Entscheidungsdatum
25.04.2018Norm
AsylG 2005 §10 Abs1 Z3Spruch
W236 1427332-3/12E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Lena BINDER als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Russische Föderation, vertreten durch Rechtsanwalt Mag. Hubert WAGNER, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl jeweils vom 04.08.2017, Zl. 831128004-14535559, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 18.04.2018 zu Recht:
A)
Die Beschwerde wird gemäß § 3 Abs. 1 und § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005, § 57, § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG und § 52 Abs. 2 Z 2 FPG sowie § 52 Abs. 9 iVm § 46 FPG und § 55 Abs. 1 bis 3 FPG als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Erster Antrag auf internationalen Schutz
1.1. Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger der Russischen Föderation und Angehöriger der Tschetschenischen Volksgruppe, reiste gemeinsam mit seiner damaligen Ehefrau und den (damals) drei gemeinsamen Kindern am 22.12.2011 in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am selben Tag einen (ersten) Antrag auf internationalen Schutz.
1.2. Im Zuge seiner Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 24.12.2011 und seiner Einvernahme vor dem Bundesasylamt am 27.03.2012 gab der Beschwerdeführer im Wesentlichen an, dass die Ausreise von seiner Ehefrau organisiert worden sei. Er könne dazu nichts sagen, weil er Probleme mit dem Kopf habe, seit er geschlagen worden sei. Seine Frau erledige und organisiere seither alles. Zu seinen Fluchtgründen befragt gab der Beschwerdeführer an, dass am 06.08.2011, als seine Frau mit den Kindern bei ihren Eltern gewesen sei, ein Nachbar bei ihm übernachtet habe. Am nächsten Morgen, als der Nachbar bereits gegangen gewesen sei, seien maskierte Männer in Militäruniform gekommen, hätten ihn nach dem Nachbarn gefragt, ihm eine Maske über den Kopf gezogen, ihn festgenommen und an einen unbekannten Ort gebracht. Dort sei er geschlagen worden, wisse aber nicht ob mit der Hand oder mit einem Gegenstand. Er wisse nichts darüber und könne auch nichts angeben. Man solle seine Frau fragen. Am 10.08.2011 sei er von diesen Männern auf der Straße wieder ausgesetzt worden, ein Mann sei vorbeigekommen und habe ihm geholfen. Ein Freund habe ihn dann abgeholt und Ärzte geholt. Wann er wieder Kontakt zu seiner Frau gehabt habe, wisse er nicht. Er habe sich bis zu seiner Flucht bei Bekannten in XXXX versteckt. Im Falle seiner Rückkehr fürchte er von den unbekannten Männern getötet zu werden. Seine Ehefrau habe Ladungen bekommen, er wisse aber nicht, wann das gewesen sei.
Zu seiner gesundheitlichen Situation befragt gab der Beschwerdeführer an, dass er wegen seiner Gelenkschmerzen und wegen des Kopfes Medikamente nehme. Als er im Krankenhaus gewesen sei, haben ihm die Ärzte diese Medikamente verschrieben. Er wisse nicht, wann er im Krankenhaus gewesen sei. Er habe das vergessen. Er habe Probleme mit dem Kopf und schlafe nicht gut. Vielleicht habe seine Frau irgendwelche ärztlichen Unterlagen.
Der Beschwerdeführer legte folgende Dokumente und Beweismittel vor:
? Russischer Führerschein, ausgestellt am 29.03.2003;
? Heiratsurkunde ausgestellt am 15.08.2003 vom Standesamt der Stadt
XXXX ;
? Vorladung zum Verhör am 13.10.2011, ausgestellt von der Abteilung für innere Angelegenheiten der Stadt XXXX am 12.10.2011.
1.3. Das Bundesasylamt holte am 18.02.2012 ein neurologisch-psychiatrischen Gutachten ein dem zu entnehmen ist, dass der Beschwerdeführer (zumindest damals) an einer Anpassungsstörung mit einer leichtgradigen depressiven Reaktion (F43.2 ICD10) leide. Die psychische Störung stehe in Zusammenhang mit dem derzeit offenen Asylverfahren, der unklaren Lebenssituation und der derzeitigen psychosozialen Situation. Der Beschwerdeführer sei zeitlich, örtlich, situativ und zur Person derart orientiert, dass er in der Lage sei, schlüssige und widerspruchsfreie Angaben zu tätigen. Von einer dauerhaften Behandlungsbedürftigkeit sei beim Krankheitsbild einer Anpassungsstörung nicht auszugehen. Im Falle einer Überstellung in sein Heimatland sei davon auszugehen, dass kurz- und mittelfristig eine Verschlechterung der Anpassungsstörung eintreten könne. Es bestehe jedoch nicht die reale Gefahr, dass der Beschwerdeführer aufgrund dieser psychischen Störung in einen lebensbedrohlichen Zustand gerate.
1.4. Dem vom Bundesasylamt in Auftrag gegebenen medizinischen Gutachten vom 11.04.2012 eines Allgemeinmediziners ist zu entnehmen, dass der Beschwerdeführer an diversen Befindlichkeitsstörungen mit Kopf- und Nackenschmerzen sowie Knieschmerzen leide. Diese Symptome seien nicht lebensbedrohlich. Eine dauerhafte Behandlungsbedürftigkeit sei nicht gegeben. Im Falle einer Überstellung in die Russische Föderation bestehe nicht die reale Gefahr, dass der Beschwerdeführer in einen lebensbedrohlichen Zustand gerate. Beim Beschwerdeführer bestehen keine Hinweise auf eine physische Erkrankung oder Verletzungen, welche die vorgebrachten Gedächtnisprobleme auslösen. Die "Gedächtnisprobleme" seien in Zusammenhang mit einer bestehenden depressiv gefärbten Anpassungsstörung zu sehen. Diesbezüglich werde auf die Ausführungen im neurologisch-psychiatrischen Gutachten verwiesen.
1.5. Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 30.05.2012 wurde der (erste) Antrag auf internationalen Schutz des Beschwerdeführers sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) als auch bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Russische Föderation gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt II.) und der Beschwerdeführer gemäß § 10 Abs. 1 AsylG 2005 aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Russische Föderation ausgewiesen (Spruchpunkt III.). Zum Fluchtvorbringen wurde darin begründend im Wesentlichen ausgeführt, dass die Angaben des Beschwerdeführers in sich aber auch im Vergleich zu den Angaben seiner (damaligen) Ehefrau widersprüchlich, unkonkret und nicht logisch nachvollziehbar gewesen seien. Unter Verweis auf das neurologisch-psychiatrische Gutachten sowie das medizinische Gutachten, wonach es keine Hinweise auf eine Amnesie gebe, könnten die widersprüchlichen und unkonkreten Angaben des Beschwerdeführers jedenfalls nicht mit dessen Gesundheitszustand begründet werden.
1.6. Die dagegen fristgerecht erhobene Beschwerde wies der Asylgerichtshof mit Erkenntnis vom 14.03.2013 als unbegründet ab, wobei zum Fluchtvorbringen erneut beweiswürdigend ausgeführt wurde, das Vorbringen des Beschwerdeführers sei vage, wenig konkret und im Verhältnis zu den Aussagen seiner (damaligen) Ehefrau widersprüchlich gewesen. Dieses Erkenntnis erwuchs in Rechtskraft.
1.7. Der Beschwerdeführer reiste in weiterer Folge gemeinsam mit seiner damaligen Frau und den (damals) drei gemeinsamen Kindern nach Deutschland, wo die Familie Asylanträge stellte, die jedoch wegen Zuständigkeit Österreichs zurückgewiesen wurden.
2. Zweiter Antrag auf internationalen Schutz
2.1. Nach neuerlicher Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 04.08.2013 stellte der Beschwerdeführer (ebenso wie seine damalige Frau und die - damals - drei gemeinsamen Kinder) einen zweiten Antrag auf internationalen Schutz.
2.2. Im Zuge seiner Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 04.08.2013 und seiner Einvernahme vor dem Bundesasylamt am 13.08.2013 gab der Beschwerdeführer im Wesentlichen an, dass die Fluchtgründe aus dem ersten Asylverfahren nach wie vor aufrecht seien. Neue Gründe habe er nicht. Im Jänner 2013 habe ihn seine Mutter angerufen und ihm mitgeteilt, dass tschetschenische Regierungsbeamte bei ihr gewesen seien und nach ihm gefragt bzw. gesucht hätten. Außerdem habe er im ersten Verfahren nicht erzählt, dass sein Vater getötet worden sei. Seine Mutter sei bedroht worden, damit sie das nicht sage. Außerdem habe er den tschetschenischen Kämpfern mit Lebensmitteln geholfen. Hätte er das nicht gemacht, hätte man ihn getötet. Er habe das im ersten Asylverfahren nicht vorgebracht, weil er Angst um seine Mutter gehabt habe.
2.3. Mit Bescheid vom 13.08.2013 wies das Bundesasylamt den zweiten Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurück (Spruchpunkt I) und wies den Beschwerdeführer gemäß § 10 Abs. 1 AsylG 2005 aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Russische Föderation aus (Spruchpunkt II).
2.4. Die dagegen fristgerecht erhobene Beschwerde wies der Asylgerichtshof mit Erkenntnis vom 11.10.2013 als unbegründet ab.
3. Dritter Antrag auf internationalen Schutz
3.1. Am 14.04.2014 stellte der Beschwerdeführer (ebenso wie seine damalige Frau und die - damals - drei gemeinsamen Kinder) den gegenständlichen (dritten) Antrag auf internationalen Schutz.
3.2. Im Zuge seiner Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 14.04.2014 gab der Beschwerdeführer im Wesentlichen an, dass er Österreich seit Abschluss des letzten Asylverfahrens nicht verlassen habe. Hinsichtlich der Gründe für die neue Antragstellung führte er aus, dass er Probleme mit dem Kopf habe, er vergesse alles wieder, seine Frau wisse alles. Sein eigener Bruder sei in Tschetschenien verschollen gegangen.
3.3. In seiner Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 15.07.2015 gab der Beschwerdeführer im Wesentlichen an, dass sein Vater glaublich im Jahr 2005 gestorben sei. Seine Mutter, seine beiden Brüder und seine Halbschwester leben in XXXX , weitere Brüder habe er nicht. Auf Nachfrage gebe er an, dass er nichts davon wisse, dass sein Bruder verschollen sei. Er habe den dritten Antrag gestellt, da er nicht zurückwolle und im Falle der Rückkehr befürchte, zu verschwinden, so wie ein Freund von ihm.
3.4. Aufgrund von Gewalttätigkeiten gegenüber seiner (damaligen) Ehefrau und deren Anzeigeerstattung wurde gegen den Beschwerdeführer am 26.08.2015 eine Wegweisung und ein Betretungsverbot gemäß § 38a SPG bezüglich des von seiner Familie bewohnten Asylwerberheims erlassen.
3.5. In seiner Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 06.09.2016 gab der Beschwerdeführer an, dass er mit seiner (damaligen) Ehefrau in Scheidung lebe. An seinen Fluchtgründen habe sich nichts geändert. Seine Verwandten leben alle in XXXX , doch habe er mit ihnen keinen Kontakt mehr, da sie sonst geschlagen werden, weil er am Krieg teilgenommen habe. Freunde von ihm hätten in Tschetschenien ein Grab für ihn gemacht, damit seine Mutter und seine Geschwister in Ruhe gelassen werden.
3.6. Auf Antrag der der ehemaligen Frau des Beschwerdeführers erließ das Bezirksgericht XXXX am 21.09.2015 gegen den Beschwerdeführer eine auf ein Jahr gültige einstweilige Verfügung gemäß § 382b EO sowie gemäß § 382e EO. Es wurde ihm die persönliche Kontaktaufnahme mit seiner ehemaligen Frau sowie der Aufenthalt in und um das Asylwerberheim seiner Familie und die Schule seiner Kinder untersagt.
3.7. Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen XXXX vom 28.10.2015, GZ. XXXX , wurde der Beschwerdeführer wegen des Vergehens der fortgesetzten Gewaltausübung (gegenüber seiner ehemaligen Ehefrau) gemäß § 107b Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten, bedingt auf eine Probezeit von drei Jahren, verurteilt. In der Hauptverhandlung hatte der Beschwerdeführer im Wesentlichen angegeben, dass er aufgrund der islamischen Tradition berechtigt sei, seine Frau bei Auseinandersetzungen zu schlagen. Er habe sie nicht jeden Tag geschlagen und ihr auch immer nur leichte Schläge verpasst.
3.8. Mit Beschluss des Bezirksgerichtes XXXX vom 13.12.2016, GZ. 260 C 11/15h, wurde die Ehe des Beschwerdeführers und seiner damaligen Ehefrau einvernehmlich rechtskräftig geschieden. Die Obsorge der minderjährigen (mittlerweile) vier Kinder kommt beiden Elternteilen gemeinsam zu, wobei die minderjährigen Kinder von der Ex-Ehefrau des Beschwerdeführers betreut werden. Dem Beschwerdeführer kommt jeden Freitag von 13.00 bis 14.00 Uhr ein Besuchsrecht am Wohnort seiner Familie zu.
3.9. Der Beschwerdeführer legte im gegenständlichen Asylverfahren folgende Unterlagen vor:
? psychiatrische Befunde des XXXX Zentrums XXXX vom 12.02.2014, vom 21.02.2014, vom 11.07.2014, vom 14.08.2014, vom 06.11.2014 und vom 17.03.2016, Diagnose: Posttraumatische Belastungsstörung, Zustand nach Verletzung am linken Knie, Spannungskopfschmerz, Cholosteatom am linken Ohr, mehrfach operiert;
? Psychotherapeutischer Kurzbericht des Vereins XXXX vom 26.08.2013, Diagnose: Schwere Posttraumatische Belastungsstörung;
? Befund eines Ambulatoriums für Neurologie und Psychiatrie vom 22.04.2016, Diagnose: Posttraumatische Belastungsstörung, reaktive Depression;
? Straferkenntnis (Geldstrafe in der Höhe von € 50 plus € 10 Verfahrenskosten) der Bezirkshauptmannschaft XXXX vom 08.04.2016, da der Beschwerdeführer gegen die einstweilige Verfügung vom 21.09.2015 durch Aufenthalt in dem von seiner Familie bewohnten Asylwerberheim und Kontakt mit seinen Kindern verstoßen hatte;
? Therapieplan zur physikalischen Therapie für das linke Knie vom März 2016;
? zwei Deutschkursteilnahmebestätigung vom 17.04.2015 und vom 16.05.2017;
? Einstellungszusage.
3.10. Mit dem o.a. Bescheid vom 04.08.2017 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den (dritten) Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) als auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Russische Föderation gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 ab (Spruchpunkt II.) und erteilte dem Beschwerdeführer keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG in die Russische Föderation zulässig sei (Spruchpunkt III.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV.).
Neben Darstellung des Verfahrensganges und Länderfeststellungen zur Russischen Föderation führte die belangte Behörde in dem Bescheid beweiswürdigend aus, dass der Beschwerdeführer seinen neuerlichen Antrag auf internationalen Schutz hauptsächlich darauf gestützt habe, dass sein Bruder verschollen sei. Seine Angaben, aber auch jene seiner ehemaligen Ehefrau seien dazu äußerst oberflächlich gewesen. Nähere Details seien in den verschiedenen Einvernahmen nicht in Erfahrung zu bringen gewesen. Der Fluchtgrund erscheine konstruiert. Der Beschwerdeführer habe sich - wie bereits in seinen Vorverfahren - nur immer wieder darauf berufen, sich an nichts erinnern zu können. Die in Vorlage gebrachten Befunde und auch das neurologisch-psychiatrischen Gutachten vom 18.02.2012 sprächen jedoch gegen eine Amnesie und eine lebensbedrohliche Erkrankung. Da der Beschwerdeführer über Anknüpfungspunkte in Tschetschenien verfügen (Mutter, Geschwister) könne von der Abdeckung der lebensnotwendigen Bedürfnisse ausgegangen werden. Es drohe dem Beschwerdeführer keine Gefahr, die die Erteilung des subsidiären Schutzes rechtfertigen würde. Die beim Beschwerdeführer vorliegenden Erkrankungen seien auch in der Russischen Föderation behandelbar. Eine der Rückkehr entgegenstehende Integration oder familiäre Anknüpfungspunkte des Beschwerdeführers in Österreich, die einer Ausweisung entgegenstünden, lägen nicht vor (die Ex-Ehefrau und die vier minderjährigen Kinder des Beschwerdeführers erhielten am selben Tag ebenfalls abweisende Bescheide), weswegen eine Rückkehrentscheidung zu erlassen gewesen und die Abschiebung des Beschwerdeführers zulässig sei.
3.11. Gegen den o.a. Bescheid erhob der Beschwerdeführer am 18.08.2017 fristgerecht Beschwerde, in welcher der Bescheid vollumfänglich angefochten wurde. Hinsichtlich der Fluchtgründe wird auf das bisherige Vorbringen verwiesen. Der Beschwerdeführer habe aufgrund der erlittenen Schläge schwerwiegende Kopfverletzungen, die sich in ständigen Kopfschmerzen und Gedächtnisproblemen äußern. Er habe Schwierigkeiten sich Dinge zu merken bzw. Geschehnisse wiederzugeben. Auch werde er dadurch oft ohnmächtig. Eine Abschiebung in die Russische Föderation würde für ihn aufgrund seines schlechten gesundheitlichen Zustandes eine Gefahr für sein Leben darstellen. Außerdem könne er wegen der Leute, die ihm die Schläge zugefügt hätten, nicht zurückkehren und werde für tot gehalten.
3.12. Am 18.04.2018 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht eine öffentliche mündliche Beschwerdeverhandlung im Beisein eines Dolmetschers für die tschetschenische Sprache, dem Beschwerdeführer und seinem Rechtsvertreter statt, in welcher der Beschwerdeführer ausführlich zu seinen Fluchtgründen und seiner Integration in Österreich befragt wurde. Der Beschwerdeführer wiederholte im Wesentlichen seine bereits gemachten Fluchtgründe und führte aus, dass er in beiden Tschetschenienkriegen die Widerstandskämpfer mit Lebensmitteln unterstützt habe. Irgendwann habe ihn jemand verraten. Leute seien gekommen, hätten ihm einen Sack über den Kopf gezogen und ihn so stark geschlagen, dass er bis heute an Gedächtnisproblemen, Kopfschmerzen und einem kaputten linken Knie leide. Später habe man ihn auf dem Müll abgeladen, da man gedacht habe, er sei tot. Er habe danach keine medizinische Versorgung bekommen. Vielmehr hätten ihn Widerstandskämpfer in die Türkei gebracht, wo er behandelt werden hätte sollen. Danach sei er nach Österreich geflohen, wo er erstmals seine Frau wieder gesehen hab. Genauere Angaben könne er nicht machen.
Der Beschwerdeführer legte im Zuge der Verhandlung ergänzend folgende Unterlagen vor:
? psychiatrische Befunde des XXXX Zentrums XXXX vom 28.04.2016 und vom 08.03.2018, Diagnose: Posttraumatische Belastungsstörung, Zustand nach Verletzung am linken Knie, Spannungskopfschmerz, Cholosteatom am linken Ohr, mehrfach operiert, Schwerhörigkeit;
? Einstellungszusage einer Pflasterei für die Arbeitssaison 2018.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der entscheidungsrelevante Sachverhalt steht fest. Aufgrund der drei Anträge auf internationalen Schutz des Beschwerdeführers vom 22.12.2011, vom 04.08.2013 und vom 14.04.2014, der Einvernahmen des Beschwerdeführers durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes, des Bundesasylamtes bzw. des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, der Bescheide des Bundesasylamtes und der Erkenntnisse des Asylgerichtshofes, des o.a. Bescheides vom 04.08.2017, der im Verfahren vorgelegten Dokumente und Unterlagen, der Einsichtnahme in die bezughabenden Verwaltungs- und Gerichtsakten des Beschwerdeführers und seiner Ex-Ehefrau, der Einsichtnahmen in das zentrale Melderegister, in das Grundversorgungs-Informationssystem, in das Strafregister sowie insbesondere auf Grundlage der vor dem Bundesverwaltungsgericht durchgeführten mündlichen Verhandlung am 18.04.2018 werden, die folgenden Feststellungen getroffen und der Entscheidung zugrunde gelegt:
1.1. Zum Verfahrensgang:
Der Beschwerdeführer reiste am 22.12.2011 in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am selben Tag einen (ersten) Antrag auf internationalen Schutz, welcher mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 30.05.2012 als unbegründet abgewiesen und der Beschwerdeführer aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Russische Föderation ausgewiesen wurde. Die dagegen fristgerecht erhobene Beschwerde wies der Asylgerichtshof mit Erkenntnis vom 14.03.2013 als unbegründet ab.
Nach Weiterreise nach Deutschland und Wiedereinreise am 04.08.2013 in das österreichische Bundesgebiet, stellte der Beschwerdeführer am 04.08.2013 einen zweiten Antrag auf internationalen Schutz, welcher mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 13.08.2013 wegen entschiedener Sache zurückgewiesen und der Beschwerdeführer erneut aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Russische Föderation ausgewiesen wurde. Die dagegen fristgerecht erhobene Beschwerde wies der Asylgerichtshof mit Erkenntnis vom 11.10.2013 als unbegründet ab.
Am 14.04.2014 stellte der Beschwerdeführer den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz, welcher mit dem o.a. Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 04.08.2017 sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Russische Föderation abgewiesen wurde. Dem Beschwerdeführer wurde kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen erteilt, gegen ihn eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass seine Abschiebung in die Russische Föderation zulässig sei. Ihm wurde eine Frist für die freiwillige Ausreise von 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung erteilt. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde.
1.2. Zur Person des Beschwerdeführers:
Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger der Russischen Föderation und Angehöriger der tschetschenischen Volksgruppe. Seine Identität steht fest. Er stammt aus XXXX in Tschetschenien.
Der Beschwerdeführer ist der Vater der XXXX , geb. XXXX , des XXXX , geb. XXXX , der XXXX , geb. XXXX , und des XXXX , geb. XXXX . Mit der Mutter dieser Kinder, XXXX , geb. XXXX , war der Beschwerdeführer von 15.08.2003 bis 13.12.2016 verheiratet. Der Beschwerdeführer und seine Ex-Ehefrau sind zur geteilten Obsorge berechtigt. Der Beschwerdeführer hat jeden Freitag von 13.00 Uhr bis 14.00 Uhr ein Besuchsrecht bei seinen Kindern und zahlt einen monatlichen Unterhalt von € 40.
Gegen den Beschwerdeführer wurde bezüglich seiner Familie und deren Asylunterkunft am 26.08.2015 eine Wegweisung und ein Betretungsverbot erlassen. Am 21.09.2015 wurden gegen den Beschwerdeführer eine auf ein Jahr gültige einstweilige Verfügung gemäß § 382b EO sowie gemäß § 382e EO erlassen. Ihm wurden die persönliche Kontaktaufnahme mit seiner nunmehrigen Ex-Ehefrau sowie der Aufenthalt in und um das Asylwerberheim und die Schule seiner Kinder untersagt. Gegen diese einstweilige Verfügung verstieß der Beschwerdeführer am 25.02.2016, da er sich im von seiner Familie bewohnten Asylwerberheim aufhielt und dort Kontakt mit seinen Kindern hatte, weswegen über ihn mit Straferkenntnis vom 08.04.2016 der zuständigen Bezirkshauptmannschaft eine Geldstrafe in der Höhe von € 50 plus € 10 Verfahrenskosten verhängt wurde.
Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen XXXX vom 28.10.2015, GZ. XXXX , wurde der Beschwerdeführer wegen des Vergehens der fortgesetzten Gewaltausübung gegenüber seiner damaligen Ehefrau gemäß § 107b Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten, bedingt auf eine Probezeit von drei Jahren, verurteilt.
Der Ex-Ehefrau und den vier Kindern des Beschwerdeführers wurde mit mündlicher Verkündung vom heutigen Tag der Aufenthaltstitel "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" gemäß § 57 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 für die Dauer von zwölf Monaten erteilt.
Der Beschwerdeführer leidet an einer Posttraumatischen Belastungsstörung, an Gonarthralgie am linken Knie, an Spannungskopfschmerz, einem Cholosteatom am linken Ohr, mehrfach operiert, sowie an Schwerhörigkeit links. Er besucht unregelmäßig eine Psychotherapie. Ansonsten steht der Beschwerdeführer derzeit nicht in medizinischer Behandlung. Gegen die Knie- und Kopfschmerzen nimmt er Parkemed. Festgestellt wird, dass der Beschwerdeführer somit an keinen schweren physischen oder psychischen, akut lebensbedrohlichen und zudem im Herkunftsstaat nicht behandelbaren Erkrankungen leidet.
In XXXX leben nach wie vor die Mutter des Beschwerdeführers, sein älterer Bruder samt Familie sowie die Halbschwester des Beschwerdeführers samt Familie. Der ältere Bruder versorgt die Mutter. Der Beschwerdeführer steht mit seiner Familie über einen Freund in Kontakt. Der Familie geht es gut, sie lebt ohne Probleme in Tschetschenien. Der Beschwerdeführer verfügt in Tschetschenien noch über zahlreiche entferntere Verwandte, zu denen momentan jedoch kein Kontakt besteht.
Der Beschwerdeführer besuchte in Tschetschenien zwei Jahre die Schule, musste diese dann kriegsbedingt abbrechen. Über eine berufliche Ausbildung verfügt der Beschwerdeführer nicht. Der Beschwerdeführer konnte für seinen Lebensunterhalt durch Gelegenheitsarbeiten als Bodenleger bzw. Fliesenleger sowie durch eine Anstellung beim Sicherheitsdienst des örtlichen Krankenhauses aus Eigenem aufkommen.
In Österreich leben bis auf seine vier Kinder noch eine Cousine und ein Cousin mütterlicherseits, zu denen nur sporadischer Kontakt besteht. Ein Abhängigkeitsverhältnis zu diesen besteht nicht.
Der Beschwerdeführer befindet sich, mit einer fünfmonatigen Unterbrechung von März bis August 2013, wo er sich in Deutschland befand, seit seiner ersten Asylantragstellung am 22.12.2011 im österreichischen Bundesgebiet. Für die Dauer seiner Asylverfahren befand er sich aufgrund der vorübergehenden Aufenthaltsberechtigungen nach dem Asylgesetz rechtmäßig im Bundesgebiet.
Der Beschwerdeführer besuchte zwei Deutschkurse, eine Deutschprüfung legte er nicht ab. Er beherrscht die Deutsche Sprache nur rudimentär. Er lebt von der Grundversorgung und ist nicht selbsterhaltungsfähig. Er verfügt über soziale Kontakte zu Freunden. Der Beschwerdeführer verfügt über eine Einstellungszusage bei einer Pflasterei. Nicht festgestellt werden kann, dass eine ausgeprägte und verfestigte entscheidungserhebliche individuelle Integration des Beschwerdeführers in Österreich vorliegt.
1.3. Zum Fluchtgrund:
Der vom Beschwerdeführer vorgebrachte Fluchtgrund wird der Entscheidung nicht zugrunde gelegt. Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer die Widerstandskämpfer in beiden Tschetschenienkriegen mit Lebensmitteln versorgte. Es kann ferner nicht festgestellt werden, dass die Unterstützungstätigkeiten des Beschwerdeführers verraten und er im August 2011 von maskierten Männern mitgenommen und so schwer misshandelt wurde, dass er heute noch an den gesundheitlichen Folgen leidet. Nicht festgestellt werden kann, dass der jüngere Bruder des Beschwerdeführers nach einem Telefonat mit diesem in XXXX von Sicherheitskräften mitgenommen und nur gegen Bezahlung wieder freigelassen wurde und seither untergetaucht ist. Nicht festgestellt werden kann weiters, dass der Beschwerdeführer in Tschetschenien oder der Russischen Föderation einer asylrelevanten Verfolgung ausgesetzt ist.
Es kann ferner nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer im Falle seiner Rückkehr in seinen Herkunftsstaat in eine existenzgefährdende Notlage geraten würde und ihm die notdürftigste Lebensgrundlage entzogen wäre.
1.4. Zur maßgeblichen Situation in der Russischen Föderation:
Im Folgenden werden die wesentlichen Feststellungen aus den vom Bundesverwaltungsgericht herangezogenen Länderberichten wiedergegeben (Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Russische Föderation, Gesamtaktualisierung am 21.07.2018):
1.4.1.Sicherheitslage im Allgemeinen
Wie verschiedene Anschläge mit zahlreichen Todesopfern in den letzten Jahren gezeigt haben, kann es in Russland, auch außerhalb der Kaukasus-Region, jederzeit zu Attentaten kommen. Zuletzt kam es am 3.4.2017 in Sankt Petersburg zu einem Anschlag in der Metro, der Todesopfer und Verletzte forderte. Die russischen Behörden haben zuletzt ihre Warnung vor Attentaten bekräftigt und rufen zu besonderer Vorsicht auf (AA 21.7.2017b). Den Selbstmordanschlag in der St. Petersburger U-Bahn am 3.4.2017 hat nach Angaben von Experten eine Gruppe mit mutmaßlichen Verbindungen zum islamistischen Terrornetzwerk Al-Qaida für sich reklamiert. Das Imam-Schamil-Bataillon habe den Anschlag mit 15 Todesopfern nach eigenen Angaben auf Anweisung des Al-Qaida-Chefs Ayman al-Zawahiri verübt, teilte das auf die Überwachung islamistischer Internetseiten spezialisierte US-Unternehmen SITE am Dienstag mit (Standard 25.4.2017). Der Selbstmordattentäter Akbarschon Dschalilow stammte aus der kirgisischen Stadt Osch. Zehn Personen, die in den Anschlag verwickelt sein sollen, sitzen in Haft, sechs von ihnen wurden in St. Petersburg, vier in Moskau festgenommen. In russischen Medien wurde der Name eines weiteren Mannes aus der Gegend von Osch genannt, den die Ermittler für den Auftraggeber des Anschlags hielten: Siroschiddin Muchtarow, genannt Abu Salach al Usbeki. Der Angriff, sei eine Vergeltung für russische Gewalt gegen muslimische Länder wie Syrien und für das, was in der russischen Nordkaukasus-Teilrepublik Tschetschenien geschehe; die Operation sei erst der Anfang. Mit Terrorangriffen auf und in Russland hatte sich zuletzt nicht Al-Qaida, sondern der sogenannte Islamische Staat gebrüstet, so mit jüngsten Angriffen auf Sicherheitskräfte in Tschetschenien und der Stadt Astrachan. Laut offizieller Angaben sollen 4.000 Russen und 5.000 Zentralasiaten in Syrien und dem Irak für den IS oder andere Gruppen kämpfen. Verteidigungsminister Schoigu behauptete Mitte März 2016, es seien durch Russlands Luftschläge in Syrien "mehr als 2.000 Banditen" aus Russland, unter ihnen 17 Feldkommandeure getötet worden (FAZ 26.4.2017).
Russland tritt als Protagonist internationaler Terrorismusbekämpfung auf und begründet damit seinen Militäreinsatz in Syrien. Vom Beginn des zweiten Tschetschenienkriegs 1999 bis ins Jahr 2013 sah es sich mit 75 größeren Terroranschlägen auf seinem Staatsgebiet konfrontiert, die Hunderte Zivilisten das Leben kosteten. Verantwortlich dafür war eine über Tschetschenien hinausgehende Aufstandsbewegung im Nordkaukasus. Gewaltzwischenfälle am Südrand der Russischen Föderation gingen 2014 um 46% und 2015 um weitere 51% zurück. Auch im Global Terrorism Index, der die Einwirkung des Terrorismus je nach Land misst, spiegelt sich diese Entwicklung wider. Demnach stand Russland 2011 noch an neunter Stelle hinter mittelöstlichen, afrikanischen und südasiatischen Staaten, weit vor jedem westlichen Land. Im Jahr 2016 rangierte es dagegen nur noch auf Platz 30 hinter Frankreich (Platz 29), aber vor Großbritannien (Platz 34) und den USA (Platz 36). Nach der Militärintervention in Syrien Ende September 2015 erklärte der IS Russland den Jihad und übernahm die Verantwortung für den Abschuss eines russischen Passagierflugzeugs über dem Sinai mit 224 Todesopfern. Seitdem ist der Kampf gegen die Terrormiliz zu einer Parole russischer Außen- und Sicherheitspolitik geworden, auch wenn der russische Militäreinsatz in Syrien gewiss nicht nur von diesem Ziel bestimmt ist, sondern die Großmachtrolle Russlands im Mittleren Osten stärken soll. Moskau appelliert beim Thema Terrorbekämpfung an internationale Kooperation (SWP 4.2017).
Russland hat den sog. IS erst Ende Dezember 2014 auf seine Liste terroristischer Organisationen gesetzt und dabei andere islamistische Gruppierungen außer Acht gelassen, in denen seine Staatsbürger, insbesondere Tschetschenen und Dagestaner, in Syrien und im Irak ebenfalls aktiv sind - wie die Jaish al-Muhajireen-wal-Ansar, die überwiegend von Kämpfern aus dem Nordkaukasus gegründet wurde. Ausländische und russische Beobachter, darunter die kremlkritische Novaja Gazeta im Juni 2015, erhoben gegenüber den Sicherheitsbehörden Russlands den Vorwurf, der Abwanderung von Jihadisten aus dem Nordkaukasus und anderen Regionen nach Syrien tatenlos, wenn nicht gar wohlwollend zuzusehen, da sie eine Entlastung für den Anti-Terror-Einsatz im eigenen Land mit sich bringe. Tatsächlich nahmen die Terroraktivitäten in Russland selber ab (SWP 10.2015). In der zweiten Hälfte des Jahres 2014 kehrte sich diese Herangehensweise um, und Personen, die z.B. Richtung Türkei ausreisen wollten, wurden an der Ausreise gehindert. Nichtsdestotrotz geht der Abgang von gewaltbereiten Dschihadisten weiter und Experten sagen, dass die stärksten Anführer der Aufständischen, die dem IS die Treue geschworen haben, noch am Leben sind. Am 1.8.2015 wurde eine Hotline eingerichtet, mit dem Ziel, Personen zu unterstützen, deren Angehörige in Syrien sind bzw. planen, nach Syrien zu gehen. Auch Rekrutierer und Personen, die finanzielle Unterstützung für den Dschihad sammeln, werden von den Sicherheitsbehörden ins Visier genommen. Einige Experten sind der Meinung, dass das IS Rekrutierungsnetzwerk eine stabile Struktur in Russland hat und Zellen im Nordkaukasus, in der Wolga Region, Sibirien und im russischen Osten hat (ICG 14.3.2016).
Das Kaukasus-Emirat, das seit 2007 den islamistischen Untergrundkampf im Nordkaukasus koordiniert, ist seit Ende 2014 durch das Überlaufen einiger Feldkommandeure zum IS von Spaltungstendenzen erschüttert und geschwächt. Dem russischen Islamexperten Aleksej Malaschenko zufolge reisten gar Offizielle aus der Teilrepublik Dagestan nach Syrien, um IS-Kämpfer aus dem Kaukasus darin zu bestärken, ihren Jihad im Mittleren Osten und nicht in ihrer Heimat auszutragen. Der IS verstärkte 2015 seine russischsprachige Propaganda in Internet-Foren wie Furat Media, ohne dass die Behörden laut Novaja Gazeta diesem Treiben große Aufmerksamkeit widmeten. Am 23. Juni 2015 rief der IS-Sprecher Muhammad al-Adnani ein ‚Wilajat Kavkaz', eine Provinz Kaukasus, als Teil des IS-Kalifats aus. Es war ein propagandistischer Akt, der nicht bedeutet, dass der IS in dieser Region militärisch präsent ist oder sie gar kontrolliert, der aber den zunehmenden Einfluss dieser Terrormiliz auf die islamistische Szene im Nordkaukasus symbolisiert. Zuvor hatten mehr und mehr ideologische und militärische Führer des Kaukasus Emirats dem ‚Kalifen' Abu Bakr al-Baghdadi die Treue geschworen und sich von al-Qaida abgewandt. Damit bestätigte sich im islamistischen Untergrund im Nordkaukasus ein Trend, dem zuvor schon Jihad-Netzwerke in Nordafrika, Jemen, Pakistan und Afghanistan gefolgt waren. Seitdem mehren sich am Südrand der Russischen Föderation die Warnungen vor einer Bedrohung durch den sogenannten Islamischen Staat. Kurz zuvor hatten die föderalen und lokalen Sicherheitsorgane noch den Rückgang terroristischer Aktivitäten dort für sich reklamiert. Als lautester Mahner tut sich wieder einmal der tschetschenische Republikführer Ramzan Kadyrow hervor. Er rief alle muslimischen Länder dazu auf, sich im Kampf gegen den IS, den er mit Iblis-Staat - also Teufelsstaat - übersetzt, zusammenzuschließen. Für Kadyrow ist der IS ein Produkt anti-islamischer westlicher Politik, womit er sich im Einklang mit der offiziellen Sichtweise des Kremls befindet, der dem Westen regelmäßig fatale Eingriffe im Mittleren Osten vorwirft. Terroristische Aktivitäten im Nordkaukasus, die eindeutig den Überläufern zum IS zuzuschreiben sind, haben sich aber bislang nicht verstärkt. Bis September 2015 wurden nur zwei Anschläge in Dagestan der IS-Gefolgschaft zugeschrieben: die Ermordung des Imam einer Dorfmoschee und ein bewaffneter Angriff auf die Familie eines Wahrsagers. Auch im Südkaukasus mehren sich die Stimmen, die vor dem IS warnen (SWP 10.2015).
Bis ins Jahr 2015 hinein hat Russland die vom sogenannten Islamischen Staat ausgehende Gefahr eher relativiert und die Terrormiliz als einen von vielen islamistischen Akteuren abgetan, die das mit Moskau verbündete Assad-Regime, die ‚legitime Regierung Syriens', bekämpfen. In seiner jährlichen Tele-Konferenz mit der Bevölkerung am 18. April 2015 hatte Präsident Putin noch geäußert, der IS stelle keine Gefahr für Russland dar, obwohl die Sicherheitsbehörden schon zu diesem Zeitpunkt eine zunehmende Abwanderung junger Menschen nach Syrien und Irak registriert und vor den Gefahren gewarnt hatten, die von Rückkehrern aus den dortigen Kampfgebieten ausgehen könnten. Wenige Tage später bezeichnete Außenminister Lawrow den IS in einem Interview erstmals als Hauptfeind Russlands (SWP 10.2015).
Innerhalb der extremistischen Gruppierungen ist ein Ansteigen der Sympathien für den IS - v.a. auch auf Kosten des sog. Kaukasus-Emirats - festzustellen. Nicht nur die bislang auf Propaganda und Rekrutierung fokussierte Aktivität des IS im Nordkaukasus erregt die Besorgnis der russischen Sicherheitskräfte. Ein Sicherheitsrisiko stellt auch die mögliche Rückkehr von nach Syrien oder in den Irak abwandernden russischen Kämpfern dar. Laut diversen staatlichen und nichtstaatlichen Quellen kann man davon ausgehen, dass die Präsenz russischer Kämpfer in den Krisengebieten Syrien und Irak mehrere tausend Personen umfasst. Gegen IS-Kämpfer, die aus den Krisengebieten Syrien und Irak zurückkehren, wird v.a. gerichtlich vorgegangen. Zu Jahresende 2015 liefen laut Angaben des russischen Innenministeriums rund 880 Strafprozesse, die meisten davon basierend auf den relevanten Bestimmungen des russischen StGB zur Teilnahme an einer terroristischen Handlung, der Absolvierung einer Terror-Ausbildung sowie zur Organisation einer illegalen bewaffneten Gruppierung oder Teilnahme daran. Laut einer INTERFAX-Meldung vom 2.12.2015 seien in Russland bereits über 150 aus Syrien zurückgekehrte Kämpfer verurteilt worden. Laut einer APA-Meldung vom 27.7.2016 hat der Leiter des russischen Inlandsgeheimdienstes FSB erläutert, das im Vorjahr geschätzte 3.000 Kämpfer nach Russland aus den Kriegsgebieten in Syrien, Irak oder Afghanistan zurückkehrt seien, wobei 220 dieser Kämpfer im besonderen Fokus der Sicherheitskräfte zur Vorbeugung von Anschlägen ständen. In einem medial verfolgten Fall griffen russische Sicherheitskräfte im August 2016 in St. Petersburg auf mutmaßlich islamistische Terroristen mit Querverbindungen zum Nordkaukasus zu. Medienberichten zufolge wurden im Verlauf des Jahres 2016 über 100 militante Kämpfer in Russland getötet, in Syrien sollen über 2.000 militante Kämpfer aus Russland bzw. dem GUS-Raum getötet worden sein (ÖB Moskau 12.2016).
Der russische Präsident Wladimir Putin setzt tschetschenische und inguschetische Kommandotruppen in Syrien ein. Bis vor kurzem wurden reguläre russische Truppen in Syrien überwiegend als Begleitcrew für die Flugzeuge eingesetzt, die im Land Luftangriffe fliegen. Von wenigen bemerkenswerten Ausnahmen abgesehen - der Einsatz von Artillerie und Spezialtruppen in der Provinz Hama sowie von Militärberatern bei den syrischen Streitkräften in Latakia - hat Moskau seine Bodeneinsätze bislang auf ein Minimum beschränkt. Somit repräsentiert der anhaltende Einsatz von tschetschenischen und inguschetischen Brigaden einen strategischen Umschwung seitens des Kremls. Russland hat nun in ganz Syrien seine eigenen, der sunnitischen Bevölkerung entstammenden Elitetruppen auf dem Boden. Diese verstärkte Präsenz erlaubt es dem sich dort langfristig eingrabenden Kreml, einen stärkeren Einfluss auf die Ereignisse im Land auszuüben. Diese Streitkräfte könnten eine entscheidende Rolle spielen, sollte es notwendig werden, gegen Handlungen des Assad-Regimes vorzugehen, die die weitergehenden Interessen Moskaus im Nahen Osten unterlaufen würden. Zugleich erlauben sie es dem Kreml, zu einem reduzierten politischen Preis seine Macht in der Region zu auszubauen (Mena Watch 10.5.2017). Welche Rolle diese Brigaden spielen sollen, und ihre Anzahl sind noch nicht sicher. Es wird geschätzt, dass zwischen 300 und 500 Tschetschenen und um die 300 Inguscheten in Syrien stationiert sind. Obwohl sie offiziell als "Militärpolizei" bezeichnet werden, dürften sie von der Eliteeinheit Speznas innerhalb der tschetschenischen Streitkräfte rekrutiert worden sein (FP 4.5.2017).
Für den Kreml hat der Einsatz der nordkaukasischen Brigaden mehrere Vorteile. Zum einen reagiert die russische Bevölkerung sehr sensibel auf Verluste der russischen Armee in Syrien. Verluste von Personen aus dem Nordkaukasus würden wohl weniger Kritik hervorrufen. Zum anderen ist der wohl noch größere Vorteil jener, dass sowohl Tschetschenen, als auch Inguscheten fast alle sunnitische Muslime sind und somit derselben islamischen Richtung angehören, wie ein Großteil der syrischen Bevölkerung. Die mehrheitlich sunnitischen Brigaden könnten bei der Bevölkerung besser ankommen, als ethnisch russische Soldaten. Außerdem ist nicht zu vernachlässigen, dass diese Einsatzkräfte schon über Erfahrung am Schlachtfeld verfügen, beispielsweise vom Kampf in der Ukraine (FP 4.5.2017).
Bis jetzt war der Einsatz der tschetschenischen und inguschetischen Bodentruppen auf Gebiete beschränkt, die für den Kreml von entscheidender Bedeutung waren. Obwohl es momentan eher unwahrscheinlich scheint, dass die Rolle der nordkaukasischen Einsatzkräfte bald ausgeweitet wird, agieren diese wohl weiterhin als die Speerspitze in Moskaus Strategie, seinen Einfluss in Syrien zu vergrößern (FP 4.5.2017).
Quellen:
-
AA - Auswärtiges Amt (21.7.2017b): Reise- und Sicherheitshinweise, http://www.auswaertiges-amt.de/sid_93DF338D07240C852A755BB27CDFE343/DE/Laenderinformationen/00-SiHi/Nodes/RussischeFoederationSicherheit_node.html, Zugriff 21.7.2017
-
FAZ (26.4.2017):"Erst der Anfang", http://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/anschlag-in-st-petersburg-russland-steht-im-visier-von-terror-14989012.html, Zugriff 21.7.2017
-
FP - Foreign Policy (4.5.2017): Putin has a new secret weapon in Syria: Chechens,
http://foreignpolicy.com/2017/05/04/putin-has-a-new-secret-weapon-in-syria-chechens/, Zugriff 21.7.2017
-
ICG - International Crisis Group (14.3.2016): The North Caucasus Insurgency and Syria: An Exported Jihad?
http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1458642687_238-the-north-caucasus-insurgency-and-syria-an-exported-jihad.pdf, S. 16-18, Zugriff 21.7.2017
-
ÖB Moskau (12.2016): Asylländerbericht Russische Föderation
-
Mena Watch (10.5.2017): Russland setzt auf sunnitische Soldaten in Syrien,
http://www.mena-watch.com/russland-setzt-auf-sunnitische-soldaten-in-syrien/, Zugriff 21.7.2017
-
Standard (25.4.2017): Al-Kaida reklamiert Anschlag auf U-Bahn in St. Petersburg für sich,
https://derstandard.at/2000056544365/Al-Kaida-reklamiert-Anschlag-auf-U-Bahn-in-St-Petersburg?ref=rec, Zugriff 21.7.2017
-
SWP - Stiftung Wissenschaft und Politik (4.2015): Dagestan:
Russlands schwierigste Teilrepublik, http://www.swp-berlin.org/fileadmin/contents/products/studien/2015_S08_hlb_isaeva.pdf, Zugriff 21.7.2017
-
SWP - Stiftung Wissenschaft und Politik (10.2015): Reaktionen auf den "Islamischen Staat" (ISIS) in Russland und Nachbarländern, http://www.swp-berlin.org/fileadmin/contents/products/aktuell/2015A85_hlb.pdf, Zugriff 21.7.2017
-
SWP - Stiftung Wissenschaft und Politik (4.2017): Russland und der Nordkaukasus im Umfeld des globalen Jihadismus, https://www.swp-berlin.org/fileadmin/contents/products/aktuell/2017A23_hlb.pdf, Zugriff 21.7.2017
1.4.1.a. Sicherheitslage im Nordkaukasus im Allgemeinen
Vom Beginn des zweiten Tschetschenienkriegs 1999 bis ins Jahr 2013 sah es sich mit 75 größeren Terroranschlägen auf seinem Staatsgebiet konfrontiert, die Hunderte Zivilisten das Leben kosteten. Verantwortlich dafür war eine über Tschetschenien hinausgehende Aufstandsbewegung im Nordkaukasus. Aus dieser Region kommen in den letzten drei Jahren zwiespältige Nachrichten. Einerseits heißt es, der bewaffnete Untergrund sei deutlich geschwächt und zersplittert. Andererseits verlagerte sich der regionale Jihad, der sich als Kaukasus-Emirat manifestiert hatte, auf die globale Ebene, weil Kämpfer aus der Region sich islamistischen Milizen in Syrien und Irak anschlossen. Von dauerhafter Stabilität ist der Nordkaukasus wohl noch entfernt. Das zeigte zuletzt eine Serie von Anschlägen auf Sicherheitskräfte in Tschetschenien im Dezember 2016 und im März 2017. Zudem stellt sich für Russland, seine Nachbarn im Kaukasus und in Zentralasien wie auch für Europa die Frage, wie viele Jihadisten aus dem nun schrumpfenden IS-Territorium in ihre Heimatregionen zurückkehren werden. Für den Rückgang der Gewalt im Nordkaukasus werden unterschiedliche Gründe angeführt. Russische Sicherheitsorgane verweisen auf gesteigerte Effizienz bei der Bekämpfung des bewaffneten Untergrunds. In den letzten Jahren wurden dessen militärische und ideologische Führer in hoher Zahl bei gezielten Einsätzen von Eliteeinheiten getötet. Das Kaukasus-Emirat wurde innerlich gespalten, da viele seiner Führer sich von al-Qaida abwandten und dem sogenannten Islamischen Staat (IS) oder anderen Milizen in Syrien Treue schworen. Außerdem hieß es, russische Sicherheitsorgane hätten die Abwanderung von Kämpfern in den Mittleren Osten vorübergehend geduldet, wenn nicht sogar gefördert, um im eigenen Revier für Entlastung zu sorgen - besonders vor der Winterolympiade in Sotschi 2014. Seit 2016 sinkt die Jihad-Migration in den Mittleren Osten, da die Ressourcen des IS schrumpfen. Seine Anziehungskraft auf die nun zersplitternde Untergrundbewegung des Nordkaukasus hatte der IS in erster Linie seiner Territorialherrschaft zu verdanken, die in seinem Kerngebiet aber inzwischen zurückgedrängt wird. Auf seinem Staatsgebiet im Nordkaukasus favorisiert Russland militärische Einsätze, wenngleich in präzisierter, selektiver und gezielterer Form im Vergleich zur unverhältnismäßigen Gewalt in den beiden Tschetschenienkriegen, die nahezu in jeder tschetschenischen Familie Todesopfer gefordert hatte. Im Jahr 2009 eingeleitete Reformmaßnahmen, die auf sozioökonomische und politische Krisenursachen zielten, sind zugunsten der Agenda der "siloviki" (Sicherheitskräfte) wieder in den Hintergrund gerückt (SWP 4.2017).
In internationalen sicherheitspolitischen Quellen wird die Lage im Nordkaukasus mit dem Begriff "low level insurgency" umschrieben. Seit gut zehn Jahren liegt das Epizentrum von Gewalt nicht mehr in Tschetschenien. Dort konnte der Kriegszustand überwunden und ein Wiederaufbau eingeleitet werden. In einem Prozess der "Tschetschenisierung" wurde die Aufstandsbekämpfung im zweiten Tschetschenienkrieg an lokale Sicherheitskräfte delegiert, die sogenannten Kadyrowzy. Diese auf den ersten Blick erfolgreiche Strategie steht aber kaum für nachhaltige Befriedung (SWP 4.2017).
Die Menschenrechtsorganisation Memorial beschreibt in ihrem Bericht über den Nordkaukasus vom Sommer 2016 eindrücklich, dass die Sicherheitslage für gewöhnliche Bürger zwar stabil ist, Aufständische einerseits und Kritiker der bestehenden Systeme sowie Meinungs- und Menschenrechtsaktivisten andererseits weiterhin repressiven Maßnahmen und Gewalt bis hin zum Tod ausgesetzt sind (AA 24.1.2017).
Trotz der Versuche Moskaus, die sozioökonomische Situation im Nordkaukasus zu verbessern, ist die Region nach wie vor weitgehend von Transferzahlungen des föderalen Zentrums abhängig. Die derzeitige Wirtschaftskrise und damit einhergehenden Einsparungen im Budget stellen eine potentielle Gefahr für die Subventionen an die Nordkaukasus-Republiken dar. Ein weiteres Risikomoment für die Stabilität in der Region ist die Verbreitung des radikalen Islamismus. Während in den Republiken Inguschetien und Kabardino-Balkarien auf einen Dialog innerhalb der muslimischen Gemeinschaft gesetzt wird, verfolgen die Republiken Tschetschenien und Dagestan eine harte Politik der Einschüchterung und Repression extremistischer Elemente. Das harte Vorgehen der Sicherheitskräfte, aber auch die Abwanderung islamistischer Kämpfer nach Syrien und in den Irak haben dazu geführt, dass die Gewalt im Nordkaukasus in den letzten zwei Jahren deutlich zurückgegangen ist (ÖB Moskau 12.2016).
Im ersten Quartal des Jahres 2017 gab es im Nordkaukasus 45 Opfer des bewaffneten Konfliktes, davon 36 Todesopfer (25 Aufständische, 11 Exekutivkräfte) und neun Verwundete (sieben Exekutivkräfte, zwei Zivilisten). In Tschetschenien wurden im selben Zeitraum elf Exekutivkräfte und 17 Aufständische getötet, zwei Zivilisten und sechs Exekutivkräfte wurden verletzt. In Dagestan wurden im selben Zeitraum acht Aufständische getötet und ein Polizist verletzt. In Inguschetien, Kabardino-Balkarien, Karatschay-Tscherkessien, Nordossetien-Alania und im Stavropol Gebiet gab es im selben Zeitraum keine Opfer (Caucasian Knot 15.5.2017).
Im Jahr 2016 gab es nach Angaben von Caucasian Knot im gesamten Föderalen Distrikt Nordkaukasus 287 Opfer des bewaffneten Konfliktes (2015: 258; 2014: 525 Opfer). 202 davon wurden getötet (2015: 209; 2014: 341), 85 verwundet (2015: 49; 2014: 184) (Caucasian Knot 2.2.2017). Im ersten Quartal 2016 gab es im gesamten Föderalen Distrikt Nordkaukasus 48 Opfer des bewaffneten Konfliktes, 20 davon getötet, 28 davon verwundet (Caucasian Knot 10.5.2016).
Quellen:
-
AA - Auswärtiges Amt (24.1.2017): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Russischen Föderation
-
Caucasian Knot (2.2.2017): Statistics of victims in Northern Caucasus for 2016, http://www.eng.kavkaz-uzel.eu/articles/38325/, Zugriff 18.7.2017
-
Caucasian Knot (15.4.2017): Statistics of victims in Northern Caucasus in Quarter 1 of 2017,
http://www.eng.kavkaz-uzel.eu/articles/39216/, Zugriff 18.7.2017
-
ÖB Moskau (12.2016): Asylländerbericht Russische Föderation
-
SWP - Stiftung Wissenschaft und Politik (4.2017): Russland und der Nordkaukasus im Umfeld des globalen Jihadismus, https://www.swp-berlin.org/fileadmin/contents/products/aktuell/2017A23_hlb.pdf, Zugriff 18.7.2017
1.4.1.b. Sicherheitslage in Tschetschenien im Besonderen
Als Epizentrum der Gewalt im Kaukasus galt lange Zeit Tschetschenien. Die Republik ist in der Topographie des bewaffneten Aufstands mittlerweile aber zurückgetreten; angeblich sind dort nur noch kleinere Kampfverbände aktiv. Dafür kämpfen Tschetschenen in zunehmender Zahl an unterschiedlichen Fronten außerhalb ihrer Heimat - etwa in der