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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);Norm
AsylG 2005 §3 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bachler, die Hofrätin Dr. Leonhartsberger und den Hofrat Dr. Schwarz als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Honeder, in der Rechtssache der Revision des E A (auch: A) in Z, vertreten durch Mag. Dr. Helmut Blum, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Mozartstraße 11/6, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 12. September 2017, Zl. I415 2148056-1/12E, betreffend eine Angelegenheit nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Der Revisionswerber, ein Staatsangehöriger Nigerias, stellte am 2. September 2014 einen Antrag auf internationalen Schutz. Als Fluchtgrund gab er an, dass ihn eine Gruppe unbekannter Personen mit dem Diebstahl von Wahlurnen beauftragt hätte. Dafür hätten sie ihm eine Belohnung versprochen. Nach einer Bedenkzeit habe er die Mittäterschaft am Diebstahl der Wahlurne verweigert, weshalb ihn die Gruppe verfolge und mit der Ermordung gedroht habe. Bei einer Rückkehr würden ihn die Leute, ca. 30 Mitglieder, finden und töten.
2 Mit Bescheid vom 1. Februar 2017 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) den Antrag des Revisionswerbers auf internationalen Schutz sowohl gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005) hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten ab. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG) wurde gegen den Revisionswerber eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des Revisionswerbers nach Nigeria gemäß § 46 FPG zulässig sei. Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG wurde für die freiwillige Ausreise eine Frist von zwei Wochen festgelegt.
3 Mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 12. September 2017 wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) die dagegen erhobene Beschwerde des Revisionswerbers als unbegründet ab. Weiters sprach es aus, dass die Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig sei.
4 Gegen dieses Erkenntnis erhob der Revisionswerber zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, welcher mit Beschluss vom 24. November 2017 die Behandlung der Beschwerde gemäß Art. 144 Abs. 2 B-VG ablehnte und die Beschwerde mit Beschluss vom 11. Dezember 2017 dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.
5 Gegen das Erkenntnis des BVwG wendet sich die vorliegende außerordentliche Revision.
6 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
7 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
8 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
9 Zur Zulässigkeitsbegründung der Revision wird vorgebracht, das Bundesverwaltungsgericht übersehe ebenso wie die belangte Behörde, dass Asylwerber Fluchtgründe nicht beweisen, sondern bloß zu bescheinigen, das heiße mit überwiegender Wahrscheinlichkeit glaubhaft zu machen, hätten.
10 Im gegenständlichen Fall ist dem Vorbringen des Revisionswerbers vom BVwG die Glaubwürdigkeit abgesprochen worden. Sofern sich der Revisionswerber mit der Zulässigkeitsbegründung gegen die Beurteilung der Glaubwürdigkeit in der Beweiswürdigung des BVwG wenden sollte, zeigt sie damit keine grundsätzliche Rechtsfrage auf, weil der Verwaltungsgerichtshof zur Überprüfung der Beweiswürdigung im Allgemeinen, soweit der Sachverhalt genügend erhoben ist und die bei der Beweiswürdigung vorgenommenen Erwägungen schlüssig sind, nicht berufen ist (vgl. VwGH 10.8.2017, Ra 2016/20/0369, mwN). Die Ausführungen in der Revision zeigen nicht auf, dass die Beweiswürdigung des BVwG einer derartigen Schlüssigkeitskontrolle nicht standhalten würde.
11 Soweit die Zulässigkeitsbegründung auf das bei der Glaubhaftmachung von Asylgründen gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 geforderte Beweismaß abstellt, erweist sich die Revision schon deshalb als unzulässig, weil die Revision nicht von der Lösung dieser Rechtsfrage abhängt. Nach der hg. Rechtsprechung ist die Beurteilung des rechtlichen Begriffs der Glaubhaftmachung auf der Grundlage positiv getroffener Feststellungen von Seiten des erkennenden Verwaltungsgerichts vorzunehmen, aber im Fall der Unglaubwürdigkeit der Angaben des Asylwerbers können derartige positive Feststellungen vom Verwaltungsgericht nicht getroffen werden (vgl. VwGH 18.11.2015, Ra 2015/18/0237-0240, mwN).
12 Das BVwG stellte fest, dass der Revisionswerber an einer heterozygoten Sichelzellenanämie leide, er sich diesbezüglich keiner Dauermedikation unterziehe und keine regelmäßigen ambulanten Kontrollen notwendig seien. Der Gesundheitszustand des Revisionswerbers stehe einer Rückkehr in seinen Herkunftsstaat nicht entgegen.
13 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat im Allgemeinen kein Fremder ein Recht, in einem fremden Aufenthaltsstaat zu verbleiben, bloß um dort medizinisch behandelt zu werden, und zwar selbst dann nicht, wenn er an einer schweren Krankheit leidet. Dass die Behandlung im Zielland nicht gleichwertig, schwerer zugänglich oder kostenintensiver ist, ist unerheblich, allerdings muss der Betroffene auch tatsächlich Zugang zur notwendigen Behandlung haben, wobei die Kosten der Behandlung und Medikamente, das Bestehen eines sozialen und familiären Netzwerks und die für den Zugang zur Versorgung zurückzulegende Entfernung zu berücksichtigen sind. Nur bei Vorliegen außergewöhnlicher Umstände führt die Abschiebung zu einer Verletzung von Art. 3 EMRK. Solche liegen jedenfalls vor, wenn ein lebensbedrohlich Erkrankter durch die Abschiebung einem realen Risiko ausgesetzt würde, unter qualvollen Umständen zu sterben, aber bereits auch dann, wenn stichhaltige Gründe dargelegt werden, dass eine schwerkranke Person mit einem realen Risiko konfrontiert würde, wegen des Fehlens angemessener Behandlung im Zielstaat der Abschiebung oder des fehlenden Zugangs zu einer solchen Behandlung einer ernsten, raschen und unwiederbringlichen Verschlechterung ihres Gesundheitszustands ausgesetzt zu sein, die zu intensivem Leiden oder einer erheblichen Verkürzung der Lebenserwartung führt (vgl. VwGH 23.3.2017, Ra 2017/20/0038 bis 0040, mwN).
14 Dem BVwG kann nicht entgegen getreten werden, wenn es - ausgehend von seinen Feststellungen zur Krankheit des Revisionswerbers - zu dem Ergebnis gelangte, dass die Erkrankung des Revisionswerbers keine solche Schwere erreiche, dass es zu einer dem Art. 3 EMRK widersprechenden Lebenssituation führen würde. Darüber hinaus ist zum Vorbringen des Revisionswerbers, wonach er sich Medikamente nicht leisten könne, auszuführen, dass das BVwG unter Heranziehung von Berichten zur Situation im Herkunftsstaat sowohl das Vorhandensein der für den Revisionswerber notwendigen medizinischen Behandlungen und Medikamente als auch den tatsächlichen Zugang zu diesen bejahte. Das BVwG setzte sich mit der schulischen und beruflichen Ausbildung des Revisionswerbers und seinen Verdienstmöglichkeiten sowie seinen familiären Anknüpfungspunkten in seinem Herkunftsland auseinander. Dass das BVwG bei der hierauf gegründeten rechtlichen Beurteilung der (Nicht-)Zuerkennung von subsidiärem Schutz von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen wäre, vermag die Revision nicht aufzuzeigen.
15 In der Zulässigkeitsbegründung der Revision wird abschließend vorgebracht, die zur Lage in Nigeria getroffenen Sachverhaltsfeststellungen seien nicht korrekt auf die angegebenen Fluchtgründe angewendet worden.
16 Die Asylbehörden haben nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes in der Beweiswürdigung den realen Hintergrund der vom Asylwerber vorgetragenen Fluchtgeschichte in ihre Überlegungen einzubeziehen und die Glaubwürdigkeit seiner Behauptungen auch im Vergleich zur einschlägigen Berichtslage zu messen (vgl. VwGH 18.11.2015, Ra 2015/18/0237-0240, mwN). Dass das BVwG von dieser Rechtsprechung abgewichen sei, zeigt die Revision schon deshalb nicht auf, weil die vom Revisionswerber behauptete Verfolgung durch Privatpersonen damit in keinem erkennbaren Zusammenhang steht.
17 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 11. April 2018
Schlagworte
Sachverhalt SachverhaltsfeststellungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2018:RA2018200040.L00Im RIS seit
04.05.2018Zuletzt aktualisiert am
17.07.2018