Entscheidungsdatum
02.03.2018Norm
BAO §4 Abs1Text
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich hat durch Hofrat Mag. Röper als Einzelrichter über die Beschwerde der MI GmbH, vertreten durch
RA Dr. Stefan Stoiber, ***, ***, vom 23. Juli 2017 gegen den Berufungsbescheid des Stadtrates der Stadtgemeinde *** vom 3. Juli 2017, mit dem die Berufung gegen den Abgabenbescheid des Stadtamtes der Stadtgemeinde *** vom 28. Dezember 2016 betreffend Vorschreibung einer Kanalbenützungsgebühr als unzulässig zurückgewiesen worden war, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:
1. Der Beschwerde wird gemäß § 278 Bundesabgabenordnung (BAO) stattgegeben und der Spruch des angefochtenen Bescheides dahingehend abgeändert, dass es wie folgt zu lauten hat:
Gemäß § 5 Abs. 3 iVm § 5b Abs. 1 NÖ Kanalgesetz 1977 wird der MI GmbH, vertreten durch RA Dr. Stefan Stoiber, für die Liegenschaft ***, ***, mit Wirkung ab 1. Jänner 2017 für die Benützung des öffentlichen Schmutzwasserkanals - unter Zugrundelegung einer Berechnungsfläche von 2.404,35 m², eines Einheitssatzes von € 3,39 und einer Minderung von 71 Prozent - eine jährlich zu entrichtende Kanalbenützungsgebühr im Ausmaß von € 2.363,72 (zzgl. USt.) vorgeschrieben.
2. Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) ist nicht zulässig
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
1. Sachverhalt:
1.1. Abgabenbehördliches Verfahren:
1.1.1.
Mit Abgabenbescheid des Stadtamtes des Stadtgemeinde *** vom 28. Dezember 2016, EDV-Nummer ***, wurde der MI GmbH (in der Folge: Beschwerdeführerin) die Kanalbenützungsgebühr für die Benützung des öffentlichen Schmutzwasserkanals mit Wirkung
1. Jänner 2017 mit einem Jahresbetrag von € 8.150,75 (zzgl. 10 % Umsatzsteuer) vorgeschrieben. Der Abgabenberechnung wurde eine (reduzierte) Berechnungsfläche von 2.404,35 m² und einen Einheitssatz von € 3,39 zu Grunde gelegt.
1.1.2.
Mit Schreiben vom 27.Jänner 2017 erhob die Beschwerdeführerin durch
MD, Büro für ***, ***, ***, das Rechtsmittel der Berufung und begründete diese im Wesentlichen damit, dass durch die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen und Umsatzprognosen sowie Einsparungen die Mitarbeiterzahl verändert werden können. Auf den großen Flächen würden nur sehr wenige Mitarbeiter beschäftigt. Dadurch würden auf den flächenmäßig sehr großen Bereichen in Relation zur Fläche verhältnismäßig nur geringe Abwassermengen produziert. Die Beschäftigungssituation stelle sich wie folgt dar:
Personen
Funktion
Gleichzusetzen je EGW
EGW Gesamt
24
0
Beschäftigt nicht am Dienstort***)
24
Beschäftigte*)
21
Beschäftigte*)
3 EGW
7,00
3
Teilzeitbeschäftigte/Lehrlinge
3 EGW zu 50%
0,50
24
EGW Gesamt
7,50
Im Lichte der Bestimmung des § 5b NÖ Kanalgesetz 1977 werde die Berechnungsfläche von mehr als 700 m² überschritten.
Berechnungsfläche 2.404,35 m²: 7,50 EGW = 320,58 m²
Bei gegenständlichem Objekt entspreche 1 EGW nämlich 320,58 m² Berechnungsfläche. Somit liege ein offensichtliches Missverhältnis vor und bestehe ein Rechtsanspruch auf entsprechende Verminderung des Gebührenanteils. Das durchschnittliche Verhältnis zwischen EGW und Baufläche in der Stadtgemeinde *** betrage 1 EGW zu 65 m² Berechnungsfläche. Um auf diese durchschnittliche Belastung zu gelangen, wäre die Berechnungsfläche um 80% (65: 320,58 = 0,20 x 100 = 20) zu reduzieren. Die Kanalbenützungsgebühr sei daher um 80% zu reduzieren.
1.1.3.
Mit Bescheid des Stadtrates der Stadtgemeinde *** vom 3. Juli 2017, ohne Zahl, wurde die Berufung der Beschwerdeführerin, vertreten durch MD, Büro für ***, ***, ***, als unzulässig zurückgewiesen. Begründend wird nach Wiedergabe des bisherigen Verwaltungsgeschehens und der als maßgeblich erachteten Rechtsvorschriften ausgeführt, dass sich diese Entscheidung ausschließlich auf jenen Inhalt des Schriftsatzes vom 27. Jänner 2017, der als Berufung gegen den Abgabenbescheid vom 28. Dezember 2016 zu werten sei, beziehe. Durch die nachgewiesene Vollmacht des einschreitenden SV-Büros sei diese Voraussetzung als erfüllt anzusehen. Der Inhalt der Beschwerde stelle aber weder die Berechnungsfläche an sich noch die auf Grund der Verordnung des Gemeinderates neu festgelegte Kanalbenützungsgebühr in Frage.
1.2. Beschwerdeverfahren:
Mit Schreiben vom 23. Juli 2017 erhob die Beschwerdeführerin durch ihren ausgewiesenen Rechtsvertreter das Rechtsmittel der Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich gegen den Bescheid vom 3. Juli 2017 und begründete diese im Wesentlichen damit, dass die Härteklausel nach
§ 5b NÖ Kanalgesetz 1977 anzuwenden gewesen wäre. Diese Prüfung, ob ein Härtefall im Sinn der genannten Bestimmung vorliege, sei von der Abgabenbehörde amtswegig durchzuführen. Eine neuerliche Festsetzung der Kanalgebühr könne entsprechend § 14 Abs. 1 lit. b) und c) NÖ Kanalgesetz 1977 dann vorgenommen werden, wenn eine Änderung der im Abgabenbescheid festgesetzten Gebühren erfolge. Nach § 13 Abs. 1 NÖ Kanalgesetz 1977 habe der Abgabenpflichtige Veränderungen binnen 2 Wochen nach deren Eintritt bzw. nach dem Bekanntwerden derselben schriftlich anzuzeigen, wenn nach Zustellung der Abgabenentscheidung derartige Veränderungen eintreten und diese bei Neuausstellung des Bescheides von amtswegen nicht berücksichtigt würden, so seien diese mittels Berufung geltend zu machen. Im gegenständlichen Fall lägen die Voraussetzungen für die Anwendung der Härteklausel gemäß § 5b NÖ Kanalgesetz 1977 vor; seit dem letzten Abgabenbescheid habe sich die Anzahl der Dienstnehmer verändert, damit habe sich auch die Abwassermenge, die in den Kanal eingeleitet werde, verändert. Da das Objekt auch über 700 m², nämlich eine Berechnungsfläche von insgesamt 2.204,35 m² habe, dies bei lediglich 24 Beschäftigten, hätte § 5b NÖ Kanalgesetz 1977 von der Abgabenbehörde 1. Instanz zur Anwendung gebracht werden müssen. Demnach hätte die vorgeschriebene Gebühr wesentlich , nämlich um zumindest 69 % reduziert werden müssen.
1.3. Verfahren vor dem Landesverwaltungsgericht Niederösterreich:
Mit Schreiben vom 6. September 2017 legte die Stadtgemeinde *** dem Landesverwaltungsgericht Niederösterreich die Beschwerde und den bezughabenden Verwaltungsakt (samt Plänen, Gutachten sowie Einladungskurrende und Sitzungsprotokoll der maßgeblichen Sitzung des Stadtrates) vor.
1.3.1. Lokalaugenschein und mündliche Verhandlung:
Vom erkennenden Gericht wurde für den 22. Jänner 2018 ein Lokalaugenschein an Ort und Stelle sowie im Anschluss daran eine mündliche Verhandlung anberaumt.
Im Rahmen des Lokalaugenscheines wurde im Laufe der Begehung vom beigezogenen ASV für Siedlungswasserwirtschaft, JS festgestellt, dass das Betriebsobjekt der Beschwerdeführerin mit zwei Geschoßen (Keller und Erdgeschoß) an die öffentliche Kanalanlage angeschlossen ist. Im Kellergeschoß, welches offenbar mehrheitlich zu Lagerzwecken (Archiv, Ablagerung von nicht benötigten Maschinen und Ersatzteilen bzw. Eisenteilen sowie Buchhaltungsunterlagen) genützt wird, befinden sich neben den Lagerräumen auch Personalräume mit Spinden sowie mehrere WCs und Duschen. In einem der Kellerräume befindet sich neben gelagerten Maschinen eine Prozesswasseraufbereitungsanlage (augenscheinlich im geschlossenen Kreislauf). Im Kellerbereich befindet sich weiters ein offenkundig als Werkstatt genutzter Raum (neben dem Heizraum). Im Erdgeschoß, welches unbestritten eine Fläche von 2.404,35 m² aufweist, befinden sich WCs und weitere Wasserentnahmestellen. Von Seiten der Beschwerdeführerin wurde angegeben, dass der Betrieb 23 Mitarbeiter hat. Von diesen sind 3 Mitarbeiter im Büro beschäftigt, wobei ein Mitarbeiter im Ausmaß von 30 Stunden beschäftigt ist. In der Produktion sind 17 Mitarbeiter Vollzeit beschäftigt und 3 Mitarbeiter Teilzeit beschäftigt (2 Pensionisten zur Einstellung der Maschinen und 1 Putzfrau). Im Zuge des Lokalaugenscheines wurden in der Folge vom Verhandlungsleiter Lichtbilder im Außenbereich angefertigt.
Im Rahmen der der mündlichen Verhandlung wurde vom Beschwerdeführervertreter angegeben, dass mittlerweile weniger Personen durch die Beschwerdeführerin beschäftigt würden. Von Seiten der Beschwerdeführerin werde daher von 10,25 EGW für die gegenständliche Liegenschaft ausgegangen. Von Seiten der belangten Behörde wurden Unterlagen zur Kommunalsteuer aus 2015 und 2016 vorgelegt. Aus diesen gehe hervor, dass 2015 € 36.820,11 und 2016
€ 29.173,40 an Kommunalsteuer entrichtet wurden. Von Seiten der Gemeinde seien diese Werte mit dem statistischen Zentralamt gegengerechnet worden. Aus dieser Rechnung ergebe sich, dass im Jahre 2015 53,7 Personen und im Jahre 2016 41,9 Personen beschäftigt gewesen sein müssten. Zum angegebenen Personalstand von 23 Mitarbeitern stelle sich die Frage, ob das auch der Wert zum 27. Jänner 2017 sei. Von Seiten des Beschwerdeführervertreters wird bestätigt, dass dieser Wert von 23 Mitarbeitern der Wert zum 27. Jänner 2017 gewesen sei. Weiters wurde die Einwohnerstatistik für die Stadtgemeinde *** für 31. Dezember 2016 vorgelegt, aus der hervorgehe, dass insgesamt 11.524 Personen mit Haupt- bzw. Nebenwohnsitz in der Statistik erfasst seien. Die Berechnungsfläche für die Kanalbenützungsgebühr in der gesamten Gemeinde mache 770.360,09 m² aus. In seinem Gutachten führte der beigezogene ASV für Siedlungswasserwirtschaft, JS, aus, dass für die Berechnungen der auf der Liegenschaft anfallenden äquivalenten Schmutzfracht drei Bürokräfte mit jeweils 0,3 EW pro Bürokraft, 17 Personen in der Produktion mit jeweils 0,5 EW pro Kraft und drei Hilfskräfte mit je 0,3 EW pro Kraft angenommen worden sind. Das ergebe in der Summe eine Schmutzfracht von 10,5 EW. Bei einer gesamten Berechnungsfläche in der Stadtgemeinde *** von 770.360,09 m² ergebe sich bei einer Bevölkerungszahl von 11.524 eine durchschnittliche Fläche von 66,84 m² pro EW. Die Vergleichsfläche der Beschwerdeführerin ergebe sich aus der Berechnungsfläche von 2.404,35 m² zu den 10,5 ermittelten Einwohnerwerten, mit 228,99 m². Das Verhältnis der Durchschnittsfläche in der Gemeinde zur Durchschnittsfläche der Beschwerdeführerin ergebe einen Wert von 0,29, was eine Reduktion der Kanalgebühr von 71% bedeute.
1.3.2.
Mit Schreiben vom 26. Jänner 2018 wurde den Verfahrensparteien und dem beigezogenen ASV für Siedlungswasserwirtschaft mitgeteilt, dass von Seiten des erkennenden Gerichts am 24. Jänner 2018 Einsicht in den bei der Bezirkshauptmannschaft aufliegenden Bauakt der Beschwerdeführerin genommen worden sei. Dabei konnte anhand der Planunterlagen (siehe angefügte Kopien) erhoben werden, dass das Kellergeschoß eine Geschoßfläche von 785,91 m² aufweise. Innerhalb dieses Geschoßes befänden sich neben Lagerflächen weitere Flächen, die entweder gewerblich genutzt werden oder eine sonstige, mit einer gewerblichen Nutzung nicht im Zusammenhang stehende Nutzung (Gänge, Stiegenaufgänge etc.) aufwiesen. Dabei ergebe sich an Hand der in den Plänen vermerkten Nettoflächen folgende Verteilung:
1. Gewerblich genutzte Flächen:
Aufenthaltsraum 47,96 m²
Vorraum 15,14 m²
Schulungsraum 28,21 m²
Serverraum 13,05 m²
WCs, Duschen, Duschräume 39,85 m²
Werkstatt 29,54 m²
Gesamt 173,75 m²
2. Lagerflächen:
Garderobe Herren 27,97 m²
Garderobe Damen 19,38 m²
Archiv 15,66 m²
Öllagerraum 30,45 m²
Lager I 53,16 m²
Lager II 86,28 m² (inkl. rund 15 m² für Reinigungsanlage)
Lager III 90,57 m²
Lager IV 19,31 m²
Lager V 5,57 m²
Lager VI 18,44 m²
Gesamt 366,79 m²
Im Lichte dieser Aufstellung sei daher davon auszugehen, dass iSd § 5 Abs. 3 NÖ Kanalgesetz 1977 in diesem Kellergeschoß die Lagerräume deutlich überwiegen. Dieses Ermittlungsergebnis wurde zur Kenntnis und Stellungnahme binnen einer Frist von 2 Wochen ab Zustellung dieses Schreibens übermittelt.
1.3.3.
Mit Schreiben vom 13. Februar 2018 teilte die belangte Behörde mit, dass nach ihrer Auffassung die Gang- und Vorraumflächen (gesamt 79,35 m²) und die Garderoben für Damen und Herren in unmittelbaren Zusammenhang mit den gewerblich genutzten Flächen stünden und deshalb auch als solche zu bewerten wären. Dies gelte gleichfalls für die Fläche des Lagers ll, in dem die Reinigungsanlage stehe. Das Archiv stelle eine Möglichkeit zur Unterbringung von Dokumenten und Urkunden des Betriebes dar, welcher der Büroorganisation zuzuordnen wäre. Des Weiteren fehlten in der Aufstellung ein Abstellraum (2,38 m²), der Heizraum inkl. Schleuse (29,14 m²) und der Kompressorraum (29,46 m²). Der Mitarbeiterstand variiere auf diversen Webseiten von 20 bis 50 Personen. Für die Berechnung der auf der Liegenschaft anfallenden äquivalenten Schmutzfracht könne nicht nur das Firmenpersonal herangezogen werden. Ein Betrieb wie die Beschwerdeführerin werde mit Rohstoffen durch Zulieferer versorgt, benötige externe Spezialisten für Servicearbeiten und habe Kundenverkehr. AII diese externen Personen könnten Anteil an der Schmutzfracht des Betriebes haben und seien für den EW zu berücksichtigen. Von Seiten der Stadtgemeinde wären diese mit 6 externen Personen, mit jeweils 0,3 EW pro Person, zum EW zu zählen. Aufbauend auf den Angaben des Amtssachverständigen und ergänzt durch den Anteil der externen Personen, ergebe das in Summe eine Schmutzfracht von 12,1 EW, was jedenfalls zu einer Reduzierung geringeren Ausmaßes der Kanalbenützungsgebühr führen würde.
1.3.4.
Mit Schreiben vom 13. Februar 2018 teilte der beigezogene ASV für Siedlungswasserwirtschaft mit, dass die Aufstellung und Aufsummierung der einzelnen Raumflächen im Schreiben vom 26. Jänner 2018 schlüssig und mit den beigelegenen Plänen nachvollziehbar seien. Aus technischer Sicht könne der Schlussfolgerung auf Seite 2 des oben angeführten Schreibens, dass die Lagerräume im Kellergeschoß überwiegen, vollinhaltlich zugestimmt werden. Den im Rahmen der mündlichen Verhandlung am 22. Jänner 2018 durchgeführten Berechnungen für eine Reduzierung der Kanalbenützungsgebühr um 71% werde daher nichts hinzugefügt, da sie im Lichte der erwähnten Aufstellung unverändert Gültigkeit behielten.
1.4. Zum durchgeführten Ermittlungsverfahren:
Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich hat Beweis aufgenommen durch Einsichtnahme in den Akt der Stadtgemeinde ***, in den bei der Bezirkshauptmannschaft St. Pölten aufliegenden Bauakt der Beschwerdeführerin und durch Einsichtnahme in das öffentliche Grundbuch sowie durch Durchführung eines Ortsaugenscheines und einer mündlichen Verhandlung am 22. Jänner 2018, jeweils unter Beiziehung eines Amtssachverständigen für Siedlungswasserwirtschaft.
1.5. Beweiswürdigung:
Im Wesentlichen ist der Sachverhalt als unstrittig zu beurteilen und ergibt sich dieser aus dem unbedenklichen Akteninhalt in Verbindung mit dem bekämpften Bescheid, sowie aus dem Vorbringen der Beschwerdeführerin, soweit dieses den Feststellungen der belangten Behörde nicht entgegentritt, und der durchgeführten mündlichen Verhandlung.
2. Anzuwendende Rechtsvorschriften:
2.1. Bundesabgabenordnung (BAO):
§ 1. ( 1) Die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes gelten in Angelegenheiten der öffentlichen Abgaben (mit Ausnahme der Verwaltungsabgaben des Bundes, der Länder und der Gemeinden) sowie der auf Grund unmittelbar wirksamer Rechtsvorschriften der Europäischen Union zu erhebenden öffentlichen Abgaben, in Angelegenheiten der Eingangs- und Ausgangsabgaben jedoch nur insoweit, als in den zollrechtlichen Vorschriften nicht anderes bestimmt ist, soweit diese Abgaben durch Abgabenbehörden des Bundes, der Länder oder der Gemeinden zu erheben sind.
§ 2a. Die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes gelten sinngemäß in Verfahren vor den Verwaltungsgerichten, soweit sie im Verfahren vor der belangten Abgabenbehörde gelten. In solchen Verfahren ist das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) nicht anzuwenden. …
§ 4. (1) Der Abgabenanspruch entsteht, sobald der Tatbestand verwirklicht ist, an den das Gesetz die Abgabepflicht knüpft.
§ 115. (1) Die Abgabenbehörden haben die abgabepflichtigen Fälle zu erforschen und von Amts wegen die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse zu ermitteln die für die Abgabepflicht und die Erhebung der Abgaben wesentlich sind. …
§ 278. (1) Ist die Bescheidbeschwerde mit Beschluss des Verwaltungsgerichtes
a) weder als unzulässig oder nicht rechtzeitig eingebracht zurückzuweisen (§ 260) noch
b) als zurückgenommen (§ 85 Abs. 2, § 86a Abs. 1) oder als gegenstandlos (§ 256 Abs. 3, § 261) zu erklären,
so kann das Verwaltungsgericht mit Beschluss die Beschwerde durch Aufhebung des angefochtenen Bescheides und allfälliger Beschwerdevorentscheidungen unter Zurückverweisung der Sache an die Abgabenbehörde erledigen, wenn Ermittlungen (§ 115 Abs. 1) unterlassen wurden, bei deren Durchführung ein anders lautender Bescheid hätte erlassen werden oder eine Bescheiderteilung hätte unterbleiben können. Eine solche Aufhebung ist unzulässig, wenn die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
(2) Durch die Aufhebung des angefochtenen Bescheides tritt das Verfahren in die Lage zurück, in der es sich vor Erlassung dieses Bescheides befunden hat.
2.2. NÖ Kanalgesetz 1977, LGBl. 8230-9:
Begriffe
§ 1a. Im Sinne dieses Gesetzes gelten als: …
6. Geschoßfläche: die sich aus den äußersten Begrenzungen jedes Geschoßes ergebende Fläche. (…)
§ 5. (1) Für die Möglichkeit der Benützung der öffentlichen Kanalanlage ist eine jährliche Kanalbenützungsgebühr zu entrichten, wenn der Gemeinderat die Einhebung einer solchen Gebühr beschlossen hat.
(2) Die Kanalbenützungsgebühr errechnet sich aus dem Produkt der Berechnungsfläche und dem Einheitssatz zuzüglich eines schmutzfrachtbezogenen Gebührenanteiles. Dieser wird nur dann berücksichtigt, wenn die eingebrachte Schmutzfracht den Grenzwert von 100 Berechnungs-EGW überschreitet. Werden von einer Liegenschaft in das Kanalsystem Schmutzwässer und Niederschlagswässer eingeleitet, so gelangt in diesem Fall ein um 10 % erhöhter Einheitssatz zur Anwendung.
(3) Die Berechnungsfläche ergibt sich aus der Summe aller an die Kanalanlage angeschlossenen Geschoßflächen. Die Geschoßfläche angeschlossener Kellergeschoße und nicht angeschlossener Gebäudeteile wird nicht berücksichtigt. Angeschlossene Kellergeschoße werden jedoch dann berücksichtigt, wenn eine gewerbliche Nutzung vorliegt, ausgenommen Lagerräume, die mit einem Unternehmen im selben Gebäude in unmittelbarem wirtschaftlichen Zusammenhang stehen. Wird die Liegenschaft trotz bestehender Anschlussverpflichtung nicht an die Kanalanlage angeschlossen, so ist die Berechnungsfläche so zu ermitteln, als ob die Liegenschaft an die Kanalanlage angeschlossen wäre.
§ 5b. (1) Ergibt sich bei der Berechnung der Kanalbenützungsgebühr ein offensichtliches Mißverhältnis, zwischen der berechneten Höhe und dem verursachten Kostenaufwand, so ist die Kanalbenützungsgebühr entsprechend der tatsächlichen Inanspruchnahme, unter Berücksichtigung der sonst in der Gemeinde zu entrichtenden Kanalbenützungsgebühren höchstens jedoch um 80 % zu vermindern.
(2) Ein offensichtliches Mißverhältnis im Sinne des Abs. 1 liegt jedenfalls vor, wenn die Schmutzfracht pro 300 m2 Berechnungsfläche bei widmungsgemäßer Verwendung geringer als ein EGW ist.
(3) Eine Verminderung der Kanalbenützungsgebühr kommt nur dann in Betracht, wenn die Berechnungsfläche mehr als 700 m2 beträgt.
§ 12. (3) Die Abgabenschuld für die Kanalbenützungsgebühr entsteht mit dem Monatsersten des Monats, in dem erstmalig die Benützung des Kanals möglich ist oder die Abfuhr der Fäkalien erfolgt. Wird eine Liegenschaft trotz bestehender Anschlußverpflichtung nicht an die Kanalanlage angeschlossen, so entsteht die Kanalbenützungsgebühr mit dem Monatsersten des Monats in dem der Anschluß an den Kanal möglich ist. Diese Gebühren sind, soferne der Gemeinderat in der Kanalabgabenordnung nichts anderes bestimmt, im vorhinein in vierteljährlichen Teilzahlungen, und zwar jeweils bis zum 15. Jänner, 15. April, 15. Juli und 15. Oktober, zu entrichten.
§ 13. (1) Treten nach Zustellung der Abgabenentscheidung derartige Veränderungen ein, daß die der seinerzeitigen Festsetzung der Kanalerrichtungsabgabe und Kanalbenützungsgebühr oder der Fäkalienabfuhrgebühr zugrunde gelegten Voraussetzungen nicht mehr zutreffen, so hat der Abgabepflichtige diese Veränderungen binnen zwei Wochen nach dem Eintritt der Veränderung bzw. nach dem Bekanntwerden derselben dem Bürgermeister (Magistrat) schriftlich anzuzeigen (Veränderungsanzeige).
(2) Eine auf Grund einer im Abs. 1 genannten Veränderung festgestellte niedrigere oder höhere Gebühr (§ 14 Abs. 1 lit. c) ist, soferne sich nicht aus § 12 etwas anderes ergibt, ab dem Monatsersten des dem Tage des Eintrittes der Veränderung zunächst folgenden Monates zu entrichten.
§ 14. (1) Den Abgabepflichtigen ist die Abgabenschuld mit Abgabenbescheid vorzuschreiben. Durch je einen besonderen Abgabenbescheid sind vorzuschreiben:
a) die Kanaleinmündungsabgaben, Ergänzungsabgaben und Sonderabgaben (§§ 2 und 4);
b) die Kanalbenützungsgebühren und die Fäkalienabfuhrgebühren (§§ 5 und 8);
c) Änderungen der im Abgabenbescheid nach lit. b festgesetzten Gebühren;
d) die Kosten für die Behebung von Kanalverstopfungen (§ 17 Abs. 5) und der Behebung von Schäden auf fremden Liegenschaften (§ 18 Abs. 1).
(2) Der Abgabenbescheid hat zu enthalten:
a) die Bezeichnung als Abgabenbescheid;
b) den Grund der Ausstellung;
c) bei der Fäkalienabfuhr die Zahl der jährlichen Einsammlungen;
d) die Bemessungsgrundlage und die Höhe der Abgabe;
e) den Fälligkeitstermin, im Falle des Abs. 1 lit.b und c die Fälligkeitstermine und die Höhe der jeweiligen Teilbeträge;
f) die Rechtsmittelbelehrung und
g) den Tag der Ausfertigung.
(3) Die in der Abgabenentscheidung festgesetzte Kanalbenützungsgebühr oder Fäkalienabfuhrgebühr ist so lange zu entrichten, solange nicht ein neuer Abgabenbescheid ergeht.
(4) Der Abgabenbescheid nach Abs. 1 lit. c ist insbesondere auf Grund einer im § 13 Abs. 1 genannten Veränderung, ferner bei Änderung der Einheitssätze, bei der Fäkalienabfuhr auch bei Änderung des Einsammlungsplanes zu erlassen.
2.4. Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 - VwGG:
§ 25a. (1) Das Verwaltungsgericht hat im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
(2) Eine Revision ist nicht zulässig gegen:
1. Beschlüsse gemäß § 30a Abs. 1, 3, 8 und 9;
2. Beschlüsse gemäß § 30b Abs. 3;
3. Beschlüsse gemäß § 61 Abs. 2.
(3) Gegen verfahrensleitende Beschlüsse ist eine abgesonderte Revision nicht zulässig. Sie können erst in der Revision gegen das die Rechtssache erledigende Erkenntnis angefochten werden. …
(5) Die Revision ist beim Verwaltungsgericht einzubringen.
3. Würdigung:
3.1. Zu Spruchpunkt 1:
Die Beschwerde ist begründet.
3.1.1.
In der Sache selbst ist eingangs festzuhalten, dass die von den Abgabenbehörden des mitbeteiligten Gemeindeverbandes der Abgabenfestsetzung zugrunde gelegten Berechnungsflächen dem Grunde nach außer Streit stehen. Genauso unstrittig ist der Umstand, dass das auf der streitgegenständlichen Liegenschaft errichtete Objekt mit zwei Geschoßen an den Ortskanal angeschlossen ist.
Das Beschwerdevorbringen lässt sich vielmehr auf die Frage reduzieren, ob die Berücksichtigung der Härtefallregel nach § 5b NÖ Kanalgesetz 1977 zu erfolgen hat bzw. ob das Kellergeschoß bei der Ermittlung der Berechnungsfläche zu berücksichtigen ist.
3.1.2.
Bei der Kanalbenützungsgebühr iSd § 5 NÖ Kanalgesetz 1977 handelt es sich um eine Gebühr für die Benützung von Gemeindeeinrichtungen und Gemeindeanlagen. Gebührentatbestand ist die Möglichkeit zur Benützung der öffentlichen Kanalanlagen. Dafür ist vom Liegenschaftseigentümer eine flächenbezogen berechnete Gebühr zu entrichten. Werden jedoch von einer Liegenschaft entweder besonders geringe Mengen an Abwässern (bei großem Flächenausmaß) oder besonders stark verschmutzte Abwässer eingeleitet, so ist die Gebühr entsprechend der tatsächlichen Inanspruchnahme des Kanals zu vermindern (Härteklausel, vgl. § 5b NÖ Kanalgesetz 1977) oder zu erhöhen (um einen schmutzfrachtbezogenen Anteil, vgl. § 5 Abs. 2 iVm § 5 Abs. 4 leg.cit.). Ziel der Regelung ist es, auch in jenen Fällen, in denen große Flächen zur Berechnung herangezogen werden, jedoch nur eine relativ geringe Inanspruchnahme erfolgt, jene Gebührenbelastung herbeizuführen, die üblicherweise in der Gemeinde vorliegt (vgl. VwGH vom 11. Dezember 2000, Zl. 97/17/0460).
3.1.3.
Nach § 4 Abs. 1 der von den Verwaltungsbehörden (und dem erkennenden Gericht) anzuwendenden BAO entsteht der Abgabenanspruch, sobald der Tatbestand verwirklicht ist, an den das Gesetz die Abgabepflicht knüpft. Angesichts der Komplexität der Sachlage ist zunächst darauf hinzuweisen, dass aus der rechtlichen Konstruktion der Abgabenschuldverhältnisse folgt, dass dieses bereits mit Verwirklichung eines gesetzlich normierten Abgabentatbestandes entsteht. Der Abgabenbescheid ist seinen wesentlichen Merkmalen nach lediglich feststellender Natur. Er bringt den Abgabenanspruch nicht zum Entstehen, sondern stellt den aus dem Gesetz erwachsenden Anspruch lediglich fest (vgl. VwGH vom 25. Juni 1996, Zl. 94/17/0419). Daraus ergibt sich, dass die Abgabenbehörde die Abgabe festzusetzen hat, sobald der Abgabenanspruch entstanden ist. Da sich der Abgabenanspruch der Gemeinde aus der Sicht des Abgabepflichtigen als Abgabenschuld darstellt, ist die Abgabenfestsetzung zulässig, sobald die Abgabenschuld entstanden ist.
3.1.4.
Gegenstand des Bescheides vom vom 28. Dezember 2016, EDV-Nummer ***, ist die Festsetzung der Kanalbenützungsgebühr gewesen. Dem in § 5 Abs. 1 NÖ Kanalgesetz 1977 normierten Abgabentatbestand zufolge ist für die Möglichkeit der Benützung der öffentlichen Kanalanlage eine jährliche Kanalbenützungsgebühr zu entrichten, wenn der Gemeinderat die Einhebung einer solchen Gebühr beschlossen hat. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bei der Festsetzung von Abgaben nach dem Grundsatz der Zeitbezogenheit von Abgabenvorschriften jene Sach- und Rechtslage maßgeblich ist, die zum Zeitpunkt der Verwirklichung des Abgabentatbestandes gegolten hat (vgl. VwGH vom 10. Dezember 2008, Zl. 2005/17/0055, und vom 7. Oktober 2005, Zl. 2005/17/0168). Die Erlassung dieses Abgabenbescheides erfolgte somit grundsätzlich zu Recht.
3.1.5.
Ein Härtefall iSd § 5b NÖ Kanalgesetz 1977 liegt dann vor, wenn bei einer Liegenschaft mit einer Berechnungsfläche von mehr als 700 m² ein offensichtliches Missverhältnis zwischen der berechneten Höhe der Kanalbenützungsgebühr und dem Kostenaufwand für die Entsorgung der von der Liegenschaft verursachten Abwässer besteht. Diese Härten sollen durch die Bestimmung des § 5b leg.cit. vermieden werden, sodass diese Bestimmung insbesondere bei Objekten, bei denen die Nutzungsmöglichkeit aufgrund der zur Verfügung stehenden Fläche über die tatsächliche Nutzung deutlich hinaus geht und damit die tatsächliche Belastung der Kanalanlage wesentlich geringer ist als bei Objekten vergleichbarer Größe, Anwendung finden (vgl. VwGH vom 11. Dezember 2000, Zl. 97/17/0460). Bei der Prüfung des Vorliegens eines Härtefalles ist die Gebühr für die Abwasserentsorgung dem tatsächlich für die Abwasserentsorgung entstehenden Kostenaufwand durch die Benützung der Liegenschaft gegenüberzustellen. Dabei sind die jeweiligen Jahreswerte maßgebend. Neben dem jährlichen Gebührenanteil ist somit auch der jährliche tatsächlich für die Abwasserentsorgung entstehende Kostenaufwand festzustellen (vgl. VwGH vom 24. Mai 1996, Zl. 94/17/0373).
Ein offensichtliches Missverhältnis ist nach § 5b Abs. 2 NÖ Kanalgesetz 1977 jedenfalls dann gegeben, wenn die Schmutzfracht pro 300 m² Berechnungsfläche bei widmungsgemäßer Verwendung geringer als ein EGW (=EW) ist. Ein offensichtliches Missverhältnis kann aber auch in anderen Fällen, in denen die Schmutzfracht pro 300 m² Berechnungsfläche größer oder gleich einem EGW ist, aufgrund besonderer Umstände vorliegen. Bei der Bemessung des Ausmaßes der Verminderung der Gebühr sieht § 5b Abs. 1 NÖ Kanalgesetz 1977 vor, dass auch die sonst in der Gemeinde zu entrichtenden Kanalbenützungsgebühren zu beachten sind. Damit wird dem Umstand Rechnung getragen, dass in einer Gemeinde für alle Liegenschaften Kanalbenützungsgebühren eingehoben werden können, die den jeweils anteiligen tatsächlichen Kostenaufwand überschreiten. Die Anwendung der Härtefallregelung soll also nicht zu einer Bevorzugung einer Liegenschaft gegenüber allen anderen Liegenschaften einer Gemeinde führen. Darüber hinaus darf die Verminderung aufgrund der Anwendung der Härtefallregelung höchstens 80 % betragen.
Im Beschwerdefall beträgt die Berechnungsfläche der Liegenschaft der Beschwerdeführerin somit 2.404,35 m², sodass diese in § 5b Abs. 3 NÖ Kanalgesetz 1977 angeführte Voraussetzung zur Anwendung der Härtefallregelung erfüllt ist.
3.1.6. Zum Kellergeschoß:
Gemäß § 5 Abs. 3 NÖ Kanalgesetz 1977 ergibt sich die Berechnungsfläche aus der Summe aller an die Kanalanlage angeschlossenen Geschoßflächen. Die Geschoßfläche angeschlossener Kellergeschoße und nicht angeschlossener Gebäudeteile wird nicht berücksichtigt. Angeschlossene Kellergeschoße werden jedoch dann berücksichtigt, wenn eine gewerbliche Nutzung vorliegt, ausgenommen Lagerräume, die mit einem Unternehmen im selben Gebäude in unmittelbarem wirtschaftlichen Zusammenhang stehen.
Aus dem bei der Bezirkshauptmannschaft St. Pölten aufliegenden Bauakt der Beschwerdeführerin ergibt sich, dass das Kellergeschoß eine Geschoßfläche von 785,91 m² aufweist. Die Lagerflächen machen dabei eine Fläche von 366,79 m² aus. Was den von der belangten Behörde monierten Lagerraum II betrifft, so ist dieser trotz der Aufbereitungsanlage überwiegend zu Lagerzwecken genützt und daher nicht zu berücksichtigen. Gang- und Vorraumflächen dienen zur Erreichung sowohl der Lagerräume als auch der spezifisch gewerblich genutzten Räumlichkeiten und sind daher weder dem einen noch dem anderen Zweck vorrangig dienend. Ein Archiv stellt eine geordnete Sammlung von meist historischen Schriftstücken dar, sodass dabei der Lagerungsaspekt überwiegt. Gleiches gilt für eine Garderobe, die der Ablage (Lagerung) von Kleidungsstücken dient. Der Heizraum und der Kompressorraum dienen allgemeinen Zwecken und nicht vorrangig der gewerblichen Nutzung. Aber selbst wenn man bei diesen Räumen von einer vorrangig gewerblichen Nutzung ausgeht, überwiegen die Lagerräume im Kellergeschoß dennoch deutlich.
Diesen Überlegungen folgt, dass das Kellergeschoß daher - zu Recht - nicht bei der Ermittlung der Berechnungsfläche berücksichtigt wurde.
3.1.7.
Im Beschwerdefall beträgt die Berechnungsfläche der Liegenschaft der Beschwerdeführerin somit 2.404,35 m², sodass diese in § 5b Abs. 3 NÖ Kanalgesetz 1977 angeführte Voraussetzung zur Anwendung der Härtefallregelung erfüllt ist.
Gegenüberzustellen war in der Folge die Kanalbenützungsgebühr je Einwohnerwert in Ansehung der verfahrensgegenständlichen Liegenschaft einerseits, mit den im Gemeindegebiet durchschnittlich (für die Entsorgung einer der gleichen Zahl von Einwohnergleichwerten entsprechenden Schmutzfracht) entstehenden Kosten andererseits (vgl. VwGH vom 18. Oktober 2004, Zl. 2000/17/0029).
Der dem Verfahren beigezogene ASV für Siedlungswasserwirtschaft kommt zum Schluss, dass für die Berechnungen der auf der Liegenschaft anfallenden äquivalenten Schmutzfracht drei Bürokräfte mit jeweils 0,3 EW pro Bürokraft, 17 Personen in der Produktion mit jeweils 0,5 EW pro Kraft und drei Hilfskräfte mit je 0,3 EW pro Kraft angenommen werden müssen (externe Kräfte finden dabei keinen Niederschlag). Das ergibt in der Summe eine Schmutzfracht von 10,5 EW. Bei einer gesamten Berechnungsfläche in der Stadtgemeinde *** von 770.360,09 m² ergibt sich bei einer Bevölkerungszahl von 11.524 eine durchschnittliche Fläche von 66,84 m² pro EW. Die Vergleichsfläche der Beschwerdeführerin ergibt sich aus der Berechnungsfläche von 2.404,35 m² zu den 10,5 ermittelten Einwohnerwerten, mit 228,99 m². Das Verhältnis der Durchschnittsfläche in der Gemeinde zur Durchschnittsfläche der Beschwerdeführerin ergibt einen Wert von 0,29, was eine Reduktion der Kanalgebühr von 71% bedeutet.
3.1.8.
Die jährlich zu entrichtende Kanalbenützungsgebühr – unter Zugrundelegung einer Berechnungsfläche von 2.404,35 m² und eines Einheitssatzes von € 3,39 beträgt sohin € 8.150,75. Dieser Betrag ist iSd § 5b Abs. 1NÖ Kanalgesetz 1977 um 71 Prozent zu mindern. Die reduzierte jährliche Kanalbenützungsgebühr beträgt somit € 2.363,72. Zuzüglich Umsatzsteuer ist somit ein Gesamtjahresbetrag von € 2.600,09 zu entrichten.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
3.2. Zu Spruchpunkt 2 - Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß
Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist die Revision gegen eine Entscheidung des Verwaltungsgerichtes zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil die Entscheidung von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Im Hinblick auf die obigen Ausführungen (siehe 3.1.) liegen jedoch keine Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfragen vor.
Schlagworte
Finanzrecht; Kanalbenutzungsgebühr; Abgabenfestsetzung; Härteklausel;Anmerkung
VwGH 29.05.2019, Ra 2018/16/0084-5, AufhebungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGNI:2018:LVwG.AV.1121.001.2017Zuletzt aktualisiert am
26.06.2019