TE Bvwg Beschluss 2018/4/18 G308 1217572-3

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Veröffentlicht am 18.04.2018
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Entscheidungsdatum

18.04.2018

Norm

AsylG 2005 §10 Abs2
B-VG Art.133 Abs4
VwGVG §28 Abs3

Spruch

G308 1217572-3/3E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht beschließt durch die Richterin MMag. Angelika PENNITZ als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX, geboren am 21.06.1970, Staatsangehörigkeit: ungeklärt, vertreten durch XXXX, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 02.10.2017, Zahl XXXX, betreffend Rückkehrentscheidung und Einreiseverbot:

A) In Erledigung der Beschwerde wird der bekämpfte Bescheid zur Gänze aufgehoben und die Angelegenheit gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang und Sachverhalt:

1. Mit dem angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 02.10.2017 wurde dem Beschwerdeführer ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt und gegen den Beschwerdeführer gemäß § 10 Abs. 2 AsylG iVm. § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 FPG erlassen (Spruchpunkt I.). Gemäß § 52 Abs. 9 FPG wurde festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 46 FPG in den Kosovo zulässig ist (Spruchpunkt II.). Einer Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung wurde gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt und dem Beschwerdeführer gemäß § 55 Abs. 4 FPG eine Frist zur freiwilligen Ausreise nicht gewährt (Spruchpunkt III.). Darüber hinaus wurde gegen den Beschwerdeführer gemäß § 53 Abs. 1 iVm. Abs. 3 Z 1 FPG ein auf die Dauer von zehn Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt IV.). Begründend wurde festgestellt, dass der Beschwerdeführer bereits vier erfolglose Asylanträge beginnend ab 1990 gestellt habe, sich seit über 27 Jahren im Bundesgebiet aufhalte, er lange als staatenlos geführt worden und daher faktisch nicht habe abgeschoben werden können und der Beschwerdeführer im Bundesgebiet bereits zehn Mal rechtskräftig strafgerichtlich verurteilt worden sei. Die Identität des Beschwerdeführers stehe aufgrund der Zustimmung zur Ausstellung eines Heimreisezertifikates durch die kosovarische Botschaft fest. Weiters wurden die aus dem Strafregister des Beschwerdeführers ersichtlichen strafgerichtlichen Verurteilungen angeführt. Dieses Verhalten weise auf eine äußerst geringe Wertschätzung der österreichischen Rechtsvorschriften hin. Der Beschwerdeführer sei immer wieder wegen Eigentums- und Suchtgiftdelikten verurteilt worden. Durch sein gezeigtes Verhalten und nach Abwägung der vorliegenden Aktenlage würde der Beschwerdeführer daher eine Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit darstellen, sodass seien persönlichen Interessen an einem Verbleib im Bundesgebiet zurückzutreten hätten.

Die belangte Behörde hat keinerlei Ermittlungen und Feststellungen zur konkreten Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers nach dem Zerfall des ehemaligen Jugoslawiens angestellt. Seitens der belangten Behörde wurde sowohl bei der Republik Serbien als auch bei der Republik Kosovo die Ausstellung eines Heimreisezertifikates beantragt. Beide Staaten haben der Ausstellung eines Heimreisezertifikates zugestimmt. Die belangte Behörde hat sich aufgrund bestehender "Sichtervermerksfreiheit" in Bezug auf den Kosovo für das von der Republik Kosovo ausgestellte Heimreisezertifikat "entschieden". Weitere Ermittlungen dazu wurden nicht angestellt. Dem Beschwerdeführer wurde der Umstand von zwei vorhandenen Heimreisezertifikaten auch nicht vorgehalten. Der Beschwerdeführer wird im Zentralen Melderegister als "staatenlos" geführt, als Geburtsort wird teilweise im Akt auch Bosnien und Herzegowina angeführt, es liegen Heimreisezertifikate unterschiedlicher Staaten vor und dem Beschwerdeführer wurde dazu kein Parteiengehör gewährt. Die Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers steht daher nicht fest.

Darüber hinaus wurden keine Feststellungen zu dem den strafgerichtlichen Verurteilungen des Beschwerdeführers zugrundeliegenden Verhaltens getroffen. Fallbezogene Ausführungen zur Bemessung der Dauer des Einreiseverbotes fehlen ebenfalls im angefochtenen Bescheid. Die strafgerichtlichen Urteile des Beschwerdeführers liegen zudem allesamt nicht im Verwaltungsakt ein.

2. Gegen den genannten Bescheid wurde fristgerecht Beschwerde erhoben.

3. Die gegenständliche Beschwerde und die Bezug habenden Verwaltungsakten wurden dem Bundesverwaltungsgericht vom Bundesamt vorgelegt und langten dort am 25.10.2017 ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen (Sachverhalt):

Der relevante Sachverhalt ergibt sich aus den unter Punkt I. getroffenen Ausführungen.

2. Beweiswürdigung:

Der festgestellte Sachverhalt steht aufgrund der außer Zweifel stehenden und von den Parteien nicht beanstandeten Aktenlage fest.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchteil A):

3.1. Gemäß § 28 Absatz 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

Gemäß § 28 Absatz 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn

1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder

2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Gemäß § 28 Absatz 3 VwGVG hat das Verwaltungsgericht wenn die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vorliegen, im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hiebei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.

Ausführlich hat sich der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 26.06.2014,

Ro 2014/03/0063, (ebenso VwGH 27.01.2015, Ro 2014/22/0087) mit der Sachentscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte auseinandergesetzt und darin folgende Grundsätze herausgearbeitet:

Angesichts des in § 28 VwGVG insgesamt verankerten Systems stelle die nach § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG bestehende Zurückverweisungsmöglichkeit eine Ausnahme von der grundsätzlichen meritorischen Entscheidungszuständigkeit der Verwaltungsgerichte dar. Nach dem damit gebotenen Verständnis stehe diese Möglichkeit bezüglich ihrer Voraussetzungen nicht auf derselben Stufe wie die im ersten Satz des § 28 Abs. 3 VwGVG verankerte grundsätzliche meritorische Entscheidungskompetenz der Verwaltungsgerichte. Vielmehr verlangt das im § 28 VwGVG insgesamt normierte System, in dem insbesondere die normative Zielsetzung der Verfahrensbeschleunigung bzw. der Berücksichtigung einer angemessenen Verfahrensdauer ihren Ausdruck findet, dass von der Möglichkeit der Zurückverweisung nur bei krassen bzw. besonders gravierenden Ermittlungslücken Gebrauch gemacht wird. Eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen wird daher insbesondere dann in Betracht kommen, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhaltes (vgl. § 37 AVG) lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat.

Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden (vgl. VwGH 26.06.2014, Zl. Ro 2014/03/0063).

3.2. Das von der belangten Behörde durchgeführte Ermittlungsverfahren weist besonders gravierende Ermittlungslücken auf:

3.2.1. Die belangte Behörde hat trotz divergierender Aktenlage zur Staatenlosigkeit bzw. konkreten Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers und dem Vorliegen von Heimreisezertifikaten zweier unterschiedlicher Staaten keinerlei weitere Ermittlungen durchgeführt, die es ermöglicht hätten, die konkrete Staatangehörigkeit des Beschwerdeführers festzustellen. Vielmehr wurde offbar aus Gründen der "Einfachheit" die Entscheidung getroffen, auf das kosovoarische Heimreisezertifikat zurückzugreifen, da zum Kosovo laut Verwaltungsakt "Sichtvermerksfreiheit" herrscht. Dem Beschwerdeführer wurde der Umstand des Vorliegens zweier Heimreisezertifikate zu keiner Zeit zur Kenntnis gebracht und wurde ihm diesbezüglich auch kein Parteiengehör eingeräumt. Aus dem Beschwerdeschriftsatz ist vielmehr ersichtlich, dass der Beschwerdeführer noch immer von einer Staatenlosigkeit seineseits ausgeht. Der Beschwerdeführer wird in den Vollzugsinformationen auch mit Herkunftsstaat "Bosnien und Herzegowina" geführt. Die Staatangehörigkeit des Beschwerdeführers ist daher keinesfalls als geklärt anzusehen.

Die belangte Behörde wird daher die erforderlichen Ermittlungsschritte zur Feststellung der Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers zu setzen haben.

3.2.2. Die belangte Behörde hat weiters die Erlassung der Rückkehrentscheidung und des Einreiseverbotes mit der Delinquenz des Beschwerdeführers seit seines Aufenthaltes im Bundesgebiet begründet. Der Beschwerdeführer wurde bereits zehn Mal rechtskräftig strafgerichtlich verurteilt. Eine Tilgung ist daher bisher nicht eingetreten und liegt laut aktuellem Strafregisterauszug frühestens mit 23.02.2038 vor.

Die belangte Behörde hat die vom Beschwerdeführer ausgehende "schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit" mit dem Vorliegen von zehn strafgerichtlichen Verurteilungen begründet. Diese sind im Bescheid mit dem Gericht, dem Datum, der Geschäftszahl, den Rechtsgrundlagen und der verhängten Strafe angeführt. Im Verwaltungsakt liegen keine den Beschwerdefüher betreffenden Straferkenntnisse ein. Feststellungen zum konkreten Verhalten des Beschwerdeführers und eine sich daraus ergebende Gefährdungsprognose sind im angefochtenen Bescheid nicht enthalten.

Bei Erlassung einer Rückkehrentscheidung samt Einreiseverbot ist das Gesamtverhalten eines Fremden in Betracht zu ziehen und auf Grund konkreter Feststellungen eine Beurteilung dahingehend vorzunehmen, ob und im Hinblick auf welche Umstände die Annahme gerechtfertigt ist, der Fremde stelle eine Gefahr für die Allgemeinheit oder für die Sicherheit der Republik Österreich dar. Strafgerichtliche Verurteilungen des Fremden sind daraufhin zu überprüfen, inwieweit sich daraus nach der Art und Schwerde der zugrundeliegenden Straftaten und der Tatumstände der Schluss auf die Gefährlichkeit des Fremden für die Allgemeinheit oder die Sicherheit der Republik Österreich ziehen lässt (vgl. VwGH vom 23.01.2018, Ra 2017/18/0246, mit Verweis auf VwGH vom 30.08.2017, Ra 2017/18/0155).

Nach Auffassung des erkennenden Gerichts kommt auf der Grundlage der letzten Verurteilungen des Beschwerdeführers eine Rückkehrentscheidung zumindes nach § 52 Abs. 1 Z 1 FPG in Betracht. Die Erlassung eines Einreiseverbotes in der Dauer von zehn Jahren kann damit jedoch nicht begründet werden. Für die Erlassung eines Einreiseverbotes und für dessen Bemessung sind daher auch sämtliche - noch ungetilgte - Vorverurteilungen und vorallem das diesen zugrundeliegende Verhalten des Beschwerdeführers von Relevanz.

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl wird sich daher im fortgesetzten Verfahren durch Einholung der maßgeblichen strafgerichtlichen Urteile mit dem konkreten Verhalten des Beschwerdeführers auseinanderzusetzen haben und daraus resultierend eine Gefährdungsprognose zu treffen sowie darauf basierend eine umfassende Interessenabwägung gemäß § 9 BFA-VG anzustellen haben.

3.3. Unter diesen Gesichtspunkten leidet der angefochtene Bescheid unter erheblichen Ermittlungsmängeln in Bezug auf die Unterlassung der Ermittlungen zur Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers und der Einholung der Strafurteile aus den Jahren 1993 bis 2011. Damit hat das Bundesamt im Sinne der oben zitierten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes bloß ansatzweise bis gar nicht ermittelt.

Die Voraussetzungen des § 28 Abs. 2 VwGVG sind im gegenständlichen Beschwerdefall nicht gegeben. Da der maßgebliche Sachverhalt noch nicht feststeht, war in Gesamtbeurteilung der dargestellten Erwägungen der angefochtene Bescheid des Bundesamtes gemäß § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG zu beheben und die gegenständliche Rechtssache an das Bundesamt als zuständige erstinstanzliche Behörde zur neuerlichen Entscheidung zurückzuverweisen.

3.4. Entfall der mündlichen Verhandlung

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. Im gegenständlichen Verfahren konnte eine mündliche Verhandlung unterbleiben, da das Bundesverwaltungsgericht die Voraussetzungen des § 24 Abs. 2 Z 1 Halbsatz VwGVG als gegeben erachtet, zumal bereits aufgrund der Aktenlage feststeht, dass der mit der Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben ist.

Zu Spruchteil B): Unzulässigekit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen.

Schlagworte

Einreiseverbot, Ermittlungspflicht, Gefährdungsprognose, Kassation,
mangelnde Sachverhaltsfeststellung, Rückkehrentscheidung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:G308.1217572.3.00

Zuletzt aktualisiert am

03.05.2018
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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