TE Vwgh Erkenntnis 2000/3/22 99/03/0469

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Veröffentlicht am 22.03.2000
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
90/01 Straßenverkehrsordnung;

Norm

StVO 1960 §4 Abs1;
StVO 1960 §4 Abs5;
VStG §5 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Gruber und Dr. Gall als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Böheimer, über die Beschwerde des A S in F, vertreten durch Dr. Leonhard Ogris, Rechtsanwalt in 8530 Deutschlandsberg, Grazer Straße 21, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates für die Steiermark vom 28. Oktober 1999, Zl. UVS 30.14-26/1999-15, betreffend Übertretung der StVO 1960, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Das Land Steiermark ist schuldig, dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom 28. Oktober 1999 wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe am 9. September 1997 um 17.30 Uhr in Graz 5, Kreuzung Karlauer Gürtel - Triester Straße, als Lenker eines nach dem Kennzeichen bestimmten Kraftfahrzeuges, obwohl sein Verhalten am Unfallsort im ursächlichen Zusammenhang mit einem Verkehrsunfall mit Sachschaden gestanden sei, nicht ohne unnötigen Aufschub die nächste Polizei- oder Gendarmeriedienststelle verständigt. Er habe hierdurch eine Übertretung des § 4 Abs. 5 StVO 1960 begangen, weshalb über ihn eine Geldstrafe in der Höhe von S 1.500,-- (und eine Ersatzfreiheitsstrafe) verhängt wurde.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der der Beschwerdeführer die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften beantragt. Die belangte Behörde legte die Verwaltungsstrafakten vor und beantragte in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 4 Abs. 5 StVO 1960 haben die im Abs. 1 genannten Personen - somit alle Personen, deren Verhalten am Unfallsort mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang steht - wenn bei einem Verkehrsunfall nur Sachschaden entstanden ist, die nächste Polizei- oder Gendarmeriedienststelle vom Verkehrsunfall ohne unnötigen Aufschub zu verständigen. Eine solche Verständigung darf jedoch unterbleiben, wenn die in Abs. 1 genannten Personen oder jene, in deren Vermögen der Schaden eingetreten ist, einander ihren Namen und ihrer Anschrift nachgewiesen haben.

Die belangte Behörde ging in der Begründung des angefochtenen Bescheides von folgendem Sachverhalt aus:

"Am 9.9.1997, gegen 17.30 Uhr, befuhr der Berufungswerber mit dem PKW Kennzeichen .... den Karlauer Gürtel in Graz stadteinwärts. Es herrschte starkes Verkehrsaufkommen. An der Kreuzung Karlauer Gürtel - Triester Straße - die Verkehrssignalanlage zeigte "Rot" - blieb der Berufungswerber mit seinem PKW auf dem linken der zwei geradeausführenden Fahrstreifen als erstes Fahrzeug an der Haltelinie stehen. Hinter dem Berufungswerber-Fahrzeug hielt der Zeuge Sch. mit seinem PKW an. Nach Umschaltung der Verkehrsampel auf "Grün" setzten sich die Fahrzeuge wieder in Bewegung. Der Berufungswerber behielt vorerst seine

Fahrlinie - geradeausfahrend - bei. Plötzlich hielt er seinen PKW im Kreuzungsbereich in leichter Schrägstellung an, um nach Abwarten des Gegenverkehrs nach links in einen Bogen in die Triester Straße einfahren zu können. Der unmittelbar hinter ihm fahrende Zeuge Sch. war auf diese Fahrverhalten - der Berufungswerber befand sich noch auf dem geradeaus führenden Fahrstreifen - nicht gefasst. Um nicht seinem Vordermann aufzufahren, verriss der Zeuge Sch. seinen PKW einen halben bis einen Meter nach rechts. Dabei streifte er einen auf dem rechten geradeaus führenden Fahrstreifen fahrenden LKW der Firma L. Herr Sch. blieb sofort stehen und stieg aus dem Fahrzeug aus. Er sah sogleich, dass sein PKW auf der rechten Seite eingedrückt war. (Beim L-LKW entstand durch die Streifung nur unwesentlicher Schaden.) Der Berufungswerber stand mit seinem VW-Golf noch im Kreuzungsbereich - der Gegenverkehr hinderte ihn nach wie vor an der Weiterfahrt. Herr Sch. lief zum PKW des Berufungswerbers hin und klopfte etwa auf Höhe der Fahrertüre auf das Dach des Autos. Der Berufungswerber bemerkte das Klopfzeichen, er drehte sich kurz um - einen direkten Blickkontakt mit dem Zeugen Sch. gab es nicht. Gleich darauf nützte der Berufungswerber die sich bietende Gelegenheit, seine Fahrt in Richtung Triester Straße fortzusetzen."

Ausgehend hievon beurteilte die belangte Behörde den Sachverhalt dahin, dass eine Bestrafung wegen Übertretung des § 4 Abs. 5 leg. cit. weder an eine Unfallskausalität knüpfe noch verlange das Tatbild die Wahrnehmbarkeit des Schadenseintrittes an sich. Es genüge, wenn der Beschwerdeführer durch andere Umstände auf die Möglichkeit eines Verkehrsunfalls mit Sachbeschädigung hingewiesen werde. Dies sei im vorliegenden Fall geschehen, weil der Beschwerdeführer die von ihm wahrgenommenen Klopfzeichen mit der Möglichkeit eines Verkehrsunfalles mit Sachschaden in Verbindung hätte bringen müssen, nicht zuletzt deshalb, weil er unmittelbar zuvor ein vorschriftswidriges Fahrverhalten, nämlich Stehenbleiben im Kreuzungsbereich auf einem geradeausführenden Fahrstreifen, gesetzt habe und er nicht sicher habe sein können, dass sich die von seinem Fahrmanöver betroffenen Fahrzeuglenker noch rechtzeitig darauf einstellen hätten können. Weil der Beschwerdeführer die von ihm bemerkten Klopfzeichen am Dach seines Fahrzeuges nicht zum Anlass genommen habe, einem möglichen Schadenseintritt nachzugehen, habe er die Verwaltungsübertretung zu verantworten.

Den Ausführungen des Beschwerdeführers ist zunächst zu entgegnen, dass unter den Personen, deren Verhalten mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang steht (§ 4 Abs. 5 in Verbindung mit § 4 Abs. 1 StVO 1960), alle jene zu verstehen sind, deren Verhalten örtlich und zeitlich unmittelbare Bedingung für das Entstehen des Unfalles ist, unabhängig davon, ob dieses Verhalten rechtswidrig oder schuldhaft war bzw. unter Strafsanktion steht (ZVR 1979/36). Ob den Beschwerdeführer somit am gegenständlichen Unfall ein Verschulden trifft, ist hier nicht zu prüfen. Mit einem Verkehrsunfall in ursächlichen Zusammenhang steht auch das Verhalten von Personen, die nicht unmittelbar vom Verkehrsunfall betroffen sind, die aber den oder die unmittelbar betroffenen zu einem Verhalten veranlasst haben, das zum Verkehrsunfall geführt hat. Auch dann, wenn ein Verkehrsteilnehmer auf das verkehrswidrige Verhalten des Beschwerdeführers nicht richtig oder nicht rechtzeitig reagiert hat, ist der Kausalzusammenhang zwischen der primären Unfallursache und dem eingetretenen Erfolg gegeben (ZVR 1978/164). Demnach bestünde auch ein Kausalzusammenhang zwischen dem Verhalten des Beschwerdeführers und dem Unfall, wenn der Beschwerdeführer durch das von der belangten Behörde festgestellte vorschriftswidrige Verhalten - Fahren im geradeausführenden Fahrstreifen und plötzliches Stehenbleiben in leichter Schrägstellung, um nach links abbiegen zu können - den Unfallbeteiligten zu einem Verreißen seines Fahrzeuges veranlasste, wodurch es zu einer Kollision mit einem dritten Fahrzeug kam.

Dennoch ist die Beschwerde im Ergebnis berechtigt:

Voraussetzung für die Meldepflicht gemäß § 4 Abs. 5 StVO 1960 ist nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. u.v.a. das hg. Erkenntnis vom 30. Juni 1993, Zl. 93/02/0059, mit weiteren Hinweisen) der unfallsbedingte Eintritt eines Sachschadens als objektives Tatbestandsmerkmal und in subjektiver Hinsicht das Wissen vom Eintritt eines derartigen Schadens, wobei der Tatbestand schon dann verwirklicht ist, wenn dem Täter objektive Umstände zum Bewusstsein gekommen sind oder bei gehöriger Aufmerksamkeit zum Bewusstsein hätten kommen müssen, aus denen er die Möglichkeit eines Verkehrsunfalles mit einer Sachbeschädigung zu erkennen vermocht hätte. Hiebei ist der Fahrzeuglenker hinsichtlich der Wahrnehmbarkeit einer Kollision bei riskantem Fahrverhalten - wie auch im vorliegenden Fall - zu erhöhter Aufmerksamkeit verpflichtet.

Der Beschwerdeführer hatte sich im Verwaltungsstrafverfahren - so auch sein Vorbringen in der Beschwerde - damit verantwortet, dass er von dem Unfall und dem eingetretenen Sachschaden nichts bemerkt habe. Die Behörde hielt ihm im angefochtenen Bescheid vor, dass er durch das Klopfzeichen des Unfallbeteiligten auf das Dach des Autos des Beschwerdeführers auf Höhe der Fahrertüre auf den Verkehrsunfall mit Sachschaden aufmerksam gemacht worden sei. Hiefür reichen die von der Behörde getroffenen Feststellungen jedoch nicht aus. Dass dem Beschwerdeführer objektive Umstände (etwa ein Anstoßgeräusch oder Staubbildung) zu Bewusstsein gekommen waren oder hätten kommen müssen, aus denen er die Möglichkeit eines Verkehrsunfalles mit wenigstens einer Sachbeschädigung zu erkennen vermocht hätte, hat die belangte Behörde nicht festgestellt. Hingegen ist es nicht schlüssig nachvollziehbar, dass das vom Zeugen Sch. gesetzte, vom Beschwerdeführer wahrnehmbare Verhalten - das sich darin erschöpfte, dass er zum Fahrzeug des Beschwerdeführers auf Höhe dessen Fahrertüre hinzugetreten war und auf das Dach geklopft hatte - zwingend mit einem eingetretenen Verkehrsunfall mit Sachschaden in Verbindung gebracht werden musste. Es kommt vor, dass Fahrzeuglenker auch dann, wenn keine Kollision stattgefunden hat, einem anderen Fahrzeuglenker wegen dessen angeblich rechtswidriger Fahrweise nicht nur mit Worten und Gesten, sondern auch allenfalls mit einem Fußtritt oder Schlag gegen das Fahrzeug ihren Unmut ausdrücken. Eine derartige Verhaltensweise allein, ohne das von der Behörde festzustellende Hinzutreten von näheren, auf ein Unfallsgeschehen mit Sachschaden hindeutenden Umständen (etwa eines darauf hinweisenden Zurufes des Unfallsbeteiligten oder eines Dritten), löst noch nicht die Meldepflicht im Sinne des § 4 Abs 5 StVO 1960 aus. Dass der Schlag auf das Autodach des Beschwerdeführers als Hinweis für eine stattgefundene Kollision und insbesondere auch auf einen eingetretenen Sachschaden erkennbar war oder hätte erkannt werden müssen, kann aus den von der belangten Behörde getroffenen Feststellungen nicht zwingend gefolgert werden.

Demnach blieb der Sachverhalt in einem wesentlichen Punkt ergänzungsbedürftig; die belangte Behörde hat Verfahrensvorschriften außer Acht gelassen, bei deren Einhaltung sie zu einem anderen Bescheid hätte kommen können, sodass der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben war.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 4516/1994.

Wien, am 22. März 2000

Schlagworte

Andere Einzelfragen in besonderen Rechtsgebieten Straßenpolizei Kraftfahrwesen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2000:1999030469.X00

Im RIS seit

12.06.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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