Index
10 VerfassungsrechtNorm
B-VG Art139 Abs1 / IndividualantragLeitsatz
Zurückweisung eines Individualantrags auf Aufhebung der Geschäftseinteilung eines Amtes der Landesregierung mangels Eingriffs in die Rechtssphäre des Antragstellers; kein subjektives Recht auf eine bestimmt geartete innere Organisation des Amtes der LandesregierungSpruch
Der Antrag wird zurückgewiesen.
Begründung
Begründung:
1.1. Mit einem beim Verfassungsgerichtshof am 25. Oktober 1996 eingelangten Schriftsatz begehrt der Einschreiter - er steht in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Land Niederösterreich und übt die Funktion eines Abteilungsleiters im Amt der Niederösterreichischen Landesregierung aus - unter Berufung auf Art139 (Abs1 letzter Satz) B-VG die Aufhebung der "vom Landeshauptmann von Niederösterreich
am 25. Juni 1996 erlassenen Geschäftseinteilung des Amtes der Niederösterreichischen Landesregierung zu Gänze als verfassungswidrig".
1.2. Der Einschreiter führt in seinem Antrag ua. wie folgt aus:
"... Der Landeshauptmann von Niederösterreich hat am 25.6.1996 mit Zustimmung der NÖ Landesregierung eine Geschäftseinteilung des Amtes der NÖ Landesregierung erlassen. Wie aus den Erläuterungen zu dieser Geschäftseinteilung hervorgeht, stützt sich diese auf die Kompetenzgrundlage des §2 BVG Ämter der Landesregierung, BGBl. 289/1925. Inhalt der neuen Geschäftseinteilung ist die Zusammenfassung der bisher bestehenden Abteilungen im Amt der NÖ Landesregierung zu zwölf Gruppen, denen in der Geschäftseinteilung jeweils bestimmte Aufgaben zugewiesen werden.
Nach den Erläuterungen zur Geschäftseinteilung soll mit diesem Organisationskonzept am Bestand der Abteilungen und ihren Aufgabenbereichen selbst nichts geändert werden. Es soll weiters durch die Einführung dieses Konzeptes auch keine Änderung in den Zuständigkeitsbereichen der Mitglieder der Landesregierung nach der Geschäftsordnung der Landesregierung oder der Stellung des Abteilungsleiters gegenüber dem jeweilig zuständigen Mitglied der Landesregierung erfolgen. Gleichzeitig schafft die neue Geschäftseinteilung aber eine weitere hierarchische Zwischenebene auf der Stufe zwischen den Abteilungsleitern und den Mitgliedern der Landesregierung. Die Gruppenleiter sollen in Hinkunft in einem eigenen Organ, dem Forum ("runder Tisch"), zusammentreffen, um abteilungsübergreifende Koordination bzw. den Ausgleich von Personal und Sachmitteln fördern und koordinieren zu können.
Die Geschäftseinteilung, die am 1.11.1996 in Kraft treten soll, sieht gegenüber dem bisher bestehenden Organisationskonzept eine Vermehrung der Gruppenleiterposten um acht auf insgesamt zwölf vor. Mangels anderer Vorschriften ist die Geschäftseinteilung daher gleichzeitig Grundlage für die Schaffung dieser neuen Dienstposten.
(Antragslegitimation) Der Beschwerdeführer steht als Beamter des Amtes der NÖ Landesregierung seit 1975 in einem öffentlichrechtlichen Dienstverhältnis zum Land Niederösterreich. Im Jahr 1989 wurde der Beschwerdeführer auf den Dienstposten eines Hofrates ernannt, derzeit bekleidet er die Funktion eines Abteilungsleiters im Amt der NÖ Landesregierung.
Mit Schreiben vom 5.7.1996 wurden im Amt der NÖ Landesregierung sieben Dienstposten von Leitern von im Rahmen der neuen Geschäftseinteilung zu errichtenden Gruppen ausgeschrieben. Diese Ausschreibungen waren nur an die Leiter jener Abteilungen gerichtet, die in den neu zu errichtenden Gruppen zusammengefaßt werden sollen. Der Antragsteller als Leiter der Abteilung I/8 wurde nicht eingeladen, sich um den Posten eines Gruppenleiters zu bewerben, da diese Abteilung der Gruppe unterstellt werden sollte, zu deren Leiter der Landesamtsdirektor selbst ernannt werden soll; der Dienstposten des Leiters der neuen Gruppe Landesamtsdirektor (LAD) wurde daher nicht ausgeschrieben.
Dem Antragsteller ist bewußt, daß sich dieser Antrag gegen eine Rechtsnorm richtet, die erst am 1.11.1996 in Kraft treten soll. Die Geschäftseinteilung entfaltet aber bereits zum Zeitpunkt der Antragstellung unmittelbare Wirkung auf den Antragsteller:
Im Text der Ausschreibung wird ausdrücklich auf die neue Geschäftseinteilung Bezug genommen, insoweit nämlich die Ausschreibung "in Vollziehung des Beschlusses" vom 25.6.1996 ergehe. Da im Land Niederösterreich keine generellen Rechtsnormen bestehen, die Kriterien für die Ausschreibung und Neubesetzung von neu zu errichtenden Dienstposten regeln, ist die erwähnte Geschäftseinteilung neben verfassungsrechtlich vorgegebenen Grundsätzen die einzige Grundlage der Dienstpostenausschreibung. Die Geschäftseinteilung gewährt daher dem Antragsteller wie allen anderen fachlich qualifizierten Bewerbern ein subjektives Recht, sich um einen dieser Posten zu bewerben. Da aus der NÖ Landeskorrespondenz vom 16.10.1996 hervorgeht, daß die neuen Gruppenleiter bereits ernannt wurden, besteht kein Zweifel daran, daß die Geschäftseinteilung bereits vor ihrem Inkrafttreten von unmittelbarer Wirkung auf die Rechtsposition des Antragstellers ist.
...
Obwohl der Antragsteller von der zuständigen Behörde, der NÖ Landesregierung, nicht aufgefordert wurde, eine Bewerbung um einen der neu zu schaffenden Gruppenleiterposten einzubringen, hat sich dieser aufgrund der allen Dienststellen mit Schreiben vom 9.7.1996 zur Kenntnis gebrachten Geschäftseinteilung um einen solchen Posten beworben. Mit Schreiben vom 19.9.1996 wurde dem Antragsteller in einem vom Landesamtsdirektor unterfertigten Schreiben mitgeteilt, daß seine Bewerbung nicht berücksichtigt werden könne, da er nicht eingeladen gewesen sei, sich zu bewerben. Dem Antragsteller wurden unter einem seine Bewerbungsunterlagen zurückgemittelt.
Aus dem zuvor genannten Sachverhalt ergibt sich klar die Antragslegitimation des Antragstellers. Es kann in diesem Fall nicht davon gesprochen werden, daß die Geschäftseinteilung des Amtes der NÖ Landesregierung vom 25.6.1996 nicht von unmittelbarer Wirksamkeit für den Antragsteller wäre, ist ihm doch nach dem zuvor zitierten Schreiben mit ausdrücklicher Berufung auf die Geschäftseinteilung sogar die Möglichkeit verwehrt, eine Bewerbung überhaupt einzubringen.
Da der Antragsteller die fachlichen Voraussetzungen aufweist, die ihn nach der bisherigen Verwaltungspraxis, aber auch der neuen Geschäftseinteilung für die Ernennung auf den Dienstposten des Gruppenleiters qualifizieren würden, ist der Ausschluß von der Bewerbung auf Grundlage der Geschäftseinteilung vom 25.6.1996 von unmittelbarer Wirkung auf den Antragsteller. ...
Der Antragsteller ist der Meinung, daß dieses Schreiben nach der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes als Bescheid zu qualifizieren ist, doch ist diese Rechtsansicht nicht gewiß, solange darüber keine Entscheidung ergangen ist. Der Antragsteller weist daher darauf hin, daß er parallel zu diesem Individualantrag eine Bescheidbeschwerde gemäß Art144 B-VG (prot. zu B3490/96) eingebracht hat, in der er die erwähnte Erledigung vom 19.9.1996 wegen Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte und Anwendung verfassungswidriger genereller Normen anficht.
... Die angefochtene Verordnung verletzt den Antragsteller in seinen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf Zugang zu einem öffentlichen Amt gemäß Art3 StGG, auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz gem Art7 Abs1 B-VG und Art2 StGG und entbehrt darüber hinaus einer verfassungsrechtlichen Grundlage bzw. entspricht nicht den Vorgaben der österr. Bundes-Verfassung.
..."
2. Über den Antrag nach Art139 B-VG wurde erwogen:
2.1. Gemäß Art139 Abs1 letzter Satz B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof "über die Gesetzwidrigkeit von Verordnungen auf Antrag einer Person, die unmittelbar durch diese Gesetzwidrigkeit in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, sofern die Verordnung ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides für diese Person wirksam geworden ist; ...".
2.2.1. Wie der Verfassungsgerichtshof in ständiger Judikatur ausführt, erfordert die Antragslegitimation nicht nur, daß die antragstellende Partei behauptet, unmittelbar durch die als gesetzwidrig angefochtene Verordnungsbestimmung in ihren Rechten verletzt worden zu sein, sondern sie setzt auch voraus, daß diese Verordnung für den Antragsteller tatsächlich, und zwar ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheids wirksam wurde. Grundlegende Voraussetzung der Antragslegitimation bildet dabei der Umstand, daß die angefochtene Verordnung die Rechtssphäre der betreffenden (natürlichen oder juristischen) Person berührt und - im Fall der Gesetzwidrigkeit - verletzt. Jedoch nicht jedem Normadressaten kommt die Anfechtungsberechtigung zu; es ist vielmehr auch notwendig, daß unmittelbar durch die Verordnung selbst - tatsächlich - in die Rechtssphäre des Antragstellers eingegriffen wird. Ein so beschaffener, die Antragslegitimation begründender Eingriff in die Rechtssphäre einer Person muß jedenfalls nach Art und Ausmaß durch die Verordnung eindeutig bestimmt sein und die rechtlich geschützten Interessen des Betroffenen nicht bloß potentiell, sondern aktuell beeinträchtigen (VfSlg. 8009/1977, 8059/1977, 10511/1985, 11317/1987, 12395/1990, 13944/1994).
2.2.2. Der Verfassungsgerichtshof sprach nun bereits wiederholt aus, daß Rechtsnormen, die nur die Ausübung staatlicher Funktionen zum Gegenstand haben, die Rechtssphäre der diese Funktion ausübenden Organwalter nicht berühren (vgl. VfSlg. 8385/1978, 8774/1980, 9638/1983, 11750/1988, 13939/1994). Desgleichen vermag auch die angegriffene Geschäftseinteilung als eine Regelung über die innere Organisation des Amtes der Landesregierung (vgl. VfSlg. 7941/1976 unter Hinweis auf VfSlg. 5846/1968 und 7671/1975), insbesondere über die Zahl der Abteilungen und die Aufteilung der Geschäfte auf sie sowie die Zusammenfassung der Abteilungen zu Gruppen (§2 Abs4 BVG ÄdLReg), in die Rechtssphäre eines in diesem Amt - in welcher Funktion auch immer - tätigen Organwalters nicht einzugreifen.
2.2.3. Da also der Antragsteller kein subjektives Recht auf eine bestimmt geartete innere Organisation des Amtes der Landesregierung besitzt, kann er durch den bekämpften "Erlaß des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom 25. Juni 1996" in seiner Rechtssphäre keinesfalls verletzt worden sein.
2.2.4. Wurde somit durch den als Verordnung angefochtenen Vollziehungsakt in die Rechtssphäre des Antragstellers allein aus den bereits dargelegten Gründen nicht eingegriffen, fehlt hier schon deshalb die Legitimation zur Antragstellung nach Art139 B-VG, sodaß der Verfassungsgerichtshof auf das Vorliegen der übrigen Voraussetzungen für einen solchen Antrag, insbesondere auch auf die Fragen der Rechtsnatur der bekämpften Geschäftseinteilung sowie deren Inkrafttreten, nicht mehr eingehen mußte.
2.3. Aus diesen Erwägungen war der Antrag wegen fehlender Antragslegitimation gemäß §19 Abs3 Z2 lite VerfGG 1953 - ohne vorangegangene Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung - als unzulässig zurückzuweisen.
Schlagworte
VfGH / Individualantrag, Landesregierung Amt der, Rechte subjektive öffentlicheEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1997:V115.1996Dokumentnummer
JFT_10028872_96V00115_00