TE Bvwg Erkenntnis 2018/4/19 W196 2165098-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 19.04.2018
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Entscheidungsdatum

19.04.2018

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs5
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

W196 2165098-1/13E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag.a Ursula SAHLING als Einzelrichterin über den Antrag auf internationalen Schutz von XXXX , geb. XXXX , StA. Somalia, vertreten durch RA E.W. DAIGNEAULT, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 16.11.2017 zu Recht erkannt:

A) Dem Antrag wird stattgegeben und XXXX gemäß § 3 Abs. 1 AsylG der Status der Asylberechtigten zuerkannt. Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Die beschwerdeführende Partei, ein Staatsangehöriger Somalias, stellte am 29.06.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich.

2. Bei seiner Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 29.06.2015 gab die beschwerdeführende Partei an, er habe Somalia verlassen, weil er von Al Shabaab aufgefordert wurde für sie zu arbeiten und nachdem er sich geweigert hatte diese seine Frau und sein Kind getötet und danach auch ihn mit dem Tod bedroht hätten.

3. Säumnisbeschwerde

Am 06.04.2017 erhob der Antragsteller durch seinen Rechtsanwalt Säumnisbeschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht gem. Art 130 Abs.1 Z.3 BVG beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl.

Am 18.05.2017 legte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl gegenständliche Säumnisbeschwerde dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vor.

Der Säumnisbeschwerde wird gemäß Artikel 130 Abs 1 Z 3 B-VG iVm § 8 Abs 1 VwGVG sowie § 73 Abs 1 AVG stattgegeben.

4. Mündliche Verhandlung

Am 16.11.2017 fand eine mündliche Verhandlung bzw. weitere Einvernahme vor dem Bundesverwaltungsgericht statt. Mit der Ladung wurden aktuelle Länderberichte zu Somalia mitgeschickt. Der Beschwerdeführer wurde ausführlich zu seinen Fluchtgründen befragt und es wurde ihm Gelegenheit gegeben, zu den übermittelten Länderberichten Stellung zu nehmen.

Aus dem Protokoll:

RI: Erzählen Sie chronologisch über Ihr Leben in Somalia. Wo sind Sie aufgewachsen? Wo haben Sie gelebt? Usw.

BF: Ich bin in Mogadischu 1993 geboren. Man weiß das Geburtsdatum nicht genau. Ich bin etwa am 01.01.1993 geboren. Es gibt keine Nachweise dazu. Meine Mutter hat mir das gesagt. Ich habe die Schule Hoyga Hamar in Mogadischu von 1999 bis 2006 besucht. Ich habe bei meiner Familie gelebt, Eltern und meinen Geschwistern. Wir haben nach somalischen Verhältnissen mittelmäßig gelebt. Meine Mutter war Hausfrau. Mein Vater hat Kath verkauft. Im Jahr 2006 hat die Gruppe islamische Gerichte "Midowga Maxaakiimta Islaamiga" das Land erobert. Diese islamische Gruppe ist überzeugt davon, dass das Kath kauen und verkaufen eine Sünde ist und verboten gehört, deshalb kamen Sie zu uns nach Hause, etwa im Jahr 2006. Sie nahmen meinen Vater mit und seither ist er verschwunden. Nach einigen Tagen sind sie zurückgekommen und haben meinen Bruder mitgenommen. Sie haben ihn rekrutiert und sie sagten, er müsse für sie kämpfen. Später haben sie uns mitgeteilt, dass er im Kampf gestorben ist. Nachdem mein Bruder im Kampf gestorben ist und mein Vater weg war, hat meine Mutter Angst um mich bekommen und hat mich mit meiner Tante nach Kenia geschickt. Meine Tante wollte Somalia verlassen. Ich weiß nicht, warum meine Tante Somalia verlassen wollte. Meine Mutter hat mich mit ihr mitgeschickt. Ich war interessiert auch etwas Neues zu lernen. Ich habe bei meiner Tante in Kenia gelebt und dann ist das Leben in Kenia schwer, wenn man illegal dort ist. Ich wurde öfter von der Polizei in Kenia festgenommen und jedes Mal gegen Geldzahlung wieder freigekommen (Bestechung). Zwei Jahre nachdem mein Vater verschwunden ist, hat meine Mutter wieder geheiratet. In Kenia habe ich eine Privatschule besucht, wo ich Englisch, Mathematik und Suaheli gelernt habe. Meine Mutter hat ein Parlamentsmitglied geheiratet. Meine Mutter hat das Geschäft meines Vaters übernommen. Ihr neuer Mann war Kunde unseres Geschäftes und deshalb lernten sie sich kennen. Nachdem mein Leben in Kenia schwer wurde, habe ich meine Mutter und meinem Stiefvater davon erzählt. Im November 2012 bin ich nach Somalia in den Bezirk Hodan zurückgekehrt. Dort haben meine Mutter und ihr Mann gelebt. Dann hat meine Mutter für mich ein kleines Haus gemietet. Dort habe ich dann alleine gewohnt. Am 04.01.2013 habe ich XXXX geheiratet. Es gibt keine Heiratsurkunde. Am 20.01.2013 habe ich angefangen die Imam-Uni zu besuchen. Am 05.11.2013 habe ich meinen Sohn bekommen, er hieß XXXX . Am 02.02.2013 habe ich einen Job im Parlament bekommen. Mein Stiefvater hat mir geholfen als Schreibkraft dort zu arbeiten. Mein Leben war bis dorthin normal und ich war zufrieden. Am 03.09.2014 hat ein ehemaliger Kollege, ein Student namens XXXX mich angerufen und um ein Treffen gebeten. Ich sollte Geld sammeln bei anderen Studenten auch, damit er die Uni weiterbesuchen kann. Ich habe die Uni gewechselt aus Angst, weil ich für die Regierung arbeite und die meisten Studenten dort bewaffnet waren. Die Imam-Uni ist danach übersiedelt und zwar Richtung Bakara, dort gibt es sehr viele Terroristen und es war dort gefährlich. Wir haben dann ausgemacht, dass wir uns am nächsten Tag um 19 Uhr am Abend in Fathi-Restaurant treffen. Ich bin zuerst im Restaurant angekommen. Ich habe in der Nähe des Restaurants ein weißes Auto stehenbleiben gesehen. Zwei junge Männer sind aus dem Auto ausgestiegen. Einer war mit einer Pistole bewaffnet. Sie sind zu mir gekommen und haben mich aufgefordert in das Auto einzusteigen. Ich hatte Angst und musste einsteigen. Bevor sie weggefahren sind, sagten sie mir, dass sie mich nicht töten wollen. Sie haben mir aber die Augen verbunden, damit ich nicht sehen konnte, wohin wir fahren. Ich habe internationale Beziehungen studiert. Sie sind circa 40 Minuten gefahren. Wir stiegen aus und sie setzten mich auf einen Sessel und zu einem Tisch. Die Augenbinde haben sie mir entfernt. Dann ist der Kollege, XXXX gekommen. Er sagte mir, dass er mir die Männer geschickt hätte. Er sagte mir, dass er eigentlich etwas anderes von mir will, als er mir am Telefon gesagt hat. Nachdem ich die Uni gewechselt habe, hat er mir gesagt, dass sich etwas geändert hätte. Ich habe mich für die Ungläubigen entschieden und er sich für den Weg der Mudjaheddin (nächstes Leben). Er sagte mir, dass mich die Mudjaheddin zum Tode verurteilt haben. Die Soldatengruppe, welcher der ehemalige Kollege vorsteht, hat entschieden, mich zu töten. Er hat der Mudjaheddin eingeredet, mich nicht zu töten, sondern mich zuerst herzubringen und mich davon zu überzeugen einen Rat anzunehmen. Nachdem er mir das erzählte, holte er seinen Laptop aus der Tasche und zeigte mir Filme. Er zeigte mir Ausschnitte, wie sie in Afghanistan kämpfen und Anschläge verüben. Es waren so eine Art Werbefilme, die mich überzeugen sollten. Er hat mir auch Ausschnitte gezeigt über Anschläge in Mogadischu. Er hat mir viele Ausschnitte gezeigt über die Ausbildung und über die Sprengstoffausstattung. Ich habe dann große Angst bekommen und war sehr besorgt, nachdem ich das alles gesehen hatte und ich jetzt in ihrer Hand bin. Dann hat mir gesagt, was er wirklich von mir will. Er wollte, dass ich ihm Informationen über die Regierung gebe (Spionage in der Arbeitsstelle). Er wollte wissen, wann Versammlungen stattfinden und er hat mich über mehrere Parlamentsmitglieder ausgefragt, die Al-Shabaab beabsichtigte zu töten. Er hat mir Fotos gezeigt. Aus Angst musste ich alles akzeptieren, was er von mir verlangte. Er erzählte mir auch, dass sie in jedem Amtsgebäude bereits einen Spion haben. Er sagte mir, dass ich viel Geld bekommen werde, mit dem ich mein ganzes Leben leben könnte. Den nächsten Abend haben Sie mich wieder dorthin gebracht, wo sie mich abgeholt haben (im Restaurant).

RI: Wie haben die Personen geheißen, von denen Ihnen die Fotos gezeigt wurden?

BF: Parlamentsmitglieder (Xildhibaano): Daahir Amin Jeesoow, Cabdullaahi Qayaad Barre, Dr. Cilmi, Maxamed Cumar Dalxa.

RI: Erzählen Sie mir bitte weiter.

BF: Meine Augenbinde wurde vor dem Restaurant entfernt. Ich bin dann nach Hause gegangen. Ich habe niemanden davon erzählt. Am nächsten Tag bin ich arbeiten gegangen, hatte aber große Angst, nachdem was passiert war. Nach einer Woche am 13.09.2014 hat mich der ehemalige Kollege XXXX angerufen und sagte mir, dass jetzt die Arbeit beginnen würde. Er möchte die Informationen über die Parlamentsmitglieder, wann sie kommen, wann sie gehen, wie sie bewacht werden. Ich habe ihm dann gesagt, dass ich das nicht machen kann. Ich bin davon nicht überzeugt. Es gibt keine Religion, die behauptet, dass man Menschen töten kann, egal welcher Religion sie angehören. Ich sagte, dass sie aufhören sollten, das Volk zu terrorisieren, die Leute zu töten. Ich habe gesagt, ich möchte nicht mitarbeiten, wenn ein Mensch getötet wird. Nachdem ich das gesagt habe, habe ich die Verbindung zu ihm abgebrochen. Er rief mich auf meinem Privathandy an. Ich habe den Sicherheitskräften davon erzählt und habe meinem Stiefvater davon erzählt. Mein Stiefvater heißt XXXX . Die Sicherheitskräfte notierten sich alle Daten von mir und sagten sie werden darüber ermitteln, wer dahinter steckt. Sie würden etwas herausfinden, wo sich diese Menschen befinden.

Am nächsten Tag bin ich wieder arbeiten gegangen. An diesem Tag hatte ich sehr viel Arbeit und bin daher über Nacht in der Arbeitsstelle geblieben. In dieser Nacht hat man unser Haus angegriffen, mein Schwager war im Haus. Er war ein Polizist. In der Nacht wurden meine Frau, mein Sohn und mein Schwager getötet. Die Nachbarn haben mich angerufen und haben mir mitgeteilt, dass meine Leute erschossen wurden. Ich war schockiert und bin zu meinem Stiefvater und meine Mutter hat mich angerufen. Ich erzählte den Mitgliedern der Regierung davon. Ich bin dann in Begleitschutz von Sicherheitskräften nach Hause gegangen. Es waren schon meine Mutter und mein Stiefvater da und viele Polizisten. Es war ein sehr schwerer Tag für mich, das war der 14.09.2014. Ich habe meine Frau und meinen Sohn und meinen Schwager liegen gesehen. Sie waren tot. Man hat die Leichen mit einem Stoff überdeckt. Ich war unter Schock und konnte die Leichen nicht anschauen. Mein Stiefvater hat mich zu einem Hotel in der Nähe des Regierungsgebäudes gebracht. Ich habe dort dann die Nacht verbracht. Am nächsten Tag wurde dann meine Familie beerdigt. Ich konnte an der Beerdigung nicht aus Angst und Trauer teilnehmen. Nach zwei Wochen habe ich wieder angefangen zu arbeiten. Ich wohnte im Hotel. Der Generaldirektor vom Parlament hat mir dann sein Beileid mitgeteilt und sagte, ich soll mich beruhigen, so etwas passiert, es werden immer wieder Leute getötet. Meine Kollegen haben Geld für mich gesammelt. Sie haben 8.000 Dollar zusammengebracht. Ich habe dann meine SIM-Karte gewechselt. Ich habe weiterhin im Hotel gewohnt. Ich habe aufgehört die Uni zu besuchen. Das Hotel hieß Hotel Muna Degmade in Xamarweyne (Bezirk Hamar Weyne). Das ist in der Nähe des Parlaments. Ich bin dann immer arbeiten gegangen und ins Hotel, sonst nichts.

Nach einiger Zeit sind meine Mutter und mein Stiefvater zu mir gekommen und haben mit mir gesprochen. Ich solle meine Trauer überwinden und das Leben geht weiter. Sie haben mir vorgeschlagen, die Schwester meiner verstorbenen Frau zu heiraten. Sie heißt XXXX . Ich habe sie im Hotel geheiratet, das war am 10.11.2014. Eine Woche nach der Hochzeit habe ich wieder einen Anruf von XXXX bekommen. Ich bin nicht ans Telefon gegangen, meine Frau hat abgehoben. Sie haben nach mir gefragt. Meine Frau hatte den Lautsprecher aufgedreht und ich konnte mithören. Ich bin dann zum Telefon gegangen und sagte "Hallo", der Mann sagte: "Ich bin es XXXX ". "Meine Al-Shabaab Leute werden Dich verfolgen und werden Dich finden, egal, wo Du Dich befindest und werden Dich töten." Woher sie die Telefonnummer gehabt hatten, frage ich mich selbst. Er warf mir wieder vor, dass ich für die Ungläubigen arbeite und nach dem Gesetz von Al-Shabaab gehöre ich getötet, genau wie die Parlamentsmitglieder. Ich hatte Angst und habe dann aufgelegt. Meine Frau hat das auch mitbekommen und sie wusste ja von ihrer getöteten Schwester, auch sie hatte große Angst. Ihr ist es noch schlechter gegangen als mir, ich hatte Sorge um meine Frau. Ich habe dann meinen Stiefvater angerufen und ihm alles erzählt. Er ist dann mit Sicherheitskräften zu mir gekommen und diese haben alles aufgeschrieben, wie das erste Mal und sie werden herausfinden, wo sich die Leute befinden und sie würden dann verurteilt werden. Am nächsten Tag bin ich arbeiten gegangen. Ich hatte Angst. Dann habe ich wieder den Generaldirektor des Parlaments gesehen. Ich erzählte, was vorgefallen ist und obwohl ich nämlich meine SIM-Karte gewechselt habe, bin ich wieder kontaktiert und bedroht worden. Ich habe ihn erzählt, dass ich aufgrund meines Dienstes Probleme bekommen habe und nicht weiterarbeiten kann und ich aufhören möchte. Er sagte, dass die Lage im Land einfach so ist. Ich solle nicht aufhören, es werden laufend Leute getötet und ich solle weiterarbeiten. Ich habe weitergearbeitet trotz meiner Ängste. Circa ein Monat später sind die Ängste meiner Frau XXXX immer größer geworden, hat die Stadt ohne mein Wissen verlassen und ist nach Beledweyne gegangen. Mein Leben war dann in Gefahr. Ich konnte mit der Arbeit nicht aufhören. Den Uni-Besuch habe ich auch abgebrochen. Mein Leben ist schwer geworden. Ich konnte in der Stadt nicht mehr richtig leben, weil ich meine Freunde nicht mehr treffen konnte. Ich war nicht mehr frei und dann habe ich beschlossen das Land zu verlassen. Ich habe meinem Stiefvater von meiner Entscheidung erzählt. Ich hatte noch 6.000 Dollar, die ich gespendet bekommen hatte und mein Stiefvater hat mir ein türkisches Visum für meinen Diplomatenreisepass besorgt. Dieser Reisepass wurde mir in Griechenland weggenommen, weil ein Schlepper mir ein gefälschtes Visum in Griechenland hineingegeben hatte.

RI: Können Sie über Ihren Clan Darod genaueres sagen?

BF: Mareexaan, Hawraarsame Amanreer, Mahamuud Saleebaan.

RI an RV: Haben Sie Fragen an den BF?

RV: Ja.

RV: Sie haben gesagt, Sie haben als Schreibkraft im Parlament gearbeitet. Waren Sie neben dieser Tätigkeit auch politisch aktiv?

BF: Nein.

RV: Was würden Sie befürchten, wenn Sie nach Somalia zurückkehren müssten?

BF: Einerseits habe ich Angst vor der Regierung, weil sie gesagt haben, ich solle weiterarbeiten und nicht kündigen und andererseits vor den Al-Shabaab.

RI: Wieso sind Sie nicht zu Ihrer Tante nach Kenia? Das wäre ja naheliegender.

BF: Ich bin deshalb nicht zu ihr, weil ich dort ja schon war und dort keine Aufenthaltsbestätigung hatte und dann mit der Polizei zu tun hatte.

Zur Integration wird vorgelegt und zum Akt genommen (in blauer Mappe): Spracherwerbsbestätigungen, Gewerbeanmeldung für die Tätigkeit als Werbeverteiler, Fotos und Kopien von Ausweisen, etc.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der entscheidungsrelevante Sachverhalt steht fest.

Aufgrund des Asylantrags vom 29.06.2015, der Einvernahmen der beschwerdeführenden Partei vor Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes und vor dem Bundesasylamt, der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht, der Einsichtnahme in den bezughabenden Verwaltungsakt, der Einsichtnahme in das zentrale Melderegister, in das Grundversorgungs-Informationssystem und in das Strafregister werden die folgenden Feststellungen getroffen und der Entscheidung zugrunde gelegt.

Zur beschwerdeführenden Partei:

Der Antragsteller ist ein Staatsangehöriger Somalias und kommt aus Mogadischu/ Bezirk Hodan. Er stellte am 29.06.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich. Der Beschwerdeführer gehört dem Clan Darod Subclan Mareexaan, Hawraarsame Amanreer, Mahamuud Saleebaan an ist Moslem und arbeitete neben seinem Studium an der Imam Universität als Schreibkraft im Parlament für die Regierung. Nach der Weigerung für Al Shabaab dort die Mitarbeiter auszuspionieren wurde er trotz Wechsel des Wohnsitzes und der Telefonnummer durch diese bedroht.

Die beschwerdeführende Partei ist strafrechtlich unbescholten.

Festgestellt wird, dass dem Antragsteller in Somalia mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit wegen seiner Arbeit für die Regierung und der damit unterstellten politischen Gesinnung eine an diese anknüpfende aktuelle Verfolgung maßgeblicher Intensität durch die Bürgerkriegspartei Al Shabaab droht, und der Staat Somalia keine ausreichende Möglichkeit hat den Beschwerdeführer davor zu schützen.

2. Länderfeststellungen zur Situation in Somalia (soweit entscheidungsrelevant)

Al Shabaab (AS)

Ziel der al Shabaab ist es, die somalische Regierung und ihre Alliierten aus Somalia zu vertreiben und in Groß-Somalia ein islamisches Regime zu installieren. Außerdem verfolgt al Shabaab auch eine Agenda des globalen Dschihads und griff im Ausland Ziele an (EASO 2.2016).

Völkerrechtlich kommen der al Shabaab als de facto-Regime Schutzpflichten gegenüber der Bevölkerung in den von ihnen kontrollierten Gebieten gemäß des 2. Zusatzprotokolls zu den Genfer Konventionen zu (AA 1.12.2015). Staatlicher Schutz ist in der Gebieten der al Shabaab nicht verfügbar (UKHO 15.3.2016).

Seit 2011 wurden die militärischen Kapazitäten der al Shabaab durch AMISOM und somalische Kräfte sowie durch innere Streitigkeiten beachtlich dezimiert (UKHO 15.3.2016). In der jüngeren Vergangenheit hat al Shabaab schwere Niederlagen erlitten. Einerseits wurde der Anführer, Ahmed Godane, im September 2014 von einer US-Drohne eliminiert. Andererseits hat al Shabaab nach dem Verlust der wichtigen Hafenstadt Baraawe im Oktober 2014 noch weitere, strategisch wichtige Städte verloren (EASO 2.2016). Zuletzt wurden al Shabaab auch herbe Verluste zugefügt. Alleine bei einem Luftschlag gegen ein Lager der Terroristen in Raso (Hiiraan) wurden mehr als 150 frisch ausgebildete Kämpfer getötet und zahlreiche weitere verletzt. Bei einem Vorstoß der al Shabaab entlang der Küste in Nugaal wurden weitere 115 Kämpfer der al Shabaab getötet und 110 gefangen gesetzt. Bei einem ähnlichen Vorstoß im Hinterland fügten Kräfte der GIA der al Shabaab ebensolche Verluste zu. Allein im März 2016 betrugen die Verluste für al Shabaab mindestens 500 Mann, weitere 210 wurden gefangen gesetzt (A 4.2016). Trotz der Verluste ist al Shabaab immer noch in der Lage, große Teile des ländlichen Raumes in Süd-/Zentralsomalia zu halten (EASO 2.2016; vgl. AI 24.2.2016). Die Gruppe kontrolliert auch Versorgungsrouten (UKHO 15.3.2016). Über wie viele Kämpfer die al Shabaab verfügt, ist nicht exakt bekannt. Es ist unwahrscheinlich, dass die Miliz über mehr als 6.000 Mann verfügt (EASO 2.2016). Al Shabaab ist jedenfalls noch weit davon entfernt, besiegt zu sein (BS 2016).

Allerdings entwickelten sich Mitte 2015 innerhalb der al Shabaab die ersten Risse hinsichtlich einer Neuorientierung zum Islamischen Staat (IS). Mehrere IS-Sympathisanten wurden verhaftet; es kam auch zu bewaffneten Auseinandersetzungen (EASO 2.2016; vgl. AI 24.2.2016, UNSC 8.1.2016).

Die Menschen auf dem Gebiet der al Shabaab sind einer höchst autoritären und repressiven Herrschaft unterworfen. Während dies zwar einerseits zur Stärkung der Sicherheit beiträgt (weniger Kriminalität und Gewalt durch Clan-Milizen) (BS 2016), versucht al Shabaab alle Aspekte des öffentlichen und privaten Lebens der Menschen zu kontrollieren (BS 2016; vgl. DIS 9.2015). Alle Bewohner der Gebiete von al Shabaab müssen strenge Vorschriften befolgen, z. B. Kleidung, Eheschließung, Steuerzahlung, Teilnahme an militärischen Operationen, Rasieren, Spionieren, Bildung etc. (DIS 9.2015). Mit den damit verbundenen harten Bestrafungen wurde ein generelles Klima der Angst geschaffen (BS 2016). Das Brechen von Vorschriften kann zu schweren Strafen bis hin zum Tod führen (DIS 9.2015).

Quellen:

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A - Sicherheitsanalyseabteilung (4.2016): Sicherheitsbericht für März 2016

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AA - Auswärtiges Amt (1.12.2015): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Somalia

-

AI - Amnesty International (24.2.2016): Amnesty International Report 2015/16 - The State of the

-

, Zugriff 1.4.2016

-

AA - Auswärtiges Amt (1.12.2015): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Somalia

-

AI - Amnesty International (24.2.2016): Amnesty International Report 2015/16 - The State of the World's

9.2015). Keine der gefragten Quellen gab an, dass ein Mitarbeiter von al Shabaab ermordet worden war. Bei zwei Vorfällen (2011 und 2013) waren lokale Mitarbeiter von al Shabaab verhaftet, und erst nach Vermittlung

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): Somalia: Al-Shabaab og lokalt ansatte i AMISOM, FN og andre internasjonale organisasjoner

http://www.landinfo.no/asset/3159/1/3159_1.pdf, Zugriff 6.4.2016

3. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen zur Person sowie Religion,Herkunftsort und die Clanzugehörigkeit ergeben sich aus den in diesem Punkt nicht widerlegten Angaben der beschwerdeführenden Partei sowie aus ihren Sprach- und Ortskenntnissen sowie vorgelegten Fotos und Kopien.

Das Datum der Antragstellung und Ausführungen zum Verfahrenslauf ergeben sich aus dem Akteninhalt.

Bezüglich der Feststellungen zur Verfolgung durch Al Shabaab und den mangelnden Schutz davor, brachte die beschwerdeführende Partei diese nachvollziehbar und glaubwürdig vor und deckt sich dieses Vorbringen mit den diesbezüglichen Länderberichten.

Das Bundesverwaltungsgericht stützt seine Beurteilung des gegenständlichen Antrags auf aktuelle Länderinformationen, die sich einerseits auf seriöse Quellen berufen oder, nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes, solche selbst sind. Wesentlich bei der Auswahl der Berichte ist dabei die Aktualität der Information, insbesondere betreffend die Sicherheitslage in Somalia, und die Qualität der Quellen, wobei das Bundesverwaltungsgericht versucht, Berichte unterschiedlicher Auftraggeber zu sichten, um sich ein möglichst ausgewogenes Bild der Situation zu den relevanten Fragestellungen machen zu können. Die für den gegenständlichen Antrag entscheidungsrelevanten Berichte sind unter Punkt 2. in diesem Erkenntnis zusammengefasst und übersetzt wiedergegeben.

Die relevanten Schlüsse, die das Bundesverwaltungsgericht aus den Berichten unter 2. zieht sind, zusammengefasst, die folgenden:

Regierungsmitarbeiter, auch wenn sie nur als Schreibkraft Hilfsjobs verrichten, sind in Somalia in allen Regionen der Gewalt, Einschüchterung und Verhaftung durch Al Shabaab ausgesetzt.

Es gibt in Somalia keine flächendeckende, effektive Staatsgewalt. Von staatlichem Schutz kann nicht ausgegangen werden.

4. Rechtliche Beurteilung:

Allgemeine Rechtsgrundlagen:

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 6 des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes (BVwGG), BGBl. I Nr. 10/2013, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter_innen, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Eine derartige Regelung wird in den einschlägigen Normen (VwGVG, BFA-VG, AsylG) nicht getroffen.

Zur Säumnisbeschwerde:

Gemäß Artikel 130 Abs 1 Z 3 B-VG erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht durch eine Verwaltungsbehörde; gegen Weisungen gemäß Artikel 81a Abs 4.

Gemäß § 8 Abs 1 VwGVG kann Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht gemäß Art 130 Abs 1 Z 3 B-VG (Säumnisbeschwerde) erst erhoben werden, wenn die Behörde die Sache nicht innerhalb von sechs Monaten, wenn gesetzlich eine kürzere oder längere Entscheidungsfrist vorgesehen ist, innerhalb dieser entschieden hat.

Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Antrag auf Sachentscheidung bei der Stelle eingelangt ist, bei der er einzubringen war. Die Beschwerde ist abzuweisen, wenn die Verzögerung nicht auf ein überwiegendes Verschulden der Behörde zurückzuführen ist.

§ 8 Abs. 1 VwGVG knüpft bei der Regelung der Frist zur Erhebung der Säumnisbeschwerde an die im AVG vorgesehene sechsmonatige Entscheidungsfrist an. Die Entscheidungsfrist beginnt grundsätzlich erst mit Einlangen des Antrages auf Sachentscheidung bei der zuständigen Behörde zu laufen. Für die Zulässigkeit einer Säumnisbeschwerde ist der Zeitpunkt ihrer Erhebung maßgeblich (siehe Eder/Martschin/Schmid: Das Verfahrensrecht der Verwaltungsgerichte, NWV 2013, K 2 und K 4 zu § 8 VwGVG).

Gemäß § 73 Abs 1 AVG sind die Behörden verpflichtet, wenn in den Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmt ist, über Anträge von Parteien (§ 8) und Berufungen ohne unnötigen Aufschub, spätestens aber sechs Monate nach deren Einlangen den Bescheid zu erlassen. Sofern sich in verbundenen Verfahren (§ 39 Abs 2a) aus den anzuwendenden Rechtsvorschriften unterschiedliche Entscheidungsfristen ergeben, ist die zuletzt ablaufende maßgeblich.

Bis zum In-Kraft-Treten des § 22 Abs. 1 AsylG 2005 idF BGBl. I Nr. 24/2016 am 01.06.2016 war das BFA, in Ermangelung einer von § 73 Abs. 1 AVG abweichenden Entscheidungsfrist, verpflichtet, in einem durch einen Antrag auf internationalen Schutz eingeleiteten Verfahren binnen sechs Monaten nach dessen Einlangen den Bescheid zu erlassen.

Die Regelung des § 22 Abs. 1 AsylG 2005 idF BGBl. I Nr. 24/2016 sieht demgegenüber vor, dass über einen Antrag auf internationalen Schutz abweichend von § 73 Abs. 1 AVG längstens binnen 15 Monaten zu entscheiden ist. Gemäß § 73 Abs. 15 AsylG 2005 idF BGBl. I Nr. 24/2016 tritt § 22 Abs. 1 leg.cit. mit 01.06.2016 in Kraft und mit Ablauf des 31.05.2018 außer Kraft.

Ist die Säumnisbeschwerde zulässig und nicht abzuweisen, geht die Zuständigkeit zur Entscheidung auf das Verwaltungsgericht über (siehe Eder/Martschin/Schmid: Das Verfahrensrecht der Verwaltungsgerichte, NWV 2013, K 28 zu § 28 VwGVG).

Ein überwiegendes Verschulden ist dann anzunehmen, wenn die Behörde nicht durch ein schuldhaftes Verhalten der Partei (vgl VwGH 22.12.2010, 2009/06/134; VwGH 18.11.2003, 2003/05/0115) oder durch unüberwindliche Hindernisse von der Entscheidung abgehalten wurde (vgl VwGH 26.09.2011, 2009/10/0266); etwa wenn die Behörde die für eine zügige Verfahrensführung notwendigen Schritte unterlässt oder mit diesen grundlos zuwartet (vgl VwGH 26.01,2012, 2008/07/0036). In der Abwägung des Verschuldens der Partei an der Verzögerung gegen jenes der Behörde genügt ein "überwiegendes" Verschulden der Behörde (Fister/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahren (2013), § 8 VwGVG, Anm. 9, mwH.}.

Wie sich aus den Verwaltungsakten des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl und aus dem oben dargestellten Verfahrensgang ergibt, hat die Behörde seit der Antragsstellung und Erstbefragung zur Person im Juni 2015 keine weiteren Ermittlungsschritte gesetzt.

Zu prüfen bleibt, ob die gegenständliche Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl abzuweisen ist, weil die Verzögerung nicht auf ein überwiegendes Verschulden des Bundesamtes zurückzuführen ist.

Das Bundesverwaltungsgericht übersieht dabei nicht, dass infolge der hohen Asylantragszahlen vor allem im zweiten Halbjahr 2015, der Umstrukturierungen beim Bundesamt und besonders gesetzter Prioritäten fristgerechte Aktenerledigungen vielfach nicht möglich waren. Dennoch ergibt sich aus dem Akteninhalt nicht, dass die Ermittlungsverzögerung durch ein schuldhaftes Verhalten des Beschwerdeführers oder durch unüberwindbare Hindernisse verursacht war bzw. wurden solche vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl mit der kommentarlos an das Bundesverwaltungsgericht samt Akten weitergeleiteten Säumnisbeschwerde in keiner Weise vorgebracht. Ein überwiegendes Behördenverschulden hinsichtlich der Verletzung der Entscheidungspflicht erschien daher im konkreten Fall als gegeben, weswegen der Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht stattzugeben war.

Zum Zeitpunkt der Einbringung der gegenständlichen Beschwerde war daher die fünfzehnmonatige Entscheidungsfrist gemäß § 22 Abs.1 AsylG verstrichen, weshalb sich aufgrund der - unbestrittenen - Säumigkeit des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl die Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht als zulässig erweist.

Daraus folgt, dass der Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht stattzugeben war und dass die Zuständigkeit hinsichtlich des Antrags des Antragstellers auf internationalen Schutz auf das Bundesverwaltungsgericht übergegangen ist und es in der Folge über diesen Antrag selbst zu entscheiden haben wird.

Zu A)

Zu Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides:

Rechtsgrundlagen:

Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einer Fremden, die in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht wegen Drittstaatsicherheit oder Zuständigkeit eines anderen Staates zurückzuweisen ist, der Status der Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihr im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht.

Flüchtling im Sinne der Bestimmung ist demnach, wer aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, sich außerhalb ihres Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen. Zentraler Aspekt des Flüchtlingsbegriffs der GFK ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Wohlbegründet kann eine Furcht nur dann sein, wenn sie im Lichte der speziellen Situation der Asylwerberin und unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist (vgl. VwGH vom 22.12.1999, Zl. 99/01/0334; vom 21.12.2000, Zl. 2000/01/0131; vom 25.01.2001, Zl. 2001/20/0011). Es kommt mithin nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde.

Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre der Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (vgl. VwGH vom 21.12.2000, Zl. 2000/01/0131; vom 25.01.2003, Zl. 2001/20/0011).

Für eine wohlbegründete Furcht vor Verfolgung ist es nicht erforderlich, dass bereits Verfolgungshandlungen gesetzt worden sind; sie ist vielmehr bereits dann anzunehmen, wenn solche Handlungen zu befürchten sind (vgl. VwGH vom 26.02.1997, Zl. 95/01/0454; vom 09.04.1997, Zl. 95/01/0555), denn die Verfolgungsgefahr - Bezugspunkt der Furcht vor Verfolgung - bezieht sich nicht auf vergangene Ereignisse (vgl. VwGH vom 18.04.1996, Zl. 95/20/0239; vom 16.02.2000, Zl. 99/01/0097), sondern erfordert eine Prognose. Verfolgungshandlungen, die in der Vergangenheit gesetzt worden sind, können jedoch im Rahmen dieser Prognose ein wesentliches Indiz für eine Verfolgungsgefahr sein (vgl. VwGH vom 09.03.1999, Zl. 98/01/0318). Relevant kann aber nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr sein; sie muss vorliegen, wenn der Asylbescheid erlassen wird; auf diesen Zeitpunkt hat die Prognose abzustellen, ob die Asylwerberin mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus den genannten Gründen zu befürchten habe (vgl. VwGH vom 09.03.1999, Zl. 98/01/0318; vom 19.10.2000, Zl. 98/20/0233). Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in einem der Gründe haben, welche Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK nennt (vgl. VwGH vom 09.09.1993, Zl. 93/01/0284; vom 15.03.2001, Zl. 99/20/0128); sie muss Ursache dafür sein, dass sich die Asylwerberin außerhalb ihres Heimatlandes befindet. Besteht für die Asylwerberin die Möglichkeit, in einem Gebiet ihres Heimatstaates, in dem sie keine Verfolgung zu befürchten hat, Aufenthalt zu nehmen, so liegt eine inländische Fluchtalternative vor, welche die Asylgewährung ausschließt (vgl. VwGH vom 24.03.1999, Zl. 98/01/0352). Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein (vgl. VwGH vom 16.06.1994, Zl. 94/19/0183; vom 18.02.1999, Zl. 98/20/0468).

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. VwGH vom 28.03.1995, Zl. 95/19/0041; VwGH vom 27.06.1995, Zl. 94/20/0836; VwGH vom 23.07.1999, Zl. 99/20/0208; VwGH vom 21.09.2000, Zl. 99/20/0373; VwGH vom 26.02.2002, Zl. 99/20/0509 mwN; VwGH vom 12.09.2002, Zl. 99/20/0505 sowie VwGH vom 17.09.2003, Zl. 2001/20/0177) ist eine Verfolgungshandlung nicht nur dann relevant, wenn sie unmittelbar von staatlichen Organen (aus Gründen der GFK) gesetzt worden ist, sondern auch dann, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, Handlungen mit Verfolgungscharakter zu unterbinden, die nicht von staatlichen Stellen ausgehen, sofern diese Handlungen - würden sie von staatlichen Organen gesetzt - asylrelevant wären. In beiden Fällen ist es der Verfolgten nicht möglich bzw. im Hinblick auf ihre wohlbegründete Furcht nicht zumutbar, sich des Schutzes des Heimatlandes zu bedienen (vgl. VwGH vom 22.03.2000, Zl. 99/01/0256). Eine von dritter Seite ausgehende Verfolgung kann mithin nur dann zur Asylgewährung führen, wenn sie von staatlichen Stellen infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt nicht abgewandt werden kann (vgl. VwGH vom 22.03.2003, Zl. 99/01/0256 mwN). Für die Frage, ob eine ausreichend funktionierende Staatsgewalt besteht - unter dem Fehlen einer solchen ist nicht "zu verstehen, dass die mangelnde Schutzfähigkeit zur Voraussetzung hat, dass überhaupt keine Staatsgewalt besteht" (vgl. VwGH vom 22.03.2000, Zl. 99/01/0256) -, kommt es darauf an, ob jemand, der von dritter Seite (aus den in der GFK genannten Gründen) verfolgt wird, trotz staatlichem Schutz einen - asylrelevante Intensität erreichenden - Nachteil aus dieser Verfolgung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit zu erwarten hat (vgl. VwGH vom 22.03.2000, Zl. 99/01/0256 im Anschluss an Goodwin-Gill, "The Refugee in International Law² [1996] 73; weiters VwGH vom 26.02.2002, Zl. 99/20/0509 mwN sowie VwGH vom 20.09.2004, Zl. 2001/20/0430).

Anwendung der Rechtsgrundlagen auf die gegenständliche Beschwerde:

Wie bereits in der Beweiswürdigung ausgeführt geht das Bundesverwaltungsgericht vom Wahrheitsgehalt des Fluchtvorbringens des Beschwerdeführers aus: damit ist dieser durch seine berufliche Tätigkeit als Schreibkraft im Dienst der Regierung, besondersins Visier der Al Shabaab Gruppierung geraten und wurde nach Weigerung für diese zu spionieren ernsthaft und nachhaltig bedroht.

Die im Erkenntnis wiedergegebenen und auch vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl verwendeten und festgestellten Länderinformationen bestätigen die nach wie vor aktuelle Gefährdung der beschwerdeführenden Partei wegen seiner beruflichen Tätigkeit. Auf Basis dieser Länderberichte geht das Bundesverwaltungsgericht davon aus, dass die beschwerdeführende Partei im Falle einer Rückkehr in ihre Heimat um ihr Leben fürchten müsste.

Von einer entsprechenden Schutzfähigkeit und -willigkeit der somalischen Sicherheitsbehörden geht das Bundesverwaltungsgericht in Hinblick auf die diesbezüglichen Länderinformationen nicht aus. Von einer innerstaatlichen Fluchtalternative ist ebenfalls nicht auszugehen, da sich aus den Länderberichten ergibt dass die vom Beschwerdeführer angegebene Gefährdung in allen Regionen des Landes besteht.

Da sich im Verfahren auch keine Hinweise auf Ausschlussgründe des § 6 AsylG ergeben haben, ist der beschwerdeführenden Partei nach dem oben Gesagten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG der Status der Asylberechtigten zuzuerkennen. Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG ist diese Entscheidung mit der Aussage zu verbinden, dass ihr damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei der erheblichen Rechtsfrage betreffend die Zuerkennung des Status einer Asylberechtigten auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu Spruchpunkt A. wiedergegeben. Insoweit die dort angeführte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu früheren Rechtslagen ergangen ist, ist diese nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.

Schlagworte

asylrechtlich relevante Verfolgung, politische Delikte, politische
Partei, Religion, Schutzunfähigkeit, Schutzunwilligkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:W196.2165098.1.00

Zuletzt aktualisiert am

03.05.2018
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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