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50 GewerberechtNorm
B-VG Art140 Abs1 / IndividualantragLeitsatz
Zurückweisung eines Individualantrags auf Feststellung der Verfassungswidrigkeit bzw Aufhebung von Bestimmungen der Gewerbeordnung betreffend das Rauchfangkehrergewerbe; keine Wirksamkeit der bereits außer Kraft getretenen Bestimmungen aufgrund materieller Derogation; keine Darlegung spezifischer Bedenken gegen andere Bestimmungen; Unzulässigkeit des Austauschs des Prüfungsgegenstandes durch einen ergänzenden AntragSpruch
Die Anträge werden zurückgewiesen.
Begründung
Begründung:
I.1. Die drei Antragstellerinnen üben das Rauchfangkehrergewerbe in der Rechtsform einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung aus. Die Konzession hiefür wurde ihnen jeweils vor dem 1. Jänner 1989 erteilt.
a) Mit einem mit 11. November 1996 datierten, beim Verfassungsgerichtshof am 13. November 1996 eingelangten, auf Art140 Abs1 (letzter Satz) B-VG gestützten Antrag begehren sie, §108 Abs1 erster Satz, §110 letzter Satz und §376 Z28 Abs4 letzter Satz der Gewerbeordnung 1994 - GewO 1994, BGBl. 194, wegen Verletzung der Erwerbsfreiheit und des Gleichheitsgrundsatzes als verfassungswidrig aufzuheben.
b) Mit einem als "Ergänzung des Antrages" bezeichneten Schriftsatz, der beim Verfassungsgerichtshof am 31. Juli 1997 eingelangt ist, modifizierten die antragstellenden Gesellschaften ihr unter a) wiedergegebenes Begehren dahin, festzustellen, daß §108 Abs1 erster Satz und §110 letzter Satz GewO 1994, BGBl. 194, verfassungswidrig waren.
Weiters ergänzten sie ihren Antrag dahin, (auch) §102 Abs1 erster Satz und - wegen des sprachlichen Zusammenhanges und des Regelungszusammenhanges - das Wort "weiters" im §102 Abs1 zweiter Satz sowie §102 Abs4 und §376 Z28 Abs8 letzter Satz GewO 1994 idF BGBl. I 63/1997 als verfassungswidrig aufzuheben. Diesen ergänzenden Antrag verbanden die Antragstellerinnen mit dem Begehren, im Erkenntnis gemäß Art140 Abs6 B-VG auszusprechen, daß die §§108 Abs1 erster Satz und §110 letzter Satz GewO 1994 - im Hinblick auf deren Verfassungswidrigkeit - nicht wieder in Kraft treten.
2. Mit der Gewerberechtsnovelle 1988, BGBl. 399, wurde die bis dahin sowohl für natürliche Personen als auch für Personengesellschaften des Handelsrechts, als auch für juristische Personen bestehende Möglichkeit, das damals konzessionierte Rauchfangkehrergewerbe nach Erlangung einer entsprechenden Konzession auszuüben, auf natürliche Personen und auf Personengesellschaften des Handelsrechts, deren persönlich haftender Gesellschafter natürliche Personen sein mußten, beschränkt (vgl. §173 GewO 1973 idF BGBl. 399/1988).
Durch die Gewerberechtsnovelle 1992, BGBl. 29/1993, wurde das Rauchfangkehrergewerbe zu einem Handwerk erklärt (§94 Z12), für dessen Ausübung eine Gewerbeberechtigung erforderlich ist (§109); der Ausschluß juristischer Personen von der Ausübung dieses Gewerbes wurde aufrecht erhalten (§110 GewO 1973 idF BGBl. 29/1993).
Mit Kundmachung BGBl. 194/1994 wurde die GewO 1973 als GewO 1994 wiederverlautbart.
a) Die (bei der Wiedergabe hervorgehobenen) angefochtenen Bestimmungen der GewO 1994, BGBl. 194, lauten in ihrem Kontext wie folgt:
"§108. (1) Das Handwerk der Rauchfangkehrer darf nur von natürlichen Personen oder Personengesellschaften des Handelsrechtes, deren persönlich haftende Gesellschafter natürliche Personen sind, ausgeübt werden. Die Ausübung des Handwerks der Rauchfangkehrer erfordert weiters
1. daß der Anmelder nicht schon im selben oder in zwei verschiedenen Kehrgebieten das Rauchfangkehrergewerbe als Gewerbeinhaber oder Pächter ausübt oder
als Geschäftsführer oder Filialgeschäftsführer im Rauchfangkehrergewerbe tätig ist,
2. bei natürlichen Personen die österreichische Staatsbürgerschaft und ihren Wohnsitz im Inland,
3. bei Personengesellschaften des Handelsrechtes ihre Hauptniederlassung im Inland und die österreichische Staatsbürgerschaft der geschäftsführungs- und vertretungsbefugten Gesellschafter sowie deren Wohnsitz im Inland und
4. das Vorliegen eines Bedarfes nach der beabsichtigten Gewerbeausübung.
(2) ...
(3) Den im Abs1 Z1 bis 3 bezeichneten Voraussetzungen haben die Gewerbetreibenden auch während der gesamten Dauer der Gewerbeausübung zu entsprechen. Die Gewerbeberechtigung ist von der Behörde (§361 Abs1) zu entziehen, wenn diese Voraussetzungen nicht mehr zur Gänze erfüllt werden."
"§110. Die Ausübung des Rauchfangkehrerhandwerks durch einen Geschäftsführer (§39) oder die Übertragung der Ausübung dieses Gewerbes an einen Pächter (§40) ist nur zulässig, wenn dem Gewerbeinhaber die persönliche Ausübung nicht möglich ist oder für ihn erhebliche Nachteile besorgen läßt und wenn der Geschäftsführer oder Pächter nicht schon im selben oder in zwei verschiedenen Kehrgebieten das Rauchfangkehrerhandwerk als Gewerbeinhaber oder Pächter ausübt oder als Geschäftsführer oder Filialgeschäftsführer im Rauchfangkehrerhandwerk tätig ist. Abweichend von §9 Abs3 erster Satz muß der Geschäftsführer einer Personengesellschaft des Handelsrechtes oder einer eingetragenen Erwerbsgesellschaft persönlich haftender Gesellschafter sein, der nach dem Gesellschaftsvertrag zur Geschäftsführung und zur Vertretung der Gesellschaft berechtigt ist."
(Mit diesem durch das Gesellschaftsrechtsänderungsgesetz 1993, BGBl. 458, dem §110 GewO 1994 (i.e. §112 GewO 1973) angefügten (angefochtenen) letzten Satz wird die durch die Gewerberechtsnovelle 1992, BGBl. 29/1993, durch Ergänzung des §9 Abs3 vorgesehene weitere Möglichkeit der Bestellung eines bestimmten Anforderungen entsprechenden Arbeitnehmers zum Geschäftsführer für den Bereich des Rauchfangkehrerhandwerks wieder ausgeschlossen.)
In §376 GewO 1994 enthalten die Abs3 und 4 der Z28 Übergangsbestimmungen zu §108 und §110. Der für juristische Personen, die zur Ausübung des Rauchfangkehrergewerbes befugt waren, maßgebliche Abs4, dessen letzter Satz ebenfalls durch das Gesellschaftsrechtsänderungsgesetz 1993 angefügt worden ist, lautet:
"(4) Bei juristischen Personen, denen vor dem 1. Jänner 1989 die Konzession für das Rauchfangkehrergewerbe erteilt wurde, müssen Personen, die nach diesem Zeitpunkt in das zur gesetzlichen Vertretung berufene Organ der juristischen Person berufen werden, ihren Wohnsitz im Inland haben und österreichische Staatsbürger sein, widrigenfalls die Gewerberechtigung durch die Behörde (§361 Abs1) zu entziehen ist. Gewerbeberechtigungen von juristischen Personen im Sinne des ersten Satzes erlöschen mit Ablauf von fünf Jahren ab dem Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 29/1993."
b) Mit ArtI des unter der Überschrift "Gewerbliches Berufsrecht" stehenden 1. Abschnittes des Bundesgesetzes, mit dem die Gewerbeordnung 1994, das Arbeitsverfassungsgesetz, das Bankwesengesetz, das Einführungsgesetz zu den Verwaltensverfahrensgesetzen 1991 und das Arbeitsinspektionsgesetz 1993 geändert werden, BGBl. I 63/1997, wurden die Bestimmunden der GewO 1994 über das Rauchfangkehrergewerbe, die durch die Gewerberechtsnovelle 1996, BGBl. I 10/1997 unverändert blieben, neuerlich geändert:
Die (in der Wiedergabe hervorgehobenen) angefochtenen Bestimmungen in der Fassung dieser Novelle sind gemäß Art49 Abs1 B-VG am 1. Juli 1997, also nach Einbringung des unter Pkt. I.1.a) wiedergegebenen Antrages, in Kraft getreten und lauten wie folgt (wobei §102 den §108 der GewO 1994 ersetzt):
"§102. (1) Das Handwerk der Rauchfangkehrer darf nur von natürlichen Personen ausgeübt werden. Die Ausübung des Handwerks der Rauchfangkehrer erfordert weiters
1. daß der Anmelder nicht schon im selben oder in zwei verschiedenen Kehrgebieten das Rauchfangkehrergewerbe als Gewerbeinhaber oder Pächter ausübt oder als Geschäftsführer oder Filialgeschäftsführer im Rauchfangkehrerhandwerk tätig ist,
2. die österreichische Staatsbürgerschaft und den Wohnsitz im Inland und
3. das Vorliegen eines Bedarfes nach der beabsichtigten Ausübung des Handwerks.
(2) ...
(3) Den im Abs1 Z1 und 2 bezeichneten Voraussetzungen haben die Gewerbetreibenden auch während der gesamten Dauer der Ausübung des Handwerks zu entsprechen. Die Gewerbeberechtigung ist von der Behörde (§361 Abs1) zu entziehen, wenn diese Voraussetzungen nicht mehr zur Gänze erfüllt werden.
(4) Personengesellschaften des Handelsrechtes, deren persönlich haftende Gesellschafter natürliche Personen sind, dürfen noch bis zum 1. Juli 2001 das Rauchfangkehrerhandwerk ausüben. Mit Ablauf des 1. Juli 2001 erlischt die Gewerbeberechtigung."
§104 GewO 1994 idF der Novelle BGBl. I 63/1997 ersetzt §110 GewO 1994, läßt aber den durch die Novelle BGBl. 458/1993 dem §110 angefügten letzten Satz wieder weg, der sich nunmehr in adaptierter Form als erster Satz des neu eingefügten Abs8 der Z28 des Übergangsbestimmungen enthaltenden §376 GewO 1994 findet.
Die (oben unter Pkt. I.2.a)) wiedergegebenen Übergangsbestimmungen der Abs3 und 4 der Z28 des §376 GewO 1994 beziehen sich nunmehr auf die durch die Novelle BGBl. I 63/1997 in §§102 und 104 umbenannten Bestimmungen (bisher §§108 und 110) der GewO 1994. Ihnen wurden folgende Abs6 bis 8 angefügt:
"(6) Die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 63/1997 zur Ausübung des Rauchfangkehrerhandwerks berechtigten Personengesellschaften des Handelsrechtes müssen ihre Hauptniederlassung im Inland haben. Die geschäftsführungs- und vertretungsbefugten Gesellschafter müssen die österreichische Staatsbürgerschaft besitzen sowie ihren Wohnsitz im Inland haben. Die Gewerbeberechtigung ist von der Behörde (§361 Abs1) zu entziehen, wenn diese Voraussetzungen nicht mehr zur Gänze erfüllt werden.
(7) Eine Ausübung des Rauchfangkehrerhandwerks im Sinne des §102 Abs1 Z1 liegt vor, wenn der Anmelder persönlich haftender Gesellschafter einer Personengesellschaft des Handelsrechtes ist, die zur Ausübung des Rauchfangkehrerhandwerkes berechtigt ist, oder wenn dem Anmelder sonst ein maßgebender Einfluß auf den Betrieb der Geschäfte einer zur Ausübung des Rauchfangkehrerhandwerks berechtigten Personengesellschaft des Handelsrechtes zusteht.
(8) Abweichend von §9 Abs3 erster Satz muß der Geschäftsführer einer Personengesellschaft des Handelsrechtes persönlich haftender Gesellschafter sein, der nach dem Gesellschaftsvertrag zur Geschäftsführung und zur Vertretung der Gesellschaft berechtigt ist. Eine Ausübung des Rauchfangkehrerhandwerks im Sinne des §104 liegt auch vor, wenn auf den Geschäftsführer oder Pächter die Voraussetzungen des Abs7 zutreffen."
3. a) Ihre Antragslegitimation halten die Gesellschaften aus folgenden Gründen für gegeben:
"Durch die ... Bestimmungen (der §§108 und 110 GewO 1994) wird den Antragstellerinnen die Rechtspflicht auferlegt, die Gesellschaften mit beschränkter Haftung in Personengesellschaften des Handelsrechts oder in eingetragene Erwerbsgesellschaften umzuwandeln und einen gewerberechtlichen Geschäftsführer zu bestellen, der persönlich haftender Gesellschafter ist. Bei Nichterfüllung dieser Pflicht erlöschen gemäß §376 Abs4 Z28 GewO die Gewerbeberechtigungen sämtlicher Antragstellerinnen mit Ablauf des 30.6.1998 (automatisch). Die Antragstellerinnen müssen daher für den Fall, daß sie sich nicht in eine der vom Gesetzgeber bevorzugten Gesellschaftsformen umwandeln, mit der Verhängung von Verwaltungsstrafen gegen ihre nach §9 VStG verantwortlichen Geschäftsführer rechnen. Dadurch sind sie unmittelbar durch die bekämpften Bestimmungen in ihrem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Erwerbsausübungsfreiheit und Gleichheit vor dem Gesetz verletzt, ohne daß eine gerichtliche Entscheidung gefällt oder ein Bescheid für sie wirksam geworden ist. Im Hinblick darauf, daß den Antragstellerinnen der Verlust der Gewerbeberechtigungen droht und damit der Eingriff in ihre Rechtssphäre unmittelbar bevorsteht, greifen die bekämpften Bestimmungen aktuell und nicht nur potentiell in die Rechtssphäre der Antragstellerinnen ein. Das Beschreiten eines anderen Weges, um sich gegen die verfassungswidrigen Gesetzesbestimmungen zur Wehr zu setzen, bestünde für die Antragstellerinnen darin, den 1.7.1998 abzuwarten, die Gesellschaften der Antragstellerinnen nicht gemäß den zitierten Bestimmungen umzuwandeln, dann ihre Geschäftsführer wegen unbefugter Gewerbeausübung bestrafen zu lassen und dann die behauptete Verfassungswidrigkeit im Wege der Bekämpfung des Strafbescheides geltend zu machen. Nach ständiger Ansicht des VfGH ist es einem Normunterworfenen jedoch nicht zumutbar, eine verbotene Handlung zu setzen, um sich in einem gegen ihn eingeleiteten Verfahren mit der Behauptung zur Wehr zu setzen, daß die Verbotsnorm verfassungswidrig sei (vgl. VfGH 15.6.1990, G56/89). Den Antragstellerinnen steht somit kein anderer zumutbarer Weg zur Verfügung, um sich gegen die verfassungswidrigen Gesetzesbestimmungen der GewO zur Wehr zu setzen."
Daß sie "als juristische Personen, die das Rauchfangkehrerhandwerk ausüben, von der neuen Bestimmung des §102 erster Satz ebenso unmittelbar betroffen sind wie von der bisherigen des §108 erster Satz", halten die Antragstellerinnen in ihrem (rund einen Monat nach Inkrafttreten der Novelle BGBl. I 63/1997 erstatteten) ergänzenden Schriftsatz für evident,
"schließt doch diese neue Bestimmung ebenso wie die bisher geltende juristische Personen von der Ausübung dieses Gewerbes aus. ... Die neue Regelung geht sogar noch einen Schritt weiter, indem sie auch Personengesellschaften des Handelsrechtes, deren persönlich haftender Gesellschafter natürliche Personen sind, von der Ausübung des Rauchfangkehrergewerbes ausschließen.
Die neue Übergangsbestimmung des §102 Abs4 bildet mit dem ersten Satz des Abs1 eine logische Einheit. Die Antragstellerinnen sind durch diese Übergangsbestimmung unmittelbar betroffen, weil sie nur jenen Personengesellschaften des Handelsrechtes (mit natürlichen Personen als persönlich haftenden Gesellschaftern), die - gemeint offenbar 'im Zeitpunkt des Inkrafttretens dieser Bestimmung' - bereits zulässigerweise das Rauchfangkehrerhandwerk ausüben, gestattet, noch bis 1.7.2001 das Rauchfangkehrergewerbe weiter auszuüben, und keine Vorsorge für juristische Personen trifft, die im Zeitpunkt des Inkrafttretens der neuen Vorschrift am 1.7.1997 noch zulässigerweise das Rauchfangkehrerhandwerk ausüben. Damit verwehrt die Übergangsbestimmung des §102 Abs4 den juristischen Personen den einzigen Ausweg, der ihnen nach der - freilich nach Ansicht der Antragstellerinnen verfassungswidrigen - Rechtslage nach der Gewerberechtsnovelle 1992 geblieben war, nämlich den der Umwandlung der Gesellschaft in eine Personengesellschaft des Handelsrechts (mit physischen Personen als persönlich haftenden Gesellschaftern) die sie nach der bis 30.6.1997 geltenden Rechtslage bis 30.6.1998 vollziehen hätten können.
Die Antragstellerinnen sind daher durch die Bestimmungen der Gewerberechtsnovelle 1997 (gemeint: BG BGBl. I 63/1997) gezwungen, wollen sie nicht ein Erlöschen der Gewerbeberechtigung mit 30.6.1998 und eine Bestrafung ihrer Organe wegen unbefugter Gewerbeausübung riskieren, ihr Rauchfangkehrergewerbe bis spätestens 30.6.1998 auf eine physische Person zu übertragen."
b) Die Bedenken der antragstellenden Gesellschaften gegen die angefochtenen Bestimmungen des §108 Abs1 erster Satz, des §110 letzter Satz und des §376 Z28 Abs4 letzter Satz GewO 1994 gehen dahin, daß diese Bestimmungen gegen die verfassungsgesetzlich gewährleistete Erwerbsfreiheit und gegen den Gleichheitsgrundsatz verstoßen. Die neuen durch ArtI Z30 und 147 des 1. Abschnittes des Bundesgesetzes BGBl. I 63/1997 geschaffenen Regelungen halten die antragstellenden Gesellschaften aus denselben Gründen sowie wegen Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Unversehrtheit des Eigentums für verfassungsrechtlich bedenklich.
4. Die Bundesregierung hat zu diesen Anträgen Äußerungen erstattet, in denen sie primär deren Zurückweisung, in eventu deren Abweisung beantragt.
a) Zur Frage der Zulässigkeit des Antrages vom 11. November 1996 führt die Bundesregierung in ihrer ersten Äußerung aus:
"Im vorliegenden Fall fehlt es den Antragstellerinnen hinsichtlich der §§108 Abs1 erster Satz und 110 letzter Satz GewO 1994 an (der) unmittelbaren Betroffenheit:
Zu §108 Abs1 erster Satz GewO:
Die Antragstellerinnen sind im Besitz einer Konzession (Bewilligung) für die Ausübung des Rauchfangkehrergewerbes. Allen drei Antragstellerinnen wurde die Konzession vor dem 1. Jänner 1989 erteilt. Die Bestimmung des §108 Abs1 GewO 1994 legt die Voraussetzungen für den Gewerbeantritt fest. Dies geht auch daraus hervor, daß §108 Abs1 Z1 GewO 1994 auf den Anmelder Bezug nimmt. Aus §376 Z28 Abs4 erster Satz GewO 1994 ergibt sich, daß juristische Personen, denen vor dem 1. Jänner 1989 die Konzession für das Rauchfangkehrergewerbe erteilt wurde, weiterhin zur Gewerbeausübung berechtigt sind. Es müssen allerdings Personen, die nach diesem Zeitpunkt in das zur gesetzlichen Vertretung berufene Organ der juristischen Person berufen werden, ihren Wohnsitz im Inland haben und österreichische Staatsbürger sein, widrigenfalls die Berechtigung durch die Behörde zu entziehen ist.
Die Bestimmung des §108 Abs1 erster Satz GewO 1994 hindert also juristische Personen, die vor dem 1. Jänner 1989 eine Bewilligung für die Ausübung des Rauchfangkehrergewerbes bereits erlangt haben, nicht daran, das Rauchfangkehrergewerbe weiter auszuüben.
Zu §110 letzter Satz GewO:
Die Antragstellerinnen üben das Rauchfangkehrergewerbe in der Rechtsform einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung aus. Die Bestimmung des §110 letzter Satz GewO 1994 betrifft jedoch nur Personengesellschaften des Handelsrechtes und eingetragene Erwerbsgesellschaften. Besteht die Absicht einer Umgründung (Umwandlung der Gesellschaft mit beschränkter Haftung in eine Personengesellschaft des Handelsrechtes), so ist eine Anzeige nach §11 Abs5 GewO 1994 zu erstatten. Ein im Rahmen des Anzeigeverfahrens erlassener Bescheid gemäß §345 Abs9 GewO 1994, der die weitere Ausübung des Gewerbes durch den Nachfolgeunternehmer untersagt, könnte mittels Bescheidbeschwerde gemäß Art144 B-VG bekämpft werden.
Bei Begründung einer originären Gewerbeberechtigung durch eine Personengesellschaft des Handelsrechtes oder eine eingetragene Erwerbsgesellschaft ist eine Gewerbeanmeldung und die Anzeige der Bestellung eines gewerberechtlichen Geschäftsführers erforderlich. Gegen den negativen Bescheid gemäß §340 Abs7 und §345 Abs9 GewO 1994 könnte Beschwerde gemäß Art144 B-VG erhoben werden und darin unter Darlegung der verfassungsrechtlichen Bedenken die amtswegige Einleitung eines Gesetzesprüfungsverfahrens angeregt werden.
Wie der Verfassungsgerichtshof in seiner umfangreichen Judikatur festgestellt hat, ist die bescheidmäßige Feststellung von Rechten oder Rechtsverhältnissen jedenfalls dann zulässig, wenn sie gesetzlich vorgesehen ist (VfSlg. 9048/1981). Im Lichte der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes steht den Antragstellerinnen daher mit der Erhebung einer Bescheidbeschwerde nach Art144 B-VG ein anderer zumutbarer Weg zur Verfügung (vgl. VfSlg. 10606/1985).
Zu §376 Z28 Abs4 GewO 1994:
Hinsichtlich der Übergangsbestimmung des §376 Z28 Abs4 GewO 1994 fehlt den Antragstellerinnen aus folgendem Grund die Antragslegitimation:
Ein Bundesgesetz ist von seiner Kundmachung an Bestandteil der Rechtsordnung und Bundesgesetz im Sinne des Art140 Abs1 B-VG. Daß die Geltung eines Gesetzes nicht von seinem zeitlichen Anwendungsbereich abhängig ist, ergibt sich unmittelbar aus Art49 Abs1 zweiter Satz B-VG, der die Bundesgesetze ermächtigt, den Beginn ihrer verbindlichen Kraft zu bestimmen (vgl. VfSlg. 6460/1971).
Die Übergangsbestimmung des §376 Z28 Abs4 GewO 1994 bewirkt, daß nach Ablauf der fünfjährigen Frist (das ist am 1.7.1998) nur noch natürliche Personen und Personengesellschaften des Handelsrechts, deren persönlich haftende Gesellschafter natürliche Personen sind, das Handwerk der Rauchfangkehrer ausüben dürfen.
Die Bundesregierung übersieht nicht das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes VfSlg. 11402/1987, gibt jedoch zu bedenken, daß die Antragstellerinnen im vorliegenden Fall - anders als im oben zitierten Erkenntnis - nicht geltend machen können, daß die von ihnen bekämpfte Regelung bereits derzeit unmittelbar für sie negative Rechtswirkungen entfaltet (vgl. auch VfSlg. 10606/1985). Die Bestimmung scheint daher nach Ansicht der Bundesregierung keinen aktuellen Eingriff in die Rechtssphäre der Antragstellerinnen darzustellen, da die angefochtene Bestimmung ihre Wirkung erst am 1.7.1998 entfaltet.
Aus diesen Erwägungen heraus gelangt die Bundesregierung zur Auffassung, daß der vorliegende Antrag mangels Legitimation der Antragstellerinnen zurückzuweisen wäre."
und meint in ihrer zweiten Äußerung zur Zulässigkeit der "Ergänzung dieses Antrages" u.a.:
"Unter Zugrundelegung des gesamten Antragsvorbringens dürfte es ... ausgeschlossen sein, daß die bereits außer Kraft getretenen Bestimmungen des §108 Abs1 erster Satz und des §110 letzter Satz der GewO 1994 für die Antragstellerinnen noch Wirkungen entfalten. Diese Bestimmungen wurden nämlich durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 63/1997 gänzlich neu gefaßt; die besonderen Erfordernisse für die Ausübung des Handwerks der Rauchfangkehrer wären nun ausschließlich auf den Boden der neuen Gesetzeslage zu beurteilen. Den Antragstellerinnen dürfte darum diesbezüglich die - nicht bloß zum Zeitpunkt der Antragseinbringung, sondern auch in dem der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes - erforderliche Legitimation zur Anfechtung fehlen.
Aber auch die mit Schriftsatz vom 28. Juli 1997 vorgenommene 'Modifikation' und 'Ergänzung' des (ursprünglichen) Antragsvorbringens erscheint unzulässig. Der Prüfungsgegenstand ist nämlich - wie der Verfassungsgerichtshof wiederholt ausgesprochen hat (vgl. VfSlg. 13398/1993, 13794/1994, VfGH 11.10.1995, V152/94) - durch das 'ursprüngliche' Antragsbegehren im Sinne des §62 Abs1 VerfGG 1953 (arg: 'bestimmte Stellen des Gesetzes') festgelegt und es besteht für eine Erweiterung oder auch für einen bloßen Austausch des Prüfungsgegenstandes in der von den Antragstellerinnen gewünschten Weise keinerlei gesetzliche Handhabe. Hinzu tritt, daß in keiner Weise dargetan wird, inwiefern die bereits außer Kraft getretenen Bestimmungen der GewO 1994 noch Wirkungen für die Antragstellerinnen entfalten.
Damit erscheint aber mit Ausnahme des auf §376 Z28 Abs4 letzter Satz GewO 1994 gerichteten Begehrens der Antrag sowohl in seiner ursprünglichen als auch in seiner modifizierten und ergänzten Form schon aus diesem Grunde unzulässig."
In bezug auf die Zulässigkeit des Antrages betreffend die Z28 Abs4 des §376 GewO 1994 wird auf die erste Äußerung der Bundesregierung verwiesen, in der angesichts des Ablaufs der Übergangsfrist am 1. Juli 1998 die aktuelle Betroffenheit der Antragstellerinnen in Abrede gestellt wird.
b) In der Sache selbst verteidigt die Bundesregierung die angefochtenen Bestimmungen.
II.Die Anträge sind unzulässig.
1. Nach Art140 Abs1 letzter Satz B-VG bildet eine Voraussetzung des sogenannten Individualantrages auf Gesetzesprüfung, daß das Gesetz - ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides - für die anfechtende Person wirksam geworden ist und in der angefochtenen Fassung für sie weiterhin, d.h. jedenfalls auch noch im Zeitpunkt der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes Wirksamkeit entfaltet (vgl. zB VfSlg. 12413/1990, 13794/1994 und 14249/1995). Werden die den Gegenstand eines Antrages nach Art140 Abs1 letzter Satz B-VG bildenden Normen nach der Antragstellung derart geändert, daß die betreffenden Normen in ihrer ursprünglichen Fassung (für den Antragsteller) keine Wirksamkeit mehr entfalten, so fehlt dem Antragsteller die nicht bloß im Zeitpunkt der Antragseinbringung, sondern auch im Zeitpunkt der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes erforderliche Legitimation zur Anfechtung, sodaß sein Antrag zurückzuweisen ist (vgl. VfSlg. 9868/1983, 12182/1989, 12413/1990).
a) Legt man das ausschließlich maßgebende Antragsvorbringen (vgl. zB VfSlg. 11610/1988) zugrunde, so ist es ausgeschlossen, daß die Bestimmungen des §108 Abs1 erster Satz und des §110 letzter Satz GewO 1994 (in der Fassung der Wiederverlautbarung) für die antragstellenden Gesellschaften noch Wirkungen bezüglich der Fortführung ihres Rauchfangkehrergewerbes in Form einer juristischen Person entfalten, weil diesen Bestimmungen - worauf die antragstellenden Gesellschaften in ihrem ergänzenden Schriftsatz selbst hinweisen - durch die Bestimmungen der §§101 ff. GewO 1994 idF BGBl. I 63/1997 materiell derogiert worden ist; sie können daher den antragstellenden Gesellschaften gegenüber keine Wirksamkeit mehr entfalten.
Den antragstellenden Gesellschaften fehlt demnach insoweit die - nicht bloß im Zeitpunkt der Einbringung des Individualantrages, sondern auch im Zeitpunkt der Entscheidung des Verfassungsgerichtshof hierüber - erforderliche Betroffenheit durch diese bereits außer Kraft getretenen Vorschriften und damit die Legitimation zu deren Anfechtung (vgl. VfSlg. 13057/1992 mwN, 13794/1994 und 14313/1995).
b) Anders verhält es sich zwar mit dem von den antragstellenden Gesellschaften in ihren (ursprünglichen) Aufhebungsantrag miteinbezogenen §376 Z28 Abs4 letzter Satz GewO 1994, der nach wie vor in Geltung steht, jedoch werden gegen seine Verfassungsmäßigkeit keine spezifischen Bedenken geäußert (vgl. §62 Abs1 zweiter Satz VerfGG) und würde seine Aufhebung allein angesichts der Bestimmung des §102 Abs1 iVm Abs3 GewO 1994 idF BGBl. I 63/1997 nicht genügen, um den von den Antragstellerinnen vorgetragenen Bedenken, sollten sie zutreffen, Rechnung zu tragen.
Der Antrag entspricht sohin insoweit nicht den Erfordernissen des §62 Abs1 VerfGG.
2. Daran vermag auch der Umstand nichts zu ändern, daß die Antragstellerinnen im Verfahren mit einem beim Verfassungsgerichtshof am 31. Juli 1997 eingelangten Schriftsatz einen (zuätzlichen) Antrag auf Aufhebung des §102 Abs1 erster Satz, des Wortes "weiters" in §102 Abs1 zweiter Satz, des §102 Abs4 sowie des "§376 Abs8 letzter Satz" (gemeint offenbar: §376 Z28 Abs8 letzter Satz) GewO 1994 idF BGBl. I 63/1997 gestellt haben, wobei die im (ersten) Antrag hinsichtlich bestimmter Regelungen der GewO 1994 geltend gemachten Bedenken nunmehr auf anders geordnete und umnumerierte Regelungen der GewO 1994 in der Neufassung bezogen werden, denn diese Antragsänderung, die auf einen Austausch des Prüfungsgegenstandes hinausläuft, erweist sich im Lichte der bisherigen Judikatur des Verfassungsgerichtshofes ebenfalls als unzulässig:
Wie der Verfassungsgerichtshof schon mehrfach ausgesprochen hat (vgl. etwa VfSlg. 13398/1993, 13794/1994), ist nämlich der Gegenstand eines Gesetzesprüfungsverfahrens durch das (ursprüngliche) Antragsbegehren iSd §62 Abs1 VerfGG ("bestimmte Stellen des Gesetzes") festgelegt, und es besteht für einen Austausch des Prüfungsgegenstandes in der von den Antragstellerinnen gewünschten Weise keinerlei gesetzliche Handhabe. Denn dies liefe auf einen Austausch des Anfechtungsgegenstandes des Individualantrages hinaus, was aber offenkundig unzulässig ist.
3. Aus diesen Gründen waren sowohl der (ursprüngliche) Teile des §108 Abs1, des §110 und des §376 Z28 Abs4 GewO 1994 zum Gegenstand habende Antrag als auch der ergänzende Antrag (auf Aufhebung von Teilen des §102 und des §376 Z28 Abs8 GewO 1994 idF BGBl. I 63/1997) zurückzuweisen, was gemäß §19 Abs3 Z2 lite VerfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden konnte.
Schlagworte
Gewerberecht, Rauchfangkehrergewerbe, VfGH / Individualantrag, VfGH / Prüfungsgegenstand, Derogation materielle, VfGH / Bedenken, VfGH / AntragEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1997:G360.1996Dokumentnummer
JFT_10028872_96G00360_00