TE Bvwg Beschluss 2018/4/16 W261 1428290-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 16.04.2018
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Entscheidungsdatum

16.04.2018

Norm

AsylG 2005 §55
BFA-VG §18 Abs2 Z1
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §52 Abs4
FPG §52 Abs9
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs3 Z1
VwGVG §28 Abs3 Satz2

Spruch

W261 1428290-2/3E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht fasst durch die Richterin Mag. Karin GASTINGER, MAS als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX , geb. am XXXX , alias XXXX , geb. XXXX , alias XXXX , geb. XXXX , alias XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch die Diakonie Flüchtlingsdienst gem. GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Kärnten vom 02.03.2018, Zl. XXXX , den Beschluss:

A)

In Erledigung der Beschwerde wird der angefochtene Bescheid gemäß § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG behoben, und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Kärnten, zurückverwiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang und Sachverhalt:

Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF), ein afghanischer Staatsangehöriger und Angehöriger der Volksgruppe der Tadschiken, stellte am 19.10.2011 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich.

Die Ehegattin, XXXX , geb. XXXX , und die beiden ehelichen mj. Kinder des BF, XXXX , geb. XXXX , und XXXX , geb. XXXX reisten bereits am 28.09.2011 in Österreich ein. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes (in der Folge BVwG) vom 21.01.2015 wurde der Ehegattin und den mj. Kindern des BF der Status der Asylberechtigten zuerkannt. Die Ehefrau und die mj. Kinder des BF leben nach wie vor im Bundesgebiet.

Mit Erkenntnis des BVwG 04.03.2015 wies das erkennende Gericht die Beschwerde des BF gegen den ursprünglich negativen Bescheid des Bundesasylamtes vom 11.07.2012 unbegründet ab, stellte jedoch gemäß § 8 Abs. 3a 2. Satz AsylG 2005 fest, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des BF nach Afghanistan nicht zulässig ist.

Damit war der Aufenthalt des BF gemäß § 46a FPG im Bundesgebiet zu dulden. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl stellte dem BF in weiterer Folge zweimal je eine Duldungskarte nach § 46a Abs. 4 FPG aus, wobei diese im Zeitraum vom 01.04.2015 bis 31.03.2016 und vom 01.04.2016 bis 31.03.2017 gültig waren.

In weiterer Folge stellte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl dem BF für die Dauer eines Jahres aus Gründen des Art. 8 EMRK nach § 55 Abs. 1 Z 1 und 2 AsylG 2005 eine Aufenthaltsberechtigungskarte plus aus, welche am 14.11.2016 in I. Instanz in Rechtskraft erwuchs. Diese Aufenthaltsberechtigungskarte plus war bis zum 03.11.2017 gültig.

Der BF ist seit seiner Einreise nach Österreich im Bundesgebiet bereits mehrfach straffällig geworden und wurde insgesamt fünfmal wegen Vermögens-, Suchtgift- und Gewaltdelikten strafrechtlich verurteilt.

Der BF wurde wie folgt von Strafgerichten im Bundesgebiet verurteilt:

o Landesgericht Klagenfurt, XXXX , vom 19.03.2013, RK 23.04.2013, wegen des Verbrechens des versuchten Raubes gemäß § 15 StGB § 142 (1 und 2) StGB zu einer Freiheitsstrafe von 12 Monaten, davon Freiheitsstrafe 8 Monate bedingt, Probezeit 3 Jahre

o Landesgericht Klagenfurt XXXX , vom 11.02.2015, RK 11.02.2015, wegen Vergehen nach §§ 27 (1) Z 1 1. 2 8. Fall, 27 (4) Z1 SMG und dem Vergehen der Körperverletzung § 83 (1) StGB zu einer Freiheitsstrafe 6 Monate

o Bezirksgericht Klagenfurt, XXXX , vom 16.09.2015, RK 21.09.2015, des Vergehens des versuchten Diebstahls gemäß § 15 StGB § 127 StGB zu einer Freiheitsstrafe 2 Monate

o Bezirksgericht Klagenfurt, XXXX , vom 22.09.2016, RK 06.04.2017, wegen der Vergehen der Körperverletzung gemäß § 83 (1) StGB, § 15 StGB § 83 (1) StGB zu einer Freiheitsstrafe 3 Monate 2 Wochen.

Der BF befindet sich derzeit aufgrund des zuletzt ergangenen rechtskräftigen Urteiles des Landesgerichtes Klagenfurt als Schöffengericht vom 16.11.2017, Zl. XXXX wegen des Verbrechens des Raubes nach § 142 Abs. 1 StGB teilweise iVm § 15 StGB und dem Vergehen der gefährlichen Drohung mit dem Tod nach § 107 Abs. 1 und Abs. 2 StGB, jeweils zu Lasten seiner Gattin, XXXX , wofür er zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von 32 Monaten verurteilt wurde, in der Justizanstalt XXXX .

Demnach wurde der BF wie folgt schuldig gesprochen:

XXXX hat in Klagenfurt,

I.) Mit Gewalt gegen eine Person durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib und Leben (§ 89) einem anderen eine fremde bewegliche Sache mit dem Vorsatz teils abgenötigt, teils abzunötigen versucht, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, indem er XXXX

1.) am 13.06.2017 aufhob, sie nach vorheriger Ankündigung zum geöffneten Fenster im 4. Stock (14 Meter Höhe) trug und ihren Oberkörper aus dem Fenster drückte, Bargeld im Wert von EURO 800,-, wobei die Tatvollendung lediglich daran scheiterte, dass XXXX besänftigend vorgab, ihm den geforderten Betrag auszuhändigen, jedoch (zuvor) die Kinder aus dem Hort abzuholen, sodass er von ihr abließ;

2.) am 22.06.2017 mit zwei Fingern an ihrer Kehle festhielt, zudrückte, mit der anderen Hand deren Augen fest nach innen drückte und von ihr EUR 800,- an Bargeld forderte, woraufhin die Genannte ihm einen Betrag von EUR 100,- übergab und es hinsichtlich der weiteren geforderten EUR 700,- beim Versuch blieb;

II.) am 22.06.2017 XXXX durch die Durchführung einer Schneidebewegung an ihrer Kehle gefährlich mit dem Tod bedroht, um sie in Furcht und Unruhe zu versetzen.

Zudem widerrief das Landesgericht Klagenfurt mit Beschlüssen vom 16.11.2017, Zl. XXXX die mit Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt vom 19.04.2013, Zl. XXXX gewährte bedingte Strafnachsicht, sah von einem Widerruf der bedingten Entlassung zu XXXX vom 22.02.2016 ab, verlängerte jedoch die dem BF gewährte Probezeit auf fünf Jahre. Damit muss der BF zusätzlich zu der im genannten Urteil verhängten Freiheitsstrafe auch den Teil der Freiheitsstrafe von acht Monaten zu XXXX verbüßen.

Der BF wurde bisher während seines Aufenthalts im Bundesgebiet zur Verbüßung von Haftstrafen in Justizanstalten in folgenden Zeiträumen angehalten:

Justizanstalt Klagenfurt: vom 06.12.2012 bis 19.04.2013

vom 10.11.2015 bis 20.04.2016

vom 07.07.2017 bis 25.01.2018

Justizanstalt Graz-Karlau: seit 25.01.2018 - laufend

Mit Schreiben vom 19.12.2017 verständigte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Kärnten (in der Folge belangte Behörde) den BF vom Ergebnis der Beweisaufnahme, und gewährte ihm hinsichtlich der beabsichtigten Erlassung einer Rückkehrentscheidung mit Einreiseverbot Parteiengehör mit einem Stellungnahmerecht innerhalb von zwei Wochen ab Zustellung. Die belangte Behörde ersuchte den BF, die Beantwortung einiger aufgelisteter Fragen vorzunehmen und räumte ihm auch die Möglichkeit ein, hinsichtlich der Situation seines Heimatstaates Afghanistan Stellung zu nehmen. Die belangte Behörde wies den BF auch darauf hin, dass für den Fall, dass er zur beabsichtigten Vorgangsweise der Behörde keine Stellungnahme abgebe, das Verfahren ohne nochmalige Anhörung, aufgrund der Aktenlage fortgeführt werde.

Vor Übermittlung des genannten Schreibens veranlasste die belangte Behörde keine Einvernahme des BF. Die belangte Behörde schloss nach dem dem BVwG vorgelegten Aktenvorgang diesem Schreiben keine Länderinformation über Afghanistan an. Die zeugenschaftliche Einvernahme seiner nach wie vor in Österreich lebenden Gattin, XXXX , zum aufrechten Familienleben des BF in Österreich unterblieb ebenfalls.

Der BF gab zu dem genannten Schreiben keine Stellungnahme ab.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid der belangten Behörde erteilte diese im Spruchpunkt I dem BF keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 55 AsylG 2005 und erließ gemäß § 52 Abs. 4 Fremdenpolizeigesetz (FPG), iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG) gegen den BF eine Rückkehrentscheidung. Im Spruchpunkt II stellte die belangte Behörde gemäß § 52 Abs. 9 FPG fest, dass dessen Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei. Im Spruchpunkt III erkannte die belangte Behörde gemäß § 18 Abs. 2 Z1 BFA-VG einer Beschwerde gegen diese Rückkehrentscheidung die aufschiebende Wirkung ab. Im Spruchpunkt IV erließ die belangte Behörde gegen den BF gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 1 FPG ein auf die Dauer von 10 Jahren befristetes Einreiseverbot.

Als Begründung für diese Entscheidung führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, dass der BF seit seinem Aufenthalt in Österreich bereits fünf Mal wegen Vermögens-, Suchtgift- und Gewaltdelikten strafrechtlich verurteilt wurde. Er hat zwar ein Familienleben in Österreich, weswegen von einer gewissen Schutzwürdigkeit des Familienlebens auszugehen sei. Jedoch ist diese Schutzwürdigkeit im beachtlichen Ausmaß durch die Tatsache gemindert, dass der BF die zuletzt gesetzten strafrechtlich verfolgten Delikte gegenüber seiner Ehefrau in Anwesenheit seiner Kinder gesetzt hat.

Ohne den BF zu seiner konkreten Situation im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan im Rahmen einer mündlichen Einvernahme befragt zu haben, stellte die belangte Behörde fest, dass die Voraussetzungen für eine Abschiebung des BF nach Afghanistan vorliegen würden, da im Verfahren nicht hervorgekommen sei, dass dadurch Art. 2 oder 3 EMRK oder das Protokoll Nr. 6 oder 13 zur Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe verletzt würde, oder für den BF als Zivilperson eine ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes verbunden wäre. Auch die anderen im § 50 Abs. 1 FPG genannten Gründe, welche eine Abschiebung unzulässig machen würden, würden beim BF nicht vorliegen.

Der Verbleib des BF in Österreich stelle nach dem Ausführungen der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid eine gegenwärtige erhebliche Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit dar. Daher sei seine sofortige Ausreise erforderlich, weswegen einer Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung die aufschiebende Wirkung abzuerkennen gewesen sei.

Durch die strafrechtlichen Verurteilungen des BF würden nach den Ausführungen der belangten Behörde die Voraussetzungen des § 53 Abs. 3 FPG vorliegen. Der BF neigt zu Gewaltdelikten und legte ein gesteigertes Tatverhalten an den Tag. Ohne Durchführung eines entsprechenden Ermittlungsverfahrens stellte die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid fest, dass die familiären und privaten Anknüpfungspunkte des BF nicht dergestalt seien, dass diese einen Verbleib in Österreich rechtfertigen würden. Es überwiege das öffentliche Interesse an Ordnung und Sicherheit gegenüber dem persönlichen Interesse des BF am Verbleib in Österreich.

Mit Schreiben vom 02.03.2018 übermittelte die belangte Behörde dem BF eine Information über die Verpflichtung zur Ausreise und wies auf die Möglichkeiten der freiwilligen Ausreise in den Herkunftsstaat und die Gewährung einer Rückkehrhilfe hin. Mit Verfahrensanordnung vom selben Tag wies die belangte Behörde den BF auf die verpflichtende Inanspruchnahme eines Rückkehrberatungsgesprächs hin und teilte mit, dass der Verein Menschenrechte Österreich ihn dabei beraten und unterstützen könne. Mit Verfahrensanordnung vom 05.03.2018 stellte die belangte Behörde dem BF die ARGE Rechtsberatung - Diakonie und Volkshilfe amtswegig als Rechtsberater zur Seite.

Gegen diesen Bescheid erhob der BF, bevollmächtigt vertreten durch die Diakonie Flüchtlingsdienst gem. GmbH als Mitglied der ARGE Rechtberatung, fristgerecht Beschwerde in vollem Umfang. Zur Begründung dieser Beschwerde führte der BF aus, dass das der Entscheidung zugrunde liegende Ermittlungsverfahren mangelhaft geblieben sei. Es würden die Grundsätze der amtswegigen Erforschung des Sachverhaltens und der Wahrung des Parteiengehörs gelten. Die belangte Behörde habe sich unzureichend mit der Situation des BF auseinander gesetzt, unvollständige Ermittlungen angestellt, weswegen das Verfahren mit einem groben Mangel behaftet sei. So habe die belangte Behörde keinerlei Ermittlungen in Bezug auf das vorhandene Familienleben des BF abgestellt. Zudem habe die belangte Behörde keinerlei Ermittlungen zum Fehlen eines (tatsächlichen) Familienlebens des BF in Afghanistan oder zu den dort noch vorhandenen sozialen Kontakten angestellt. Ohne Ermittlungen habe die belangte Behörde jedoch festgestellt, dass der BF mit (finanzieller) Unterstützung seiner Verwandten in Afghanistan rechnen könne.

Hinsichtlich der Länderinformationen sei die aktuelle abschiebungsrelevante Lage im Herkunftsstaat zu prüfen, was unterblieben sei. Die belangte Behörde hätte den BF in diesem Zusammenhang auch zu seiner gegenwärtigen Situation im Falle einer Rückkehr befragen müssen, was unzureichend erfolgt sei. Unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Lage in Afghanistan hätte geprüft werden müssen, ob eine Abschiebung des BF nach Afghanistan eine Verletzung von Art. 2 und Art 3 EMRK darstellen würde.

Unter Zitierung einer Reihe von Länderinformationen führte der BF aus, aus welchen Gründen dem BF eine Rückkehr in seinen Herkunftsstaat nicht zumutbar sei. Die belangte Behörde habe es verabsäumt, auf die individuellen Umstände des BF einzugehen. Die belangte Behörde habe es verabsäumt, hierzu die notwendigen Ermittlungen durchzuführen.

Die Rückkehrentscheidung würde trotz der Verurteilung des BF im Ergebnis einen unverhältnismäßigen Eingriff in sein Recht auf Familien- und Privatleben nach Art 8 ERMK bedeuten, und sei auf Dauer unzulässig. Die belangte Behörde hätte bei Durchführung eines ordentlichen Ermittlungsverfahrens zu dem Ergebnis kommen müssen, dass dem BF auch eine Verletzung seiner nach Art. 3 EMRK garantierten Rechte drohe.

Auch das Einreisverbot und die Dauer seien nicht zwingend mit einer Rückkehrentscheidung zu verbinden, die belangte Behörde habe eine Ermessensentscheidung zu treffen. Dabei komme der Begründungspflicht eine besondere Bedeutung zu. Es sei jedenfalls eine einzelfallbezogene Bemessung unabdingbar. Allein die Tatsache der strafgerichtlichen Verurteilung sei nicht ausschlaggebend, sondern es sei immer auf das zugrunde liegende Verhalten des BF abzustellen. Das 10-jährige Einreiseverbot stelle jedenfalls einen unverhältnismäßigen Eingriff in das gemäß Art 8 EMRK geschützte Familien- und Privatleben des BF dar.

Es sei von der belangten Behörde nicht nachvollziehbar begründet worden, weswegen die sofortige Ausreise im Interesse der öffentlichen Ordnung und Sicherheit erforderlich sei.

Mit Emailnachricht vom 16.03.2018 teilte der Verein Menschenrechte Österreich der belangte mit, dass der BF am selben einen Antrag auf freiwillige Rückkehr gestellt hat. Der BF befindet sich nach dieser Emailnachricht in der Justizanstalt Graz Karlau und wird voraussichtlich am 06.12.2019 entlassen werden.

Die belangte Behörde legte den Aktenvorgang samt Beschwerde mit Schreiben vom 06.04.2018 dem BVwG zur Entscheidung vor, wo dieser am 13.04.2018 einlangte. Das BVwG bestätigte das Einlangen des Aktenvorganges mit Schreiben vom selben Tag.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Rechtliche Beurteilung

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist. Gemäß Abs. 2 leg. cit. hat über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG das Verwaltungsgericht selbst zu entscheiden, wenn 1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder 2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG hat das Verwaltungsgericht im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vorliegen und die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung und Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhaltes unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hiebei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.

Das Modell der Aufhebung des Bescheides und Zurückverweisung der Angelegenheit an die Behörde folgt konzeptionell jenem des § 66 Abs. 2 AVG, setzt im Unterschied dazu aber nicht auch die Notwendigkeit der Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung voraus. Voraussetzung für eine Aufhebung und Zurückverweisung ist allgemein (nur) das Fehlen behördlicher Ermittlungsschritte. Sonstige Mängel, abseits jener der Sachverhaltsfeststellung, legitimieren nicht zur Behebung auf Grundlage von § 28 Abs. 3 2.

Satz VwGVG (Fister/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahren (2013)

§ 28 VwGVG Anm. 11).

§ 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG bildet damit die Rechtsgrundlage für

eine kassatorische Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes, wenn "die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen" hat. Aus der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu der vergleichbaren Bestimmung des § 66 Abs. 2 AVG ergibt sich, dass nur Mängel der Sachverhaltsfeststellung d.h. im Tatsachenbereich zur Behebung des Bescheides und Zurückverweisung der Angelegenheit berechtigen (vgl. VwGH 19.01.2009, 2008/07/0168; VwGH 23.5.1985, 84/08/0085).

Es besteht kein Grund zur Annahme, dass sich die dargestellte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht auf die neue Rechtslage übertragen ließe. Es liegt weiterhin nicht im Sinne des Gesetzes, wenn das Bundesverwaltungsgericht erstmals den entscheidungswesentlichen Sachverhalt ermittelt und beurteilt, sodass es seine umfassende Kontrollbefugnis nicht wahrnehmen kann.

Der Verwaltungsgerichtshof hat sich in seinem Erkenntnis vom 26.06.2014, Ro 2014/03/0063, mit der Sachentscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte auseinandergesetzt und folgende für die Auslegung des § 28 VwGVG maßgeblichen Gesichtspunkte aufgezeigt:

Die Aufhebung eines Bescheides einer Verwaltungsbehörde durch ein Verwaltungsgericht komme nach dem Wortlaut des § 28 Abs. 1 Z 1 VwGVG nicht in Betracht, wenn der für die Entscheidung maßgebliche Sachverhalt feststeht. Dies wird jedenfalls dann der Fall sein, wenn der entscheidungsrelevante Sachverhalt bereits im verwaltungsbehördlichen Verfahren geklärt wurde, auch dann, wenn sich aus der Zusammenschau der im verwaltungsbehördlichen Bescheid getroffenen Feststellungen (im Zusammenhalt mit den dem Bescheid zu Grunde liegenden Verwaltungsakten) mit dem Vorbringen in der gegen den Bescheid erhobenen Beschwerde kein gegenläufiger Anhaltspunkt ergibt. Der Verfassungsgesetzgeber habe sich bei Erlassung der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012, BGBl. I 51, davon leiten lassen, dass die Verwaltungsgerichte grundsätzlich in der Sache selbst zu entscheiden haben, weshalb ein prinzipieller Vorrang einer meritorischen Entscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte anzunehmen ist. Angesichts des in § 28 VwGVG insgesamt verankerten Systems stelle die nach § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG bestehende Zurückverweisungsmöglichkeit eine Ausnahme von der grundsätzlichen meritorischen Entscheidungszuständigkeit der Verwaltungsgerichte dar. Nach dem damit gebotenen Verständnis stehe diese Möglichkeit bezüglich ihrer Voraussetzungen nicht auf derselben Stufe wie die im ersten Satz des § 28 Abs. 3 VwGVG verankerte grundsätzliche meritorische Entscheidungskompetenz der Verwaltungsgerichte. Vielmehr verlange das im § 28 VwGVG insgesamt normierte System, in dem insbesondere die normative Zielsetzung der Verfahrensbeschleunigung bzw. der Berücksichtigung einer angemessenen Verfahrensdauer ihren Ausdruck finde, dass von der Möglichkeit der Zurückverweisung nur bei krassen bzw. besonders gravierenden Ermittlungslücken Gebrauch gemacht werde. Eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen würde daher insbesondere dann in Betracht kommen, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhaltes (vgl. § 37 AVG) lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt habe. Gleiches gelte, wenn konkrete Anhaltspunkte für die Annahme bestünden, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden (etwa im Sinn einer "Delegierung" der Entscheidung an das Verwaltungsgericht).

Ebenso hat der Verfassungsgerichtshof, in nunmehr ständiger Rechtsprechung, ausgesprochen, dass willkürliches Verhalten einer Behörde, das in die Verfassungssphäre eingreift, dann anzunehmen ist, wenn in einem entscheidenden Punkt jegliche Ermittlungstätigkeit unterlassen wird oder ein ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren gar nicht stattfindet, insbesondere in Verbindung mit einem Ignorieren des Parteienvorbringens oder dem Außer-Acht-Lassen des konkreten Sachverhaltes (vgl. VfSlg. 15.451/1999, 15.743/2000, 16.354/2001, 16.383/2001). Ein willkürliches Vorgehen liegt insbesondere dann vor, wenn die Behörde den Bescheid mit Ausführungen begründet, denen jeglicher Begründungswert fehlt (vgl. VfSlg. 13.302/1992 mwN, 14.421/1996, 15.743/2000).

Die von der Rechtsprechung der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts geforderte ganzheitliche Würdigung bzw. die Durchführung eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens ist im gegenständlichen Fall unterblieben, und ist die belangte Behörde nach dem Dafürhalten des BVwG ihrer Begründungspflicht nicht ausreichend nachgekommen. Im vorliegenden Fall sind die seitens der Höchstgerichte gestellten Anforderungen an ein rechtsstaatliches Verfahren in qualifizierter Weise unterlassen worden, dies aus folgenden Erwägungen:

o Zu Spruchteil I - Rückkehrentscheidung

§ 9 Abs. 3 BFA-VG legt die Verpflichtung der belangten Behörde fest, dass über die Zulässigkeit oder Unzulässigkeit der Rückkehrentscheidung jedenfalls begründet abzusprechen ist. Dabei ist insbesondere auszuführen, ob eine Rückkehrentscheidung aus Gründen des Art. 8 EMRK dauerhaft unzulässig ist.

Um eine entsprechende Abwägung von privaten und familiären Umständen und Interessen am Verbleib im Aufenthaltsstaat vornehmen zu können, ist es notwendig, sich einen persönlichen Eindruck über diese Interessen des BF zu verschaffen. Der VwGH sprach dazu wiederholt aus, dass bei Erlassung von aufenthaltsbeendenen Maßnahmen zur Verschaffung eines persönlichen Eindrucks im Rahmen einer mündlichen Verhandlung (bzw. übertragen auf das gegenständliche Verfahren vor der belangten Behörde, im Rahmen einer Einvernahme) besondere Bedeutung zukommt, und zwar in Bezug auf die Abwägung nach Art. 8 ERMK relevanten Umstände und in Bezug auf eine zu prüfende Gefährdungsprognose bei straffällig gewordenen Fremden. Insbesondere könne - so der VwGH weiter - vom Vorliegen eines geklärten Sachverhaltes nach § 21 Abs. 7 BFA-VG bei Erlassung nur in eindeutigen Fällen ausgegangen werden, bei denen bei Berücksichtigung aller zugunsten des Fremden sprechenden Fakten auch dann für ihn kein günstigeres Ergebnis zu erwarten sei, wenn sich der Entscheider von ihm einen persönlichen Eindruck verschafft hätte. (VwGH 20.10.2016, Ra 2016/21/0289 mwN; VwGH 20.10.2016, Ra 2016/21/0277-0280) Darüber hinaus ist eine Interessensabwägung, wie sie im Rahmen von § 9 BFA-VG vorzunehmen ist, als einzelfallbezogene Beurteilung im Allgemeinen, wenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgte und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtssprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde, nicht reversibel (VwGH 10.03.2017, Ra 2016/18/0268). (vgl. Gachowetz/Schmidt/Simma/Urban in Asyl- und Fremdenrecht im Rahmen der Zuständigkeit des BFA (2017) S 280 ff)

Die belangte Behörde hat es unterlassen, vor Erlassung der Rückkehrentscheidung den BF zu seinem Privat- und Familienleben persönlich im Rahmen einer Einvernahme zu befragen. Der BF hat im Bundesgebiet eine Ehefrau und zwei minderjährige Kinder. Die belangte Behörde nimmt in der angefochtenen Entscheidung an, dass der BF bedingt dadurch, dass er die letzten Straftaten gegen seine Ehegattin ausübte, er es in Kauf genommen hätte, dass diese Straftaten auch die Trennung von ihren sozialen und familiären Kontakten bedeuten würde. Dies sind bloße Annahmen, welche nicht auf einer Einvernahme des BF bzw. seiner Gattin als Zeugin beruhen. Die Tatsache, dass sich der BF derzeit zur Verbüßung seiner Freiheitsstrafe in der Justizanstalt Graz-Karlau befindet, besagt nicht zwangsläufig, dass es zwischen ihm und seiner Familie keinen Kontakt gebe. Ob tatsächlich ein Kontakt zwischen dem BF und seiner Familie vorliegt, oder nicht, hat die belangte Behörde nicht ermittelt.

Die belangte Behörde hat es daher in dieser für das gegenständliche Verfahren zentralen Frage der Interessensabwägung nach Art. 8 Abs. 2 EMRK unterlassen, sich einen persönlichen Eindruck vom BF und seiner familiären Situation zu verschaffen. Allein schon aus diesem Grund ist das gegenständliche Ermittlungsverfahren mangelhaft geblieben.

o Zu Spruchteil II - Zulässigkeit der Abschiebung

Zusammengefasst ist auch zu diesem Spruchpunkt des angefochtenen Bescheides festzustellen, dass das BFA insbesondere bezüglich der Frage der allfälligen Verletzung von Art. 3 EMRK ("real risk") anlässlich der Prüfung der Zulässigkeit der Abschiebung des BF nicht mit der ihr gebotenen Genauigkeit und Sorgfalt vorgegangen ist, und die Sachlage nicht ausreichend erhoben hat.

Der VwGH verlangt in seiner Rechtsprechung eine ganzheitliche Würdigung des individuellen Vorbringens eines Asylwerbers unter dem Gesichtspunkt der Konsistenz der Angaben, der persönlichen Glaubwürdigkeit des Asylwerbers und der objektiven Wahrscheinlichkeit seines Vorbringens, wobei letzteres eine Auseinandersetzung mit (aktuellen) Länderberichten verlangt (VwGH 26.11.2003, 2003/20/0389). Aufgrund des mangelnden Ermittlungsverfahrens hat die belangte Behörde jedenfalls eine solche ganzheitliche Würdigung des Sachverhaltes nicht vorgenommen, da die belangte Behörde dieses offensichtlich nicht anhand der konkret entscheidungsrelevanten aktuellen Situation gewürdigt hat.

Die belangte Behörde hat es insbesondere unterlassen, den BF dazu einzuvernehmen, ob er im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan der realen Gefahr einer Verletzung insbesondere von Art. 2 oder 3 EMRK ausgesetzt sein könnte, oder ob die Rückkehr für ihn aktuell eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes im Herkunftsstaat des Betroffenen mit sich bringen würde. Die belangte Behörde stützt ihre diesbezüglichen Feststellungen im angefochtenen Bescheid auf Länderinformationen, welche dem BF nicht vorab im Rahmen des Parteiengehörs zur Stellungnahme übermittelt wurden. Der bloße Hinweis, dass der BF die Möglichkeit hat, im Rahmen des Parteiengehörs zur Situation seine Heimatstaates Afghanistans eine Stellungnahme abzugeben, wie dies die belangte Behörde im Schreiben vom 19.12.2017 ausführt, reicht dazu nicht aus. Die belangte Behörde hätte dem BF nachweislich vor Erlassung der Entscheidung jene wesentlichen Länderfeststellungen zur Kenntnis bringen müssen, auf Grundlage welcher sie die Rückkehrentscheidung zu erlassen beabsichtigt.

Das erkennende Gericht verkennt dabei nicht, dass auch dem BF im gegenständlichen Verfahren eine Mitwirkungspflicht trifft, und der auf das genannte Schreiben nicht reagiert hat. Diese fehlende Mitwirkung des BF ersetzt dennoch nicht die ordnungsgemäße Durchführung eines Ermittlungsverfahrens durch die belangte Behörde.

Bei der Beurteilung der Frage der Zulässigkeit der Abschiebung des BF nach Afghanistan wird die belangte Behörde jedenfalls auch zu berücksichtigen haben, dass der BF am 16.03.2016 einen Antrag auf freiwillige Ausreise gestellt hat. Dieser Antrag spricht grundsätzlich dafür, dass dem BF eine Rückkehr nach Afghanistan zumutbar wäre, unabhängig davon fehlen dazu, wie bereits ausgeführt, bisher die notwendigen Ermittlungen der belangten Behörde.

Ebenso hat es die belangte Behörde unterlassen zu ermitteln, ob der BF noch Verwandte in Afghanistan hat, welche ihn finanziell unterstützen können. Sie stellt dies zwar fest, der BF hatte zum Zeitpunkt seiner Ausreise aus Afghanistan auch Verwandte in seinem Heimatstaat, ob diese noch dort leben, hat die belangte Behörde nicht ermittelt.

Die Feststellungen zum Gesundheitszustand des BF, wonach dieser gesund sei, decken sich nicht mit dem Akteninhalt. So liegen im Akt Befunde auf, wonach der BF an einer chronischen Hepatitis C leidet (siehe Ambulanzprotokoll der KABEG, Klinikum Klagenfurt am Wörthersee vom 26.02.2013), wiewohl in diesem Bericht auch festgehalten wird, dass aufgrund der offensichtlich zu erwartenden, nur wenige Monate dauernden Gefängnisstrafe sowie der fraglichen Compliance, beim Patienten derzeit keine Therapie empfohlen wird. Zudem war der BF wegen depressiven Symptomen in psychologischer-psychotherapeutischer Behandlung, wie dies ein im Akt aufliegender Bericht der ASPIS Forschungs- und Beratungszentrum für Opfer von Gewalt vom 05.08.2016 belegt. Die belangte Behörde wird sich daher im Rahmen einer persönlichen Einvernahme des BF auch einen Eindruck über den Gesundheitszustand des BF zu machen haben, und das Ergebnis dieser Ermittlungen im neu zu erlassenden Bescheid zu berücksichtigen haben.

o Zum Spruchteil III - Aberkennung der aufschiebenden Wirkung

Eine gesonderte Erwägung bezüglich einer allfälligen Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 18 BFA-VG konnte angesichts der innerhalb der einwöchigen Frist erfolgten Entscheidung entfallen. Es sei an dieser Stelle jedoch angemerkt, dass gemäß § 59 Abs. 4 FPG der Eintritt der Durchsetzbarkeit der Rückkehrentscheidung für die Dauer eines Freiheitsentzuges aufgeschoben ist, und dass der VwGH in derartigen Konstellationen Anträgen auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung keine Folge gibt (vgl. VwGH 24.06.2015, Ra 2015/21/0054). Zum derzeitigen Zeitpunkt droht daher dem BF bedingt dadurch, dass er bis zum Jahr 2019 eine Freiheitsstrafe zu verbüßen haben wird, keine potentielle Verletzung von Rechten im Falle einer Rückführung, weswegen schon aus diesem Grunde einer Abänderung des Abspruches über die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung derzeit nicht in Betracht käme. (vgl. BVwG 19.12.2017, W156 2179562-1/6E)

o Zum Spruchteil IV - 10 Jahre befristetes Aufenthaltsverbot

Wie der BF in seiner Beschwerde richtig ausführt, ist bei der Festsetzung der Dauer des Einreiseverbotes eine Einzelfallprüfung vorzunehmen (VwGH 15.12.2011, 2011/21/0237 zur Rechtslage vor dem FPG idgF (in Kraft seit 01.01.2014), vgl ErläutRV, 1078 BlgNR 24. GP 29 ff und Art 11 Abs 2 Rückführungs-RL). Dabei hat die belangte Behörde das bisherige Verhalten des Drittstaatsangehörigen zu beurteilen und zu berücksichtigen, ob (bzw. inwieweit über die im unrechtmäßigen Aufenthalt als solchen zu erblickende Störung der öffentlichen Ordnung hinaus) der (weitere) Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet oder anderen in Art. 8 Abs. 2 MRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft.

In den Fällen des § 53 Abs. 3 Z 1 bis 9 FPG ist das Vorliegen einer schwerwiegenden Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit indiziert, was dann die Verhängung eines Einreiseverbotes in der Dauer von bis zu zehn Jahren und, liegt eine bestimmte Tatsache im Sinn der Z 5 bis 9 vor, von unbefristeter Dauer ermöglicht.

Zudem ist festzuhalten, dass - wie schon nach bisheriger Rechtslage (vgl. VwGH 20.11.2008, 2008/21/0603) - in Bezug auf strafgerichtliche Verurteilungen nicht auf die bloße Tatsache der Verurteilung bzw. Bestrafung des Fremden, sondern immer auf das zugrunde liegende Verhalten (arg.: Einzelfallprüfung) abzustellen ist. Maßgeblich sind Art und Schwere der zugrunde liegenden Straftaten und das sich daraus ergebende Persönlichkeitsbild; darauf kommt es bei der Bemessung der Dauer des Einreiseverbots an.

Bei der Stellung der für jedes Einreiseverbot zu treffenden Gefährlichkeitsprognose ist das Gesamt(fehl)verhalten des Fremden in Betracht zu ziehen und auf Grund konkreter Feststellungen eine Beurteilung dahingehend vorzunehmen, ob und im Hinblick auf welche Umstände die in § 53 Abs. 3 FPG umschriebene Annahme gerechtfertigt ist.

Die belangte Behörde hat in ihrer Entscheidung über die Verhängung eines Einreiseverbots gegen den BF in Dauer von zehn Jahren ausschließlich darauf abgestellt, dass der BF insbesondere durch sein in Österreich mehrfach gesetztes strafbares Verhalten in hohem Maße seinen Unwillen zur Befolgung der österreichischen Gesetze zum Ausdruck gebracht und das Grundinteresse der Gesellschaft an Ruhe, Sicherheit und körperlicher Unversehrtheit von Personen und an sozialem Frieden beeinträchtigt hat.

Auch das BVwG erachtet die näheren Tatumstände der vom BF begangenen Vergehen und Verbrechen gerade im Hinblick auf das vom Landesgericht Klagenfurt festgestellte Verhalten des BF bei den Tatbegehungen im Juni 2017 als maßgeblich.

Das BFA hat zu Recht ausgeführt, dass der BF durch sein Verhalten eine Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit darstellt. Ausgehend davon musste auch eine Zukunftsprognose negativ ausfallen bzw. konnte auch für die Zukunft nicht davon ausgegangen werden, dass der BF keine weiteren strafbaren Handlungen der geschilderten Art begehen wird. Dabei sind insbesondere die Wiederholung straffälligen Verhaltens des BF seit dem Jahr 2013, dies trotz mehrmaliger Verbüßung von Freiheitsstrafen hervorzuheben.

Nachdem sich die belangte Behörde, wie bereits oben ausgeführt, bisher noch nicht in hinreichender Weise mit dem bestehenden Familienleben des BF im Sinne des Art 8 EMRK auseinandergesetzt hat, führte die belangte Behörde jedoch die vom Gesetzgeber geforderte Interessensabwägung im Einzelfall nicht in der gebotenen Sorgfalt durch.

Im Lichte der obigen Ausführungen wird die belangte Behörde aufgrund der aktuell geltenden Rechtslage nach Durchführung einer Einvernahme des BF bzw. der zeugenschaftlichen Einvernahme seiner Gattin und unter Wahrung des Parteiengehörs die Dauer des Einreiseverbotes nach Ansicht des erkennenden Gerichts neu zu bemessen haben. Einzubeziehen sind dabei neben dem Persönlichkeitsbild des BF samt umfassend zu erstellenden Gefährdungsprognose, ob vom BF eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit ausgeht, eine nachvollziehbar vorzunehmende Interessensabwägung im Zusammenhang mit einem allfällig in Österreich bestehenden Familienleben des BF.

Zusammenfassend war daher ausgehend von diesen Überlegungen im vorliegenden Fall eine kassatorische Entscheidung zu treffen. Besondere Gesichtspunkte, die aus der Sicht des BF gegen eine Kassation des angefochtenen Bescheides sprechen würden, sind im vorliegenden Fall nicht erkennbar.

Die Rechtssache war daher spruchgemäß an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Kärnten zur erstmaligen Einvernahme des BF zur geplanten Rückkehrentscheidung und Entscheidung zurückzuverweisen. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl wird im fortzusetzenden Verfahren die dargestellten Ermittlungsschritte zu setzten haben. Dabei wird auch das in der Beschwerde erstattete Vorbringen der BF ebenso zu berücksichtigen sein, wie der Umstand, dass er bereits von sich aus am 16.03.2018 einen Antrag auf freiwillige Rückreise gestellt hat.

Im vorliegenden Fall konnte die Verhandlung im Sinne des § 21 Abs. 7 BFA-VG entfallen, weil bereits aufgrund der Aktenlage feststand, dass der mit der Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben war.

Da der maßgebliche Sachverhalt noch nicht feststeht, war in Gesamtbeurteilung der dargestellten Erwägungen der angefochtene Bescheid des BFA gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG zu beheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an das BFA zurückzuverweisen.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen. Nach Art. 133 Abs. 4 Satz 1 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

In den vorliegenden Fällen ist die ordentliche Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung abhängt. Hinsichtlich der Einordnung des Sachverhaltes konnte sich das Bundesverwaltungsgericht auf die Rechtsprechung der Höchstgerichte bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen.

Schlagworte

Behebung der Entscheidung, Einreiseverbot, Ermittlungspflicht,
Kassation, mangelnde Sachverhaltsfeststellung, Parteiengehör,
strafrechtliche Verurteilung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:W261.1428290.2.00

Zuletzt aktualisiert am

02.05.2018
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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