Entscheidungsdatum
23.04.2018Norm
BBG §40Spruch
W217 2187626-1/3E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Julia STIEFELMEYER als Vorsitzende und die Richterin Mag. Ulrike LECHNER LL.M sowie die fachkundige Laienrichterin Verena KNOGLER BA, MA als Beisitzerinnen über die Beschwerde von XXXX, geb. XXXX, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle Niederösterreich, vom 15.01.2018, OB: XXXX, betreffend den Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses, in nicht öffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Herr XXXX (im Folgenden: Beschwerdeführer) beantragte erstmals am 06.10.2015 beim Sozialministeriumservice, Landesstelle Niederösterreich die Ausstellung eines Behindertenpasses.
In daraufhin eingeholten Sachverständigengutachten, basierend auf der persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers am 20.01.2016, wurde ein Gesamtgrad der Behinderung von 30 v.H. festgestellt und der Antrag mit Bescheid vom 23.02.2016 in der Folge abgewiesen. Dieser Bescheid ist in Rechtskraft erwachsen.
2. Der Beschwerdeführer stellte erneut am 21.07.2017 beim Sozialministeriumservice (in der Folge: belangte Behörde) unter Anschluss eines Befundkonvoluts, einen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses.
3. Zur Überprüfung des Antrages wurde von der belangten Behörde ein medizinisches Sachverständigengutachten von Dr.in XXXX, Ärztin für Allgemeinmedizin, basierend auf der persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers am 12.10.2017, mit dem Ergebnis eingeholt, dass der Grad der Behinderung beim Beschwerdeführer weiterhin 30 vH. betragen würde.
4. Die medizinische Sachverständige stellte in ihrem Sachverständigengutachten vom 29.12.2017 auszugsweise und im Wesentlichen Folgendes fest:
"Untersuchungsbefund:
Allgemeinzustand:
unauffällig
Ernährungszustand:
schwer übergewichtig
Größe: 174,00 cm Gewicht: 115,00 kg Blutdruck: 135/75
Klinischer Status - Fachstatus:
Atmung: reguläre Atemfrequenz in Ruhe, Lymphknotenstatus: keine vergrößerten Lymphknoten tastbar; Schädel: Augen: Pupillen isokor, mittelweit, prompte Lichtreaktion, Brillenversorgung; Zähne:
saniert; Halsorgane: Arterien: bds. tastbar; Venen: nicht gestaut;
Schilddrüse: unauff. Tastbefund; Thorax: blande mediane
Sternotomie-Narbe, Lunge: vesikuläre Atmung, Basen gut atemverschieblich; Herz: Herztöne rein, rhythmisch; Abdomen: blande
AE Narbe, über Thoraxniveau, Bauchdecken: weich, kein Druckschmerz, keine Resistenzen; Leber: nicht tastbar Nierenlager: frei;
Wirbelsäule: WS nicht klopfempfindlich, ISG bds. frei, HWS: frei beweglich, Seitneigen Rumpf: symmetrisch frei, Finger-Boden-Versuch:
Unterrand Patella, Zehenspitzenstand bds unsicher, Einbeinstand bds. unsicher, Fersenstand bds durchführbar; Extremitäten: Obere Extremitäten: Grobe Kraft: seitengleich, Faustschluss: beidseits komplett, Spitzgriff und Fingerspreizen bds frei, Gelenke äußerlich unauffällig, Gelenke frei beweglich, Sensibilität: beidseits gleich, Schürzen-und Nackengriff beidseits durchführbar, Keine signifikante
Umfangdifferenz, Narbenbildungen: keine
Untere Extremitäten: blande Narbe li. UE nach Venenentnahme, Aktives Heben bds. frei; Hüftgelenke: Beweglichkeit beidseits nicht eingeschränkt; Kniegelenke: bds frei beweglich; Sprunggelenke:
beidseits ohne Einschränkung; Knie anheben beidseits über 20cm möglich: ja; Kraft: grobe Kraft beidseits vorhanden; grob neurologisch unauffällig, keine trophischen Störungen, Beschwielung:
seitengleich typisch
Gesamtmobilität - Gangbild:
Trägt Sportschuhe mit Schuheinlagen, selbständiges An-/Ausziehen teils im Sitzen teils im Stehen möglich, Bücken im Sitzen möglich, Transfer Untersuchungsliege selbständig, wohnt in einer Wohnung im
1. Stockwerk ohne Aufzug, Stiegen Steigen mit Anhalten, im Nachstellschritt, im Alltag selbständig; Gangbild frei, flüssig, sicher
Status Psychicus:
orientiert, Gedächtnis, Auffassung und Aufmerksamkeit unauffällig, Stimmung ausgeglichen
Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:
Lfd.Nr
Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:
Pos.Nr.
GdB %
1
Koronare Herzkrankheit, Abgelaufener Myocardinfarkt und Bypassoperation 2014 Wahl des unteren Rahmensatzes dieser Richtsatzposition bei weitgehend stabilem Zustand unter laufender medikamentöser Therapie; anamnestische Leistungseinbuße ohne Erfordernis maßgeblicher Therapieanpassung, Bluthochdruck, Übergewicht und Fettstoffwechselstörung werden mitberücksichtigt.
05.05.02
30
2
Degenerative Gelenksveränderungen Wahl des unteren Rahmensatzes dieser Richtsatzposition bei radiologisch nachweisbaren Veränderungen an Stütz- und Bewegungsapparat, jedoch guter Beweglichkeit und unter analgetischer Bedarfsmedikation erhaltener selbständiger Alltagsbewältigung
02.02.01
10
3
Restless-Legs-Syndrom Wahl des unteren Rahmensatzes dieser Richtsatzposition bei laufender medikamentöser Therapie
04.06.01
0
Gesamtgrad der Behinderung 30 v.H.
Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung:
Leiden 1 wird durch Leiden 2 und 3 nicht erhöht, da keine wechselseitige Leidensbeeinflussung besteht.
Folgende beantragten bzw. in den zugrunde gelegten Unterlagen diagnostizierten Gesundheitsschädigungen erreichen keinen Grad der Behinderung:
Stellungnahme zu gesundheitlichen Änderungen im Vergleich zum Vorgutachten:
Befundzunahme von Leiden 1 und 2 ist in der Bandbreite des gewählten Rahmensatzes enthalten. Der Grad der Behinderung der Leiden wird nicht verändert.
Leiden 3 wird neu aufgenommen.
Der Gesamtgrad der Behinderung wird nicht verändert.
Die medizinische Sachverständige diagnostizierte "Dauerzustand".
5. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 15.01.2018 wies die belangte Behörde den Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses ab.
Begründend stützte sich die belangte Behörde auf das eingeholte medizinische Sachverständigengutachten und führte dazu aus, dass das durchgeführte medizinische Beweisverfahren ergeben habe, dass die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses beim Beschwerdeführer aufgrund des festgestellten Grades der Behinderung von 30 v.H. nicht vorliegen würden.
Das Ergebnis des ärztlichen Begutachtungsverfahrens wurde als Beilage, die einen Bestandteil der Begründung bildete, dem Bescheid angeschlossen.
6. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer fristgerecht, ohne Beilage neuer Beweismittel, das Rechtsmittel der Beschwerde und führte darin aus, dass der Standpunkt der belangten Behörde unrichtig sei. Obwohl sich sein Gesundheitszustand seit der letzten Untersuchung erheblich verschlechtert habe, sei die Herzkrankheit weiterhin mit 30 % bewertet worden. Die Sachverständige habe übersehen, dass die Belastbarkeit des Beschwerdeführers mittlerweile deutlich eingeschränkt sei und seit der letzten Untersuchung um weitere 10% auf nunmehr 70% abgesunken sei. Jede Art von Bewegung sei mit Atemproblemen verbunden, daher hätte der Grad der Behinderung mit 50 % bewertet werden müssen. Auch sei sein Fersensporn, an dem er seit einem Jahr erheblich leide, nicht berücksichtigt worden. Ebenso bereite ihm das Restless-Legs-Syndrom trotz medikamentöser Behandlung erhebliche Beschwerden. Er beantragte die Einholung von Sachverständigengutachten aus dem Fachbereich der Kardiologie, Orthopädie und Neurologie.
7. Am 01.03.2018 langte die Beschwerde samt Fremdakt beim Bundesverwaltungsgericht ein.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Der Beschwerdeführer ist am XXXX geboren, österreichischer Staatsbürger und hat seinen Wohnsitz im Inland.
1.2. Der Beschwerdeführer begehrte mit Antrag vom 21.07.2017 die Ausstellung eines Behindertenpasses bei der belangten Behörde.
1.3. Beim Beschwerdeführer liegen folgende Funktionseinschränkungen vor:
Lfd.Nr.
Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:
Pos.Nr.
GdB %
1
Koronare Herzkrankheit, Abgelaufener Myocardinfarkt und Bypassoperation 2014
05.05.02
30
2
Degenerative Gelenksveränderungen
02.02.01
10
3
Restless-Legs-Syndrom
04.06.01
10
1.4. Der Gesamtgrad der Behinderung beträgt 30 v.H.
1.5. Beim Beschwerdeführer liegen die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses nicht vor.
2. Beweiswürdigung:
Zu 1.1) Die getroffenen Feststellungen gründen auf dem diesbezüglich unbedenklichen Eintrag im Zentralen Melderegister und stehen überdies im Einklang mit den Angaben des Beschwerdeführers.
Zu 1.2) Die Feststellung hinsichtlich der Antragsstellung auf Ausstellung eines Behindertenpasses gründet auf dem diesbezüglich schlüssigen Akteninhalt des von der belangten Behörde vorgelegten Fremdaktes.
Zu 1.3 bis 1.5) Die Feststellungen zur Höhe des Gesamtgrades der Behinderung und der Art und dem Ausmaß der Funktionseinschränkungen gründen sich - in freier Beweiswürdigung - in nachstehend ausgeführtem Umfang auf das von der belangten Behörde eingeholte medizinische Sachverständigengutachten von Dr.in XXXX vom 29.12.2017, basierend auf der persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers am 12.10.2017.
Darin wird auf die Art der Leiden des Beschwerdeführers und deren Ausmaß vollständig, nachvollziehbar und widerspruchsfrei, im Einklang mit der medizinischen Wissenschaft und den Denkgesetzen, eingegangen, wobei die vom Beschwerdeführer vorgelegten Befunde und Beweismittel im Ergebnis der medizinischen Beweisaufnahme umfassend Berücksichtigung gefunden haben.
Die getroffenen Einschätzungen basieren auf dem im Rahmen einer persönlichen Untersuchung erhobenen Befund und entsprechen den festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen. Der Gesamtgrad der Behinderung des Beschwerdeführers wurde mit einem unveränderten Grad der Behinderung von 30 v.H. eingeschätzt.
Die sachverständig festgestellte Funktionsbeeinträchtigung "Koronare Herzkrankheit, abgelaufener Myocardinfarkt und Bypassoperation 2014" (Leiden 1), fällt nach der Einschätzungsverordnung BGBl. II 261/2010 idF BGBl. II 251/2012 unter die Positionsnummer 05.05.02 (Koronare Herzkrankheit, keine bis geringe Einschränkung der Herzleistung, Signifikanter Herzkranzgefäßverengung (Intervention) abgelaufener Myocardinfarkt), für welche die Einschätzungsverordnung einen Rahmensatz von 30% - 40% vorsieht. Die medizinische Sachverständige schöpfte bei der Festsetzung des Grades der Behinderung den Rahmensatz der Positionsnummer 05.05.02 mit 30 % aus und begründete die Wahl des unteren Rahmensatzes mit dem unter laufender medikamentöser Therapie weitgehend stabilen Zustand des Beschwerdeführers. Obwohl anamnestische Leistungseinbußen bestehen, ist eine maßgebliche Therapieanpassung nicht erforderlich. Nachvollziehbar führt die Sachverständige aus, dass Bluthochdruck, Übergewicht und Fettstoffwechselstörung in Leiden 1 mitberücksichtigt wurden.
Die sachverständig festgestellte Funktionsbeeinträchtigung "Degenerative Gelenksveränderungen" (Leiden 2), fällt nach der Einschätzungsverordnung unter die Positionsnummer 02.02.01 (Generalisierte Erkrankungen des Bewegungsapparates mit funktionellen Auswirkungen geringen Grades), für welche die Einschätzungsverordnung einen Rahmensatz von 10% - 20% vorsieht. Die medizinische Sachverständige schöpfte bei der Festsetzung des Grades der Behinderung den Rahmensatz der Positionsnummer 02.02.01 mit 10 % aus und begründete die Wahl des unteren Rahmensatzes damit, dass die Veränderungen im Stütz- und Bewegungsapparates zwar radiologisch nachweisbar sind, jedoch gleichzeitig eine gute Beweglichkeit besteht und bei analgetischer Bedarfsmedikation die selbständige Alltagsbewältigung erhalten ist.
Die sachverständig festgestellte Funktionsbeeinträchtigung "Restless-Legs-Syndrom" (Leiden 3), fällt nach der Einschätzungsverordnung unter die Positionsnummer 04.06.01 (Polyneuropathien und Polyneuritiden, sensible und motorische Ausfälle leichten Grades), für welche die Einschätzungsverordnung einen Rahmensatz von 10% - 40% vorsieht. Die medizinische Sachverständige schöpfte bei der Festsetzung des Grades der Behinderung den Rahmensatz der Positionsnummer 04.06.01 mit 10 % aus und begründete die Wahl des unteren Rahmensatzes mit der laufenden medikamentösen Therapie.
Insgesamt kommt die medizinische Sachverständige daher nachvollziehbar und in sich schlüssig und widerspruchsfrei zu dem Ergebnis, dass die vorliegende Befundzunahme von Leiden 1 und Leiden 2 von der Bandbreite des gewählten Rahmensatzes mitumfasst sind und das führende Leiden 1 durch Leiden 2 und 3 nicht erhöht wird, da keine wechselseitige Leidensbeeinflussung besteht. Im Ergebnis beleibt daher der Gesamtgrad der Behinderung unverändert.
Dem Beschwerdevorbringen und der darin eindringlich zum Ausdruck gebrachten angeblichen Verschlechterung des Gesundheitszustandes des Beschwerdeführers, welche die Sachverständige verkannt und folglich den Gesamtgrad der Behinderung unrichtig festgelegt habe, ist entgegen zu halten, dass die Sachverständige in der Anamnese ausdrücklich festgehalten hat, dass das letzte Belastungs-EKG eine Leistung von 70 % gegenüber dem Vorbefund von 80 % gezeigt habe, die Medikation daraufhin jedoch nicht verändert worden sei. Für den 8. November sei eine neuerliche Kontrolle vorgesehen. Ebenso hielt die Sachverständige in der Anamnese fest, dass der Beschwerdeführer unter einem Fersensporn rechts leide, welcher seit einem Jahr bestehe. Er habe wiederholt Infiltrationen erhalten, welche einen kurzfristigen Erfolg gebracht hätten. Am 16. Oktober sei ein Termin bei Dr. XXXX vereinbart. Der Beschwerdeführer hat seinem Beschwerdevorbringen vom 07.02.2018 jedoch keine neuen, aktuellen Beweismittel zugrunde gelegt, sodass sein Vorbringen auf einer bloßen Behauptung beruht. Das Beschwerdevorbringen ist daher nicht geeignet, das sachverständig festgestellte Ergebnis der medizinischen Beweisaufnahme in Zweifel zu ziehen.
Das Bundesverwaltungsgericht stützt seine Feststellungen hinsichtlich der Funktionseinschränkungen, die Art der Leiden und den Gesamtgrad der Behinderung daher auf das schlüssige und nachvollziehbare Sachverständigengutachten der belangten Behörde, erstellt durch die medizinische Sachverständige Dr.in XXXX vom 29.12.2017.
Es steht dem Beschwerdeführer jedoch jederzeit frei, unter Vorlage neuer Befunde - sollte er daraus einen höheren Grad der Behinderung ableiten wollen - einen neuen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses zu stellen.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zuständigkeit und anzuwendendes Recht:
Gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz - BVwGG), BGBl. I Nr. 10/2013 idgF, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Gemäß § 45 Abs. 3 BBG hat in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen. Gegenständlich liegt somit Senatszuständigkeit vor.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz - VwGVG), BGBl. I Nr. 33/2013 idgF, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung (BAO), BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes (AgrVG), BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 (DVG), BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben ist, den angefochtenen Bescheid auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.
Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.
Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
Zu Spruchpunkt A)
Zur Entscheidung in der Sache
Unter Behinderung iSd Bundesbehindertengesetz (BBG) ist gemäß dessen § 1 Abs 2 leg.cit. die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktion zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten.
§ 40 Abs. 1 BBG normiert, dass behinderte Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% ist auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpass auszustellen, wenn
1. ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist oder
2. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen oder
3. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten oder
4. für sie erhöhte Familienbeihilfe bezogen wird oder sie selbst erhöhte Familienbeihilfe beziehen oder
5. sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes (BEinstG), BGBl. Nr. 22/1970, angehören.
Behinderten Menschen, die nicht dem im Abs. 1 angeführten Personenkreis angehören, ist ein Behindertenpass auszustellen, wenn und insoweit das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen auf Grund von Vereinbarungen des Bundes mit dem jeweiligen Land oder auf Grund anderer Rechtsvorschriften hiezu ermächtigt ist (§ 40 Abs. 2 BBG).
Gemäß § 41 Abs. 1 BBG hat das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010 idF BGBl II 251/2012) unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen, wenn
1. nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hiefür maßgebenden Vorschriften keine Einschätzung vorsehen oder
2. zwei oder mehr Einschätzungen nach bundesgesetzlichen Vorschriften vorliegen und keine Gesamteinschätzung vorgenommen wurde oder
3. ein Fall des § 40 Abs. 2 vorliegt.
Gemäß § 42 Abs. 1 BBG hat der Behindertenpass den Vornamen sowie den Familien- oder Nachnamen, das Geburtsdatum, eine allfällige Versicherungsnummer, und den festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.
Die maßgebenden Bestimmungen der Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend nähere Bestimmungen über die Feststellung des Grades der Behinderung (Einschätzungsverordnung BGBl II 261/2010 idF BGBl II 251/2012) lauten auszugsweise wie folgt:
§ 1. Unter Behinderung im Sinne dieser Verordnung ist die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft, insbesondere am allgemeinen Erwerbsleben, zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten.
Grad der Behinderung:
§ 2 Abs. 1 Die Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigung sind als Grad der Behinderung zu beurteilen. Der Grad der Behinderung wird nach Art und Schwere der Funktionsbeeinträchtigung in festen Sätzen oder Rahmensätzen in der Anlage dieser Verordnung festgelegt. Die Anlage bildet einen Bestandteil dieser Verordnung.
Gemäß § 3 Abs. 1 der Einschätzungsverordnung ist eine Einschätzung des Gesamtgrades der Behinderung dann vorzunehmen, wenn mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vorliegen. Bei der Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung sind die einzelnen Werte der Funktionsbeeinträchtigungen nicht zu addieren. Maßgebend sind die Auswirkungen der einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen zueinander.
Gemäß Abs. 2 leg.cit. ist bei der Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung zunächst von jener Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, für die der höchste Wert festgestellt wurde. In der Folge ist zu prüfen, ob und inwieweit diese durch die weiteren Funktionsbeeinträchtigungen erhöht wird. Gesundheitsschädigungen mit einem Ausmaß von weniger als 20 v.H. sind außer Betracht zu lassen, sofern eine solche Gesundheitsschädigung im Zusammenwirken mit einer anderen Gesundheitsschädigung keine wesentliche Funktionsbeeinträchtigung verursacht.
Zunächst ist festzuhalten, dass der Grad der Behinderung im Beschwerdefall - wie dies auch die belangte Behörde zu Recht annahm - nach der Einschätzungsverordnung einzuschätzen war, was im Verfahren auch unbestritten geblieben ist.
Wie oben unter Punkt II.2. ausgeführt, wird der gegenständlichen Entscheidung das oben dargestellte Sachverständigengutachten zu Grunde gelegt, aus dem sich ein Grad der Behinderung des Beschwerdeführers von 30 v. H. ergibt. Der Beschwerdeführer erfüllt damit die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses gemäß § 40 Abs.1 BBG nicht.
Der Beschwerde war aus den dargelegten Gründen daher abzuweisen.
Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung
Das Verwaltungsgericht hat auf Antrag, oder wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen (§ 24 Abs. 1 VwGVG).
Die Verhandlung kann entfallen, wenn der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist (§ 24 Abs. 1 VwGVG).
Gemäß § 24 Abs. 3 VwGVG hat der Beschwerdeführer die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden.
Nach § 24 Abs. 4 VwGVG kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (MRK), BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GRC), ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen. Eine Verhandlung ist demnach in jenen Fällen durchzuführen, wenn ‚civil rights' oder ‚strafrechtliche Anklagen' iSd Art. 6 MRK oder die Möglichkeit der Verletzung einer Person eingeräumter Unionsrechte betroffen sind und eine inhaltliche Entscheidung in der Sache selbst getroffen wird (VwGH 9.9.2014, Ro 2014/09/0049).
Weiters kann das Verwaltungsgericht gemäß § 24 Abs. 5 VwGVG von der Durchführung (Fortsetzung) einer Verhandlung absehen, wenn die Parteien ausdrücklich darauf verzichten. Ein solcher Verzicht kann bis zum Beginn der (fortgesetzten) Verhandlung erklärt werden.
Der EGMR hat in seinen Entscheidungen vom 10. Mai 2007, Nr. 7401/04 (Hofbauer/Österreich Nr. 2), und vom 3. Mai 2007, Nr. 17.912/05 (Bösch/Österreich), unter Hinweis auf seine frühere Rechtsprechung dargelegt, dass der Beschwerdeführer grundsätzlich ein Recht auf eine mündliche Verhandlung vor einem Tribunal hat, außer es lägen außergewöhnliche Umstände vor, die eine Ausnahme davon rechtfertigten.
Der EGMR hat das Vorliegen solcher außergewöhnlichen Umstände angenommen, wenn das Verfahren ausschließlich rechtliche oder "hoch-technische" Fragen ("exclusively legal or highly technical questions") betrifft. Der Gerichtshof verwies im Zusammenhang mit Verfahren betreffend ziemlich technische Angelegenheiten ("rather technical nature of disputes") auch auf das Bedürfnis der nationalen Behörden nach zweckmäßiger und wirtschaftlicher Vorgangsweise, das angesichts der sonstigen Umstände des Falles zum Absehen von einer mündlichen Verhandlung berechtige (VwGH 03.10.2013, Zl. 2012/06/0221).
In seinem Urteil vom 18. Juli 2013, Nr. 56.422/09 (Schädler-Eberle/Liechtenstein) hat der EGMR in Weiterführung seiner bisherigen Judikatur dargelegt, dass es Verfahren geben würde, in denen eine Verhandlung nicht geboten sei, etwa wenn keine Fragen der Beweiswürdigung auftreten würden oder die Tatsachenfeststellungen nicht bestritten seien, sodass eine Verhandlung nicht notwendig sei und das Gericht auf Grund des schriftlichen Vorbringens und der schriftlichen Unterlagen entscheiden könne (VwGH 03.10.2013, Zl. 2012/06/0221).
Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt und einem Entfall der Verhandlung weder Art 6 Abs. 1 MRK noch Art 47 GRC entgegenstehen (§ 24 Abs. 4 VwGVG).
Maßgebend für die gegenständliche Entscheidung sind die Art und das Ausmaß der beim Beschwerdeführer festgestellten Funktionseinschränkungen im Hinblick auf deren Einschätzung des durch sie bedingten Grades der Behinderung. Im gegenständlichen Fall bildet ein medizinisches Sachverständigengutachten die Grundlage für die Beurteilung, ob die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses erfüllt sind. In dem Sachverständigengutachten von Dr.in XXXX vom 29.12.2017, basierend auf der persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers am 12.10.2017, wurden die Funktionsbeeinträchtigungen des Beschwerdeführers, wie oben bereits ausgeführt, nachvollziehbar, vollständig, schlüssig und widerspruchsfrei mit einem Grad der Behinderung von 30 v.H. bewertet.
Der entscheidungsrelevante Sachverhalt ist vor dem Hintergrund des eingeholten medizinischen Sachverständigengutachtens als geklärt anzusehen. Da die Klärung der Rechtssache durch eine eingehende Auseinandersetzung mit den Funktionseinschränkungen des Beschwerdeführers durch ein medizinisches Sachverständigengutachten erfolgte und bedingt durch die dort nachvollziehbaren und schlüssigen Ausführungen bedurfte es keiner weiteren Klärung der Rechtssache.
Zu Spruchpunkt B) Unzulässigkeit der Revision
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Vielmehr hängt die Entscheidung von Tatsachenfragen ab. Maßgebend sind die Art des Leidens und das festgestellte Ausmaß der Funktionsbeeinträchtigung.
Es handelt sich um eine einzelfallbezogene Beurteilung, welche im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde.
Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen.
Schlagworte
Behindertenpass, Grad der Behinderung, SachverständigengutachtenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2018:W217.2187626.1.00Zuletzt aktualisiert am
03.05.2018