TE Bvwg Erkenntnis 2018/4/19 W118 2137445-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 19.04.2018
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Entscheidungsdatum

19.04.2018

Norm

ASVG §31
ASVG §351c
ASVG §351h
ASVG §351i
ASVG §351j Abs1
B-VG Art.133 Abs4
VO-EKO §19
VO-EKO §21 Abs1
VO-EKO §22
VO-EKO §23 Abs1
VO-EKO §23 Abs2 Z4
VO-EKO §24 Abs1
VO-EKO §24 Abs2 Z6
VO-EKO §25
VwGVG §24
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2
VwGVG §31 Abs1

Spruch

W118 2137445-1/31Z

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Gernot ECKHARDT als Vorsitzenden sowie die fachkundige Laienrichterin Dr. Sabine VOGLER und die fachkundigen Laienrichter Univ.-Prof. Dr. Josef DONNERER, Univ.-Prof. Dr. Peter PLACHETA und DDr. Wolfgang KÖNIGSHOFER über die Beschwerde der XXXX , vertreten durch Dr. Georg LEGAT, Rechtsanwalt in 1040 Wien, gegen den Bescheid des Hauptverbandes der österreichischen Sozialversicherungsträger (im Folgenden: HV), vertreten durch PRESLMAYR Rechtanwälte OG, Rechtsanwälte in 1010 Wien, vom 16.09.2016, Zl. VPM-68.1/16/Kr:Sar:Zk:NI:Dob/Wan, Abschnitt IV/3590-2016, betreffend die Aufnahme der Arzneispezialität XXXX in den Gelben Bereich des Erstattungskodex nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht:

A)

I. Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

II. Den pauschalierten Kostenersatz in der Höhe von EUR 2.620,00 hat die XXXX binnen 14 Tagen ab Zustellung dieses Erkenntnisses bei sonstiger Exekution zu tragen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang

1. Mit Antrag vom 30.03.2016 beantragte die Beschwerdeführerin (im Folgenden: BF) die Aufnahme von XXXX (Wirkstoff: XXXX ) in den Gelben Bereich des Erstattungskodex (EKO). Die beantragte Arzneispezialität wurde von der BF gemäß § 23 Abs. 2 Z 4 VO-EKO (bei der beantragten Arzneispezialität handelt es sich um eine neue Darreichungsform eines im EKO angeführten Wirkstoffes oder einer im EKO angeführten Wirkstoffkombination) und gemäß § 24 Abs. 2 Z 6 VO-EKO (die beantragte Arzneispezialität hat im Vergleich zu therapeutischen Alternativen einen wesentlichen zusätzlichen therapeutischen Nutzen für die Mehrzahl der Patienten/Patientinnen, welche für die Behandlung mit dem beantragten Mittel in Frage kommen) eingestuft.

Die Aufnahme wurde mit folgender bestimmter Verwendung beantragt:

"Zur Prävention artherothrombotischer Ereignisse bei erwachsenen PatientInnen in Kombination mit Acetylsalicylsäure (ASS, Erhaltungsdosis im Bereich von 75-150 mg pro Tag) mit einem Myokardinfarkt (MI) in der Vorgeschichte und einem hohen Risiko für die Entwicklung eines atherothrombotischen Ereignisses. Die Therapie kann ohne Unterbrechung als Anschlussbehandlung nach der einjährigen Anfangstherapie mit XXXX oder anderen Adenosindiphosphat-Rezeptorinhibitoren (P2Y12-Inhibitor) initiiert werden. Die Behandlung kann auch bis zu 2 Jahre nach dem MI oder innerhalb eines Jahres nach Beendigung einer vorherigen Behandlung mit einem ADP-Rezeptorinhibitor initiiert werden. XXXX eignet sich für eine chef(kontroll)ärztliche Langzeitbewilligung für 6 Monate (L6)."

Nach einem Myokardinfarkt bleibe das Herz-Kreislauf-Risiko auch nach Ablauf eines Jahres hoch. Zu XXXX (in Kombination mit Acetylsalicylsäure als Dual-Therapie) gebe es keine therapeutische Alternative. XXXX diene der Behandlung des akuten Koronarsyndroms und stelle die Schlüsselstärke dar. XXXX sei der einzige für die Langzeitnachsorge nach Myokardinfarkt zugelassene P2Y12-Antagonist. Die XXXX -Studie ( XXXX et al. 2015), auf die als Schlüsselstudie verwiesen werde, untersuche XXXX deshalb im Vergleich zu Plazebo.

Die Europäische Arzneimittelagentur EMA habe das andauernd erhöhte Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse im Anschluss an einen Myokardinfarkt als "unmet medical need" bezeichnet. Die EMA habe zugleich den Behandlungsbeginn von XXXX zeitlich auf nach der einjährigen Anfangstherapie eingeschränkt. Da sich die Auswertungen der EMA auf die Gesamtpopulation bezögen, lege die BF Auswertungen vor. Demnach reduziere XXXX signifikant das Risiko für den kardiovaskulären Tod und die Gesamtmortalität.

2. Mit Schreiben vom 22.08.2016 modifizierte die BF ihren Antrag.

Die beantragte bestimmte Verwendung entspreche der zugelassenen Indikation und laute wie folgt:

"Zur Prävention artherothrombotischer Ereignisse bei erwachsenen PatientInnen in Kombination mit Acetylsalicylsäure (ASS, Erhaltungsdosis im Bereich von 75-150 mg pro Tag) mit einem Myokardinfarkt (MI) in der Vorgeschichte und einem hohen Risiko für die Entwicklung eines atherothrombotischen Ereignisses.

Die Therapie kann ohne Unterbrechung als Anschlussbehandlung nach der einjährigen Anfangstherapie mit XXXX mg oder anderen Adenosindiphosphat-Rezeptorinhibitoren (P2Y12-Inhibitor) initiiert werden.

Die Behandlung kann auch bis zu 2 Jahre nach dem MI oder innerhalb eines Jahres nach Beendigung einer vorherigen Behandlung mit einem ADP-Rezeptorinhibitor initiiert werden.

XXXX eignet sich für eine chef(kontroll)ärztliche Langzeitbewilligung für 6 Monate (L6)."

Darüber hinaus wurde eine Preissenkung angeboten.

3. Mit Bescheid des HV vom 16.09.2016, Zl. VPM-68.1/16/Kr:Sar:Zk:NI:Dob/Wan, Abschnitt IV/3590-2016, wies der HV auf Basis einer entsprechenden Empfehlung der Heilmittel-Evaluierungs-Kommission (im Folgenden: HEK) den Antrag auf Aufnahme der Arzneispezialität XXXX in den Gelben Bereich des EKO ab. Zugleich wurde die Streichung der Arzneispezialität aus dem EKO angeordnet.

Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, mit dem Wirkstoff XXXX (Arzneispezialität XXXX ) stünde auf Basis der einschlägigen Guidelines ein geeigneter therapeutischer Vergleich zur Verfügung. Eine formale Begrenzung der maximalen Anwendungsdauer von XXXX auf 12 Monate nach Myokard-Infarkt sei entgegen den Behauptungen der BF nicht vorgesehen.

4. Mit Schriftsatz vom 13.10.2016 erhob die BF Beschwerde gegen den angeführten Bescheid.

5. Mit Beschluss des BVwG vom 31.05.2017, W118 2137445-1/12E, gab das BVwG nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung der Beschwerde statt, hob den bekämpften Bescheid auf und verwies die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurück.

Begründend wurde entscheidungswesentlich ausgeführt, auf Basis der einschlägigen Studien/Empfehlungen entspreche die Anwendung von XXXX über 12 Monate nach Myokard-Infarkt nicht dem Stand der Wissenschaft, weshalb ein Vergleich mit XXXX ausscheide.

Die Revision wurde zugelassen.

6. Mit Schriftsatz vom 12.07.2017 erhob der HV Revision.

7. Mit Erkenntnis vom 15.11.2017, Ro 2017/08/0013-4, hob der Verwaltungsgerichtshof (VwGH) den Beschluss des BVwG auf. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, die Ausführungen des BVwG zur Vergleichbarkeit könnten dessen Entscheidung nicht tragen.

8. Mit Beschluss des BVwG vom 29.01.2018, W147 2174645-1/9, hob das BVwG das zwischenzeitlich auf Grundlage des Zurückverweisungsbeschlusses des BVwG ergangene Ersatz-Erkenntnis des HV, mit dem der Aufnahme-Antrag der BF neuerlich abgewiesen wurde, mangels Zuständigkeit des HV zur Entscheidung nach Wegfall des zurückweisenden Beschlusses des BVwG auf.

9. Mit Datum vom 22.02.2018 führte das BVwG erneut eine mündliche Verhandlung durch. Im Rahmen der Verhandlung wurde eingangs die Übertragbarkeit der Erkenntnisse des VwGH vom 14.09.2016, Ra 2016/08/0090 (Vesomni), sowie vom 07.09.2017, Ra 2017/08/0024 (Medikinet), auf den vorliegenden Fall erörtert.

Der HV führte dazu im Wesentlichen aus, der VwGH gehe in der Rechtssache Vesomni und im Anschluss daran der Rechtssache Medikinet im Fall der Übereinstimmung der Verschreibungsregeln bzw. der medizinisch-therapeutischen Wirkung in Bezug auf dieselbe Untergruppe von Patienten von der widerlegbaren Vermutung des Vorliegens eines wesentlichen therapeutischen Zusatznutzens der zur Aufnahme in den EKO beantragten Arzneispezialität aus. Im gegenständlichen Fall habe XXXX zwar den gleichen Wirkstoff wie die bereits gelistete Arzneispezialität XXXX . Bei XXXX handle es sich jedoch nicht um eine therapeutische Alternative zum Vergleichsprodukt XXXX . Die angeführten Arzneispezialitäten hätten unterschiedliche Zulassungen und Patientengruppen. Dies habe die BF selbst betont, wenn sie in ihrem Vorbringen davon gesprochen habe, dass sich die Anwendung der angeführten Arzneispezialitäten in keinem Punkt überschneide. Es bestünden auch unterschiedliche therapeutische Wirkungen. Dies zeige sich schon daran, dass die Dual Antiplatelet Therapy (DAPT) mit XXXX eine Klasse I-Empfehlung nach den Guidelines der European Society of Cardiology (ESC-Guidelines) aufweise, während die über ein Jahr hinaus verlängerte DAPT nur eine Empfehlung der Klasse IIb aufweise.

Die "gegenteiligen Anhaltspunkte" iSd Rechtsprechung des VwGH bezögen sich zweifelsfrei auf den wesentlichen therapeutischen Zusatznutzen der nun aufzunehmenden Arzneispezialität. Ein solcher wesentlicher Zusatznutzen bestehe im gegenständlichen Fall (gegenüber dem Vergleichsprodukt XXXX aus dem Grünen Bereich) nicht. (Diesbezüglich wurde auf eine Zusammenfassung der französischen Haute Autorité de Santé - HAS aus dem Jänner 2017 verwiesen.) Selbst bei Annahme eines solchen Zusatznutzens, läge die Aufnahme der Arzneispezialität allerdings im Ermessen des HV.

Die BF brachte demgegenüber vor, der für XXXX maßgebliche Wirkstoff XXXX sei in Form von XXXX bereits im Gelben Bereich des EKO gelistet. Die in der Vergangenheit getätigten Ausführungen zu den mangelnden Überschneidungspunkten wurden zurückgezogen, und es wurde stattdessen auf den EPAR sowie die Fachinformation zu XXXX verwiesen. Somit sei im Sinne der Judikatur des VwGH der Nachweis des wesentlichen therapeutischen Zusatznutzens gegeben und die gesundheitsökonomische Evaluation unmittelbar anzuschließen.

In der Folge wurde die aktuelle Einschätzung der Studienlage zu XXXX erläutert. Die BF verwies in diesem Zusammenhang auf die einschlägigen Passagen der aktuellen ESC-Guidelines. Nach den "2017 ESC Guidelines for the management of acute myocardial infarction in patients presenting with ST-segment elevation" (bezeichnet als "STEMI-Guidelines"), S. 31, könne im Ergebnis keine Empfehlung für eine DAPT mit XXXX oder XXXX über ein Jahr hinaus gegeben werden. Nach dem Update "2017 ESC focused update on dual antiplatelet therapy in coronary artery disease developed in collaboration with EACTS", S. 16, 21 und 26, sei XXXX bei Patienten mit ST-Streckenhebung die einzige Alternative für eine über 12 Monate hinausgehende DAPT; bei Patienten ohne ST-Streckenhebung sei XXXX für eine über 12 Monate hinausgehende DAPT das Mittel der ersten Wahl gegenüber XXXX und XXXX . Letztere sollten nur zum Einsatz kommen, wenn XXXX nicht geeignet sei.

Seitens des HV wurde vorgebracht, die aktuellen Guidelines der ESC hätten zu keiner Änderung beim Empfehlungsgrad von XXXX geführt. Der Stellenwert der über 12 Monate hinaus verlängerten DAPT habe sich durch die XXXX -Studie somit nicht verändert. Tatsächlich habe nicht nur die über 12 Monate hinaus verlängerte DAPT den Empfehlungsgrad IIb ("may be considered"). Auch die Bevorzugung von XXXX gegenüber anderen P2Y12-Inhibitoren habe nur den Empfehlungsgrad IIb. Es handle sich also selbst bei der Bevorzugung nicht einmal um eine "should be considered"-Empfehlung.

Dem hielt die BF entgegen, im Guideline-Update werde eine breitere Patientengruppe abgehandelt als der Zulassung von XXXX entspreche.

Der HV hielt dem wiederum entgegen, die für den vorliegenden Fall relevante Konstellation sei in der XXXX -Studie nicht primär untersucht. Die meisten Patienten der XXXX -Studie seien in den ersten 12 Monaten mit XXXX behandelt worden. Für die durchgehende Behandlung mit XXXX nach einem Myokardinfarkt über 12 Monate hinaus liefere die Studie praktisch keine Daten. Auch in einer rezent erschienenen Studie werde auf die Unsicherheit über die geeignete Länge der DAPT hingewiesen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen (Sachverhalt):

Mit Antrag vom 30.03.2016 beantragte die BF die Aufnahme von XXXX (Wirkstoff: XXXX ) in den Gelben Bereich des EKO. Die beantragte Arzneispezialität wurde von der BF letztlich gemäß § 23 Abs. 2 Z 2 VO-EKO (die beantragte Arzneispezialität hat den gleichen Wirkstoff sowie die gleiche oder praktisch gleiche Darreichungsform wie bereits eine oder mehrere im Erstattungskodex angeführte Arzneispezialitäten, jedoch eine neue Wirkstoffstärke) und gemäß § 24 Abs. 2 Z 6 VO-EKO (die beantragte Arzneispezialität hat im Vergleich zu therapeutischen Alternativen einen wesentlichen zusätzlichen therapeutischen Nutzen für die Mehrzahl der Patienten/Patientinnen, welche für die Behandlung mit dem beantragten Mittel in Frage kommen) eingestuft.

Die beantragte bestimmte Verwendung lautete letztlich:

"Zur Prävention artherothrombotischer Ereignisse bei erwachsenen PatientInnen in Kombination mit Acetylsalicylsäure (ASS, Erhaltungsdosis im Bereich von 75-150 mg pro Tag) mit einem Myokardinfarkt (MI) in der Vorgeschichte und einem hohen Risiko für die Entwicklung eines atherothrombotischen Ereignisses.

Die Therapie kann ohne Unterbrechung als Anschlussbehandlung nach der einjährigen Anfangstherapie mit XXXX oder anderen Adenosindiphosphat-Rezeptorinhibitoren (P2Y12-Inhibitor) initiiert werden.

Die Behandlung kann auch bis zu 2 Jahre nach dem MI oder innerhalb eines Jahres nach Beendigung einer vorherigen Behandlung mit einem ADP-Rezeptorinhibitor initiiert werden.

XXXX eignet sich für eine chef(kontroll)ärztliche Langzeitbewilligung für 6 Monate (L6)."

Zum Nachweis des wesentlichen zusätzlichen therapeutischen Nutzens wurde auf die PEGASUS-Studie (Bonaca et al. 2015) als Schlüsselstudie verwiesen.

Im Grünen Bereich des EKO sind die Arzneispezialität XXXX sowie mehrere Generika mit dem Wirkstoff XXXX (ATC-Code XXXX ) gelistet, der vom HV im Rahmen der pharmakologischen Evaluation als therapeutische Alternative betrachtet wurde. Im Gelben Bereich des EKO ist die Arzneispezialität XXXX (ATC-Code XXXX ) gelistet. XXXX enthält mit XXXX denselben Wirkstoff wie XXXX .

XXXX ist im EKO mit folgender bestimmter Verwendung gelistet:

"Zur Prävention atherothrombotischer Ereignisse in Kombination mit Acetylsalicylsäure (ASS, Erhaltungsdosis im Bereich von 75-150 mg pro Tag) bei erwachsenen Patientlnnen mit akutem Koronarsyndrom (instabile Angina pectoris, Nicht-ST-Strecken-Hebungsinfarkt oder ST-Strecken-Hebungsinfarkt) für maximal 12 Monate."

XXXX und XXXX haben eine gemeinsame Fachinformation, jedoch ist XXXX nur für die Zeit ab einem Jahr nach dem Ereignis zugelassen. Die Fachinformation lautet auszugsweise (Hervorhebungen durch das BVwG):

" XXXX 2-mal täglich ist die empfohlene Dosierung, wenn eine Anschlussbehandlung bei Patienten mit einem mindestens ein Jahr zurückliegendem MI in der Vorgeschichte und einem hohen Risiko für die Entwicklung eines atherothrombotischen Ereignisses (siehe Abschnitt 5.1) erforderlich ist. Bei Patienten mit einem hohen Risiko für die Entwicklung eines atherothrombotischen Ereignisses kann die Therapie ohne Unterbrechung als Anschlussbehandlung nach der einjährigen Anfangstherapie mit XXXX oder anderen Adenosindiphosphat(ADP)-Rezeptorinhibitoren initiiert werden. Die Behandlung kann auch bis zu 2 Jahre nach dem MI oder innerhalb eines Jahres nach Beendigung einer vorherigen Behandlung mit einem ADP-Rezeptorinhibitor initiiert werden. Zur Sicherheit und Wirksamkeit der Anschlussbehandlung mit XXXX , liegen begrenzte Daten vor, die über 3 Jahre hinausgehen."

Für den Zeitraum nach 12 Monaten nach ACS stellt die Anwendung von XXXX eine therapeutische Alternative zur Anwendung von XXXX dar.

Ein wesentlicher therapeutischer Zusatznutzen von XXXX im Sinn von bedeutenden Verbesserungen gegenüber vorhandenen therapeutischen Alternativen, etwa ein deutlich rascherer Rückgang der Symptome, die Verlängerung der Überlebensdauer, das Vermeiden bzw. Hinauszögern von Folgeschäden oder das Ausbleiben von schweren Nebenwirkungen im Verhältnis zu Clopidogrel konnte nicht festgestellt werden.

2. Beweiswürdigung:

Die angeführten Feststellungen ergeben sich aus dem Verfahrensakt und erscheinen, soweit im Folgenden nicht näher erläutert, unstrittig.

Zur entscheidungswesentlichen Feststellung, dass XXXX für den Zeitraum nach 12 Monaten nach ACS (Acute coronary syndrome, Herzinfarkt) eine therapeutische Alternative zur Anwendung von XXXX darstellt, ist festzuhalten: Nach Maßgabe der Ausführungen des Verwaltungsgerichtshofes im aufhebenden Erkenntnis vom 15.11.2017, Ro 2017/08/0013, insbesondere Rz. 30, wonach die Anwendungsdauer von XXXX nicht formal festgeschrieben sei, weshalb sich diesbezüglich auch keine Beschränkung der Vergleichbarkeit mit XXXX ergebe, erweisen sich die Ausführungen des HV im angefochtenen Bescheid als nachvollziehbar und zutreffend.

Auf Basis der aktuellen ESC-Guidelines sieht das BVwG darüber hinaus keine Veranlassung mehr, von einer mangelnden Zweckmäßigkeit des Vergleichs von XXXX und XXXX auszugehen.

Die aktuellen Guidelines der European Society of Cardiology (ESC) "2017 ESC focused update on dual antiplatelet therapy in coronary artery disease developed in collaboration with EACTS", Eur Heart J. 2018 Jan 14;39(3):213-260. doi: 10.1093/eurheartj/ehx419, fassen die Studienlage auf Seite 16 wie folgt zusammen:

Bild kann nicht dargestellt werden

Für den Zeitraum von bis zu 12 Monaten nach ACS ohne erhöhtes Blutungsrisiko wird eine DAPT mit XXXX , XXXX oder XXXX jeweils mit dem höchsten Empfehlungsgrad I empfohlen ("is recommended/is indicated" - ist empfohlen/ist angezeigt), wobei XXXX für jene Patienten empfohlen wird, die sich für die Behandlung mit XXXX und/oder XXXX nicht eignen.

Für den Zeitraum nach 12 Monaten nach ACS kann die Behandlung mit XXXX in Betracht gezogen werden (sofern kein hohes Blutungsrisiko vorliegt). Bei den Patienten nach PCI (percutaneous coronary intervention - perkutane koronare Intervention) bzw. unter alleiniger medikamentöser Behandlung, die sich für die Behandlung mit XXXX nicht eignen, kann die Behandlung mit XXXX oder XXXX in Betracht gezogen werden. Bei Patienten nach Bypass-Operation stellt die Behandlung mit XXXX , XXXX oder XXXX jeweils eine gleichwertige Alternative dar. Der Empfehlungsgrad lautet jeweils IIb ("may be considered" - kann in Betracht gezogen werden).

Daten für einen direkten Vergleich von XXXX und XXXX für den Zeitraum nach 12 Monaten nach ACS liegen nicht vor.

Daraus folgt zum einen, dass ein Vergleich von XXXX und XXXX auf pharmakologischer Ebene zulässig ist. Daraus folgt zum anderen, dass ein wesentlicher therapeutischer Zusatznutzen von XXXX nicht festgestellt werden konnte. In der Rangfolge der Evidenz nach § 24 Abs. 5 VO-EKO stehen Guidelines von Fachgesellschaften an vorletzter Stelle. Überdies reicht eine Empfehlung der Klasse IIb in einer solchen Guideline nicht aus, um den Nachweis für das Vorliegen eines wesentlichen therapeutischen Zusatznutzens zu erbringen. (Auch wenn dem strittigen Arzneimittel in diesen Guidelines der Vorzug vor anderen Arzneimitteln auf derselben Empfehlungsstufe gegeben wird.)

3. Rechtliche Beurteilung:

Zuständigkeit und Verfahren

Gemäß § 351h Abs. 1 Z 1 lit. a) ASVG, BGBl. Nr. 189/1955 idgF, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden des vertriebsberechtigten Unternehmens, dessen Antrag auf Aufnahme einer Arzneispezialität in den Gelben oder Grünen Bereich des Erstattungskodex (teilweise) ab- oder zurückgewiesen wurde.

Beschwerden sind gemäß § 351h Abs. 3 ASVG binnen vier Wochen nach Zustellung der Entscheidung des Hauptverbandes beim HV über das Internetportal www.sozialversicherung.at einzubringen. Dem HV steht es frei, binnen vier Wochen ab Einbringung der Beschwerde eine Stellungnahme an das Bundesverwaltungsgericht abzugeben.

Gemäß § 351i Abs. 1 ASVG hat in Angelegenheiten nach § 351h ASVG die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch einen Senat zu erfolgen, der aus dem/der Senatsvorsitzenden und vier fachkundigen Laienrichtern/Laienrichterinnen besteht, wobei zwei davon Fachärzte/Fachärztinnen für Pharmakologie und Toxikologie oder Fachärzte/Fachärztinnen mit dem Additivfach klinische Pharmakologie und zwei Ökonomen/Ökonominnen mit spezifischen Kenntnissen im Gesundheits- und Sozialversicherungsbereich (Gesundheitsökonomen/Gesundheitsökonominnen) sind.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG geregelt. Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Nach Aufhebung des stattgebenden und zurückverweisenden Erkenntnisses des BVwG durch den VwGH hat das BVwG neuerlich über die Beschwerde der BF zu entscheiden.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist. Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn

1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder

2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Zu A)

a) Maßgebliche Rechtsgrundlagen in der für den Streitfall maßgeblichen Fassung:

Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG), BGBl. Nr. 189/1955 idF BGBl. I Nr. 49/2017:

"3. UNTERABSCHNITT

Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger

§ 31. (1) Die in den §§ 23 bis 25 bezeichneten Versicherungsträger und die Träger der im § 2 Abs. 2 bezeichneten Sonderversicherungen werden zum Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger (im folgenden kurz Hauptverband genannt) zusammengefaßt.

(2) Dem Hauptverband obliegt

1. die Wahrnehmung der allgemeinen und gesamtwirtschaftlichen Interessen im Vollzugsbereich der Sozialversicherung,

[...]

(3) Zu den Aufgaben im Sinne des Abs. 2 Z 1 gehören:

12. die Herausgabe eines Erstattungskodex der Sozialversicherung für die Abgabe von Arzneispezialitäten auf Rechnung eines Sozialversicherungsträgers im niedergelassenen Bereich; in dieses Verzeichnis sind jene für Österreich zugelassenen, erstattungsfähigen und gesichert lieferbaren Arzneispezialitäten aufzunehmen, die nach den Erfahrungen im In- und Ausland und nach dem aktuellen Stand der Wissenschaft eine therapeutische Wirkung und einen Nutzen für Patienten und Patientinnen im Sinne der Ziele der Krankenbehandlung (§ 133 Abs. 2) annehmen lassen. Die Arzneispezialitäten sind nach dem anatomisch-therapeutisch-chemischen Klassifikationssystem der Weltgesundheitsorganisation (ATC-Code) zu ordnen. Sie sind im Erstattungskodex jeweils einem der folgenden Bereiche zuzuordnen:

a) Roter Bereich (red box): Dieser Bereich beinhaltet zeitlich befristet jene Arzneispezialitäten, die erstmalig am österreichischen Markt lieferbar sind und für deren Aufnahme in den Erstattungskodex ein Antrag nach § 351c Abs. 1 gestellt wurde. Sie unterliegen der ärztlichen Bewilligung des chef- und kontrollärztlichen Dienstes der Sozialversicherungsträger nach Maßgabe der Richtlinie nach § 31 Abs. 5 Z 13. Zur Wahrung des finanziellen Gleichgewichts des Systems der sozialen Sicherheit darf einem Sozialversicherungsträger für eine Arzneispezialität dieses Bereiches der ermittelte EU-Durchschnittspreis verrechnet werden.

b) Gelber Bereich (yellow box): Dieser Bereich beinhaltet jene Arzneispezialitäten, die einen wesentlichen zusätzlichen therapeutischen Nutzen für Patienten und Patientinnen aufweisen und die aus medizinischen oder gesundheitsökonomischen Gründen nicht in den grünen Bereich aufgenommen werden. Arzneispezialitäten dieses Bereiches unterliegen der ärztlichen Bewilligung des chef- und kontrollärztlichen Dienstes der Sozialversicherungsträger nach Maßgabe der Richtlinie nach § 31 Abs. 5 Z 13. Bezieht sich die Aufnahme von Arzneispezialitäten in diesen Bereich auch auf bestimmte Verwendungen (zB Gruppen von Krankheiten, ärztliche Fachgruppen, Altersstufen von Patient(inn)en, Mengenbegrenzung oder Darreichungsform), kann die ärztliche Bewilligung des chef- und kontrollärztlichen Dienstes durch eine nachfolgende Kontrolle der Einhaltung der bestimmten Verwendung ersetzt werden. Zur Wahrung des finanziellen Gleichgewichts des Systems der sozialen Sicherheit darf einem Sozialversicherungsträger für eine Arzneispezialität dieses Bereiches höchstens der ermittelte EU-Durchschnittspreis verrechnet werden.

c) Grüner Bereich (green box): Dieser Bereich beinhaltet jene Arzneispezialitäten, deren Abgabe ohne ärztliche Bewilligung des chef- und kontrollärztlichen Dienstes der Sozialversicherungsträger auf Grund ärztlicher Verschreibung medizinisch und gesundheitsökonomisch sinnvoll und vertretbar ist. Die Aufnahme von Arzneispezialitäten in diesem Bereich kann sich auch auf bestimmte Verwendungen (zB Gruppen von Krankheiten, ärztliche Fachgruppen, Altersstufen von Patient(inn)en oder Darreichungsform) beziehen.

[...]."

"Abschnitt V

Erstattungskodex

Aufnahme von Arzneispezialitäten in den Erstattungskodex

§ 351c. (1) Das vertriebsberechtigte Unternehmen beantragt beim Hauptverband die Aufnahme einer Arzneispezialität in den gelben oder den grünen Bereich des Erstattungskodex. Mit Einlangen des Antrages, mit dem zumindest die Zulassungsnummer und ein Preis bekannt gegeben wird und dem eine Bestätigung der Lieferfähigkeit und eine Bestätigung über die Dauer der Patentlaufzeit angeschlossen ist, wird die Arzneispezialität zeitlich befristet in den roten Bereich aufgenommen. Stellt der Hauptverband innerhalb von 90 Tagen (wird auch über den Preis entschieden, innerhalb von 180 Tagen) nach Einlangen des Antrages fest, dass die Arzneispezialität nicht in den gelben oder grünen Bereich des Erstattungskodex aufzunehmen ist, so ist sie aus dem roten Bereich des Erstattungskodex zu streichen. Der Hauptverband hat die Änderungen des Erstattungskodex monatlich im Internet kundzumachen.

[...].

(8) Sonderbestimmungen für den gelben Bereich (yellow box) des Erstattungskodex: Eine Arzneispezialität kann in den gelben Bereich aufgenommen werden, wenn die Heilmittel-Evaluierungs-Kommission (§ 351g) eine wesentliche therapeutische Innovation festgestellt hat.

(9) Sonderbestimmungen für den grünen Bereich (green box) des Erstattungskodex:

1. Eine Arzneispezialität wird dann in den grünen Bereich aufgenommen, wenn die Heilmittel-Evaluierungs-Kommission in ihrer Empfehlung eine gleiche oder ähnliche therapeutische Wirkung im Vergleich zu bereits im grünen Bereich vorhandenen Arzneispezialitäten festgestellt hat, und ein ausreichend großer Preisunterschied zu diesen Produkten vereinbart werden kann.

2. Wird für die beantragte Arzneispezialität ein höherer Preis, als der für die in diesem Bereich angeführten Vergleichspräparate geltende Preis angestrebt, so muss die Heilmittel-Evaluierungs-Kommission in ihrer Empfehlung einen therapeutischen Mehrwert im Vergleich zu Arzneispezialitäten im grünen Bereich feststellen.

[...]."

Verfahrensordnung zur Herausgabe des Erstattungskodex nach § 351g ASVG (VO-EKO), avsv Nr. 47/2004 idF avsv Nr. 159/2013:

"Unterlagen und Stellungnahmen

§ 19. (1) Alle zur Entscheidung über den Antrag notwendigen Unterlagen sind unter einem mit dem Antrag gemäß § 18 vorzulegen, soweit im Folgenden nichts anderes bestimmt ist.

(2) Während des laufenden Verfahrens sind weitere Unterlagen und Stellungnahmen nur auf Verlangen des Hauptverbandes zu übermitteln. Werden diese Unterlagen und Stellungnahmen vom antragstellenden Unternehmen nicht binnen offener Frist beigebracht, werden sie im laufenden Verfahren und für die Entscheidung nicht berücksichtigt.

(3) Entgegen den Bestimmungen der Abs. 1 und 2 vom antragstellenden Unternehmen übermittelte Unterlagen sind im Verfahren und für die Entscheidung nur dann zu berücksichtigen, wenn diese

1. zum Zeitpunkt der Antragsstellung nicht vorlagen,

2. wesentliche neue Erkenntnisse beinhalten,

3. den Erfordernissen der §§ 22 Abs. 3 und 4 sowie 24 Abs. 4 entsprechen,

4. unverzüglich nach Vorliegen übermittelt werden,

5. spätestens siebzehn Tage vor der ersten Behandlung des Antrages in der Sitzung der HEK dem Hauptverband übermittelt werden."

"Aufnahme in den Gelben oder Grünen Bereich

§ 21. (1) Der Hauptverband prüft nach Feststellung der Erstattungsfähigkeit ob die gesetzlichen und die in dieser Verfahrensordnung festgelegten Voraussetzungen für die Aufnahme in den Gelben oder in den Grünen Bereich gegeben sind.

[...].

Grundsätzliche Vorgangsweisen und Ziele der pharmakologischen, medizinisch-therapeutischen und gesundheitsökonomischen Evaluation

§ 22. (1) Ziel der Evaluation ist die Beurteilung des Antrages aus pharmakologischer, medizinisch-therapeutischer und gesundheitsökonomischer Sicht. Dazu sind vom antragstellenden Unternehmen diesbezügliche Unterlagen im Antrag gemäß der Anlage vorzulegen, dabei hat das antragstellende Unternehmen insbesondere einen pharmakologisch, medizinisch-therapeutisch und gesundheitsökonomisch untermauerten Vergleich der beantragten Arzneispezialität mit den verfügbaren therapeutischen Alternativen vorzulegen. Bei diesem Vergleich ist von der häufigsten Indikation, der medizinisch zweckmäßigsten Dosierung und der hauptsächlich betroffenen Gruppen von Patienten/Patientinnen auszugehen.

(2) Die Unterlagen gemäß Abs. 1 haben alle für die Entscheidung über die Aufnahme bedeutsamen Informationen aus pharmakologischer, medizinisch-therapeutischer und gesundheitsökonomischer Sicht, die dem aktuellen Stand der Wissenschaft entsprechen, zu enthalten. Unterlagen, welche nicht dem aktuellen Stand der Wissenschaft entsprechen, werden für das laufende Verfahren und für die Entscheidung nicht herangezogen.

(3) Für das laufende Verfahren und für die Entscheidung werden nur folgende publizierte Daten herangezogen, soweit nachfolgend nichts anderes bestimmt ist:

1. Artikel aus Peer-Reviewed-Journals,

2. Bewertungen unabhängiger Institutionen und Behörden.

[...].

Pharmakologische Evaluation

§ 23. (1) Ziel der pharmakologischen Evaluation ist:

1. Die Zuordnung und Bewertung der beantragten Arzneispezialität aus pharmakologischer Sicht im Kontext der verfügbaren therapeutischen Alternativen,

2. Die Festlegung der therapeutischen Alternativen und deren Dosierung als Grundlage für die medizinisch-therapeutische Evaluation. Soweit zweckmäßig sind dabei therapeutische Alternativen mit der gleichen oder praktisch gleichen Darreichungsform auf Basis der vierten Ebene des ATC-Codes festzulegen.

(2) Der Innovationsgrad der beantragten Arzneispezialität ist dabei wie folgt festzulegen:

[...].

2. Die beantragte Arzneispezialität hat den gleichen Wirkstoff, die gleiche oder praktisch gleiche Darreichungsform wie bereits eine oder mehrere im Erstattungskodex angeführte Arzneispezialitäten, jedoch eine neue Wirkstoffstärke.

[...].

Medizinisch-therapeutische Evaluation

§ 24. (1) Ziel der medizinisch-therapeutischen Evaluation ist:

1. Die Festlegung und Quantifizierung der Gruppen von Patienten / Patientinnen, die für die Behandlung mit der beantragten Arzneispezialität in Frage kommt,

2. Die Festlegung und Quantifizierung des Nutzens für Patienten / Patientinnen durch die Behandlung mit der beantragten Arzneispezialität im Vergleich zu den therapeutischen Alternativen ( § 23 Abs. 1),

3. Die Überprüfung und Festlegung der Validität der medizinisch-therapeutischen Angaben bei vorgelegten pharmakoökonomischen Studien.

(2) Die beantragte Arzneispezialität ist dabei im Rahmen einer Gesamtbetrachtung einer der folgenden Gruppen zuzuordnen:

[...].

2. Die beantragte Arzneispezialität ist eine weitere Therapieoption mit gleichem oder ähnlichem therapeutischen Nutzen für Patienten / Patientinnen im Vergleich zu den im Rahmen der pharmakologischen Evaluation festgelegten Arzneispezialitäten ( § 23 Abs. 1).

3. Die beantragte Arzneispezialität hat einen zusätzlichen therapeutischen Nutzen für eine Untergruppe von Patienten / Patientinnen, welche für die Behandlung mit dem beantragten Mittel in Frage kommen, im Vergleich zu therapeutischen Alternativen ( § 23 Abs. 1).

4. Die beantragte Arzneispezialität hat einen zusätzlichen therapeutischen Nutzen für die Mehrzahl der Patienten / Patientinnen, welche für die Behandlung mit dem beantragten Mittel in Frage kommen, im Vergleich zu therapeutischen Alternativen ( § 23 Abs. 1).

5. Die beantragte Arzneispezialität hat einen wesentlichen zusätzlichen therapeutischen Nutzen für eine Untergruppe von Patienten / Patientinnen, welche für die Behandlung mit dem beantragten Mittel in Frage kommen, im Vergleich zu therapeutischen Alternativen ( § 23 Abs. 1).

6. Die beantragte Arzneispezialität hat einen wesentlichen zusätzlichen therapeutischen Nutzen für die Mehrzahl der Patienten / Patientinnen, welche für die Behandlung mit dem beantragten Mittel in Frage kommen, im Vergleich zu therapeutischen Alternativen ( § 23 Abs. 1).

(3) Bei der medizinisch-therapeutischen Evaluation ist auf die interne und externe Validität der Evidenz, welche den therapeutischen Nutzen für Patienten / Patientinnen belegen soll, Bedacht zu nehmen. Die Validität der Evidenz misst sich an nachstehender Rangfolge:

1. Prospektive, randomisierte, kontrollierte klinische Studien mit maskierter Ergebnisbeurteilung in einer repräsentativen Population, großes Datenmaterial oder Metaanalysen solcher Studien,

2. Systematische Reviews (z. B. Cochrane-Review) mit Metaanalysen von zahlreichen Studien mit großen Patientenzahlen / Patientinnenzahlen, Evidenz von klar definierten Endpunkten, die eindeutige Aussagen für jene Population ergeben, für die die Empfehlungen gegeben werden,

3. Randomisierte kontrollierte Studien (RCTs), kleineres Datenmaterial (weniger oder kleinere RCTs oder Ergebnisse nicht beständig oder Studienpopulation entspricht nicht der Zielpopulation der Empfehlungen),

4. Nicht randomisierte oder nicht kontrollierte Studien - Beobachtungsstudien,

5. Konsensus-Urteil eines Fachgremiums (z. B. Guidelines), basierend auf klinischer Erfahrung (bei insuffizienter klinischer Literatur),

6. Stellungnahmen einzelner Experten / Expertinnen.

(4) Hinsichtlich der klinischen Studien ist vom antragstellenden Unternehmen anzugeben, ob es sich um eine Schlüsselstudie (z. B. "pivotal-study" - maximal drei Studien können so bezeichnet werden) handelt; ansonsten ist die Vorlage einer die einzelnen Studien bewertenden Übersichtsarbeit sowie einer nach dem aktuellen Stand der Wissenschaft durchgeführten Metaanalyse erforderlich."

b) Rechtliche Würdigung:

Gemäß § 21 ff. VO-EKO prüft der HV nach Feststellung der Erstattungsfähigkeit die Voraussetzungen für die antragsgemäße Erstattung einer Arzneispezialität in drei Stufen der Evaluation: 1) pharmakologische Evaluation (§ 23 VO-EKO), 2) medizinisch-therapeutische Evaluation (§ 24 VO-EKO) und 3) gesundheitsökonomische Evaluation (§ 25 VO-EKO).

Im ersten Rechtsgang hat sich das BVwG im vorliegenden Fall ausführlich mit der pharmakologischen Evaluation beschäftigt und dabei die Auffassung des HV, wonach eine Vergleichbarkeit von XXXX mit XXXX gegeben sei, nicht geteilt. Dieses Erkenntnis wurde vom VwGH aufgehoben.

Allerdings hat der VwGH in seinem Erkenntnis vom 14.09.2016, Ra 2016/08/0090 (Vesomni), zum Ausdruck gebracht, dass immer dann, wenn eine Arzneispezialität im Gelben Bereich des EKO angeführt ist, davon ausgegangen werden kann, dass sich - jedenfalls so lange kein Verfahren zur Änderung seiner Verschreibbarkeit bzw. seiner Streichung eingeleitet wurde - diese Arzneispezialität durch einen (allenfalls auf eine Untergruppe von Patienten bezogenen) wesentlichen therapeutischen Zusatznutzen gegenüber den im Grünen Bereich des EKO angeführten Arzneispezialitäten auszeichnet. Der für eine Aufnahme einer beantragten Arzneispezialität in den Gelben Bereich erforderliche Nachweis eines "wesentlichen therapeutischen Zusatznutzens für Patienten" ist demzufolge nach Ansicht des VwGH auch dann erbracht, wenn im Gelben Bereich - allenfalls eingeschränkt auf eine bestimmte Patientengruppe bzw. Verschreibungsregel - eine oder mehrere "vergleichbare" Arzneispezialitäten angeführt sind, also der in der beantragten Arzneispezialität enthaltene Wirkstoff mit einem bereits im Gelben Bereich angeführten Wirkstoff ident ist bzw. er diesem gegenüber eine therapeutische Wirksamkeit iSd § 24 Abs. 2 Z 1 VO-EKO oder höher besitzt. Entsprechendes ist nur dann nicht anzunehmen, wenn konkrete Anhaltspunkte für eine mangelnde Vergleichbarkeit vorliegen; vgl. VwGH aaO, Rz. 16 und 17.

Diese Interpretation wurde jüngst mit dem Erkenntnis des VwGH vom 07.09.2017, Ra 2017/08/0024 (Medikinet), bestätigt (vgl. Rz. 14), weshalb sich das BVwG dazu veranlasst sah, die Übertragbarkeit dieser Rechtsprechung auf den vorliegenden Fall zu prüfen.

Wie oben im Pkt. II. 1. Feststellungen festgehalten, befindet sich mit XXXX bereits eine Arzneispezialität, die einen identen Wirkstoff aufweist, im Gelben Bereich des EKO.

Die beantragte bestimmte Verwendung von XXXX stimmt zwar im Wesentlichen mit der festgelegten Verwendung von XXXX überein. Jedoch wird bei den Anwendungsgebieten differenziert zwischen der Anwendung für XXXX (ACS-Patienten für die Dauer von bis zu 12 Monaten) und der Anwendung für XXXX (für eine Behandlung ab 12 Monaten). Somit ist festzustellen, dass XXXX lediglich für die Behandlung von bis zu 12 Monaten nach einem Koronarereignis vorgesehen ist, und XXXX lediglich für die Behandlung ab 12 Monaten nach dem Ereignis (siehe auch oben im Pkt. II. 1. Feststellungen die Unterstreichungen im Auszug aus der Fachinformation). Somit sind die Arzneispezialitäten XXXX und XXXX für unterschiedliche Patientengruppen zugelassen. Folglich kommt es zu keiner Überschneidung bei einer Patientengruppe oder einer Verschreibungsregel. Die Indikationen sind getrennt durch eine zeitliche Grenze, nämlich bis zu einem Jahr und ab einem Jahr. Dies erscheint als robuster und fachlich belegter "gegenteiliger Anhaltspunkt" i.S.d. VwGH-Erkenntnisse Vesomni, Rz 17, und Medikinet, Rz 14. Daher kann aus dem Umstand allein, dass XXXX im Gelben Bereich des EKO angeführt ist, nicht geschlossen werden, dass auch die beantragte Arzneispezialität XXXX einen wesentlichen therapeutischen Zusatznutzen aufweist. XXXX stellt keine therapeutische Alternative zur beantragten Arzneispezialität XXXX dar. Die Erkenntnisse des VwGH in den Rechtssachen Vesomni und Medikinet sind somit nicht auf den vorliegenden Fall übertragbar. Die beantragte Arzneispezialität XXXX ist vielmehr nach dem herkömmlichen Prüfschema der VO-EKO zu evaluieren.

Ziel der pharmakologischen Evaluation ist gemäß § 23 Abs. 1 VO-EKO die Zuordnung und Bewertung der beantragten Arzneispezialität aus pharmakologischer Sicht im Kontext der verfügbaren therapeutischen Alternativen als Grundlage für die medizinisch-therapeutische Evaluation. Soweit zweckmäßig sind dabei therapeutische Alternativen mit der gleichen oder praktisch gleichen Darreichungsform auf Basis der vierten Ebene des ATC-Codes festzulegen.

Als zentral erweist sich an erster Stelle der Begriff der "therapeutischen Alternative". Die Bezug habende Rechtsprechung kann auf folgende Formel gebracht werden: Als therapeutische Alternative können nur solche Arzneispezialitäten in Frage kommen, die ohne Aufnahme des beantragten Produkts für die gleiche Patientengruppe sowie für dieselbe Indikation bereits im EKO gelistet sind. Dabei muss die Zulassung des Vergleichsprodukts grundsätzlich die beantragte Indikation umfassen; vgl. mit Verweis auf die Rechtsprechung von UHK und BVwG Rebhahn in Mosler/Müller/Pfeil, SV-Kommentar (Stand 01.03.2016), Rz. 62. Seyfried spricht demgegenüber von der Behandlung, die "für das betreffende Patientenkollektiv die nächstliegende therapeutische Alternative darstellt." Vgl. Seyfried in: Sonntag (Hrsg.), ASVG6 (2015), § 351c Rz. 20.

Der HV vertritt den Standpunkt, dass ein Vergleich mit XXXX angezeigt sei, während die BF den Standpunkt vertritt, ein Vergleich mit XXXX sei nicht angebracht.

Im vorliegenden Fall zeigt sich nicht zuletzt auf Basis der aktuellen ESC-Guidelines, dass - wie bereits oben im Pkt. II. 2. Beweiswürdigung ausführlich dargelegt - im Zeitraum von mehr als 12 Monaten nach ACS eine Behandlung mit XXXX in Betracht gezogen werden kann. Für Patienten, die sich nicht für die Behandlung mit XXXX eignen, kann die Anwendung von XXXX in Betracht gezogen werden.

Daraus folgt aber auch, dass XXXX - nicht zuletzt i.S.d. aufhebenden Erkenntnisses des VwGH 15.11.2017, Ro 2017/08/0013, - sehr wohl als therapeutische Alternative im Rahmen der pharmakologischen Evaluation in Betracht gezogen werden kann.

Der HV hat nach Maßgabe des Angeführten also zu Recht einen Vergleich mit XXXX angestellt und nachvollziehbar dargelegt, dass XXXX im Vergleich zu XXXX keinen wesentlichen therapeutischen Zusatznutzen iSd Rechtsprechung des VwGH (vgl. dazu grundlegend VwGH 27.01.2016, Ro 2015/08/0017) aufweist.

Dabei war insbesondere zu berücksichtigen, dass sich aus der aktuellen Einschätzung der ESC ergibt, dass die Anwendung von XXXX insgesamt lediglich eine Empfehlung der Klasse IIb aufweist ("may be considered").

Somit war spruchgemäß zu entscheiden.

Zum Ausspruch über die Kosten:

Gemäß § 351j Abs. 1 ASVG werden die Kosten des Verfahrens vor dem Bundesverwaltungsgericht durch einen pauschalierten Kostenersatz in der Höhe von EUR 2.620,00 abgegolten. Den Kostenersatz hat diejenige Partei des Beschwerdeverfahrens zu tragen, die im Beschwerdeverfahren unterlegen ist.

Da die BF im gegenständlichen Verfahren unterlegen ist, hat sie die Kosten des Verfahrens in Höhe von EUR 2.620,00 zu tragen.

Der angeführte Betrag ist auf das Konto des Bundesverwaltungsgerichtes, IBAN AT84 0100 0000 0501 0167, BIC:

BUNDATWW, innerhalb einer Frist von 14 Tagen ab Zustellung des Erkenntnisses spesenfrei für den Empfänger zur Einzahlung zu bringen.

Zu B)

Gemäß § 25a Abs. 1 Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, weil die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Konkret mangelt es an einer Präzisierung der Rechtsprechung des VwGH betreffend die Frage, unter welchen Voraussetzungen vom in den Erkenntnissen VwGH 14.09.2016, Ra 2016/08/0090 (Vesomni), sowie 07.09.2017, Ra 2017/08/0024 (Medikinet), festgelegten Regelfall abgewichen werden kann.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte

Arzneimittel, Aufnahmeverfahren, Bewertung, Erstattungskodex,
Kostenersatz, Kostentragung, mündliche Verhandlung,
Nachvollziehbarkeit, Revision zulässig, Streichung von der Liste,
Vergleich, VwGH

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:W118.2137445.1.00

Zuletzt aktualisiert am

03.05.2018
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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