Entscheidungsdatum
18.04.2018Norm
Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen §1Spruch
W217 2155247-1/9E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Julia STIEFELMEYER als Vorsitzende und die Richterin Mag. Ulrike LECHNER L.L.M, sowie die fachkundige Laienrichterin Verena KNOGLER BA, MA als Beisitzerinnen über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Wien, vom 24.02.2017, OB: XXXX , betreffend die Abweisung des Antrages auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass, zu Recht erkannt:
A)
Der Beschwerde wird stattgegeben und der angefochtene Bescheid aufgehoben.
Die Voraussetzungen für die Vornahme der Zusatzeintragung "Dem Inhaber des Passes ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar" in den Behindertenpass liegen vor.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Frau XXXX (in der Folge: BF) ist seit 06.12.2016 Inhaberin eines Behindertenpasses mit einem festgestellten Gesamtgrad der Behinderung 50 v.H.
Die BF beantragte beim Sozialministeriumservice (in der Folge: belangte Behörde) am 25.01.2017 einlangend, die Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass sowie die Ausstellung eines Parkausweises gemäß § 29b StVO 1960.
Im von der belangten Behörde hierzu eingeholten medizinischen Sachverständigengutachten vom 07.02.2017, basierend auf der persönlichen Untersuchung der BF, wurden von DDr. XXXX , Fachärztin für Orthopädie, folgende Funktionseinschränkungen festgestellt:
Tabelle kann nicht abgebildet werden.
Gesamtgrad der Behinderung 50 v. H.
Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung:
Leiden 1 wird durch Leiden 2 um 1 Stufe erhöht, da eine ungünstige wechselseitige Leidensbeeinflussung vorliegt.
Leiden 3 erhöht nicht, da aufgrund des geringgradigen Ausmaßes von Leiden 3 keine maßgebliche negative Beeinflussung des führenden Leidens vorliegt.
Folgende beantragten bzw. in den zugrunde gelegten Unterlagen diagnostizierten Gesundheitsschädigungen erreichen keinen Grad der Behinderung:
Wirbeleinbrüche mit maßgeblicher Höhenreduktion sind den vorliegenden Befunden nicht zu entnehmen.
Betreffend die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wurde festgehalten:
1. Welche der festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen lassen das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke, das Ein- und Aussteigen sowie den sicheren Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel nicht zu und warum?
Keine. Es liegen keine Funktionsbeeinträchtigungen der oberen und unteren Extremitäten und der Wirbelsäule vor, welche die Mobilität erheblich und dauerhaft einschränken. Es liegt zwar eine Gangbildbeeinträchtigung mit verlangsamtem und schwerfälligem Gehen vor, kurze Wegstrecken von etwa 300-400 m können jedoch allein ohne Unterbrechung, allenfalls unter Verwendung eines einfachen Hilfsmittels, zurückgelegt werden. Die behinderungsbedingte ständige Erfordernis der Verwendung von 2 Unterarmstützkrücken zur Fortbewegung für kurze Wegstrecken ist durch festgestellte Funktionseinschränkungen nicht begründbar, die beobachtete Gesamtmobilität ist nicht in hohem Maß eingeschränkt, Kraft und Koordination sind ausreichend. Ein- und Aussteigen ist möglich, da beide Hüftgelenke über 90° gebeugt werden können und beide Knie- und Sprunggelenke ausreichend beweglich sind. Ein sicheres Anhalten ist ebenfalls möglich, da die Gelenke beider oberer Extremitäten ausreichend beweglich sind, ein sicherer Transport ist gegeben. Es liegen keine maßgeblichen Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit vor.
2. Liegt eine schwere Erkrankung des Immunsystems vor?
Nein"
2. Mit Bescheid vom 24.02.2017, hat die belangte Behörde den Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass abgewiesen.
Beweiswürdigend wurde ausgeführt, dass ein ärztliches Sachverständigengutachten eingeholt worden sei, welches ergeben habe, dass Voraussetzungen für die Zusatzeintragung nicht vorliegen würden.
4. In ihrer Beschwerde brachte die BF vor, dass die Feststellung, dass keine der vorliegenden Funktionsbeeinträchtigungen das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke, das Ein- und Aussteigen sowie den sicheren Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel nicht zulassen würden, vollkommen realitätsfern und in keinster Weise nachvollziehbar sei. Bereits bei der Untersuchung habe sie ausdrücklich darauf hingewiesen, dass sie sich selbst in den eigenen vier Wänden nur mithilfe eines Rollators fortbewegen könne und selbst bei größtmöglicher Sorgfalt aufgrund ihrer bestehenden Unsicherheit immer wieder zu Sturz komme. Dass sie zu dem Termin der ärztlichen Untersuchung ohne Rollator erschienen sei, sei nur dadurch möglich gewesen, da sie sich einer Krücke bedient habe und stets bei ihrem Sohn eingehängt und abgestützt habe. Der Weg zur nächstgelegenen Haltestelle der öffentlichen Verkehrsmittel wäre höchstens mit Rollator möglich und würde trotzdem einen Kraftakt darstellen. Dabei wäre sowohl der Weg als auch die darauffolgende Fahrt besonders durch die vorhergehende Belastung mit dem ständigen und großen Risiko behaftet, zu Sturz zu kommen. Die Angst vor einem solchen Weg würde sie bereits im Voraus belasten. Sowohl im Sommer bei hohen Temperaturen als auch im Winter bei der Gefahr von Eisbildung oder generell bei Nässe sei der Weg überhaupt gänzlich undenkbar. Ihr letzter schwerer Sturz und die daraus resultierenden schweren Verletzungen gingen auf mangelnde Schneeräumung im Bereich der Bushaltestelle zurück. Die Erinnerungen daran würden ebenfalls zu ihrer Unsicherheit beitragen. Sie begehre sohin, den Eintrag der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung zu gewähren und diesen ihrem Behindertenausweis hinzuzufügen.
5. Die gegenständliche Beschwerde und der Bezug habende Verwaltungsakt wurden dem Bundesverwaltungsgericht mit Schreiben vom 02.05.2017 von der belangten Behörde vorgelegt.
6. In der Folge ersuchte das Bundesverwaltungsgericht das Sozialministeriumservice, ärztlicher Dienst, um Einholung eines ergänzenden Sachverständigengutachtens, basierend auf der persönlichen Untersuchung der BF.
7. Dr. XXXX , Facharzt für Unfallchirurgie, führt in seinem unfallchirurgisch-orthopädischen Sachverständigengutachten vom 30.01.2018 Folgendes aus:
"(...)
2.2) Persönliche Angaben der/des zu Untersuchenden
2.2.1) Allgemeine Krankenvorgeschichte
Bezüglich Vorgeschichte siehe Vorgutachten vom 25.01.2017
Zwischenanamnese:
Im Sommer 2017 ca. 1 Monat stationär im XXXX Spital. Im Herbst 2017 ca. 1 Woche stationär wegen heftiger Durchfälle im XXXX .
2.2.2) Sozialanamnese:
Lebt in einem Pensionistenhaus.
2.2.3) Subjektive Beschwerden:
Gehen alleine kann ich nur mit Krücken. Ich habe öfters Kreuzschmerzen, bin unsicher beim Gehen. Ich kann kaum Stiegen steigen. Ich kann mit 2 Stützkrücken etwa 10-15 Minuten gehen. Beim Gehen schmerzen der rechte Oberschenkel und die Hüfte. Ich kann den linken Arm nicht hochheben. Die linke Schulter schmerzt.
Medikamente: Hydal, Antidepressiva, Blutdruckmittel
Laufende Therapie: 1 x wöchentl. Physiotherapie, Psychotherapie 1 x wöchentl.
Hilfsmittel: 1 Unterarmstützkrücken rechts, Rollmobil im Wohnheim
2.3) Eigene Untersuchung am 30.01.2018
Größe: ca. 157 cm Gewicht 54 kg
Allgemeiner Eindruck:
Kommt in Begleitung von Sohn und Schwiegertochter zur Untersuchung. Verwendet rechts eine Unterarmstützkrücke, ist links bei der Schwiegertochter eingehängt. Entkleiden selbstständig im Sitzen.
Allgemeinzustand: etwas reduziert Ernährungszustand: normal
Caput/Collum: unauffällig
Thorax: symmetrisch, elastisch
Abdomen: klinisch unauffällig, kein Druckschmerz
Obere Extremitäten:
Rechtshänder. Symmetrische Muskelverhältnisse. Durchblutung und Sensibilität sind ungestört. Benützungszeichen sind seitengleich sehr zart.
Die Handgelenke sind beidseits arthrotisch aufgetrieben, rechts endlagenschmerzhaft und in der Beweglichkeit 1/2 eingeschränkt. Daumensattelgelenke arthrotisch aufgetrieben, nicht wesentlich druckschmerzhaft. Die Schultern sind diffus druck- und endlagenschmerzhaft.
Links besteht hochgradige Beweglichkeitseinschränkung.
Übrige Gelenke sind bandfest und altersentsprechend unauffällig.
Beweglichkeit:
Schultern S rechts 20-0-100 und links 10-0-30, F rechts 80-0-30 und links 40-0-30. Beim Nackengriff reicht rechts die Hand mit Mühe zum Hinterhaupt, links reichen die Fingerkuppen zum Ohr. Beim Kreuzgriff reicht rechts die Daumenkuppe bis L1, links die Hand zur Gesäßaußenseite. Ellenbogen- und Vorderarmdrehung seitengleich frei. Rechtes Handgelenk 1/2 eingeschränkt, links endlagig eingeschränkt. Grob- und Spitzgriff sind durchführbar, der Faustschluss ist komplett. Die grobe Kraft ist beidseits erheblich herabgesetzt.
Untere Extremitäten:
Freies Gehen ist nicht möglich. Mit Hilfsperson (Untersucher) ist das Gangbild kleinschrittig, insgesamt unsicher und nur über eine kurze Distanz möglich. Die Beinachse ist im Lot. Mäßig Muskelverschmächtigung am rechten Ober- und Unterschenkel. Beinlänge rechts -1 cm. Die Durchblutung ist ungestört. Die Sensibilität wird an den Füßen diffus als bamstig, sonst als ungestört angegeben.
Rechte Hüfte:
Blasse alte etwa 20 cm lange Narbe. Kein Rüttel-, Stauchungs-, oder Extensionsschmerz. Endlagenschmerzen in der Beugung und bei der Rotation.
Die übrigen Gelenke sind altersentsprechend unauffällig.
Beweglichkeit:
Hüften S rechts 0-0-95, links 0-0-110, R (S 90°) rechts 5-0-20, links 20-0-40. Knie, Sprunggelenke und Zehen sind altersentsprechend frei beweglich.
Wirbelsäule:
Der Schultergürtel ist annähernd horizontal. Der rechte Beckenkamm steht etwa 1,5 cm tiefer. Mäßige S-förmige Skoliose von Brust- und Lendenwirbelsäule. Verstärkte Brustkyphose. Streckhaltung der Lendenwirbelsäule. Ausgeprägt Hartspann lumbal, mäßig zervikal. Deutlich Druck- und Klopfschmerz ebenda. Iliosakralgelenke sind druckschmerzhaft.
Beweglichkeit:
Halswirbelsäule: die Reklination ist hochgradig eingeschränkt, sonst allseits etwa 1/2 eingeschränkt.
Brustwirbelsäule/Lendenwirbelsäule: Vorwärtsbeugen ist aufgrund der Standunsicherheit nicht möglich. Seitwärtsneigen und Rotation je 1/3 eingeschränkt.
Beantwortung der vom Gericht gestellten Fragen:
1. Liegen die Voraussetzungen für den Zusatzeintrag "Dem Inhaber/in des Passes ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafte Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar" vor?
Aus heutiger Sicht ist die Untersuchte nicht in der Lage, ohne 2 Unterarmstützkrücken oder ohne Rollator zu gehen.
Selbst unter Verwendung von 2 Unterarmstützkrücken oder eines Rollators ist eine Wegstrecke von 300 bis 400 m ohne Unterbrechung nicht möglich.
An der linken Schulter besteht eine hochgradige Beweglichkeitseinschränkung, in der Schulter können nur vermehrt Pendelbewegungen durchgeführt werden. Auch rechts ist die Beweglichkeit an der Schulter deutlich eingeschränkt, der Arm kann mit Mühe bis zur Horizontalen gehoben werden.
2. Die dauernden Gesundheitsschädigungen sind als Diagnosenliste anzuführen
1 Degenerative Veränderungen der Wirbelsäule, Zustand nach Dekompression L1/2
2 Hüfttotalendoprothese rechts, Zustand nach Verplattung rechter Oberschenkel
3 Engpasssyndrom an beiden Schulter mit hochgradiger Beweglichkeitseinschränkung links und deutlicher Beweglichkeitseinschränkung rechts
4 Depressio
5 Altersschwäche
3. Liegen erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten vor?
Nein. Die Gelenke der unteren Extremitäten sind gut beweglich. Allerdings besteht allgemeine Muskelschwäche, rechts mehr als links
4. Liegen erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit vor?
Ja. Altersbedingt bestehen erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit. Es besteht deutliche Standunsicherheit und erhebliche Gangunsicherheit.
5. Stellungnahme zur Art und Ausmaß der von der BF angegebenen Beeinträchtigungen sowie deren Auswirkung auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel.
Die Einwendungen der BF hinsichtlich ihrer Gangbildstörung und Gangleistungsminderung sind nachvollziehbar und gerechtfertigt. Die Feststellung, sie sei auf Unterarmstützkrücken oder Rollator selbst zur Fortbewegung in ihren Wohnräumlichkeiten ist nach der heutigen klinischen Untersuchung zu bestätigen.
6. Ausführliche Stellungnahme zu den Einwendungen Abl. 54, 57-58
Die Einwendungen der BF hinsichtlich ihrer Gangbildstörung und Gangleistungsminderung sind nachvollziehbar und gerechtfertigt. Die Feststellung, sie sei auf Unterarmstützkrücken oder Rollator selbst zur Fortbewegung in ihren Wohnräumlichkeiten ist nach der heutigen klinischen Untersuchung zu bestätigen. Auch bestehen erhebliche Einschränkungen an den oberen Extremitäten. Ein sicheres Anhalten ist einerseits auf Grund des Funktionsdefizits an beiden Schultern nicht möglich, andererseits fehlt auch die Kraft dazu.
7. Ausführliche Stellungnahme zu den medizinischen Beweismitteln Abl. 5-9
Der Befund vom XXXX von 2008 über einen stationären Aufenthalt wegen Lumboischialgie dokumentiert das seit vielen Jahren bestehende Wirbelsäulenleiden. Der Magnetresonanztomographiebefund der Lendenwirbelsäule von 2011 dokumentiert hochgradige degenerative Veränderungen
Der Befund vom XXXX von 2012 über einen stationären Aufenthalt wegen Lumboischialgie und Depressionen dokumentiert wieder das seit vielen Jahren bestehende Wirbelsäulenleiden und eine Depression, aber ohne konkrete Suizidabsichten.
Ein neurochirurgischer Operationsbericht von 10/2013 über einen Bandscheibenvorfall dokumentiert das hochgradige Wirbelsäulenleiden.
Ein Röntgenbefund der gesamten Wirbelsäule von 2015 dokumentiert hochgradige degenerative Veränderungen an der gesamten Wirbelsäule.
8. Begründung einer eventuell vom bisherigen Ergebnis abweichenden Beurteilung Abl. 14-17.
Aus heutiger Sicht bestehen altersbedingt erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit, die nach unfallchirurgisch-orthopädischer Erfahrung in ähnlichem Ausmaß auch schon zum Zeitpunkt des Vorgutachtens vorgelegen haben. Die heute objektivierte erhebliche Funktionsbehinderung an den Schultern, links mehr als rechts kann sich allerdings auch in der Zwischenzeit entwickelt haben.
Aus heutiger Sicht sind in Ergänzung der Diagnosen aus dem Vorgutachten das beidseitige Schulterleiden und die allgemeine altersbedingte Schwäche (Altersschwäche) zu ergänzen und der gesamt GdB würde jedenfalls über 50% liegen.
9. Feststellung, ob, bzw. wann eine NU erforderlich ist.
Dauerzustand, eine NU ist nicht erforderlich."
8. Die Gelegenheit, zu dem vom Bundesverwaltungsgericht übermittelten Sachverständigengutachten Stellung zu nehmen, blieb seitens der BF und der belangten Behörde ungenützt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Am 25.01.2017 langte bei der belangten Behörde der gegenständliche Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass ein.
Die BF ist Inhaberin eines am 06.12.2016 ausgestellten Behindertenpasses mit einem festgestellten Grad der Behinderung von 50 %.
Bei der BF liegen folgende Funktionseinschränkungen vor:
-
Degenerative Veränderungen der Wirbelsäule, Zustand nach Dekompression L1/2
-
Hüfttotalendoprothese rechts, Zustand nach Verplattung rechter Oberschenkel
-
Engpasssyndrom an beiden Schulter mit hochgradiger Beweglichkeitseinschränkung und deutlicher Beweglichkeitseinschränkung rechts
-
Depressio
-
Altersschwäche
Die Voraussetzungen für die Vornahme der Zusatzeintragung "Dem Inhaber des Passes ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar" in den Behindertenpass liegen vor.
Hinsichtlich der Auswirkungen der bei der BF bestehenden Funktionseinschränkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel werden die diesbezüglichen Beurteilungen im oben wiedergegebenen medizinischen Gutachten Dris. XXXX der nunmehrigen Entscheidung zu Grunde gelegt.
2. Beweiswürdigung:
Das Datum der Einbringung des gegenständlichen Antrages auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" basiert auf dem Akteninhalt.
Die Feststellungen zum Behindertenpass ergeben sich aus dem Akteninhalt.
Die Feststellungen der "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung", die zur Gewährung der Vornahme dieser Zusatzeintragung führen, gründen sich auf das vom Bundesverwaltungsgericht eingeholte Sachverständigengutachten eines Facharztes für Unfallchirurgie vom 30.01.2018. Unter Berücksichtigung der von der BF ins Verfahren eingebrachten medizinischen Unterlagen und nach persönlicher Untersuchung der BF wurde vom medizinischen Sachverständigen festgestellt, dass die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel für die BF nicht zumutbar ist.
Der Facharzt für Unfallchirurgie gelangte unter den von ihm geprüften Gesichtspunkten auf Grundlage der Ergebnisse der persönlichen Untersuchung der BF am 30.01.2018 zu dem Schluss, dass im Fall der BF öffentliche Verkehrsmittel nicht zumutbar sind, da selbst unter Verwendung von 2 Unterarmstützkrücken oder eines Rollators eine Wegstrecke von 300 bis 400 m ohne Unterbrechung nicht möglich ist. An der linken Schulter besteht eine hochgradige Beweglichkeitseinschränkung, in der Schulter können nur vermehrt Pendelbewegungen durchgeführt werden. Auch rechts ist die Beweglichkeit an der Schulter deutlich eingeschränkt, der Arm kann mit Mühe bis zur Horizontalen gehoben werden. Altersbedingt bestehen erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit. Es besteht deutliche Standunsicherheit und erhebliche Gangunsicherheit.
Somit waren die im Rahmen der Beschwerde erhobenen Einwände geeignet, das Ergebnis des Ermittlungsverfahrens zu entkräften, da sie ausreichend substantiiert waren.
Seitens des Bundesverwaltungsgerichts bestehen keine Zweifel an der Richtigkeit, Vollständigkeit und Schlüssigkeit des medizinischen Sachverständigengutachtens Dris. XXXX , welches daher in freier Beweiswürdigung der Entscheidung zu Grunde gelegt wird.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zuständigkeit und anzuwendendes Recht:
Gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz - BVwGG), BGBl. I Nr. 10/2013 idgF, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Gemäß § 45 Abs. 3 BBG hat in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen. Gegenständlich liegt somit Senatszuständigkeit vor.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz - VwGVG), BGBl. I Nr. 33/2013 idgF, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung (BAO), BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes (AgrVG), BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 (DVG), BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben ist, den angefochtenen Bescheid auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.
Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.
Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
Zu Spruchpunkt A)
Die gegenständlich maßgeblichen Bestimmungen des Bundesbehindertengesetzes (BBG) lauten auszugsweise:
"§ 40. (1) Behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% ist auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpass auszustellen, wenn
1. ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist oder
2. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen oder
3. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten oder
...
5. sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, angehören.
(2) Behinderten Menschen, die nicht dem im Abs. 1 angeführten Personenkreis angehören, ist ein Behindertenpass auszustellen, wenn und insoweit das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen auf Grund von Vereinbarungen des Bundes mit dem jeweiligen Land oder auf Grund anderer Rechtsvorschriften hierzu ermächtigt ist.
§ 41. (1) Als Nachweis für das Vorliegen der im § 40 genannten Voraussetzungen gilt der letzte rechtskräftige Bescheid eines Rehabilitationsträgers (§ 3), ein rechtskräftiges Urteil eines Gerichtes nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, BGBl. Nr. 104/1985, ein rechtskräftiges Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes oder die Mitteilung über die Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs. 5 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967, BGBl. Nr. 376. Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen hat den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen, wenn
1. nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hierfür maßgebenden Vorschriften keine Einschätzung vorsehen oder
2. zwei oder mehr Einschätzungen nach bundesgesetzlichen Vorschriften vorliegen und keine Gesamteinschätzung vorgenommen wurde oder
3. ein Fall des § 40 Abs. 2 vorliegt.
...
§ 42. (1) Der Behindertenpass hat den Vornamen sowie den Familien- oder Nachnamen, das Geburtsdatum eine allfällige Versicherungsnummer und den festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.
...
§ 45. (1) Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.
(2) Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu.
(3) In Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung hat die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.
(4) Bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß Abs. 3 hat eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Die fachkundigen Laienrichterinnen oder Laienrichter (Ersatzmitglieder) haben für die jeweiligen Agenden die erforderliche Qualifikation (insbesondere Fachkunde im Bereich des Sozialrechts) aufzuweisen.
...
Um die Frage der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel beurteilen zu können, hat die Behörde zu ermitteln, ob der Antragsteller dauernd an seiner Gesundheit geschädigt ist und wie sich diese Gesundheitsschädigung nach ihrer Art und ihrer Schwere auf die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auswirkt. Sofern nicht die Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auf Grund der Art und der Schwere der Gesundheitsschädigung auf der Hand liegt, bedarf es in einem Verfahren über einen Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung" regelmäßig eines ärztlichen Sachverständigengutachtens, in dem die dauernde Gesundheitsschädigung und ihre Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in nachvollziehbarer Weise dargestellt werden. Nur dadurch wird die Behörde in die Lage versetzt, zu beurteilen, ob dem Betreffenden die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung unzumutbar ist (vgl. VwGH vom 23.05.2012, Zl. 2008/11/0128, und die dort angeführte Vorjudikatur sowie vom 22. Oktober 2002, Zl. 2001/11/0242, vom 27.01.2015, Zl. 2012/11/0186).
Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu dieser Zusatzeintragung ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel dann unzumutbar, wenn eine kurze Wegstrecke nicht aus eigener Kraft und ohne fremde Hilfe, allenfalls unter Verwendung zweckmäßiger Behelfe ohne Unterbrechung zurückgelegt werden kann oder wenn die Verwendung der erforderlichen Behelfe die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in hohem Maße erschwert. Die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist auch dann nicht zumutbar, wenn sich die dauernde Gesundheitsschädigung auf die Möglichkeit des Ein- und Aussteigens und die sichere Beförderung in einem öffentlichen Verkehrsmittel unter Berücksichtigung der beim üblichen Betrieb dieser Verkehrsmittel gegebenen Bedingungen auswirkt.
Zu prüfen ist die konkrete Fähigkeit öffentliche Verkehrsmittel zu benützen. Zu berücksichtigen sind insbesondere zu überwindende Niveauunterschiede beim Aus- und Einsteigen, Schwierigkeiten beim Stehen, bei der Sitzplatzsuche, bei notwendig werdender Fortbewegung im Verkehrsmittel während der Fahrt. (VwGH 22.10.2002, Zl. 2001/11/0242; 14.05.2009, 2007/11/0080)
Wie bereits oben im Rahmen der Beweiswürdigung ausgeführt, wurde seitens des vom Bundesverwaltungsgericht eingeholten, auf einer persönlichen Untersuchung der BF basierenden Sachverständigengutachtens eines Facharztes für Unfallchirurgie vom 30.01.2018 nachvollziehbar festgestellt, dass im Fall der BF die Voraussetzungen für die Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass vorliegen.
Bei der BF sind, wie bereits in den beweiswürdigenden Ausführungen ausgeführt wurde, ausgehend von diesem Sachverständigengutachten aktuell erhebliche Einschränkungen der Funktionen der oberen Extremitäten sowie erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit im Sinne der Bestimmung des § 1 Abs. 2 Z 3 der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen objektiviert; im Rahmen der persönlichen Begutachtung wurde festgestellt, dass die BF nichtmehr in der Lage ist, die geforderte Gehstrecke von 300-400 m in angemessener Zeit selbständig zu bewältigen, auch das Ein- und Aussteigen sowie die sichere Beförderung im öffentlichen Verkehrsmittel sind nicht gewährleistet.
Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung
Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.
Gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn
1. der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder
2. die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist.
Gemäß § 24 Abs. 3 VwGVG hat der Beschwerdeführer die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden.
Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen.
Weiters kann das Verwaltungsgericht gemäß § 24 Abs. 5 VwGVG von der Durchführung (Fortsetzung) einer Verhandlung absehen, wenn die Parteien ausdrücklich darauf verzichten. Ein solcher Verzicht kann bis zum Beginn der (fortgesetzten) Verhandlung erklärt werden.
Der EGMR hat in seinen Entscheidungen vom 10. Mai 2007, Nr. 7401/04 (Hofbauer/Österreich Nr. 2), und vom 3. Mai 2007, Nr. 17.912/05 (Bösch/Österreich), unter Hinweis auf seine frühere Rechtsprechung dargelegt, dass der Beschwerdeführer grundsätzlich ein Recht auf eine mündliche Verhandlung vor einem Tribunal hat, außer es lägen außergewöhnliche Umstände vor, die eine Ausnahme davon rechtfertigten. Der EGMR hat das Vorliegen solcher außergewöhnlichen Umstände angenommen, wenn das Verfahren ausschließlich rechtliche oder "hoch-technische" Fragen ("exclusively legal or highly technical questions") betrifft. Der Gerichtshof verwies im Zusammenhang mit Verfahren betreffend ziemlich technische Angelegenheiten ("rather technical nature of disputes") auch auf das Bedürfnis der nationalen Behörden nach zweckmäßiger und wirtschaftlicher Vorgangsweise, das angesichts der sonstigen Umstände des Falles zum Absehen von einer mündlichen Verhandlung berechtige (VwGH 03.10.2013, Zl. 2012/06/0221).
In seinem Urteil vom 18. Juli 2013, Nr. 56.422/09 (Schädler-Eberle/Liechtenstein) hat der EGMR in Weiterführung seiner bisherigen Judikatur dargelegt, dass es Verfahren geben würde, in denen eine Verhandlung nicht geboten sei, etwa wenn keine Fragen der Beweiswürdigung auftreten würden oder die Tatsachenfeststellungen nicht bestritten seien, sodass eine Verhandlung nicht notwendig sei und das Gericht auf Grund des schriftlichen Vorbringens und der schriftlichen Unterlagen entscheiden könne (VwGH 03.10.2013, Zl. 2012/06/0221).
Im gegenständlichen Fall bildet die Grundlage für die Beurteilung, ob der BF die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel zumutbar ist, das Gutachten eines Facharztes für Unfallchirurgie. Zur Klärung des Sachverhaltes wurde daher ein ärztliches Sachverständigengutachten eingeholt. Wie oben bereits ausgeführt, wurde dieses als nachvollziehbar, vollständig und schlüssig erachtet. Sohin erscheint der Sachverhalt geklärt und konnte die Durchführung einer mündlichen Verhandlung unterbleiben.
Zu Spruchpunkt B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen.
Schlagworte
Behindertenpass, Sachverständigengutachten, ZusatzeintragungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2018:W217.2155247.1.00Zuletzt aktualisiert am
02.05.2018