TE Bvwg Erkenntnis 2018/4/18 L511 2185738-1

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Veröffentlicht am 18.04.2018
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Entscheidungsdatum

18.04.2018

Norm

AlVG §26a
B-VG Art.133 Abs4
VwGVG §28 Abs3 Satz2

Spruch

L511 2185738-1/4E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag.a Sandra Tatjana JICHA als Vorsitzende und die fachkundigen Laienrichterinnen Mag.a Ursula LEMMERER, B.iur.oec. und Dr.in Gudrun WOISETSCHLÄGER als Beisitzerinnen über die Beschwerden von XXXX, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Blum, gegen den Bescheid des Arbeitsmarktservice XXXX vom 30.10.2017, Zahl: XXXX, nach Beschwerdevorentscheidung vom 18.01.2018, Zahl: XXXX, zu Recht erkannt:

A)

In Erledigung der Beschwerde wird der bekämpfte Bescheid behoben und die Angelegenheit gemäß § 28 Abs. 3 Verwaltungsgeevangelischenrichtsverfahrensgesetz (VwGVG) zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Arbeitsmarktservice XXXX zurückverwiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang und Verfahrensinhalt

1. Verfahren vor dem Arbeitsmarktservice [AMS]

1.1. Der Beschwerdeführer brachte am 02.10.2017 elektronisch einen Antrag auf Bildungsteilzeitgeld ein. Er legte eine Bestätigung des Dienstgebers gemäß § 11a Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetzes (AVRAG) vor, wonach zwischen dem Beschwerdeführer und dem Dienstgeber eine Bildungsteilzeit von 01.10.2017 bis 30.09.2018 vereinbart wurde (Aktenzahl des übermittelten Verwaltungsaktes [AZ] 1-3).

1.2. Über Aufforderung des AMS gab der Beschwerdeführer mit Schreiben vom 29.10.2017 bekannt, dass er für mehrere Jahre ein durchgehendes Beschäftigungsausmaß von 24,5 Stunden pro Woche gearbeitet hatte und lediglich für ein paar Monate aus betrieblichen Gründen für eine Kollegin eine Karenzvertretung im Ausmaß von 3 zusätzlichen Wochenstunden übernommen hatte. Mit Beginn des Studiums am 01.10.2018 habe er dann die Arbeitszeit auf 14,5 Stunden reduziert. Er habe daher jedenfalls länger als 6 Monate eine Basisdienstzeit von 24,5 Stunden gehabt (AZ 5-6).

1.3. Mit Bescheid des AMS vom 30.10.2017, Zahl: XXXX, wurde dem Antrag auf Zuerkennung des Bildungsteilzeitgeldes vom 01.10.2017 (sic!) gemäß § 26a Abs. 1 Z3 Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977 (AlVG) mangels Erfüllung einer sechsmonatigen gleichbleibenden Normalarbeitszeit vor Herabsetzung der Arbeitszeit keine Folge gegeben. (AZ 7).

Begründend wurde ausgeführt, dass der Beschwerdeführer bis zum 31.08.2017 im Ausmaß von 27,5 Stunden pro Woche, ab 01.09.2017 in einem Ausmaß von 24,5 Stunden pro Woche beschäftigt gewesen sei, womit keine gleichbleibende sechsmonatige Beschäftigung vorgelegen sei.

1.4. Mit Schreiben vom 27.11.2017 erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde gegen den oben bezeichneten Bescheid des AMS (AZ 8).

Begründend verwies der Beschwerdeführer auf seine bereits am 29.10.2017 abgegebene Stellungnahme. Die kurzzeitige Karenzvertretung dürfe ihm nicht zum Nachteil gereichen, vielmehr sei für die Berechnung des Leistungsbezuges sein Basisgehalt für die 24,5 Stunden heranzuziehen. Es widerspräche dem Wesen des Bildungsteilzeitgeldes, einen Arbeitnehmer der kurzzeitig eine Karenzvertretung mache schlechter zu stellen, als einen Arbeitnehmer der durchgehend ein geringeres Einkommen habe.

1.5. Im ergänzenden Ermittlungsverfahren des AMS legte der Beschwerdeführer die jeweiligen Ergänzungen zum Dienstvertrag über die Stundenausmaßänderungen (AZ 9-11), sowie eine Aufstellung des Beschäftigungsausmaßes ab 01.09.2016 (AZ 13) vor.

1.6. Mit Bescheid vom 18.01.2018, Zahl: XXXX, zugestellt mit 28.01.2018, wies das AMS im Rahmen einer Beschwerdevorentscheidung der Beschwerde des Beschwerdeführers vom 27.11.2017 gemäß § 14 VwGVG iVm § 56 AlVG ab (AZ 4).

Zusammengefasst begründete das AMS seine Entscheidungen damit, dass der Beschwerdeführer in den letzten sechs Monaten keine gleichbleibende Beschäftigung hatte.

1.7. Mit Schreiben vom 05.02.2018 beantragte der Beschwerdeführer fristgerecht die Vorlage der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht und beantragte die Durchführung einer mündlichen Verhandlung (AZ 15).

2. Die belangte Behörde legte am 09.02.2018 dem Bundesverwaltungsgericht [BVwG] die Beschwerde samt Auszügen aus dem Verwaltungsakt in elektronischer Form vor (Ordnungszahl des hg Gerichtsaktes [im Folgenden:] OZ 1 [=AZ 1-17]).

II. Zu A) Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. entscheidungswesentliche Feststellungen

1.1. Der Beschwerdeführer ist seit 01.03.2015 Dienstnehmer XXXX [D] und befindet sich seit 01.10.2017 bis einschließlich 30.09.2018 in Bildungsteilzeit gemäß § 11a AVRAG (AZ 2-3, 10).

1.2. Die bisherige Normalarbeitszeit wurde von zuletzt 24 Stunden / Woche mit Eintritt der Bildungsteilzeit am 01.10.2017 auf 14,50 Stunden / Woche herabgesetzt (AZ 11).

1.3. Vor Antritt der Bildungsteilzeit war der Beschwerdeführer von 01.03.2015 bis 28.02.2017 im Ausmaß von 24 Stunden / Woche, von 01.03.2017 bis 31.08.2017 im Ausmaß von 27,25 Stunden / Woche und ab von 01.09.2017 bis 30.09.2017 wieder mit 24 Stunden / Woche beschäftigt (AZ 10, 11, 13; OZ 2).

1.4. Die Stundenerhöhung im Ausmaß von 3,25 Stunden für den Zeitraum von 01.03.2017 bis 31.08.2017 erfolgte auf Grund einer Karenzvertretung, welche als Ergänzung zum Dienstvertrag von vornherein für diesen befristeten Zeitraum vereinbart wurde (AZ 6, 8).

2. Beweisaufnahme und Beweiswürdigung

2.1. Die Beweisaufnahme erfolgte durch Einsicht in die dem Bundesverwaltungsgericht vorliegenden Auszüge aus dem Verwaltungsverfahrensakt, aus denen sich auch der unter I. dargelegte Verfahrensgang ergibt (OZ 1 [=AZ 1-17]).

2.1.1. Zur Entscheidungsfindung wurden vom BVwG insbesondere folgende Unterlagen herangezogen:

* Antrag auf Bildungsteilzeitgeld (AZ 1)

* Bescheid, Parteiengehör und Beschwerdevorentscheidung des AMS (AZ 7, 9, 14)

* Beschwerde, Stellungnahmen und Vorlageantrag des Beschwerdeführers (AZ 6, 8, 9-11, 13)

* Ergänzungen zum Dienstvertrag und Stundenaufstellungen des Dienstgebers (AZ 10, 11, 13)

* Übersicht aus dem AMS-Datensystem (AZ 15)

* Versicherungsdatenauszug (AZ 15, OZ 2)

2.2. Beweiswürdigung

2.2.1. Die getroffenen entscheidungswesentlichen Feststellungen beruhen auf den im Akt einliegenden vom Beschwerdeführer selbst vorgelegten Unterlagen und stimmen mit jenen im Bescheid vom AMS festgestellten überein.

2.2.2. Die festgestellten wöchentlichen Arbeitszeiten vor und nach Antritt der Bildungsteilzeit, ergeben sich aus den Ergänzungen zum Dienstvertrag. Diese wurden vom Beschwerdeführer selbst vorgelegt, und das AMS zweifelte diese Unterlagen nicht an, sondern stützte seine Feststellungen darauf. Darüber hinaus ergeben sich aus dem Verwaltungsakt auch keine Hinweise darauf, dass die Angaben des Dienstgebers in der Bescheinigung über die Bildungsteilzeit nach § 11a AVRAG (AZ 2) sowie in der Auflistung des Stundenausmaßes seit 2016 (AZ 13) nicht richtig wären.

3. Entfall der mündlichen Verhandlung

3.1. Eine Verhandlung kann entfallen, wenn der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist, oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist (§ 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG). Soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist kann das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, [EMRK] noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 [GRC] entgegenstehen (§ 24 Abs.4 VwGVG).

Die Zulässigkeit des Unterbleibens einer mündlichen Verhandlung ist am Maßstab des Art. 6 EMRK zu beurteilen. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte [EGMR] sieht das Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung etwa dann für gerechtfertigt an, wenn der Fall auf der Grundlage der Akten und der schriftlichen Stellungnahmen der Parteien angemessen entschieden werden kann (vgl. EGMR 12.11.2002, Döry, Appl 28394/95 Rz 37). Art. 47 Abs. 2 GRC gewährleistet ein Art6 Abs1 EMRK vergleichbares Recht auf eine mündliche Verhandlung (VfGH 29.11.2014, B413/2013; EuGH 22.12.2010, DEB, C-279/09 Rz 31, 35). Art. 6 Abs. 1 EMRK und Art. 47 GRC stehen dem Absehen von einer Verhandlung von Seiten des BVwG somit dann nicht entgegen, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint und erkennbar ist, dass die Durchführung einer Verhandlung eine weitere Klärung der Entscheidungsgrundlage nicht erwarten lässt (VfGH 21.02.2014, B1446/2012; 14.03.2012, U466/11; VwGH 26.01.2017, Ra 2016/07/0061 RS2 mwN).

3.2. Im gegenständlichen Fall ergab sich klar aus der Aktenlage, dass von einer mündlichen Erörterung keine weitere Klärung der Rechtssache zu erwarten war, da der zu Grunde liegende Sachverhalt im Verwaltungsverfahren unstrittig blieb und weder ergänzungsbedürftig war, noch in entscheidenden Punkten als nicht richtig erschien.

4. Rechtliche Beurteilung

4.1.1. Anzuwendendes Verfahrensrecht

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 33/2013 idgF (VwGVG) geregelt (§ 1 VwGVG). Soweit im VwGVG nicht anderes bestimmt ist, ist auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art 130 Abs 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl Nr 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl Nr 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl Nr 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte (§ 17 VwGVG), wobei entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des VwGVG bereits kundgemacht wurden, in Kraft bleiben (§ 58 Abs. 2 VwGVG).

Soweit das Verwaltungsgericht nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, hat es den angefochtenen Bescheid, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt und die angefochtene Weisung auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen (§ 27 VwGVG).

Das Verwaltungsgericht hat, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen (§28 VwGVG). Entscheidungen und Anordnungen erfolgen, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist, durch Beschluss (§ 31 Abs. 1 VwGVG). Auf nicht verfahrensleitende die Beschlüsse des Verwaltungsgerichtes sind. § 29 Abs. 1 zweiter Satz, Abs. 4 und § 30 sinngemäß anzuwenden (§ 31 Abs. 3 VwGVG).

Das Bundesverwaltungsgericht entscheidet durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist (§ 6 Bundesgesetz über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes, BGBl. I Nr. 10/2013 idgF (BVwGG)). Über Beschwerden gegen Bescheide einer Geschäftsstelle des AMS entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch einen Senat, dem zwei fachkundige Laienrichter angehören, je einer aus dem Kreis der Arbeitgeber und aus dem Kreis der Arbeitnehmer. Die Frist zur Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung durch die Geschäftsstelle beträgt zehn Wochen (§ 56 Abs. 2 Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977 BGBl. Nr 609/1977 idgF (AlVG)).

4.1.2. Das AMS hat gegenständlich eine Beschwerdevorentscheidung gemäß § 14 VwGVG erlassen und die Beschwerdeführerin hat fristgerecht einen Vorlageantrag gemäß § 15 VwGVG gestellt, mit dem die (gegen den ersten Bescheid gerichtete) Beschwerde dem Verwaltungsgericht zur Entscheidung vorgelegt wird. Gegenstand des Beschwerdeverfahrens ist daher die an die Stelle des Ausgangsbescheides getretene Beschwerdevorentscheidung, wobei der Ausgangsbescheid Maßstab dafür bleibt, ob die Beschwerde berechtigt ist oder nicht, da sich diese gegen den Ausgangsbescheid richtet und ihre Begründung auf diesen beziehen muss (VwGH 20.05.2015, Ra 2015/09/0025; 17.12.2015, Ro2015/08/0026).

4.2. Stattgabe der Beschwerde

4.2.1. Gegenstand des Beschwerdeverfahrens ist die Abweisung des Antrages des Beschwerdeführers auf Bildungsteilzeitgeldbezug, da die Abweisung der Beschwerde im Rahmen der Beschwerdevorentscheidung als Erlassung eines mit dem Erstbescheid spruchmäßig übereinstimmenden Bescheides anzusehen ist (vgl. VwGH 18.03.2014, 2013/22/0332 mit Verweis auf 19.03.2013, 2012/21/0082 und 08.10.1996, 96/04/0046).

4.2.1.1. Die Abweisung des Antrages erfolgte ausschließlich deshalb, da seitens des AMS angenommen wurde, dass der Beschwerdeführer die Voraussetzung gemäß § 26a Abs. 1 Z 3 1. Satz - wöchentliche Normalarbeitszeit ununterbrochen sechs Monate lang gleich hoch - nicht erfülle.

4.2.1.2. Gemäß § 26a Abs. 1 Z 3 1. Satz AlVG gebührt Personen, die eine Bildungsteilzeit gemäß § 11a AVRAG in Anspruch nehmen und die Anwartschaft auf Arbeitslosengeld erfüllen, für die vereinbarte Dauer ein Bildungsteilzeitgeld dann, wenn vor der Herabsetzung der Arbeitszeit die jeweilige wöchentliche Normalarbeitszeit ununterbrochen sechs Monate lang gleich hoch gewesen war.

Gemäß §11a Abs. 1 AVRAG können (soweit verfahrensrechtlich relevant) Arbeitnehmer/innen und Arbeitgeber/innen schriftlich eine Herabsetzung der wöchentlichen Normalarbeitszeit des Arbeitnehmers oder der Arbeitnehmerin um mindestens ein Viertel und höchstens die Hälfte (Bildungsteilzeit) für die Dauer von mindestens vier Monaten bis zu zwei Jahren vereinbaren, sofern das Arbeitsverhältnis ununterbrochen sechs Monate gedauert hat. Die in der Bildungsteilzeit vereinbarte wöchentliche Normalarbeitszeit darf zehn Stunden nicht unterschreiten [...].

4.2.2. Der Verwaltungsgerichtshof hielt zu § 26a Abs. 1 Z3 1. Satz AlVG ohne nähere Ausführungen fest, dass die geforderte vorgängige Konstanz der Normalarbeitszeit eine missbrauchsvermeidende Bedingung darstellt (VwGH 07.04.2016, Ra2016/08/0033).

4.2.3. Der Gesetzgeber hat zur Einführung der Bildungsteilzeit mit 01.07.2013, BGBl. I Nr. 67/2013, ausgeführt, dass das Bildungsteilzeitgeld die Weiterbildung während einer aufrechten Beschäftigung ermöglichen [solle], um vermehrt auch Bildungswege zu eröffnen, wenn kein gänzliches Ausscheiden aus dem Arbeitsprozess möglich ist oder dies aus anderen insbesondere finanziellen Gründen nicht in Betracht kommt. Die Regelungen zum Bildungsteilzeitgeld sind im Wesentlichen analog den Regelungen zum Weiterbildungsgeld gestaltet (RV 2150 dB XXIV.GP S15). Wesentlich sei der für die Vereinbarung der Bildungsteilzeit zulässige Rahmen der Arbeitszeitreduktion. Die Arbeitszeit muss um mindestens ein Viertel und darf höchstens um die Hälfte der bisherigen Normalarbeitszeit reduziert werden. Die wöchentliche Arbeitszeit während der Bildungsteilzeit darf zehn Stunden nicht unterschreiten (RV 2150 dB XXIV.GP S12). Das Dienstverhältnis muss in einem Mindestausmaß, das die Arbeitslosenversicherungspflicht (sowie die Kranken- und Pensionsversicherungspflicht) sicherstellt, aufrecht erhalten bleiben. Die nach Reduzierung der Arbeitszeit gebührende Entlohnung darf somit die im § 5 Abs. 2 ASVG vorgesehene Geringfügigkeitsgrenze nicht unterschreiten (RV 2150 dB XXIV.GP S15).

4.2.3.1. Konkrete Ausführungen, warum die wöchentliche Normalarbeitszeit vor Bildungsteilzeit ununterbrochen sechs Monate lang gleich hoch sein muss, hat der Gesetzgeber zwar nicht getätigt (RV 2150 dB XXIV.GP S12 und 15), allerdings erfuhr gleichzeitig mit der Einführung der Bildungsteilzeit auch das Weiterbildungsgeld bei Bildungskarenz gemäß § 26 AlVG eine Neuregelung. Demnach muss nunmehr gemäß §26 Abs. 4 die bildungskarenzierte Person - anders als bis zu diesem Zeitpunkt - vor der Bildungskarenz ununterbrochen sechs (bei befristeten Arbeitsverhältnissen in Saisonbetrieben mindestens drei) Monate arbeitslosenversicherungspflichtig beschäftigt gewesen sein. Dazu führte der Gesetzgeber aus, dass damit Fälle des Bezuges von Weiterbildungsgeld, in denen - arbeitsrechtlich zulässig - aus einem geringfügigen Dienstverhältnis eine Karenzierung gemäß § 11 AVRAG erfolgte und das Weiterbildungsgeld eine unverhältnismäßig hohe Ersatzleistung für das entfallende geringfügige Entgelt darstellte, vermieden werden sollen (RV 2150 dB XXIV.GP S14).

4.2.4. Vor diesem Hintergrund ergibt sich, dass der Gesetzgeber verhindern wollte, dass Dienstnehmer im Vergleich zum vorherigen Dienstverhältnis entgeltmäßig nicht besser gestellt werden sollten.

4.2.4.1. Die Bildungsteilzeit wurde daher zunächst so konzipiert, dass die wöchentliche Normalarbeitszeit des Dienstnehmers um mindestens ein Viertel herabgesetzt werden muss, und höchstens um die Hälfte herabgesetzt werden kann, wobei die in der Bildungsteilzeit vereinbarte wöchentliche Normalarbeitszeit zehn Stunden nicht unterschreiten darf (§ 11a AVRAG). Damit wird sichergestellt, dass die wöchentliche Normalarbeitszeit vor Antritt der Bildungsteilzeit mindestens 13,5 Stunden - somit jedenfalls kein geringfügiges Dienstverhältnis - betragen haben musste, so dass bei Herabsetzung um das Mindestmaß von einem Viertel (3,4 Stunden) die festgesetzte Untergrenze von 10 Stunden nicht unterschritten wird.

4.2.4.2. Um darüber hinaus zu verhindern, dass Dienstnehmer kurzzeitig im Stundenausmaß soweit angehoben werden, damit Sie entweder überhaupt erst die Voraussetzungen der Bildungsteilzeit erfüllen (mindestens 13,5 Stunden wöchentliche Normalarbeitszeit), oder damit Sie durch die dadurch mögliche höhere Stundenreduzierung ein möglichst hohes Bildungsteilzeitgeld erhalten (da sich das Bildungsteilzeitgeld gemäß § 26a Abs. 2 AlVG nach der Anzahl der verringerten Arbeitsstunden richtet), wurde die insoweit missbrauchsvermeidende (VwGH 07.04.2016, Ra2016/08/0033) sechsmonatige Konstanz der Normalarbeitszeit bei einem Dienstgeber normiert.

4.2.5. Ausgehend davon liegt im gegenständlichen Fall jedoch jedenfalls kein diesbezüglicher Missbrauch vor.

4.2.5.1. Der Beschwerdeführer hatte ab 01.03.2015 - somit 2,5 Jahre lang - ein konstantes Dienstverhältnis im Ausmaß von 24 Stunden, welches in der Bildungsteilzeit um 9,5 Stunden pro Woche auf 14,50 Stunden pro Woche, also im zulässigen Rahmen, gekürzt wurde. Dass der Beschwerdeführer kurzzeitig eine karenzierungsbedingte Erhöhung des Stundenausmaßes von 24 auf 27,25 Stunden Normalarbeitszeit hatte schadet dieser Konstanz nach Ansicht des entscheidenden Senates nicht.

4.2.5.2. Hinzu kommt, dass auch die erhöhte wöchentliche Normalarbeitszeit selbst sechs Monate lang gedauert hat sowie in einem geringfügigem Ausmaß war, und nicht kurzzeitig eine wesentliche Stundenerhöhung vor der Bildungsteilzeit stattfand. Im Gegenteil, im letzten Monat vor Beginn der Bildungsteilzeit wurde die Erhöhung um diese 3,25 Mehrstunden bereits wieder auf das Normalmaß von 24 Stunden herabgesetzt, so dass das Bildungsteilzeitgeld ohnehin von der Reduzierung von 24 auf 14,50 Stunden zu berechnen ist. Es vermag daher keine missbräuchliche Absicht erkannt werden.

4.2.5.3. Der Vollständigkeit halber ist darauf hinzuweisen, dass selbst wenn man davon ausginge, dass die 27,25 Stunden für die Berechnung heranzuziehen wären, zumal auch diese über einen durchgehenden Zeitraum von 6 Monaten vor der Bildungsteilzeit konstant waren, ergäbe dies gemäß § 26a Abs. 2 AlVG ein um EUR 2,28 pro Tag höheres Bildungsteilzeitgeld (EUR 0,76 täglich für jede volle Arbeitsstunde, um die die wöchentliche Normalarbeitszeit verringert wird). Das Bildungsteilzeitgeld wäre daher auch unter dieser Prämisse nicht in einem derart wesentlichen Ausmaß angehoben, dass dem Beschwerdeführer nach Reduzierung der Stunden in der Bildungsteilzeit unverhältnismäßig mehr oder quasi derselbe Betrag zur Verfügung stünde als davor. Auch in dieser Hinsicht vermag daher keine missbräuchliche Absicht in der Stundenerhöhung erkannt werden.

4.2.6. Zusammenfassend gelangt der erkennende Senat zur Ansicht, dass im gegenständlichen Verfahren jedenfalls keine missbräuchliche Gestaltung der Normalarbeitszeit stattgefunden hat, die den Erläuternden Bemerkungen des Gesetzgebers zu Folge durch die Regelung verhindert werden sollten. Weder hatte der Beschwerdeführer davor ein geringfügiges Dienstverhältnis, noch stellt das Weiterbildungsgeld eine unverhältnismäßig hohe Ersatzleistung im Verhältnis zu vorherigen Verdienst dar.

4.2.7. Da aus der Aktenlage nicht ersichtlich ist, ob im Fall des Beschwerdeführers die übrigen Voraussetzungen für die Zuerkennung von Bildungsteilzeitgeld im Einzelnen vorliegen - wodurch ein qualifiziert mangelhafter Sachverhalt im Sinne des Erkenntnisses des VwGH vom 26.06.2014, Ro 2014/03/0063 vorliegt - und andererseits das Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen für die Zuerkennung von Bildungsteilzeitgeld auch gar nicht Gegenstand des Beschwerdeverfahrens war, kann das BVwG hier nur mit einer Zurückverweisung im Sinne von § 28 Abs. 3 VwGVG vorgehen, wobei das AMS gemäß § 28 Abs. 3 letzter Satz VwGVG an die rechtliche Beurteilung durch das BVwG gebunden ist.

4.2.7.1. Im konkreten Fall bedeutet dies, dass der Antrag des Beschwerdeführers auf Bildungsteilzeitgeld nicht erneut unter Hinweis auf § 26a Abs.1 Z 3 1. Satz AlVG abgewiesen werden darf.

III. ad B) Zulässigkeit der Revision:

Das Verwaltungsgericht hat im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Dieser Ausspruch ist zu begründen (§ 25a Abs. 1 VwGG). Die Revision ist (mit einer hier nicht zum Tragen kommenden Ausnahme) zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird (Art. 133 Abs. 4 B-VG).

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, da die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, da es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur gegenständlichen Rechtsfrage, der Auslegung der Voraussetzung der gleich hohen wöchentliche Normalarbeitszeit vor Herabsetzung iSd § 26a Abs. 1 Z 3 AlVG, fehlt.

Schlagworte

Bildungsteilzeitgeld, Ermittlungspflicht, Kassation, mangelnde
Sachverhaltsfeststellung, Revision zulässig

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:L511.2185738.1.00

Zuletzt aktualisiert am

03.05.2018
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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