandlung entschuldigt nicht erschienen. Im Rahmen der Verhandlung wiederholte der Beschwerdeführer im Wesentlichen sein Vorbringen zu seinem Fluchtgrund. Er gab außerdem umfassend Auskunft zu seiner Herkunft, seinen Familienverhältnissen und seinem Leben in Österreich. Insbesondere gab er an, regelmäßig die katholische Kirche in XXXX zu besuchen und an einem Taufkurs teilzunehmen.

1.8. Der Beschwerdeführer legte im Laufe des Verfahrens folgende Dokumente/Urkunden vor:

* Bestätigungen der XXXX GmbH vom 22.09.2017 und vom 09.10.2017 darüber, dass der Beschwerdeführer seit 07.07.2017 regelmäßig den Unterricht im Projekt XXXX im Ausmaß von 28 Wochenstunden besucht (AS 117, 121);

* Fotos, auf denen der Beschwerdeführer auf Sportveranstaltungen und in einer Kirche zu sehen ist (AS 119, 137-139);

* undatierte Bestätigung von Mag. XXXX, dass der Beschwerdeführer am Mathematikunterricht im Rahmen der außerschulischen Maßnahme des Vereins XXXX mit Verlässlichkeit und großem Engagement teilgenommen hat (AS 123);

* Zertifikat der XXXX GmbH vom 30.06.2017 darüber, dass der Beschwerdeführer in der Zeit von 03.11.2016 bis 30.06.2017 an 534 Unterrichtseinheiten in verschiedenen Kompetenzfeldern teilgenommen hat eine Prüfung über Deutsch Sprachniveau A2 am 23.06.2017 erfolgreich abgelegt wurde (AS 125 ff);

* Kursbestätigung der Caritas vom 05.07.2016 darüber, dass der Beschwerdeführer am hausinternen Kurs Deutsch als Fremdsprache in der Zeit von 21.03.2016 bis 01.07.2016 im Ausmaß von 7,5 Wochenstunden à 60 Minuten regelmäßig teilgenommen hat (AS 129);

* Teilnahmebestätigung des Vereins "XXXX" vom 16.09.2016 darüber, dass der Beschwerdeführer im Zeitraum vom 08.08.2016 bis 16.09.2016 an einem Deutschkurs intensiv A1 vertieft im Ausmaß von 50 Stunden teilgenommen hat (AS 131);

* ÖSD Zertifikat A2 vom 20.07.2017 mit der Beurteilung "gut bestanden" (AS 133 f);

* ÖSD Zertifikat A1 vom 15.03.2017 mit der Beurteilung "sehr gut bestanden" (AS 135 f);

* Bestätigung der XXXX GmbH vom 23.03.2018 darüber, dass der Beschwerdeführer seit 07.07.2017 den Unterricht im Projekt XXXX im Ausmaß von 28 Wochenstunden besucht und die erste Teilprüfung für den Pflichtschulabschluss im Fach "Natur und Technik" am 20.03.2018 mit "sehr gut" abgelegt hat;

* Bestätigung der Pfarre XXXX, XXXX vom 13.02.2018 darüber, dass der Beschwerdeführer seit 01.01.2018 regelmäßig einmal in der Woche zur Katechese in die Pfarre XXXX kommt, regelmäßig an den Treffen der Katechumenen und an Gottesdiensten teilnimmt.

2. Feststellungen

Beweis wurde erhoben durch Einsichtnahme in den Inhalt des vorliegenden Verwaltungsaktes des Beschwerdeführers, beinhaltend die Befragungen vom 16.02.2016 (Erstbefragung) sowie am 16.10.2017 (niederschriftliche Einvernahme, BFA, RD Steiermark), die Stellungnahme vom 30.10.2017, den gegenständlichen Bescheid vom 13.11.2017 und die Beschwerde vom 06.12.2017; durch die Einvernahme des Beschwerdeführers vor dem Bundesverwaltungsgericht am 27.03.2018; durch Einsichtnahme in die im Verlauf des Verfahrens vorgelegten Unterlagen, in aktuelle Auszüge aus Strafregister, GVS, IZR und ZMR sowie durch Einsichtnahme in das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Afghanistan (Stand 31.01.2018) und einen Auszug aus den UNHCR Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 19.04.2016. Demnach steht folgender Sachverhalt fest:

2.1. Der Beschwerdeführer ist ein männlicher Staatsangehöriger Afghanistans und Angehöriger der Volksgruppe der Tadschiken. Die Muttersprache des Beschwerdeführers ist Dari. Der Beschwerdeführer ist gesund.

2.2. Die Identität des Beschwerdeführers steht, mit Ausnahme der Staatsangehörigkeit und Volksgruppenzugehörigkeit, mangels Vorlage identitätsbezeugender Dokumente nicht fest.

2.3. Der Beschwerdeführer ist als sunnitischer Moslem aufgewachsen und er bekannte sich auch noch bei seiner Erstbefragung vor Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 17.02.2016 sowie in seiner Einvernahme vor dem BFA am 16.10.2017 zu dieser Glaubensrichtung des Islam. Der Beschwerdeführer hat erstmals in dieser Einvernahme angegeben, er wolle sich mit dem Christentum und dem Islam noch mehr auseinandersetzen und dann eine Entscheidung treffen. Der Beschwerdeführer hat erstmalig nach Zustellung der erstinstanzlichen negativen Entscheidung über seinen Antrag auf internationalen Schutz am 15.11.2017 eine mit 13.02.2018 datierte Bestätigung der Pfarre XXXX, XXXX über seine Teilnahme an Treffen der Katechumenen zur Vorbereitung auf die Taufe sowie an Gottesdiensten in das gegenständliche Verfahren eingebracht.

Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer in Afghanistan aufgrund seines Interesses am Christentum oder aufgrund dessen, dass er eine Bibel oder ein Buch über das Christentum besessen hat, einer Verfolgung in asylrelevantem Ausmaß ausgesetzt war.

Festgestellt wird, dass sich der Beschwerdeführer erst im Zuge des Verfahrens und somit erst nach seiner Ausreise aus dem Herkunftsstaat endgültig dem Christentum zuwandte und die Konversion zu einem Zeitpunkt vorgenommen hat, als sein Asylverfahren in erster Instanz negativ beschieden worden war.

Der Beschwerdeführer befürchtet, im Fall seiner Rückkehr nach Afghanistan auf Grund seiner Zuwendung zum Christentum von anderen Personen getötet zu werden, weil er nach der dort allgemein vorherrschenden Ansicht als Moslem nicht die Religion wechseln hätte dürfen.

Der Beschwerdeführer konnte seinen in Österreich gesetzten Nachfluchtgrund glaubhaft darlegen.

Seinen Vater, die sich in Afghanistan aufhält, hat er von seiner Konversion informiert, den Rest der Familie nicht.

2.4. Der Beschwerdeführer ist strafgerichtlich unbescholten. Es liegen keine Gründe vor, nach denen der Beschwerdeführer von der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten auszuschließen ist oder nach denen ein Ausschluss des Beschwerdeführers hinsichtlich der Asylgewährung zu erfolgen hat.

2.5. Dem Beschwerdeführer steht keine zumutbare innerstaatliche Flucht- bzw. Schutzalternative zur Verfügung.

2.6. Zur Lage im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers:

2.6.1. Auszug aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Afghanistan, Stand 31.01.2018:

2.6.1.1. Religionsfreiheit

Etwa 99.7% der Bevölkerung sind Muslime, davon sind 84.7-89.7% Sunniten (CIA 21.11.2016; vgl. USCIRF 4.2016). Schätzungen zufolge, sind etwa 10-19% der Bevölkerung Schiiten (AA 9.2016; vgl. auch: CIA 21.10.2016). Andere in Afghanistan vertretene Glaubensgemeinschaften wie z.B. Sikhs, Hindus, Baha¿i und Christen machen zusammen nicht mehr als 1% der Bevölkerung aus. Offiziell lebt noch ein Jude in Afghanistan (AA 9.2016).

Laut Verfassung ist der Islam die Staatsreligion Afghanistans. Religionsfreiheit ist in der afghanischen Verfassung verankert, dies gilt allerdings ausdrücklich nur für Anhänger/innen anderer Religionen als dem Islam. Die von Afghanistan ratifizierten internationalen Verträge und Konventionen wie auch die nationalen Gesetze sind allesamt im Lichte des generellen Islamvorbehalts (Art. 3 der Verfassung) zu verstehen (AA 9.2016; vgl. auch: Max Planck Institut 27.1.2004). Die Glaubensfreiheit, die auch die freie Religionsauswahl beinhaltet, gilt in Afghanistan daher für Muslime nicht. Darüber hinaus ist die Abkehr vom Islam (Apostasie) nach Scharia-Recht auch strafbewehrt (AA 9.11.2016).

Die Religionsfreiheit hat sich seit 2001 verbessert, wird aber noch immer durch Gewalt und Drangsale gegen religiöse Minderheiten und reformierte Muslime behindert. Blasphemie und Abtrünnigkeit werden als Kapitalverbrechen angesehen. Nichtmuslimische Religionen sind erlaubt, doch wird stark versucht, deren Missionierungsbestrebungen zu behindern (FH 27.1.2016). Hindus, Sikhs und Schiiten, speziell jene, die den ethnischen Hazara angehören, sind Diskriminierung durch die sunnitische Mehrheit ausgesetzt (FH 27.1.2016; vgl. auch:

CSR 8.11.2016).

Im Strafgesetzbuch gibt es keine Definition für Apostasie. Laut der sunnitisch-hanafitischen Rechtsprechung gilt Enthauptung als angemessene Strafe für Männer, für Frauen lebenslange Haft, sofern sie die Apostasie nicht bereuen. Ein Richter kann eine mindere Strafe verhängen, wenn Zweifel an der Apostasie bestehen. Zu Verfolgung von Apostasie und Blasphemie existieren keine Berichte - dennoch hatten Individuen, die vom Islam konvertierten, Angst vor Konsequenzen. Christen berichteten, dass sie aus Furcht vor Vergeltung, Situationen vermieden, in denen es gegenüber der Regierung so aussehe, als ob sie missionieren würden (USDOS 10.8.2016).

Nichtmuslimische Minderheiten, wie Sikh, Hindu und Christen, sind sozialer Diskriminierung und Belästigung ausgesetzt, und in manchen Fällen, sogar Gewalt. Dieses Vorgehen ist jedoch nicht systematisch (USDOS 10.8.2016). Dennoch bekleiden Mitglieder dieser Gemeinschaften vereinzelt Ämter auf höchster Ebene (CSR 8.11.2016). Im Mai 2014 bekleidete ein Hindu den Posten des afghanischen Botschafters in Kanada (RFERL 15.5.2014). Davor war Sham Lal Bathija als hochrangiger Wirtschaftsberater von Karzai tätig (The New Indian Express16.5.2012).

Laut Verfassung soll der Staat einen einheitlichen Bildungsplan einrichten und umsetzen, der auf den Bestimmungen des Islams basiert; auch sollen religiöse Kurse auf Grundlage der islamischen Strömungen innerhalb des Landes entwickelt werden. Der nationale Bildungsplan enthält Inhalte, die für Schulen entwickelt wurden, in denen die Mehrheiten entweder schiitisch oder sunnitisch sind; ebenso konzentrieren sich die Schulbücher auf gewaltfreie islamische Bestimmungen und Prinzipien. Der Bildungsplan beinhaltet Islamkurse, nicht aber Kurse für andere Religionen. Für Nicht-Muslime ist es nicht erforderlich den Islam an öffentlichen Schulen zu lernen (USDOS 10.8.2016).

Nicht-muslimische religiöse Minderheiten werden durch das geltende Recht diskriminiert. So gilt die sunnitische-hanafitische Rechtsprechung für alle afghanischen Bürgerinnen und Bürger, unabhängig von ihrer Religion (AA 9.2016). Für die religiöse Minderheit der Schiiten gilt in Personenstandsfragen das schiitische Recht (USDOS 10.8.2016).

Militante Gruppen haben sich unter anderem als Teil eines größeren zivilen Konfliktes gegen Moschen und Gelehrte gerichtet. Konservative soziale Einstellungen, Intoleranz und das Unvermögen oder die Widerwilligkeit von Polizeibeamten individuelle Freiheiten zu verteidigen bedeuten, dass jene, die religiöse und soziale Normen brechen, anfällig für Misshandlung sind (FH 27.1.2016).

Blasphemie - welche anti-islamische Schriften oder Ansprachen beinhaltet, ist ein Kapitalverbrechen im Rahmen der gerichtlichen Interpretation des islamischen Rechtes. Ähnlich wie bei Apostasie, gibt das Gericht Blasphemisten drei Tage um ihr Vorhaben zu widerrufen oder sie sind dem Tod ausgesetzt (CRS 8.11.2016).

Ein Muslim darf eine nicht-muslimische Frau heiraten, aber die Frau muss konvertieren, sofern sie nicht Anhängerin der zwei anderen abrahamitischen Religionen, Christentum und Judentum, ist. Einer Muslima ist nicht erlaubt einen nicht-muslimischen Mann zu heiraten. Ehen zwischen zwei Nicht-Muslimen sind legal, solange das Paar nicht öffentlich ihren nicht-muslimischen Glauben deklariert (USDOS 10.8.2016).

2.6.1.2. Christen und Konversionen zum Christentum

Afghanische Christen sind in den meisten Fällen vom Islam zum Christentum konvertiert (AA 9.2016). Ihre Zahl kann nicht verlässlich angegeben werden, da Konvertiten sich nicht öffentlich bekennen (AA 2.3.2015; vgl. auch: USDOS.10.8.2016).

Nichtmuslim/innen, z.B. Sikhs, Hindus und Christen, sind Belästigungen ausgesetzt und in manchen Fällen sogar Gewalt. Nachdem Religion und Ethnie stark miteinander verbunden sind, ist es schwierig die vielen Vorfälle nur als Vorfälle wegen religiöser Identität zu kategorisieren (USDOS 10.8.2016).

Die gesellschaftliche Einstellung gegenüber konvertierten Christen ist ablehnend. Zu einer Strafverfolgungs- oder Strafzumessungspraxis, die speziell Christen diskriminiert, kommt es in Afghanistan in der Regel schon deshalb nicht, weil sich Christen nicht offen zu ihrem Glauben bekennen (AA 9.2016). Konversion wird als Akt der Abtrünnigkeit und Verbrechen gegen den Islam gesehen, der mit dem Tod bestraft werden könnte (AA 9.2016; vgl. USDOS 10.8.2016) - sofern die Konversion nicht widerrufen wird (USDOS 10.8.2016). Keiner wurde bisher aufgrund von Konversion durch den afghanischen Staat hingerichtet (AA 9.2016).

Die Christen verlautbarten, dass die öffentliche Meinung gegenüber Missionierung feindlich ist. Es gibt keine öffentlichen Kirchen (CRS 8.11.2016). Für christliche Afghan/innen gibt es keine Möglichkeit der Religionsausübung außerhalb des häuslichen Rahmens. Zu Gottesdiensten, die in Privathäusern von internationalen NGOs abgehalten werden, erscheinen sie meist nicht oder werden aus Sicherheitsgründen nicht eingeladen. Christliche Gottesdienste für die internationale Gemeinschaft finden u.a. in verschiedenen Botschaften sowie auf dem Gelände der internationalen Truppen statt (AA 9.2016). Einem Bericht einer kanadischen christlichen Organisation zufolge, wächst die Zahl der Hauskirchen in Afghanistan. In diesem Bericht wird angedeutet, dass einige Mitglieder des Parlaments selbst das Christentum angenommen und an christlichen Gottesdiensten teilgenommen haben (The Voice of the Martyrs Canada 5.4.2012).

Einige Konversionsfälle von Christen haben zu harten Strafen geführt und dadurch internationale Aufmerksamkeit erlangt (CRS 8.11.2016). Die im Libanon geborenen Rula Ghani, Ehefrau von Staatspräsident Ashraf Ghanis, entstammt einer christlich-maronitischen Familie (NPR 19.2.2015; vgl. BBC 15.10.2014).

Berichten zufolge gibt es ein christliches Spital in Kabul (NYP 24.4.2014; vgl. CNN 24.4.2014).

2.6.2. Auszug aus einer Zusammenfassung der UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs Afghanischer Asylsuchender vom 19.04.2016:

Diese Richtlinien ersetzen die UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom August 2013. Sie werden vor dem Hintergrund anhaltender Besorgnis in Bezug auf die Sicherheitslage in Teilen von Afghanistan und weitreichende Menschenrechtsverletzungen herausgegeben. Sie enthalten Informationen über die besonderen Profile von Personen, für die sich internationaler Schutzbedarf im derzeitigen Kontext in Afghanistan ergeben kann.

UNHCR hat in diese Richtlinien die zum Zeitpunkt ihrer Erstellung aktuellsten verfügbaren Informationen aus einer großen Vielfalt von Quellen aufgenommen. Die in diesen Richtlinien enthaltene Analyse beruht auf öffentlich verfügbaren Informationen und auf Informationen, die UNHCR im Rahmen seiner Tätigkeit in Afghanistan und an anderen Orten gesammelt und erhalten hat, sowie auf Informationen von anderen Organisationen der Vereinten Nationen und Partnerorganisationen.

Alle von Asylsuchenden gestellten Anträge müssen in fairen und effizienten Verfahren zur Feststellung der Flüchtlingseigenschaft unter Berücksichtigung des jeweiligen Einzelfalls und aktueller und relevanter Herkunftslandinformationen geprüft werden. Dies gilt unabhängig davon, ob die Anträge auf Grundlage der Kriterien für die Feststellung der Flüchtlingseigenschaft gemäß dem Abkommen von 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (Genfer Flüchtlingskonvention, GFK) und dem dazugehörigen Protokoll von 1967,4 gemäß dem Mandat des UNHCR, gemäß regionaler Instrumente zum Flüchtlingsschutz oder weitergehender Kriterien für die Gewährung internationalen Schutzes einschließlich komplementärer Schutzformen untersucht werden.

Flüchtlingseigenschaft gemäß der Genfer Flüchtlingskonvention Personen, die aus Afghanistan fliehen, können einem Verfolgungsrisiko aus Gründen ausgesetzt sein, die mit dem fortwährenden bewaffneten Konflikt in Afghanistan oder mit schwerwiegenden Menschenrechtsverletzungen, die nicht in direkter Verbindung zum Konflikt stehen, zusammenhängen oder aufgrund einer Kombination beider Gründe. UNHCR ist der Auffassung, dass in Bezug auf Personen mit den folgenden Profilen eine besonders sorgfältige Prüfung der möglichen Risiken notwendig ist:

(1) Personen, die tatsächlich oder vermeintlich mit der Regierung oder mit der internationalen Gemeinschaft einschließlich der internationalen Streitkräfte verbunden sind oder diese tatsächlich oder vermeintlich unterstützen;

(2) Journalisten und in der Medienbranche tätige Personen;

(3) Männer im wehrfähigen Alter und Kinder im Kontext von Minderjährigen- und Zwangsrekrutierung;

(4) Zivilisten, die verdächtigt werden, regierungsfeindliche Kräfte (AGEs) zu unterstützen;

(5) Angehörige religiöser Minderheiten und Personen, bei denen vermutet wird, dass sie gegen die Scharia verstoßen;

(6) Personen, bei denen vermutet wird, dass sie gegen islamische Grundsätze, Normen und Werte gemäß der Auslegung durch regierungsfeindliche Kräfte (AGEs) verstoßen;

(7) Frauen mit spezifischen Profilen oder Frauen, die unter bestimmten Bedingungen leben;

(8) Frauen und Männer, die vermeintlich gegen soziale Sitten verstoßen;

(9) Personen mit Behinderung, insbesondere geistiger Behinderung oder Personen mit psychischer Erkrankung;

(10) Kinder mit bestimmten Profilen oder Kinder, die unter bestimmten Bedingungen leben;

(11) Überlebende von Menschenhandel oder Zwangsarbeit und Personen, die entsprechend

gefährdet sind;

(12) Personen mit unterschiedlichen sexuellen Orientierungen und/oder geschlechtlichen

Identitäten;

(13) Angehörige ethnischer (Minderheiten-)Gruppen;

(14) An Blutfehden beteiligte Personen;

(15) Geschäftsleute und andere wohlhabende Personen (sowie deren Familienangehörige).

Die Aufzählung ist nicht notwendigerweise abschließend und beruht auf Informationen, die UNHCR zum Zeitpunkt der Erstellung dieser Richtlinien vorlagen. Ein Antrag sollte daher nicht automatisch als unbegründet erachtet werden, wenn er keinem der hier aufgeführten Profile entspricht. Je nach den spezifischen Umständen des Falls können auch Familienangehörige oder andere Mitglieder des Haushalts von Personen mit diesen Profilen aufgrund ihrer Verbindung mit der gefährdeten Person internationalen Schutzes bedürfen.

Afghanistan ist weiterhin von einem nicht internationalen bewaffneten Konflikt betroffen.5 Personen, die vor dem Hintergrund dieses Konflikts vor Schaden oder drohendem Schaden fliehen, können die Kriterien der Flüchtlingseigenschaft gemäß Artikel 1 A (2) der GFK erfüllen. Dafür muss die reale Möglichkeit bestehen, dass die Person infolge des Konflikts einen ernsthaften Schaden erleidet, der die Schwelle der Verfolgung wegen einem der in Artikel 1 A (2) genannten Gründe erreicht.

Menschenrechtsverletzungen und andere Folgen von konfliktbedingter Gewalt können einzeln oder kumulativ eine Verfolgung im Sinne von

Artikel 1 A (2) der GFK darstellen. Im Kontext des Konflikts in Afghanistan gehören zu den relevanten Faktoren für die Prüfung von Menschenrechtsverletzungen oder anderen ernsthaften Schäden, die mit hinreichend begründeter Wahrscheinlichkeit einer Person drohen können, die dem Konflikt entflieht, (i) die Kontrolle über die Zivilbevölkerung durch regierungsfeindliche Kräfte (AGEs) einschließlich der Etablierung paralleler Justizstrukturen und der Verhängung illegaler Strafen sowie der Bedrohung und Einschüchterung der Zivilbevölkerung, der Einschränkung der Bewegungsfreiheit und des Einsatzes von Erpressungen und illegalen Steuern; (ii) Zwangsrekrutierung; (iii) die Auswirkung von Gewalt und Unsicherheit auf die humanitäre Situation in Form von Ernährungsunsicherheit, Armut und Vernichtung von Lebensgrundlagen (iv) das hohe Maß an organisierter Kriminalität und die Möglichkeit lokaler Machthaber ("Strongmen"), Kriegsfürsten ("Warlords") und korrupter Beamter, straflos zu agieren; (v) die systematische Beschränkung des Zugangs zu Bildung und zu grundlegender Gesundheitsversorgung infolge der unsicheren Situation; und (vi) die systematische Beschränkung der Teilnahme am öffentlichen Leben, insbesondere für Frauen.

Damit eine Person, die im Kontext des bewaffneten Konflikts in Afghanistan vor Schaden oder drohendem Schaden flieht, die Kriterien der Flüchtlingseigenschaft gemäß Artikel 1 A (2) der GFK erfüllt, muss die sich aus der Gewalt ergebende Verfolgung ebenfalls an einen Konventionsgrund anknüpfen. Im Kontext von Afghanistan gehören zu den Beispielen für Bedingungen, unter denen Zivilisten Opfer von Gewalt wegen eines Konventionsgrundes werden, solche Situationen, in denen die Gewalt sich in Gebieten ereignet, in denen vorwiegend Zivilisten mit spezifischen ethnischen, politischen oder religiösen Profilen leben, oder an Orten, an denen sich Zivilisten mit derartigen Profilen vorwiegend versammeln (einschließlich Märkte, Moscheen, Schulen oder größere gesellschaftliche Zusammenkünfte wie Hochzeiten). Um die Flüchtlingseigenschaft zu erfüllen, ist es nicht erforderlich, dass die Schutz suchende Person dem/den Verfolgungsakteur/en persönlich bekannt ist oder persönlich von diesem/n Akteur/en ausfindig gemacht wird. Auf ähnliche Weise können ganze Gemeinschaften eine begründete Furcht vor Verfolgung wegen eines oder mehrerer Konventionsgründe haben; zu den Voraussetzungen gehört nicht, dass eine Person einer anderen Art oder einem anderen Ausmaß an Schaden ausgesetzt ist als andere Personen mit dem gleichen Profil.

2.6.2.1 Angehörige religiöser Minderheiten und Personen, die angeblich gegen die Scharia verstoßen

Die Verfassung garantiert, dass Angehörige von anderen Religionen als dem Islam "innerhalb der durch die Gesetze vorgegebenen Grenzen frei sind in der Ausübung und Erfüllung ihrer religiösen Rechte".

Allerdings wird in der Verfassung auch festgestellt, dass der Islam die offizielle Religion des Staats ist und "kein Gesetz gegen die Lehren und Bestimmungen der heiligen Religion des Islam in Afghanistan verstoßen darf." Darüber hinaus sollen die Gerichte gemäß der Verfassung in Situationen, in denen weder die Verfassung noch andere Gesetze Vorgaben enthalten, der Hanafi-Rechtsprechung folgen, einer sunnitisch-islamischen Rechtslehre, die unter zwei Dritteln der muslimischen Welt verbreitet ist. Afghanische Juristen und Regierungsvertreter wurden dafür kritisiert, dass sie dem islamischen Recht Vorrang vor Afghanistans Verpflichtungen aus internationalen Menschenrechtsabkommen in Situationen einräumen, in denen ein Widerspruch der verschiedenen Rechtsvorschriften vorliegt, insbesondere in Bezug auf die Rechte von afghanischen Staatsbürgern, die keine sunnitischen Muslime sind, und in Bezug auf die Rechte der Frauen.

2.6.2.2. Religiöse Minderheiten

Nicht-muslimische religiöse Minderheiten, insbesondere Christen, Hindus und Sikhs, werden weiterhin im geltenden Recht diskriminiert. Wie oben dargestellt gilt gemäß der Verfassung in Situationen, in denen weder die Verfassung noch das kodifizierte Recht Afghanistans entsprechende Bestimmungen enthalten, die sunnitische Hanafi-Rechtssprechung. Dies gilt für alle afghanischen Bürger, unabhängig von ihrer Religion. Die einzige Ausnahme bilden Personenstandsachen, bei denen alle Parteien Schiiten sind. In diesem Fall wird das schiitische Recht für Personenstandsachen angewendet. Für andere religiöse Minderheiten gibt es kein eigenes Recht. Nicht-Muslime dürfen Berichten zufolge nur dann untereinander heiraten, wenn sie sich nicht öffentlich zu ihren nicht-islamischen Überzeugungen bekennen.

Das Strafgesetzbuch enthält Bestimmungen für "Straftaten gegen Religionen", denen zufolge Personen, die Angehörige einer jeglichen Religion angreifen, zu einer kurzen Gefängnisstrafe von mindestens drei Monaten und einer Geldbuße verurteilt werden sollen. Ungeachtet dessen erfahren nicht-muslimische Minderheiten Berichten zufolge weiterhin gesellschaftliche Schikanierung und in manchen Fällen Gewalt. Berichten zufolge vermeiden es Mitglieder religiöser Minderheiten wie Baha'i und Christen aus Angst vor Diskriminierung, Misshandlung, willkürlicher Verhaftung oder Tötung, sich öffentlich zu ihrer Religion zu bekennen oder sich offen zum Gebet zu versammeln.

[...]

Christen

Die gesellschaftliche Einstellung gegenüber Christen ist Berichten zufolge weiterhin offen feindlich. Christen werden gezwungen, ihren Glauben zu verheimlichen. In Afghanistan existieren keine öffentlichen Kirchen mehr und Christen beten allein oder in kleinen Versammlungen in Privathäusern. Im Jahr 2013 riefen vier Parlamentsmitglieder Berichten zufolge zur Hinrichtung von Personen auf, die zum Christentum konvertiert sind. Die Taliban haben Berichten zufolge ausländische Hilfsorganisationen und ihre Gebäude auf der Grundlage angegriffen, dass diese Zentren des christlichen Glaubens seien.

[...]

2.6.2.3. Konversion vom Islam

Eine Konversion vom Islam wird als Apostasie betrachtet und gemäß den Auslegungen des islamischen Rechts durch die Gerichte mit dem Tod bestraft. Zwar wird Apostasie im afghanischen Strafgesetzbuch nicht ausdrücklich als Straftat definiert, fällt jedoch nach allgemeiner afghanischer Rechtsauffassung unter die nicht weiter definierten "ungeheuerlichen Straftaten", die laut Strafgesetzbuch nach der islamischen Hanafi-Rechtslehre bestraft werden und in den Zuständigkeitsbereich der Generalstaatsanwaltschaft fallen. Damit wird Apostasie als Straftat behandelt, obwohl nach der afghanischen Verfassung keine Handlung als Straftat eingestuft werden darf, sofern sie nicht als solche gesetzlich definiert ist. Geistig zurechnungsfähige männliche Bürger über 18 Jahren und weibliche Bürger über 16 Jahren, die vom Islam konvertieren und ihre Konversion nicht innerhalb von drei Tagen widerrufen, riskieren die Annullierung ihrer Ehe und eine Enteignung ihres gesamten Grund und sonstigen Eigentums. Außerdem können sie von ihren Familien und Gemeinschaften zurückgewiesen werden und ihre Arbeit verlieren.

Berichten zufolge herrscht in der öffentlichen Meinung eine feindliche Einstellung gegenüber missionarisch tätigen Personen und Einrichtungen. Rechtsanwälte, die Angeklagte vertreten, denen Apostasie zur Last gelegt wird, können Berichten zufolge selbst der Apostasie bezichtigt und mit dem Tod bedroht werden.

2.6.2.4. Andere Handlungen, die gegen die Scharia verstoßen

Das afghanische Gesetzesrecht enthält keine Bestimmungen zu Blasphemie und demzufolge behandeln die afghanischen Gerichte Blasphemie nach islamischem Recht. Gemäß der Auslegungen des islamischen Rechts durch die Gerichte stellt Blasphemie ein Kapitalverbrechen dar. Geistig zurechnungsfähige Männer über 18 Jahren und Frauen über 16 Jahren, die der Blasphemie bezichtigt werden, kann daher die Todesstrafe drohen. Wie auch bei Apostasie haben die Beschuldigten drei Tage Zeit, um ihre Handlungen zu widerrufen.

Darüber hinaus besteht für Personen, denen Verstöße gegen die Scharia wie Apostasie, Blasphemie, einvernehmliche gleichgeschlechtliche Beziehungen oder Ehebruch (zina) vorgeworfen werden, nicht nur die Gefahr der strafrechtlichen Verfolgung, sondern auch der gesellschaftlichen Ächtung und Gewalt durch Familienangehörige, andere Mitglieder ihrer Gemeinschaften, die Taliban und andere regierungsfeindliche Kräfte (AGEs).

2.6.2.5. Zusammenfassung

UNHCR ist auf Grundlage der vorangegangenen Analyse der Ansicht, dass je nach Umständen des Einzelfalls für Personen, die angeblich gegen die Scharia verstoßen, einschließlich Personen, die der Blasphemie oder der Konversion vom Islam bezichtigt werden, sowie für Angehörige religiöser Minderheiten ein Bedarf an internationalem Flüchtlingsschutz aufgrund ihrer Religion oder anderer relevanter Gründe bestehen kann.

3. Beweiswürdigung:

3.1. Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit, Muttersprache und Volksgruppenzugehörigkeit des Beschwerdeführers ergeben sich aufgrund seiner diesbezüglich glaubhaften, gleichbleibenden Angaben in Zusammenschau mit den vom Beschwerdeführer dargelegten Sprach- und Ortskenntnissen. Ebenso ergibt sich die Feststellung zu seinem Gesundheitszustand aufgrund der gleichbleibenden Aussagen des Beschwerdeführers sowie aufgrund der Tatsache, dass im Verfahren nicht vorgebracht wurde, dass der Beschwerdeführer an einer schwerwiegenden Erkrankung oder Beeinträchtigung leiden würde dass sich im Akt auch keine Befunde, medizinische Unterlagen o.ä. finden, die auf das Vorliegen einer schwerwiegenden Erkrankung schließen lassen würden.

3.2. Aufgrund der im Verfahren unterlassenen Vorlage eines unbedenklichen nationalen Identitätsdokuments bzw. sonstiger Bescheinigungsmittel konnte die weitere Identität des Beschwerdeführers nicht festgestellt werden. Soweit dieser namentlich genannt wird, legt das Gericht auf die Feststellung wert, dass dies lediglich der Identifizierung des Beschwerdeführers als Verfahrenspartei dient, nicht jedoch eine Feststellung der Identität im Sinne einer Vorfragebeurteilung iSd § 38 AVG bedeutet.

Der Kritik an der Beweiswürdigung der belangten Behörde in der Beschwerde kann in dieser Hinsicht nicht gefolgt werden. Es ist zwar richtig, dass der Beschwerdeführer seinen Namen und das Jahr seiner Geburt im gesamten Verfahren durchgängig gleichbleibend angegeben hat, jedoch reicht dies alleine nach Ansicht des erkennenden Richters nicht aus, um seine Identität, abgesehen von Staatsangehörigkeit und Volksgruppenzugehörigkeit, mit der für das Verfahren gebotenen Sicherheit festzustellen. Insbesondere wurden die Staatsangehörigkeit und Volksgruppenzugehörigkeit nicht nur aufgrund der Angaben des Beschwerdeführers, sondern, wie bereits ausgeführt, auch aufgrund dessen dargelegten Sprach- und Ortskenntnissen festgestellt.

3.3. Die Feststellungen hinsichtlich der Hinwendung des Beschwerdeführers zum Christentum, konkret zur römisch-katholischen Kirche, stützen sich auf die vorgelegten Unterlagen (Bestätigungsschreiben der Pfarre XXXX, XXXX) in Zusammenschau mit dem glaubwürdigen Eindruck, den der Beschwerdeführer in der mündlichen Beschwerdeverhandlung auf den erkennenden Richter hinsichtlich der Konversion gemacht hat. Der Beschwerdeführer hat mit seinen Aussagen in der mündlichen Beschwerdeverhandlung glaubhaft dargelegt, dass er seinen Entschluss, vom sunnitischen Islam zum Christentum zu konvertieren, aus freier persönlicher Überzeugung während seines Aufenthalts in Österreich gefasst hat. Er konnte schlüssig darlegen, dass er sich in Österreich mit dem Christentum befasst und zu einer Konversion entschieden hat (Verhandlungsprotokoll 27.03.2018, S 12 ff). Dies steht auch im Einklang mit dem Vorbringen des Beschwerdeführers in der Einvernahme vom 16.10.2017, wo er angab, eine Entscheidung treffen zu wollen ("Zurzeit bin ich noch Moslem, jedoch seitdem ich mich mit dem Christentum befasse, gefällt mir das Christentum immer mehr. Ich möchte mich mit beiden Religionen noch mehr auseinandersetzen und dann eine Entscheidung treffen. Wenn ich volljährig bin, bin ich dann in der Lage, eine Entscheidung zu treffen.", EV 16.10.2017, AS 113). Der Beschwerdeführer konnte ebenfalls glaubhaft darlegen, wie er den christlichen Glauben im täglichen Leben praktiziert und was er im Taufkurs gelernt hat (Verhandlungsprotokoll 27.03.2018, S 6, 15 f), dies in Übereinstimmung mit dem vorgelegten Bestätigungsschreiben der Pfarre. Der erkennende Richter zweifelt nicht an der Ernsthaftigkeit der Absicht des Beschwerdeführers, tatsächlich zum Christentum zu konvertieren.

Das Vorbringen des Beschwerdeführers, er sei bereits in Afghanistan aufgrund seines Interesses am Christentum Verfolgung in asylrelevantem Ausmaß ausgesetzt gewesen, konnte mangels Glaubwürdigkeit den Feststellungen nicht zugrunde gelegt werden. Hierzu ist auszuführen, dass der Beschwerdeführer in seiner Einvernahme vom 16.10.2017 angab, bei ihm sei im Schulrucksack eine Bibel gefunden worden und er sei daraufhin als Ungläubiger beschimpft und verprügelt worden. Außerdem sei im Haus seiner Eltern ein Fenster mit einem Stein eingeworfen worden. Seine Bibel sei ihm vom Schulleiter abgenommen worden. Die Polizei habe gewusst, dass er eine Bibel besessen habe und hätte ihn die Regierung getötet, wenn er zur Polizei gegangen wäre (EV 16.10.2017, AS 111 ff). Nachgefragt, welcher Religion er angehöre, gab der Beschwerdeführer in dieser Einvernahme an, er sei Moslem, je mehr er sich jedoch mit dem Christentum befasse, desto mehr gefalle ihm dieses (EV 16.10.2017, AS 113). Dem gegenüber gab der Beschwerdeführer in der Verhandlung vom 27.03.2018 an, es sei nicht eine Bibel, sondern ein Buch über das Christentum in seinem Schulrucksack gefunden worden und er habe auch schon in Afghanistan im Internet die Bedeutung bestimmter christlicher Begriffe recherchiert. Um an das Buch zu gelangen, sei er in verschieden Geschäfte gegangen und dann in eine alte Bibliothek, wo ihm ein alter Mann das Buch um viel Geld beschafft habe (Verhandlungsprotokoll 27.03.2018, S 11 ff).

Zunächst ist anzumerken, dass der Beschwerdeführer sein Vorbringen zwischen der Einvernahme und der Verhandlung wesentlich abänderte, indem er nämlich zuerst angab, er habe eine Bibel in der Schule mitgehabt und dies in Folge dahingehend abschwächte, es habe sich um ein Buch über das Christentum gehandelt. Es handelt sich hierbei um einen erheblichen Widerspruch, da die Bibel, als zentrale, dem christlichen Glauben zugrundeliegende Schrift sich von einem Buch mit allgemeinen Informationen über das Christentum doch wesentlich unterscheidet und folglich die Vorbringen des Beschwerdeführers wesentlich voneinander abweichen.

Des Weiteren scheint es nicht nachvollziehbar, dass der Beschwerdeführer, obwohl er wusste, dass er diesbezüglich Probleme bekommen könnte und auch große Angst hatte, jemand anderer könnte von seinem Interesse erfahren, sich einem fremden Mann anvertraut haben soll und ihm dieser, dieselbe Gefahr wie der Beschwerdeführer laufend, das Buch beschafft haben soll. Warum er die Gefahr in Kauf nehmen sollte, ein Buch über das Christentum zu erwerben, wenn er die Informationen ohnehin, wie er auch angab, im Internet recherchieren konnte, vermochte der Beschwerdeführer nicht schlüssig darzulegen.

Der Beschwerdeführer konnte in der mündlichen Verhandlung auch nicht erklären, warum er mit dem Buch dermaßen unvorsichtig umgegangen sein, es zwischen den anderen Büchern liegen gelassen und dann mit diesen versehentlich in den Schulrucksack gepackt haben soll (Verhandlungsprotokoll 27.03.2018, S 14). Es erscheint nicht nachvollziehbar, dass der Beschwerdeführer einerseits - seinen Angaben nach - beim Kauf des Buches große Angst gehabt haben soll und sich des Risikos, das der Kauf und der Besitz des Buches mit sich bringt, bewusst gewesen sein soll und er andererseits nichtsdestotrotz mit dem Buch zu Hause dermaßen leichtfertig umging, dass es versehentlich in seinen Schulrucksack mitrutschen konnte.

Aufgrund dieser Überlegungen war das Vorbringen des Beschwerdeführers, er sei bereits in Afghanistan aufgrund seines Interesses am Christentum Verfolgung in asylrelevantem Ausmaß ausgesetzt gewesen, als nicht glaubwürdig zu beurteilen und konnte dies nicht festgestellt werden.

Es konnte jedoch, wie erläutert, festgestellt werden, dass der der Beschwerdeführer sich nach seiner Ausreise aus seinem Herkunftsstaat dem Christentum zugewandt hat, seine Konversion im Laufe des Verfahrens erfolgt ist und seine Konversion somit nicht Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung ist. Besonders hervorzuheben ist auch in diesem Zusammenhang, dass sich der Beschwerdeführer sowohl in der Erstbefragung vom 17.02.2016 als auch in der Einvernahme vom 16.10.2017 als dem sunnitischen Islam zugehörig bezeichnete (EB 17.02.2016 AS 1; EV 16.10.2017, AS 133). Dies steht mit der bereits erläuterten Angabe des Beschwerdeführers in der Einvernahme vom 16.10.2017, wonach er hinsichtlich seines Glaubens erst eine Entscheidung treffen werde, im Einklang.

Selbst wenn man das Vorbringen des Beschwerdeführers, er habe in Afghanistan Probleme bekommen, weil er eine Bibel bzw. ein Buch über das Christentum besessen habe, als glaubwürdig annehmen würde, hat der Beschwerdeführer keine Aussagen darüber getätigt, dass er zu diesem Zeitpunkt schon die konkrete Absicht gehabt habe, zum Christentum zu konvertieren ("Ich wollte mich mit den Religionen befassen und mich für eine Religion entscheiden. Vielleicht für den Islam, vielleicht auch für das Christentum.", EV 16.10.2016, AS 113; "Nachdem ich mich mit dem Christentum ein wenig beschäftigt habe und erfahren habe, dass Jesus Sohn Gottes ist, dass das Christentum aus der Dreifaltigkeit zusammengesetzt ist, bin ich zu dem Schluss gekommen, dass das Christentum die beste Religion ist.", Verhandlungsprotokoll 27.03.2018, S 14). Insbesondere gab der Beschwerdeführer an, er habe sich in Afghanistan über das Christentum informieren wollen ("Zu jenem Zeitpunkt, als ich versucht habe, ein Buch über das Christentum zu finden, habe ich mich mit dem Thema von verschiedenen Religionen auseinander gesetzt. Im Koran wird Jesus erwähnt, ich wusste, dass es den christlichen Glauben gibt, ich wollte herausfinden, welche Unterschiede es [...] gibt und welche Religion die bessere ist", Verhandlungsprotokoll 27.03.2018, S 14). Es kann daher nicht davon ausgegangen werden, dass der Beschwerdeführer bereits im Herkunftsstaat über eine christlich-religiöse Überzeugung verfügt hat.

Aus den Länderfeststellungen geht hervor, dass die Glaubensfreiheit, die auch die freie Religionsauswahl beinhaltet, in Afghanistan für Muslime nicht gilt und die Abkehr vom Islam (Apostasie) nach Scharia-Recht strafbewehrt ist. Es droht die Todesstrafe. Es gibt keine verlässliche Auskunft über die Zahl der Konvertiten, da diese sich nicht öffentlich bekennen. Die gesellschaftliche Einstellung gegenüber konvertierten Christen ist ablehnend. Afghanische Christen bekennen sich nicht offen zu ihrem Glauben und es gibt für sie keine Möglichkeit der Religionsausübung außerhalb des häuslichen Rahmens.

Das Vorbringen des Beschwerdeführers hinsichtlich seiner Furcht vor Verfolgung im Fall der Rückkehr nach Afghanistan auf Grund der Konversion war in ganzheitlicher Würdigung der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, insbesondere unter Berücksichtigung der vorliegenden Länderberichte zur allgemeinen Lage von Christen und Konvertiten in Afghanistan, als glaubhaft zu beurteilen. Unter diesem Gesichtspunkt erscheint auch die Angabe des Beschwerdeführers, er habe in seiner Familie niemandem außer seinem Vater von der Konversion erzählt, schlüssig und nachvollziehbar.

Es ist demnach in einer Gesamtschau insgesamt davon auszugehen, dass dem Beschwerdeführer aufgrund seiner Konversion im Fall seiner Rückkehr nach Afghanistan mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus asylrelevanten Gründen drohen würde und die staatlichen Einrichtungen Afghanistan nicht Willens und in der Lage sein würden, dem Beschwerdeführer vor dieser Verfolgung im ausreichenden Maß Schutz zu bieten.

Es ist im Beschwerdeverfahren nicht hervorgekommen, dass die Konversion des Beschwerdeführers zum christlichen Glauben bloß asylzweckbezogen zum Schein erfolgt wäre, sondern vielmehr, dass der Beschwerdeführer aus innerer Überzeugung konvertiert ist (Verhandlungsprotokoll 27.03.2018, S 6, 14 f).

3.4. Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer strafgerichtlich unbescholten ist, ergibt sich aufgrund eines amtswegig eingeholten aktuellen Auszugs aus dem Strafregister.

3.5. Die oben getroffenen Feststellungen zur Situation von Christen und Konvertiten im Herkunftsstaat ergeben sich aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl zu Afghanistan, Stand 31.01.2018, sowie einem Auszug aus den UNHCR Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 19.04.2016. Die Feststellungen gründen sich auf Berichte verschiedener anerkannter und teilweise vor Ort agierender staatlicher und nichtstaatlicher Institutionen und Personen, die in ihren Aussagen ein übereinstimmendes und schlüssiges Gesamtbild der Situation in Afghanistan ergeben. Angesichts der Seriosität der angeführten Erkenntnisquellen und der Plausibilität der überwiegend übereinstimmenden Aussagen besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln. Insoweit den Feststellungen Berichte älteren Datums zugrunde liegen, ist auszuführen, dass sich seither die darin angeführten Umstände unter Berücksichtigung der dem BVwG von Amts wegen vorliegenden Berichte aktuelleren Datums für die Beurteilung der gegenwärtigen Situation fallrelevant nicht wesentlich geändert haben.

4. Rechtliche Beurteilung:

4.1. zu Spruchteil A)

4.1.1. Rechtsgrundlagen

4.1.1.1. Asyl

Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einer Fremden, die in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht wegen Drittstaatsicherheit oder Zuständigkeit eines anderen Staates zurückzuweisen ist, der Status der Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihr im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z. 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht.

Flüchtling im Sinne der Bestimmung ist demnach, wer aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, sich außerhalb des Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich infolge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

Zentraler Aspekt des Flüchtlingsbegriffs der GFK ist die "wohlbegründete Furcht vor Verfolgung". Wohlbegründet kann eine Furcht nur dann sein, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers und unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist (vgl. VwGH 22.12.1999, 99/01/0334; 21.12.2000, 2000/01/0131; 25.01.2001, 2001/20/0011).

Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre der Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (vgl. VwGH 21.12.2000, 2000/01/0131; 25.01.2003, 2001/20/0011). Für eine wohlbegründete Furcht vor Verfolgung ist es nicht erforderlich, dass bereits Verfolgungshandlungen gesetzt worden sind; sie ist vielmehr bereits dann anzunehmen, wenn solche Handlungen zu befürchten sind (vgl. VwGH 26.02.1997, 95/01/0454; 09.04.1997, 95/01/0555), denn die Verfolgungsgefahr - Bezugspunkt der Furcht vor Verfolgung - bezieht sich nicht auf vergangene Ereignisse (vgl. VwGH 18.04.1996, 95/20/0239; 16.02.2000, 99/01/0097), sondern erfordert eine Prognose. Relevant kann aber nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr sein; sie muss vorliegen, wenn der Asylbescheid erlassen wird; auf diesen Zeitpunkt hat die Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus den genannten Gründen zu befürchten habe (vgl. VwGH 09.03.1999, 98/01/0318; 19.10.2000, 98/20/0233). Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in einem der Gründe haben, welche Art. 1 Abschnitt A Z. 2 GFK nennt (vgl. VwGH 09.09.1993, 93/01/0284; 15.03.2001, 99/20/0128); sie muss Ursache dafür sein, dass sich der Asylwerber außerhalb seines Heimatlandes befindet.

Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat zurechenbar sein (vgl. VwGH 16.06.1994, 94/19/0183; 18.02.1999, 98/20/0468). Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. VwGH 28.03.1995, 95/19/0041; VwGH 27.06.1995, 94/20/0836; VwGH 23.07.1999, 99/20/0208; VwGH 21.09.2000, 99/20/0373; VwGH 26.02.2002, 99/20/0509 m. w. N.; VwGH 12.09.2002, 99/20/0505 sowie VwGH 17.09.2003, 2001/20/0177) ist eine Verfolgungshandlung nicht nur dann relevant, wenn sie unmittelbar von staatlichen Organen (aus Gründen der GFK) gesetzt worden ist, sondern auch dann, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, Handlungen mit Verfolgungscharakter zu unterbinden, die nicht von staatlichen Stellen ausgehen, sofern diese Handlungen - würden sie von staatlichen Organen gesetzt - asylrelevant wären.

Verfolgungsgefahr kann nicht ausschließlich aus individuell gegenüber dem Einzelnen gesetzten Einzelverfolgungsmaßnahmen abgeleitet werden, vielmehr kann sie auch darin begründet sein, dass regelmäßig Maßnahmen zielgerichtet gegen Dritte gesetzt werden, und zwar wegen einer Eigenschaft, die der Betreffende mit diesen Personen teilt, sodass die begründete Annahme besteht, (auch) er könnte unabhängig von individuellen Momenten solchen Maßnahmen ausgesetzt werden (VwGH 09.03.1999, 98/01/0370, VwGH 22.10.2002, 2000/01/0322).

4.1.1.2. Subjektive Nachfluchtgründe

§ 3 Abs. 2 AsylG 2005 lautet: "(2) Die Verfolgung kann auch auf Ereignissen beruhen, die eingetreten sind, nachdem der Fremde seinen Herkunftsstaat verlassen hat (objektive Nachfluchtgründe) oder auf Aktivitäten des Fremden beruhen, die dieser seit Verlassen des Herkunftsstaates gesetzt hat, die insbesondere Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung sind (subjektive Nachfluchtgründe)."

§ 3 Abs. 2 AsylG 2005 ist Art. 5 Abs. 2 der Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13.12.2011 über die Normen für die Anerkennung von Dirttstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes Abl L 337/9 vom 20.12.2011 (Statusrichtlinie), nachgebildet.

Art. 5 Abs. 2 Statusrichtlinie lautet: "Die begründete Furcht vor Verfolgung oder die tatsächliche Gefahr, einen ernsthaften Schaden zu erleiden, kann auf Aktivitäten des Antragstellers nach Verlassen des Herkunftslandes beruhen, insbesondere wenn die Aktivitäten, auf die er sich stützt, nachweislich Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsland bestehenden Überzeugung oder Ausrichtung sind."

Der VfGH hat ausgesprochen, dass asylrelevante Verfolgung gemäß § 3 Abs. 2 AsylG 2005 auch auf Aktivitäten beruhen kann, die der Fremde seit dem Verlassen des Herkunftsstaats gesetzt hat (VfGH 12.12.2013, U 2272/2012).

4.1.1.3. Innerstaatliche Flucht- bzw. Schutzalternative

Die Voraussetzungen der GFK sind nur bei jenem Flüchtling gegeben, der im gesamten Staatsgebiet seines Heimatlandes keinen ausreichenden Schutz vor der konkreten Verfolgung findet (VwGH 08.10.1980, VwSlg 10.255A). Steht dem Asylwerber die Einreise in Landesteile seines Heimatstaates offen, in denen er frei von Furcht leben kann, und ist ihm dies zumutbar, so bedarf er des asylrechtlichen Schutzes nicht; in diesem Fall liegt eine sog. "innerstaatliche Fluchtalternative" vor. Der Begriff "innerstaatliche Fluchtalternative" trägt dem Umstand Rechnung, dass sich die wohlbegründete Frucht vor Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK, wenn sie die Flüchtlingseigenschaft begründen soll, auf das gesamte Staatsgebiet des Heimatstaates des Asylwerbers beziehen muss (VwGH 08.09.1999, 98/01/0503 und 98/01/06/01/0648). Damit ist nicht das Erfordernis einer landesweiten Verfolgung gemeint, sondern vielmehr, dass sich die asylrelevante Verfolgungsgefahr für den Betroffenen - mangels zumutbarer Ausweichmöglichkeiten innerhalb des Herkunftsstaates - im gesamten Herkunftsstaat auswirken muss (VwGH 09.11.2004, 2003/01/0543). Das Zumutbarkeitskalkül, das dem Konzept einer innerstaatlichen Flucht- oder Schutzalternative innewohnt, setzt daher voraus, dass der Asylwerber dort nicht in eine auswegslose Lage gerät, zumal auch wirtschaftliche Benachteiligungen dann asylrelevant sein können, wenn sie jede Existenzgrundlage entziehen (VwGH 08.09.1999, 98/01/0614; VwGH 29.03.2001, 2000/20/0539).

4.1.1.4. Asylausschlussgründe

Ein Fremder ist nach § 6 Abs. 1 AsylG von der Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten ausgeschlossen, wenn und solange er Schutz gemäß Art. 1 Abschnitt D der GFK genießt; einer der in Art. 1 Abschnitt F der GKF genannten Ausschlussgründe vorliegt; aus stichhaltigen Gründen angenommen werden kann, dass der Fremde eine Gefahr für die Sicherheit der Republik Österreich darstellt, oder er von einem inländischen Gericht wegen eines besonders schweren Verbrechens rechtskräftig verurteilt worden ist und wegen dieses strafbaren Verhaltens eine Gefahr für die Gemeinschaft bedeutet. Einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des § 73 StGB, BGBl. Nr. 60/1974 entspricht.

4.1.2. Anwendung der Rechtsgrundlagen auf die gegenständliche Beschwerde

Auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens und des festgestellten Sachverhaltes ergibt sich, dass die behauptete Furcht des Beschwerdeführers, in seinem Herkunftsstaat mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit aus den in der GFK genannten Gründen verfolgt zu werden, begründet ist.

Ein in seiner Intensität asylrelevanter Eingriff in die vom Staat zu schützende Sphäre des Einzelnen führt dann zur Flüchtlingseigenschaft, wenn er an einem in Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK festgelegten Grund, nämlich Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politische Gesinnung anknüpft.

Mit dem Vorbringen des Beschwerdeführers, wegen seiner Konversion zum christlichen Glauben im Fall seiner Rückkehr nach Afghanistan aus religiösen Gründen verfolgt zu werden, macht der Beschwerdeführer einen subjektiven Nachfluchtgrund geltend (vgl. § 3 Abs. 2 AsylG 2005).

Wie der VwGH bereits wiederholt ausgeführt hat können diese neuen - in Österreich eingetretenen - Umstände, mit denen ein Asylwerber seine Furcht vor Verfolgung nunmehr begründet, grundsätzlich zur Asylgewährung führen. Sie sind daher zu überprüfen, wenn sie geeignet sind, die Annahme "wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung" zu rechtfertigen (VwGH 18.09.1997, 96/20/0323).

Allein aus der Zugehörigkeit zu einer religiösen Minderheit kann das Vorliegen von Verfolgung im Sinne der GFK aber nicht abgeleitet werden (VwGH 09.11.1995, 94/19/1414). Es sind darüber hinausgehende konkret gegen den Asylwerber gerichtete, von staatlichen Stellen ausgehende bzw. von diesen geduldete Verfolgungshandlungen gegen seine Person erforderlich, um die Flüchtlingseigenschaft des Asylwerbers zu erweisen (VwGH 08.07.2000, 99/20/0203; VwGH 21.09.2000, 98/20/0557).

Bei einer erst nach Verlassen des Herkunftsstaates erfolgten Konversion eines Fremden vom Islam zum Christentum ist zu prüfen, ob die Konversion allenfalls bloß zum Schein erfolgt ist. Hat der Fremde nicht behauptet, im Fall seiner Rückkehr in seinen Herkunftsstaat wieder vom christlichen Glauben zum Islam übertreten zu wollen, und ist der Fremde nicht nur zum Schein zum Christentum konvertie

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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