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32 SteuerrechtNorm
B-VG Art144 Abs1 / AnlaßfallLeitsatz
Quasi-Anlaßfallwirkung der Aufhebung der die Familienbesteuerung betreffenden Bestimmungen des EStG 1988 mit E v 17.10.97, G168/96 ua. Die Behörde wird im fortgesetzten Verfahren die Frage, ob und wie die geltend gemachten Unterhaltsleistungen für die Kinder steuerlich zu berücksichtigen sind, auf Grundlage der bereinigten Rechtslage und unter Berücksichtigung des Umstandes zu prüfen haben, daß auch vom anderen Elternteil die steuerliche Anerkennung von für den Kinderunterhalt aufgewendeten Beträgen begehrt wurde. Im übrigen Ablehnung der Beschwerde (betreffend Umsatzsteuer).Spruch
I. Die Beschwerdeführerin ist durch den angefochtenen Bescheid, soweit er die Einkommensteuer für 1994 betrifft, wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in ihren Rechten verletzt worden.
Der Bescheid wird insoweit aufgehoben.
Der Bund (Bundesminister für Finanzen) ist schuldig, der Beschwerdeführerin zuhanden ihres Rechtsvertreters die mit S 10.250,-- bestimmten Prozeßkosten binnen vierzehn Tagen bei Exekution zu bezahlen.
II. Soweit sich die Beschwerde gegen den die Umsatzsteuer für 1994 betreffenden Teil des Bescheides wendet, wird die Behandlung der Beschwerde abgelehnt.
Insoweit wird die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I.1. Mit dem vor dem Verfassungsgerichtshof bekämpften, im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Finanzlandesdirektion für Kärnten wird zum einen die Berufung der Beschwerdeführerin gegen den Umsatzsteuerbescheid für 1994 als unbegründet abgewiesen und dieser zu ihrem Vor- und Nachteil abgeändert; zum anderen wird ihrer Berufung gegen den Einkommensteuerbescheid für 1994 teilweise Folge gegeben, jedoch u.a. dem Begehren der Beschwerdeführerin, die Studienkosten für zwei Kinder in jeweils näher bezeichneter Höhe als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen, nicht Rechnung getragen.
2. Die Beschwerde, in der die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides, in eventu die Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof beantragt wird, rügt die Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit vor dem Gesetz wegen Anwendung eines für verfassungswidrig erachteten Gesetzes.
3. Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt, von der Erstattung einer Gegenschrift aber abgesehen.
II.Der Verfassungsgerichtshof hat über die zulässige Beschwerde erwogen:
A. Die Beschwerde ist, soweit sie sich gegen den Einkommensteuerbescheid für 1994 richtet, im Ergebnis begründet.
1. Der Verfassungsgerichtshof hat aus Anlaß anderer Beschwerdeverfahren mit Erkenntnis vom 17. Oktober 1997, G168/96 ua., die Worte "und für den Unterhalt seiner Familienangehörigen" in §20 Abs1 Z1 EStG 1988, BGBl. 400, §33 Abs4 Z3, §34 Abs7 Z1 und §57 Abs2 Z3 lita EStG 1988 idF BGBl. 312/1992 sowie §33 Abs4 Z3 lita und §34 Abs7 Z1 und 2 EStG 1988 idF BGBl. 818/1993 als verfassungswidrig aufgehoben.
2. Gemäß Art140 Abs7 B-VG ist ein vom Verfassungsgerichtshof aufgehobenes Gesetz im Anlaßfall nicht mehr anzuwenden. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes sind einem Anlaßfall (im engeren Sinn) jene Fälle gleichzuhalten, die im Zeitpunkt des Beginns der mündlichen Verhandlung über eine in der Beschwerdesache präjudizielle Gesetzesstelle anhängig sind (vgl. VfSlg. 10616/1985, 11711/1988).
3. Die Beschwerde ist am 24. September 1997 beim Verfassungsgerichtshof eingelangt. Der Zeitpunkt des Beginns der mündlichen Verhandlung im Normenprüfungsverfahren G168/96 ua. war der 6. Oktober 1997. Die Gesetzesaufhebung (vgl. Pkt. II.A.1.) wirkt daher auch für sie.
Der angefochtene Bescheid ist, soweit er die Einkommensteuer für 1994 zum Gegenstand hat, in Anwendung von als verfassungswidrig aufgehobenen Bestimmungen ergangen. Es ist nach Lage des Falles nicht von vornherein ausgeschlossen, daß sich ihre Anwendung für die Beschwerdeführerin als nachteilig erweist. Die Beschwerdeführerin ist demnach durch den angefochtenen Bescheid wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in ihren Rechten verletzt worden.
Der Bescheid war daher insoweit aufzuheben.
Die Behörde wird im fortgesetzten Verfahren die Frage, ob und wie die geltend gemachten Unterhaltsleistungen für die Kinder steuerlich zu berücksichtigen sind, auf Grundlage der bereinigten Rechtslage und unter Berücksichtigung des Umstandes zu prüfen haben, daß auch vom anderen Elternteil die steuerliche Anerkennung von für den Kinderunterhalt aufgewendeten Beträgen begehrt wurde.
B. Die Behandlung der Beschwerde gegen den die Umsatzsteuer für 1994 betreffenden Teil des Bescheides wird aus folgenden Gründen abgelehnt:
Der Verfassungsgerichtshof kann die Behandlung einer Beschwerde in einer nicht von der Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes ausgeschlossenen Angelegenheit ablehnen, wenn sie keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat oder von der Entscheidung die Klärung einer verfassungsrechtlichen Frage nicht zu erwarten ist (Art144 Abs2 B-VG). Eine solche Klärung ist dann nicht zu erwarten, wenn zur Beantwortung der maßgebenden Fragen spezifisch verfassungsrechtliche Überlegungen nicht erforderlich sind.
Die gerügten Rechtsverletzungen (s. Pkt. I.2.) beziehen sich nur auf auf jenen Teil des Bescheides, der die Einkommensteuer für das Jahr 1994 zum Gegenstand hat. Unter Bedachtnahme auf den die Umsatzsteuer betreffenden Inhalt des angefochtenen Bescheides und die Verwaltungsakten bestehen keine Anhaltspunkte für die Annahme, daß der Bescheid insoweit auf einer rechtswidrigen generellen Norm beruht oder daß bei der Gesetzeshandhabung ein in die Verfassungssphäre reichender Fehler unterlaufen wäre.
Da die Angelegenheit auch nicht von der Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes ausgeschlossen ist, sieht der Verfassungsgerichtshof insoweit von einer Behandlung der Beschwerde ab und tritt sie gemäß Art144 Abs3 B-VG insoweit dem Verwaltungsgerichtshof insoweit ab.
III.1. Dies konnte gemäß §19
Abs4 Z3 und §19 Abs3 Z1 VerfGG in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.
2. Die Kostenentscheidung stützt sich auf §88 VerfGG. Sie beruht auf der Erwägung, daß die Beschwerde nur teilweise erfolgreich war. In den zugesprochenen Kosten sind die nach §17a VerfGG entrichtete Gebühr in halber Höhe von S 1.250,-- sowie Umsatzsteuer in Höhe von S 1.500,-- enthalten.
Schlagworte
VfGH / Anlaßfall, VfGH / Aufhebung Wirkung, Bindung (der Verwaltungsbehörden an VfGH)European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1997:B2427.1997Dokumentnummer
JFT_10028872_97B02427_00