TE Bvwg Erkenntnis 2018/4/18 W146 2189970-1

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Veröffentlicht am 18.04.2018
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Entscheidungsdatum

18.04.2018

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs4
AsylG 2005 §3 Abs5
AsylG 2005 §34
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

W146 2143312-1/5E

W146 2189970-1/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Stefan HUBER als Einzelrichter über die Beschwerde der XXXX , geb. XXXX , StA. Syrien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 25.11.2016, Zl. 1103656006/160145963, zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde wird stattgegeben und XXXX gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 idgF der Status der Asylberechtigten zuerkannt. Gemäß § 3 Abs. 4 AsylG 2005 idgF kommt XXXX eine befristete Aufenthaltsberechtigung als Asylberechtigte für drei Jahre zu. Gemäß § 3 Abs. 5 leg. cit. wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Stefan HUBER als Einzelrichter über die Beschwerde der XXXX , geb. XXXX , StA. Irak, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 19.02.2018, Zl. 1177074203/180009932, zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde wird stattgegeben und XXXX gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 idgF der Status der Asylberechtigten zuerkannt. Gemäß § 3 Abs. 4 AsylG 2005 idgF kommt XXXX eine befristete Aufenthaltsberechtigung als Asylberechtigte für drei Jahre zu. Gemäß § 3 Abs. 5 leg. cit. wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE

I. Verfahrensgang

Die Erstbeschwerdeführerin, eine Staatsangehörige von Syrien und Angehörige der arabischen Volksgruppe mit moslemischem Religionsbekenntnis, stellte nach illegaler Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 28.01.2016 den dem gegenständlichen Beschwerdeverfahren zugrundeliegenden Antrag auf internationalen Schutz.

Anlässlich der Erstbefragung am 29.01.2016 vor der PI Hauptbahnhof Graz gab die Erstbeschwerdeführerin an, dass Sie Angst um das Leben ihrer Kinder sowie um ihr Leben habe.

Am 30.08.2016 wurde die Erstbeschwerdeführerin vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl einvernommen. Dabei gab sie an, dass ihre Eltern, ihre drei Schwestern und ihr Bruder alle in der Türkei leben würden. Auch ihre beiden Söhne würden in der Türkei leben. Diese seien ihr von ihrer Tante (Schwester des Vaters) weggenommen worden. Als ihr Mann verstorben sei, hätten sie die Kinder genommen und die Erstbeschwerdeführerin rausgeschmissen; sie würde nicht mehr zu ihnen gehören.

Der Ehemann der Erstbeschwerdeführerin sei Soldat gewesen. Nachdem er desertiert sei, seien sie von Damaskus nach XXXX geflüchtet. Als der IS dort einmarschiert sei, sei ihr Ehemann vom IS getötet worden. Die Erstbeschwerdeführerin sei gemeinsam mit den Verwandten ihres Ehemannes in die Türkei geflüchtet. Sie hätte Angst um ihre Kinder gehabt. Ihr Haus in Damaskus sei zerstört worden; sie könne nirgendwo mehr hin.

Die Erstbeschwerdeführerin könne nicht nach Syrien zurück. Der IS habe ihren Mann getötet und sie habe Angst vor den Regierungstruppen, weil ihr Mann desertiert sei.

Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 25.11.2016 wurde der Antrag der Erstbeschwerdeführerin auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.), gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 wurde der Erstbeschwerdeführerin der Status einer subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt (Spruchpunkt II.) und ihr gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 25.11.2017 erteilt (Spruchpunkt III.).

Begründend wurde zunächst festgestellt, dass die Identität der Erstbeschwerdeführerin feststehe. Sie sei syrische Staatsangehörige, gehöre der Volksgruppe der Araber und der sunnitischen Glaubensrichtung an.

Sie sei verwitwet und habe zwei Kinder, die in der Türkei leben würden. Sie habe eine Schuldbildung von ungefähr sieben Jahren und sei von Beruf Schneiderin.

Festgestellt werde, dass die Erstbeschwerdeführerin Syrien aufgrund des Krieges und der schlechten Sicherheitslage verlassen habe.

Mit der gegen oben angeführten Bescheid fristgerecht erhobenen Beschwerde der Erstbeschwerdeführerin wurde der Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl hinsichtlich Spruchpunkt I. angefochten. Begründend wurde ausgeführt, dass die Fluchtgründe der Erstbeschwerdeführerin asylrelevant seien und die Gewährung des Asylstatus rechtfertigen würden.

Die Erstbeschwerdeführerin und ihre Familie seien zunächst in Damaskus wohnhaft gewesen, wo der Ehemann der Erstbeschwerdeführerin ursprünglich als Soldat für das syrische Militär tätig gewesen sei. Er habe jedoch unbefugt seine Anstellung niedergelegt und die Familie sei von Damaskus nach XXXX gezogen. Die Erstbeschwerdeführerin habe fortan mit ihrem Ehemann, den beiden Kindern, ihrer Schwiegermutter und ihren beiden Brüdern in einem Haus gewohnt. Mit der Einnahme der Stadt durch den IS wäre das Leben für die Erstbeschwerdeführerin unerträglich geworden. Nachdem sich der Ehemann der Erstbeschwerdeführerin geweigert habe auf Seite des IS zu kämpfen, sei er von diesem getötet worden. Die beiden Brüder der Erstbeschwerdeführerin hätten in der Folge Syrien verlassen, da sie befürchtet hätten, vom IS ebenso rekrutiert und bei einer Weigerung getötet zu werden. Eine islamische Tradition gebiete es, dass die Frau nach dem Tod ihres Mannes für vier Monaten und zehn Tage das Haus nicht verlasse, um zu trauern. Die Erstbeschwerdeführerin sei jedoch in den nächsten drei Monaten fast täglich von Kämpfern des IS aufgesucht worden, da diese die beiden Brüder ebenfalls rekrutieren hätten wollen. Die Erstbeschwerdeführerin sei immer wieder diesbezüglich bedroht worden. Die Erstbeschwerdeführerin sei daher aufgrund ihrer Zugehörigkeit zu einem bestimmten Familienverband mit Verfolgung von dritter Seite bedroht.

Am 08.04.2017 schloss die Erstbeschwerdeführerin die Ehe mit dem irakischen Staatsbürger XXXX in Wien.

Am 05.12.2017 kam die Zweitbeschwerdeführerin als Kind der Erstbeschwerdeführerin und ihres zweiten Ehegatten in Bludenz zur Welt.

Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 19.02.2018 wurde der Antrag der Zweitbeschwerdeführerin auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.), gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 wurde ihr der Status einer subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt (Spruchpunkt II.) und ihr gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 29.09.2018 erteilt (Spruchpunkt III.).

Begründend wurde festgestellt, dass die Identität feststehe. Die Zweitbeschwerdeführerin sei minderjährig und irakische Staatsangehörige. Die Zweitbeschwerdeführerin habe keine eigenen Fluchtgründe.

Mit der gegen oben angeführten Bescheid fristgerecht erhobenen Beschwerde der Zweitbeschwerdeführerin wurde der Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl hinsichtlich Spruchpunkt I. angefochten. Begründend wurde ausgeführt, da die Mutter der neugeborenen Zweitbeschwerdeführerin für diese keine eigenen Asylgründe vorgebracht habe, werde auf das Vorbringen und die Asylgründe der Mutter in ihrem anhängigen Asylverfahren sowie auf die sämtlichen Ausführungen in deren Beschwerde verwiesen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die Erstbeschwerdeführerin ist Staatsangehörige von Syrien sowie Angehörige der arabischen Volksgruppe mit moslemischem Religionsbekenntnis und führt den im Spruch genannten Namen. Sie hat aus erster Ehe zwei Kinder, welche derzeit in der Türkei bei der Tante der Erstbeschwerdeführerin leben.

In zweiter Ehe ist die Erstbeschwerdeführerin mit dem irakischen Staatsbürger XXXX verheiratet, welcher subsidiären Schutz in Österreich genießt, und hat mit ihm die gemeinsame Tochter XXXX , die Zweitbeschwerdeführerin, welche irakische Staatsangehörige sowie Angehörige der arabischen Volksgruppe mit moslemischem Religionsbekenntnis ist.

Die Erstbeschwerdeführerin lebte zunächst mit ihrem ersten Ehemann in Damaskus, nach dessen Desertion von der syrischen Armee in XXXX . Im Zuge der Kämpfe des IS um diese Stadt wurde ihr Ehemann aufgrund seiner Weigerung für den IS zu kämpfen getötet. Die IS Kämpfer suchten im Haus der Erstbeschwerdeführerin mehrmals deren beide Brüder, um diese zu rekrutieren. Dabei wurde die Erstbeschwerdeführerin massiv bedroht.

XXXX war zunächst zwischen Regierungstruppen und der Freien Syrischen Armee umkämpft. Seit Anfang 2013 kontrollierte der IS das Umland der Stadt und begann am 15. Januar 2016 eine Offensive gegen die belagerte Stadt. Am 5. September 2017 durchbrachen syrische Truppen den Belagerungsring des IS und vermeldeten Anfang November 2017 die Einnahme der Stadt.

Die Erstbeschwerdeführerin stellte am 28.01.2016 den dem gegenständlichen Beschwerdeverfahren zugrundeliegenden Antrag auf internationalen Schutz. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 25.11.2016 wurde dieser Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.), gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 wurde der Erstbeschwerdeführerin der Status einer subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt (Spruchpunkt II.) und ihr gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 25.11.2017 erteilt (Spruchpunkt III.).

Gegen Spruchpunkt I. erhob die Erstbeschwerdeführerin fristgerecht Beschwerde.

Die Zweitbeschwerdeführerin stellte am 04.01.2018 durch ihren gesetzlichen Vertreter den dem gegenständlichen Beschwerdeverfahren zugrundeliegenden Antrag auf internationalen Schutz. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 19.02.2018 wurde dieser Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.), gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 wurde der Zweitbeschwerdeführerin der Status einer subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt (Spruchpunkt II.) und ihr gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 29.09.2018 erteilt (Spruchpunkt III.).

Gegen Spruchpunkt I. erhob die Zweitbeschwerdeführerin durch ihren gesetzlichen Vertreter fristgerecht Beschwerde.

Die Erstbeschwerdeführerin ist die Witwe eines desertierten Soldaten der syrischen Armee und illegal ausgereist. Diese Umstände, weiters dass sie zuletzt in einem Rebellengebiet wohnte sowie ihr langer Auslandsaufenthalt könnten vom syrischen Regime dahingehend ausgelegt werden, dass die Erstbeschwerdeführerin eine oppositionelle Haltung gegenüber dem Regime einnimmt, womit ihr mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit politische Verfolgung bei einer Rückkehr nach Syrien droht.

Eine hinsichtlich des Reiseweges zumutbare und legale Rückkehr nach Syrien ist nur über den Flughafen in Damaskus möglich, der sich in der Hand der Regierung befindet.

Zur maßgeblichen Situation in Syrien:

"Folter und unmenschliche Behandlung

Die weit verbreitete Anwendung von Folter in Syrien zeigt die Straflosigkeit, mit der die Konfliktparteien agieren. Folter wird eingesetzt, um an Informationen zu gelangen und um die Zivilbevölkerung zu bestrafen und zu terrorisieren (UNHRC 11.8.2016).

Folter und andere Misshandlungen wurden durch das syrische Regime schon seit Jahrzehnten genutzt, um Widerstand zu unterdrücken (AI 17.8.2016). Das syrische Regime und die mit ihm verbündeten Milizen begehen physische Misshandlungen und Folter an Oppositionellen und Zivilisten. Regierungsangestellte misshandeln Gefangene. Vergewaltigung und sexueller Missbrauch von Frauen, Männern und auch von Minderjährigen sind weitverbreitet und werden als Kriegstaktik eingesetzt (USDOS 13.4.2016; vgl. HRW 27.1.2016). Viele der Opfer von Folter sind Männer zwischen 18 und 60 Jahren. Das Regime foltert jedoch auch Frauen und Kinder, welche sich in Gewahrsam befinden (UNHRC 11.8.2016). Manche Opfer von Folter werden festgenommen, weil sie Aktivisten sind, oder als die Regierung nicht ausreichend unterstützend wahrgenommen werden. Opfer von Folter werden auch Mitglieder oder Verwandte von Mitgliedern bewaffneter Gruppen (UNHRC 11.8.2016).

Die syrischen Sicherheitskräfte führen willkürliche Festnahmen durch und lassen häufig Festgenommene in dem weitreichenden Netzwerk an Haftanstalten in Syrien verschwinden. Viele der Häftlinge sind junge Männer im Alter von 20 bis 30 Jahren, jedoch sind auch Kinder, Frauen und ältere Menschen unter den Inhaftierten (HRW 27.1.2016). Berichten zufolge wurden Familienmitglieder durch die Sicherheitskräfte der syrischen Regierung festgenommen, darunter auch Kinder, um gesuchte Personen dazu zu bewegen, sich den Sicherheitskräften zu stellen (HRW 27.1.2016; vgl. USDOS 13.4.2016). Schätzungen zufolge sind seit 2011 in Gefängnissen der syrischen Regierung 17.723 Menschen durch Folter, Misshandlungen und katastrophale Haftbedingungen ums Leben gekommen (AI 18.8.2016). Das syrische Regime stellt falsche Totenscheine aus, offenbar mit dem Ziel, die wahre Ursache und den Ort des Todes der Gefangenen zu verschleiern (USDOS 13.4.2016).

Rebellengruppierungen begehen ebenfalls schwere Menschenrechtsverletzungen, wie Inhaftierungen, Folter, Hinrichtungen von (also solche wahrgenommenen) Andersdenkenden und Rivalen und konfessionell motivierte Tötungen von Zivilisten (FH 27.1.2016). Manche Gruppen fügen Gefangenen, von denen vermutet wird, sie wären Mitglieder von regierungstreuen Milizen, schweren körperlichen und psychischen Schmerz zu, um Informationen oder Geständnisse zu erlangen, oder als Bestrafung oder Zwangsmittel (USDOS 13.4.2016). Des Weiteren begehen sie Massaker, Morde, Folter, Geiselnahmen, Verschwindenlassen, Vergewaltigungen und sexuelle Gewalt und setzen Kinder in Kampfhandlungen ein (UKFCO 8.2016).

Auch der IS begeht Misshandlungen, Folter, Bestrafungen von Individuen, und agiert mit Brutalität. Der IS bestraft regelmäßig Opfer in der Öffentlichkeit und zwingt Bewohner, inklusive Kindern, Hinrichtungen und Amputationen mitanzusehen (USDOS 13.4.2016).

Quellen:

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AI - Amnesty International (17.8.2016): "It breaks the human":

Torture, disease and death in Syria's prisons [MDE 24/4508/2016], http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1471499119_mde2445082016english.PDF, Zugriff 2.12.2016

-

AI - Amnesty International (18.8.2016): Schwere Folter in syrischen Gefängnissen,

http://www.amnesty.de/2016/8/18/schwere-folter-syrischen-gefaengnissen, Zugriff 22.11.2016

-

FH-Freedom House (27.1.2016): Freedom in the World 2016-Syria, https://www.ecoi.net/local_link/327745/454885_en.html, Zugriff 22.11.2016

-

HRW - Human Rights Watch (27.1.2016): World Report 2016 - Syria, https://www.ecoi.net/local_link/318418/443598_en.html, Zugriff 18.11.2016

-

UKFCO - UK Foreign and Commonwealth Office (21.7.2016): Human Rights and Democracy Report 2015- Human Rights Priority Country update report: January to June 2016, http://www.ecoi.net/local_link/329304/470272_de.html, Zugriff 22.11.2016

-

UNHRC - United Nations Human Rights Council (11.8.2016): Report of the Independent International Commission of inquiry on the Syrian Arab Republic,

https://www.ecoi.net/file_upload/1930_1474461066_g1617860.pdf, Zugriff 22.11.2016

-

USDOS - US Department of State (13.4.2016): Country Report on Human Rights Practices 2015-Syria, http://www.ecoi.net/local_link/322447/461924_de.html, Zugriff 18.11.2016

Allgemeine Menschenrechtslage

Seit Konfliktbeginn 2011 bis September 2016 wurden in Syrien ungefähr 430.000 Menschen getötet (SOHR 13.9.2016). 2015 verschlechterte sich die Menschenrechtssituation durch den sich intensivierenden Konflikt in Syrien weiter (UKFCO 21.4.2016). Regimeeinheiten führen weiterhin willkürliche Verhaftungen, Verschwindenlassen und Folter an Häftlingen durch, von denen viele in Haft starben. Das Regime und seine Verbündeten führten willkürliche und absichtliche Angriffe auf Zivilisten durch. Sie führten Angriffe mit Fassbomben, Artillerie, Mörsern und Luftangriffe auf zivile Wohngebiete, Schulen, Märkte und medizinische Einrichtungen durch, was zu zivilen Opfern führte (UKFCO 21.4.2016; vgl. AI 24.2.2016).

Lang anhaltende Belagerungen durch Regierungskräfte führen dazu, dass der eingeschlossenen Zivilbevölkerung Lebensmittel, ärztliche Betreuung und andere lebenswichtige Dinge vorenthalten werden. Außerdem werden Zivilisten beschossen bzw. angegriffen (AI 24.2.2016).

Aufständische Gruppen begingen schwere Menschenrechtsverletzungen, wobei die Vereinten Nationen berichteten, dass die Menschenrechtsverletzungen durch das Regime schwerer wogen. Menschenrechtsverletzungen durch Rebellengruppierungen waren zum Beispiel Festnahmen, Folter, Hinrichtungen von wahrgenommenen Andersdenkenden oder Rivalen und konfessionell motivierte Tötungen von Zivilisten. Die schlimmsten Menschenrechtsverletzungen wurden durch jihadistische bewaffnete Gruppen begangen. (FH 27.1.2016).

Der IS ist für systematische und weitverbreitete Menschenrechtsverletzungen verantwortlich, welche auch auf Zivilisten abzielen. Auch Jabhat Fatah al-Sham [ehemals Jabhat al-Nusra] und einige andere extremistische Gruppen begehen Menschenrechtsverletzungen (UKFCO 21.4.2016). Syrische Kinder sind auch hinsichtlich Kinderehen gefährdet (USDOS 30.6.2016). Sexuelle Versklavung und Zwangsheiraten sind zentrale Elemente der Ideologie des IS. Mädchen und Frauen werden zur Heirat mit Kämpfern gezwungen. Frauen und Mädchen, die Minderheiten angehören, werden sexuell versklavt (USDOS 30.6.2016). Frauen erleben in vom IS gehaltenen Gebieten willkürliche und schwere Bestrafungen, inklusive Hinrichtungen durch Steinigung. Frauen und Männer werden bestraft, wenn sie sich nicht den Vorstellungen des IS entsprechend kleiden (USDOS 13.4.2016). IS-Kämpfer sind für standrechtliche Exekutionen von gefangengenommenen Regierungssoldaten, Angehörigen rivalisierender bewaffneter Gruppen sowie Medienschaffenden und gefangengenommenen Zivilpersonen verantwortlich. In den vom IS kontrollierten Gebieten hat der IS seine strenge Auslegung des islamischen Rechts eingeführt. Es kommt dort häufig zu öffentlichen Hinrichtungen. Unter den Opfern befinden sich Menschen, denen Abfall vom Glauben, Ehebruch oder Diebstahl zur Last gelegt wird, sowie Menschen, die wegen ihrer tatsächlichen oder vermeintlichen sexuellen Orientierung angeklagt wurden (AI 24.02.2016).

Die staatlichen Sicherheitskräfte halten nach wie vor Tausende Menschen ohne Anklageerhebung über lange Zeit in Untersuchungshaft. Viele von ihnen sind unter Bedingungen inhaftiert, die den Tatbestand des Verschwindenlassens erfüllen (AI 24.2.2016).

Quellen:

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AI - Amnesty International (24.2.2016): Amnesty International Report 2015/16 - The State of the World's Human Rights - Syria, https://www.ecoi.net/local_link/319684/445040_en.html, Zugriff 4.11.2016

-

FH - Freedom House (27.1.2016): Freedom in the World 2016 - Syria, https://www.ecoi.net/local_link/327745/454885_en.html, Zugriff 11.11.2016

-

SOHR - Syrian Observatory for Human Rights (13.09.2016): About 430 thousand were killed since the beginning of the Syrian revolution, http://www.syriahr.com/en/?p=50612, Zugriff 11.11.2016

-

UKFCO - UK Foreign and Commonwealth Office (21.4.2016): Human Rights and Democracy Report 2015-Chapter IV: Human Rights Priority Countries-Syria,

https://www.ecoi.net/local_link/322999/448821_en.html, Zugriff 4.11.2016

-

USDOS - US Department of State (13.4.2016): Country Report on Human Rights Practices 2015 - Syria, http://www.ecoi.net/local_link/322447/461924_de.html, Zugriff 1.12.2016

-

USDOS - US Department of State (30.6.2016): Trafficking in Persons Report 2016 - Country Narratives - Syria, https://www.ecoi.net/local_link/326111/452562_en.html, Zugriff 4.11.2016

Frauen

Viele Abschnitte des Familien- und Strafrechtes behandeln Frauen und Männer nicht gleich, darunter das Familienstandsgesetz und das Staatsbürgerschaftsrecht. Eine Frau ist laut Gesetz zwar berechtigt, die Scheidung einzureichen, sie hat jedoch nicht immer das Recht auf Alimente, beispielsweise wenn sie ihr Recht auf Alimente aufgibt, um ihren Ehemann zu überzeugen der Scheidung zuzustimmen. Sie verliert zudem das Sorgerecht für ihre Söhne ab dem Alter von 13 Jahren und ihre Töchter ab dem Alter von 15 Jahren an die Familie des früheren Ehemannes (USDOS 13.4.2016). Für Muslime ist das Familienstandsgesetz durch die Scharia geregelt und für Christen durch das Kirchengesetz, welches manchmal Scheidung verbietet. Frauen können die Staatsbürgerschaft nicht an ihre Kinder weitergeben (FH 27.1.2016).

Frauen sind Gewalt, Diskriminierung und starken Einschränkungen ihrer Rechte ausgesetzt. Vergewaltigungen sind weit verbreitet und die Regierung und deren Verbündete setzten Vergewaltigungen gegen Frauen, aber auch gegen Männer und Kinder, welche als der Opposition zugehörig wahrgenommen werden, ein, um diese zu terrorisieren oder zu bestrafen. Das tatsächliche Ausmaß von sexueller Gewalt in Syrien lässt sich nur schwer einschätzen, da viele Vergehen nicht angezeigt werden. Es passieren auch Vergewaltigungen durch Wächter und Sicherheitskräfte in Haftanstalten. Vergewaltigung ist zwar laut Gesetz strafbar, die Regierung vollstreckt dieses Gesetz jedoch nicht. Außerdem kann der Täter Straffreiheit erlangen, wenn er das Opfer heiratet, um so das soziale Stigma einer Vergewaltigung zu vermeiden. Menschenrechtsorganisationen berichten außerdem von einem Anstieg an sogenannten Ehrenmorden, aufgrund der hohen Anzahl an Vergewaltigungen durch die Regierungseinheiten und sexuelle Versklavung und Ausbeutung durch den IS (USDOS 13.4.2016).

Auch an Checkpoints, welche von den verschiedenen bewaffneten Gruppierungen besetzt sind (The Independent 29.1.2016; vgl. WILPF 11.2016), sowie bei Hausdurchsuchungen durch Sicherheitskräfte kommt es zu Vergewaltigungen und sexuellen Übergriffen (WILPF 11.2016).

Die Anzahl an Kinderehen ist hoch, besonders bei vertriebenen und flüchtenden Familien, welche junge Töchter verheiraten, um sie vor Vergewaltigung zu schützen, eine Vergewaltigung zu vertuschen - oder aus wirtschaftlicher Not (FH 27.1.2016; vgl. The Independent 29.1.2016).

In Konfliktgebieten werden Frauen auch Opfer von Entführungen durch bewaffnete Gruppen, welche ihre Gegner nicht militärisch besiegen konnten, und Entführungen dazu nutzen, um die Gegenseite zur Kapitulation zu zwingen (The Independent 29.1.2016).

Extremistische Gruppierungen, wie der IS oder Jabhat Fatah al-Sham, setzen Frauen in den von ihnen kontrollierten Gebieten diskriminierenden Beschränkungen aus. Solche Beschränkungen sind z. B. strenge Kleidervorschriften, Einschränkungen bei der Teilnahme am öffentlichen Leben, bei der Bewegungsfreiheit und beim Zugang zu Bildung und Arbeitsmarkt. In Gebieten, die der IS kontrolliert, wurde ein Dokument veröffentlicht, welches Frauen unter Androhung der Todesstrafe die Befolgung von 16 Punkten vorschreibt. Die Punkte waren unter anderem, das Haus nicht ohne einen männlichen nahen Verwandten (mahram) zu verlassen, weite Kleidung, ein Kopftuch und einen Gesichtsschleier zu tragen, Friseursalons zu schließen, in der Öffentlichkeit nicht auf Stühlen zu sitzen und keine männlichen Ärzte aufzusuchen (USDOS 13.4.2016; vgl. The Independent 29.1.2016). In Raqqa gründete der IS die "al-Khansaa"-Brigade, welche hauptsächlich aus nicht-syrischen Frauen besteht und die Regeln des IS bei Frauen durchsetzen soll (USDOS 13.4.2016; vgl. The Independent 29.2.2016).

Außerhalb der Gebiete, die unter der Kontrolle des Regimes stehen, unterscheiden sich die Bedingungen für Frauen sehr stark voneinander. Von extremer Diskriminierung, sexueller Versklavung und erdrückenden Verhaltens- und Kleidungsvorschriften in Gebieten des IS, zu formaler Gleichberechtigung in den Gebieten unter der kurdischen Partei der Demokratischen Union (PYD), wo Regierungssitze immer von einer Frau und einem Mann besetzt sind und Frauen in der Politik und im Militärdienst gut vertreten sind (FH 27.1.2016).

Quellen:

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FH - Freedom House (27.1.2016): Freedom in the World 2016 - Syria, https://www.ecoi.net/local_link/327745/468444_de.html, Zugriff 30.11.2016

-

The Independent (29.1.2016): This is the brutal effect of war on the women of Syria,

http://www.independent.co.uk/voices/this-is-the-brutal-effect-of-war-on-the-women-ofsyria-a6841856.html, Zugriff 30.11.2016

-

The Independent (29.2.2016): Isis starts using female fighters an suicide bombers for the first time, http://www.independent.co.uk/news/world/africa/isis-starts-using-femalefightersand-suicide-bombers-for-the-first-time-a6903166.html, Zugriff 30.11.2016

-

USDOS - US Department of State (13.4.2016): Country Report on human Right Practices 2015 - Syria, http://www.ecoi.net/local_link/322447/461924_de.html, Zugriff 30.11.2016

-

WILPF - Women's International League for Peace and Freedom (11.2016): Violations against Women in Syria and the disproportionate impact of the conflict on them, http://wilpf.org/wp-content/uploads/2016/06/WILPF_VAW_HC-2016_WEBONEPAGE.pdf, Zugriff 30.11.2016

Risikoprofile (Quelle: UNHCR-Erwägungen zum Schutzbedarf von Personen, die aus der Arabischen Republik Syrien fliehen, 4. aktualisierte Fassung aus November 2015)

Werden Asylanträge von Asylsuchenden aus Syrien auf Einzelfallbasis gemäß bestehenden Asylverfahren oder Verfahren zur Feststellung der Flüchtlingseigenschaft geprüft, so ist UNHCR der Ansicht, dass Personen mit einem oder mehreren der unten beschriebenen Risikoprofile wahrscheinlich internationalen Schutz im Sinne der GFK benötigen, sofern keine Ausschlussklauseln anwendbar sind. Bei Familienangehörigen und Personen, die auf sonstige Weise Menschen mit den nachfolgend aufgeführten Risikoprofilen nahestehen, ist es je nach den Umständen des Einzelfalls ebenfalls wahrscheinlich, dass sie internationalen Flüchtlingsschutz benötigen. Sofern relevant, sollte besonderes Augenmerk auf jegliche Verfolgung gelegt werden, der Asylsuchende in der Vergangenheit möglicherweise ausgesetzt waren.

Die nachstehend aufgeführten Risikoprofile sind nicht unbedingt abschließend und können sich überschneiden. Die Reihenfolge der aufgeführten Profile impliziert keine Hierarchie. Die Profile basieren auf Informationen, die UNHCR zum Zeitpunkt der Erstellung dieses Dokuments vorlagen. Ein Antrag sollte daher nicht automatisch als unbegründet erachtet werden, weil er keinem hier aufgeführten Profil entspricht.

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Personen, die tatsächlich oder vermeintlich in Opposition zur Regierung stehen, einschließlich, jedoch nicht beschränkt auf Mitglieder politischer Oppositionsparteien; Aufständische, Aktivisten und sonstige Personen, die als Sympathisanten der Opposition angesehen werden; Mitglieder bewaffneter oppositioneller Gruppen bzw. Personen, die als Mitglieder bewaffneter oppositioneller Gruppen angesehen werden; Wehrdienstverweigerer und Deserteure der Streitkräfte; Mitglieder der Regierung und der Baath-Partei, die ihre Ämter niedergelegt haben; Familienangehörige von tatsächlichen oder vermeintlichen Regierungsgegnern sowie andere Personen, die mit tatsächlichen oder vermeintlichen Regierungsgegnern in Verbindung gebracht werden; Zivilisten, die in vermeintlich regierungsfeindlichen städtischen Nachbarschaften, Städten und Dörfern leben.

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Personen, die tatsächliche oder vermeintliche Gegner von ISIS sind, und sich in Gebieten aufhalten, in denen ISIS de facto die Kontrolle oder Einfluss ausübt.

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Frauen, insbesondere Frauen ohne Schutz durch Männer, Frauen, die Opfer von sexueller Gewalt, von Kinder- und Zwangsheirat, häuslicher Gewalt, Verbrechen zur Verteidigung der Familienehre ("Ehrendelikt") und Menschenhandel wurden, oder einem entsprechenden Risiko ausgesetzt sind.

UNHCR, Relevante Herkunftslandinformation zur Unterstützung bei der Anwendung der UNHCR Richtlinien für Syrien, "Illegale" Ausreise und verwandte Themen für die Statuszuerkennung von Asylsuchenden aus Syrien, Februar 2017:

I.) Ausreise aus Syrien: Die Informationen beruhen auf syrischem Recht; allerdings können Rechtsgrundlagen in Syrien willkürlich und unvorhersehbar angewendet werden. Über spezifische Anordnungen an Grenzposten gibt es keine Informationen. Prinzipiell können SyrerInnen unter Verwendung ihrer Pässe (oder ID-Karten für den Libanon) das Land über jeden Grenzposten, der in Betrieb ist, verlassen. Personen, die ohne gültige Ausweise, nicht über offizielle Grenzübergänge oder ohne Genehmigung ein- oder ausreisen, können mit Haft- oder einer Geldstrafe belegt werden. Ob diese Bestimmung angewendet wird, ist unklar.

2. Beweiswürdigung

Zu den Feststellungen zur Situation im Herkunftsstaat:

Die Länderfeststellungen stützen sich auf das Länderinformationsblatt der BFA-Staatendokumentation vom 25.01.2018, auf die UNHCR-Erwägungen zum Schutzbedarf von Personen, die aus der Arabischen Republik Syrien fliehen, vom November 2015 (4. Aktualisierte Fassung) sowie auf die Herkunftslandinformationen des UNHCR vom Februar 2017. All diese Dokumente sind dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl amtsbekannt.

Die Feststellung hinsichtlich des allfälligen Reiseweges im Falle einer Rückkehr nach Syrien ergibt sich aus dem Amtswissen und dass eine andere legale und hinsichtlich des Reiseweges (also des Weges außerhalb Syriens) zumutbare Heimreiseroute nicht ersichtlich ist. Dass der Flughafen in Damaskus sich in der Hand der Regierung befindet ist notorisch.

Die Identität und die Staatsangehörigkeit der Beschwerdeführerinnen wurden bereits von der belangten Behörde festgestellt. Auch für das Bundesverwaltungsgericht besteht nach derzeitigem Kenntnisstand kein Anlass, das diesbezüglich glaubwürdige Vorbringen der Erstbeschwerdeführerin sowie ihr Vorbringen zu ihrer Volkgruppenzugehörigkeit und zu ihrem Religionsbekenntnis in Zweifel zu ziehen, zumal im Verfahren auch der syrische Personalausweis der Erstbeschwerdeführerin und eine Geburtsurkunde der Zweitbeschwerdeführerin vorgelegt wurden.

Das Datum der Antragstellungen sowie der bisherige Verfahrensgang ergeben sich darüber hinaus aus den Verwaltungsakten.

Die Feststellung, dass die Erstbeschwerdeführerin zunächst in Damaskus, vor der Ausreise in XXXX , im Gouvernement XXXX wohnte, ergibt sich aus ihren glaubhaften Angaben.

Die Feststellung, dass XXXX und XXXX derzeit unter Kontrolle des Regimes liegen, ergibt sich aus wikipedia und einer Nachschau unter https://syria.liveuamap.com/.

Die Feststellungen, dass die Erstbeschwerdeführerin aufgrund der Desertion ihres ersten Ehemannes aus der syrischen Armee Damaskus verlassen und sie sodann XXXX wegen Bedrohungen durch den IS verlassen hat, ergeben sich aus ihren glaubwürdigen Angaben.

Eine sich verstärkende Besonderheit des Konflikts in Syrien ist der Umstand, dass die verschiedenen Konfliktparteien oftmals größeren Personengruppen, einschließlich Familien, Stämmen, religiösen bzw. ethnischen Gruppen sowie ganzen Städten, Dörfern und Wohngebieten, eine politische Meinung unterstellen. Dies trifft auf die Erstbeschwerdeführerin als Witwe eines Deserteurs zu.

Die Rückkehrbefürchtungen der Erstbeschwerdeführerin stellen sich daher - vor dem Hintergrund der dem gegenständlichen Verfahren zugrunde gelegten Länderfeststellungen -als plausibel dar.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann - soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist - das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 EMRK noch Art. 47 GRC entgegenstehen.

Zu Spruchpunkt A)

Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG hat die Behörde einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 zurückzuweisen ist, den Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht.

Zentrales Element des Flüchtlingsbegriffes ist die "begründete Furcht vor Verfolgung". Die begründete Furcht vor Verfolgung liegt dann vor, wenn objektiver Weise eine Person in der individuellen Situation des Asylwerbers Grund hat, eine Verfolgung zu fürchten. Verlangt wird eine "Verfolgungsgefahr", wobei unter Verfolgung ein Eingriff von erheblicher Intensität in die vom Staat zu schützende Sphäre des Einzelnen zu verstehen ist, welcher geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen. Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in den in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen haben und muss ihrerseits Ursache dafür sein, dass sich die betreffende Person außerhalb ihres Heimatlandes bzw. des Landes ihres vorigen Aufenthaltes befindet. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein. Zurechenbarkeit bedeutet nicht nur ein Verursachen, sondern bezeichnet eine Verantwortlichkeit in Bezug auf die bestehende Verfolgungsgefahr. Die Verfolgungsgefahr muss aktuell sein, was bedeutet, dass sie zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung vorliegen muss. Bereits gesetzte vergangene Verfolgungshandlungen stellen im Beweisverfahren ein wesentliches Indiz für eine bestehende Verfolgungsgefahr dar, wobei hierfür dem Wesen nach einer Prognose zu erstellen ist. Besteht für den Asylwerber die Möglichkeit, in einem Gebiet seines Heimatstaates, in dem er keine Verfolgung zu befürchten hat, Aufenthalt zu nehmen, so liegt eine so genannte inländische Fluchtalternative vor, welche die Asylgewährung ausschließt (vgl. VwGH vom 24.03.1999, Zl. 98/01/0352).

Der Erstbeschwerdeführerin ist der Status einer Asylberechtigten aus folgenden Gründen zuzuerkennen:

Gemäß der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist für die Beurteilung, ob wohlbegründete Furcht vor Verfolgung im Sinn der GFK vorliegt, die Gesamtsituation des Asylwerbers zu berücksichtigen und einzelne zusammenhängende Aspekte seiner Situation im Herkunftsstaat nicht aus dem (asylrechtlich relevanten) Zusammenhang gerissen werden dürfen (vgl. VwGH 22.01.2016, Ra 2015/20/0157 unter Hinweis auf seine Erkenntnisse vom 10.06.1998, 96/20/0287 und vom 23.07.1998, 96/20/0144; zum Erfordernis einer Gesamtbetrachtung vgl. etwa auch VwGH 27.04.2006, 2003/20/0181). So können etwa auch Schicksale von Familienangehörigen im Rahmen der Beurteilung der Gesamtsituation des Asylwerbers - je nach Sachlage - nicht unmaßgeblich sein (vgl. VwGH 22.01.2016, Ra 2015/20/0157; zur Asylrelevanz einer Verfolgung wegen der "bloßen" Angehörigeneigenschaft und zur Anerkennung des Familienverbandes als "soziale Gruppe" im Sinne der GFK s. VwGH 14.01.2003, 2001/01/0508; vgl. auch VwGH 16.12.2010, 2007/20/0939). Dem Umstand, dass ein Asylwerber bisher keiner Verfolgung im Herkunftsstaat ausgesetzt war, kommt etwa dann keine maßgebliche Bedeutung zu, wenn er bei Rückkehr nicht mehr mit dem früheren Desinteresse der Verfolger rechnen kann (vgl. zB VwGH 16.12.2010, 2007/20/0939).

Eine dem oben genannten Erfordernis einer Gesamtbetrachtung entsprechende Gesamtbeurteilung (aller risikobegründenden individuellen Faktoren vor dem Hintergrund der Situation im Herkunftsstaat [bei der Rückkehr]) führt im vorliegenden Fall der Erstbeschwerdeführerin zum Ergebnis, dass diese in Syrien (bei einem neuerlichen Aufenthalt/einer Rückkehr) schon auf Grund ihres individuellen Profils mit großer Wahrscheinlichkeit Gefahr laufe, in das Blickfeld des syrischen Regimes zu geraten und als "oppositionell" angesehen zu werden.

Bei der Beurteilung der Rückkehrgefährdung ist angesichts der Besonderheit der Verhältnisse und des Konfliktes in Syrien davon auszugehen, dass eine Rückkehr/Wiedereinreise vom Ausland nach Syrien (in das Herkunftsgebiet der Erstbeschwerdeführerin unter der Kontrolle des syrischen Regimes mit Checkpoints) die Aufmerksamkeit der syrischen Regierung erweckt und ein Kontakt mit syrischen Behördenorganen bzw. Milizen der syrischen Regierung unvermeidlich ist. Dabei ist dem Umstand, dass der verstorbene Ehegatte der Erstbeschwerdeführerin von der syrischen Armee desertiert ist und in ein Gebiet zog, welches damals nicht unter der Herrschaft des syrischen Regimes stand, Bedeutung beizumessen. Da der verstorbene Ehegatte der Erstbeschwerdeführerin seinen Militäreinsatz an der Seite des syrischen Regimes beendete und somit eine weitere Unterstützung dieses Regimes ablehnte, ist bereits der Eindruck der Illoyalität gegenüber dem syrischen Regime abzuleiten. Daraus ergibt sich für das syrische Regime im Weiteren, dass die Erstbeschwerdeführerin ebenso keine Sympathisantin/Unterstützerin des syrischen Regimes ist. Es ist mit großer Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass das syrische Regime der Erstbeschwerdeführerin "oppositionelles" Gedankengut zuordnen wird. Denn den Feststellungen zufolge gelten Deserteure als "Oppositionelle" der syrischen Regierung, werden die Familien von Deserteuren üblicherweise schikaniert und gilt die Asylantragstellung im Ausland als illoyaler Akt und als Zeichen oppositioneller Gesinnung und sind auch Familienangehörige von (vermeintlichen) "Oppositionellen" der Verfolgung durch das syrische Regime ausgesetzt.

Vor dem Hintergrund der Verhältnisse in Syrien kommt der Verfolgung bzw. den Schicksalen von Familienangehörigen asylrechtliche Bedeutung im oben angeführten Sinn zu, sodass die Desertion des verstorbenen Ehegatten der Erstbeschwerdeführerin in ihrem Verfahren zu beachten ist.

Dabei ist auch darauf Bedacht zu nehmen, dass die Schwelle dafür, von Seiten des syrischen Regimes als "oppositionell" betrachtet zu werden, niedrig ist und die Erstbeschwerdeführerin auch (bzw. umso mehr) einer politisch oppositionellen Haltung verdächtigt werden könnte, weil sie Sunnitin ist ([Arabische] Sunniten werden im Allgemeinen und insbesondere, wenn sie aus Gebieten stammen, die bekanntermaßen mit der Opposition sympathisieren oder unter der de facto Kontrolle bewaffneter oppositioneller Gruppen stehen, als regierungsfeindlich wahrgenommen; s. UNHCR-Erwägungen zum Schutzbedarf von Personen, die aus der Arabischen Republik Syrien fliehen, November 2015) und sie zuletzt in einem Gebiet unter Rebellenkontrolle lebte (Zivilpersonen, die aus Gebieten stammen oder in Gebieten wohnen, in denen es zu Protesten der Bevölkerung kam und/oder in denen bewaffnete oppositionelle Gruppierungen in Erscheinung treten oder (zeitweise) die Kontrolle übernommen haben, werden im Allgemeinen mit der Opposition in Verbindung gebracht; s. UNHCR-Erwägungen zum Schutzbedarf von Personen, die aus der Arabischen Republik Syrien fliehen, November 2015; zu einer unterstellten politischen Gesinnung wegen Herkunft aus einem bestimmten Gebiet s. etwa VwGH 08.04.2003, 2001/01/0435).

Es ist daher zu erwarten, dass die Erstbeschwerdeführerin als in Opposition zum syrischen Regime stehend angesehen werden wird (ihr eine oppositionelle Gesinnung zumindest unterstellt werden wird).

Es sind ferner keine substantiellen Hinweise zu erkennen, die dafür sprechen, dass die Erstbeschwerdeführerin ungeachtet dieser Umstände als Anhängerin des Regimes angesehen werden könnte und dass die Erstbeschwerdeführerin in einem rechtsstaatlichen Verfahren die Gelegenheit haben könnte, den Eindruck (Vorwurf) einer regimefeindlichen Gesinnung zu entkräften.

Die für die Asylgewährung erforderliche Anknüpfung an einen Konventionsgrund ist gegeben, da der Grund für die Verfolgung der Erstbeschwerdeführerin jedenfalls wesentlich in der ihr zugeschriebenen oppositionellen politischen Gesinnung zu sehen ist. Für das Vorliegen einer asylrelevanten Verfolgungsgefahr ist es im Übrigen nicht maßgeblich, ob der Asylwerber wegen einer von ihm tatsächlich vertretenen oppositionellen Gesinnung verfolgt wird. Es reicht aus, dass eine staatsfeindliche politische Gesinnung zumindest unterstellt wird und die Aussicht auf ein faires staatliches Verfahren zur Entkräftung dieser Unterstellung nicht zu erwarten ist, oder dass eine Strafe für ein Delikt so unverhältnismäßig hoch festgelegt wird, dass die Strafe nicht mehr als Maßnahme einzustufen wäre, die dem Schutz legitimer Interessen des Staates dient (vgl. etwa das VwGH 06.05.2004, 2002/20/0156). Davon, dass es sich bei den drohenden Repressalien um Maßnahmen zum Schutz legitimer Interessen des Staates handelt, kann im vorliegenden Fall nicht ausgegangen werden. Selbst wenn man der Erstbeschwerdeführerin keine "oppositionelle Gesinnung" unterstellen würde, wäre sie (bloß) wegen der Desertion des ersten Ehemannes der Erstbeschwerdeführerin unter dem Blickwinkel des Konventionsgrundes der "Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe", nämlich jener der "Familie", mit asylrelevanter Verfolgung bedroht. Die drohende Inanspruchnahme der Erstbeschwerdeführerin (im Wege der "Sippenhaft") (bloß) wegen eines Familienangehörigen knüpft an den zuletzt genannten Konventionsgrund an; im Übrigen auch unabhängig davon, ob der Familienangehörige selbst aus Konventionsgründen verfolgt wird (zur Asylrelevanz einer Verfolgung wegen der "bloßen" Angehörigeneigenschaft und zur Anerkennung des Familienverbandes als "soziale Gruppe" im Sinne der GFK siehe die bereits oben angeführte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes).

Bei den der Erstbeschwerdeführerin seitens des syrischen Regimes drohenden gravierenden Menschenrechtsverletzungen (vom "Verschwindenlassen" bis hin zu Folter/Tötung) ist auch die Intensität der Verfolgungshandlung unzweifelhaft gegeben. Aus den Feststellungen der belangten Behörde ergibt sich, dass als oppositionell eingestufte Personen unverhältnismäßige "Behandlungen" zu gewärtigen haben.

Bei der gebotenen prognostischen Beurteilung der Verfolgungsgefahr und bei Gesamtbewertung aller risikobegründenden Faktoren ist das Vorliegen der "maßgeblichen Wahrscheinlichkeit" der Verfolgung im Sinne der oben angeführten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu bejahen (zum Erfordernis einer Gesamtbetrachtung vgl. etwa VwGH 27.04.2006, 2003/20/0181). Dass die Erstbeschwerdeführerin bisher keiner Verfolgung im Herkunftsstaat ausgesetzt war und bisher vom Regime unbehelligt im Rebellengebiet lebte, vermag daran nichts zu ändern, lässt sich doch bei der konkreten Sachlage daraus nicht ableiten, dass sie bei Rückkehr mit dem gleichen Desinteresse der syrischen Regierung rechnen kann (vgl. zB VwGH 16.12.2010, 2007/20/0939).

Entscheidend ist nämlich nicht, ob die Erstbeschwerdeführerin einer Bedrohungssituation in Syrien bereits ausgesetzt war (eine "persönliche" Verfolgung bereits stattgefunden hat), sondern vielmehr, ob sie bei einem Verbleib in Syrien von Verfolgungshandlungen betroffen gewesen wäre und solchen Verfolgungshandlungen noch ausgesetzt sein könnte (vgl. dazu VwGH 25.10.2005, 2002/20/0328; auch VwGH 28.03.1996, 95/20/0027). Nach dem Gesagten sprechen im vorliegenden Fall die aktuellen Umstände im Herkunftsstaat und die in der Person der Erstbeschwerdeführerin gelegenen individuellen Faktoren dafür, dass sie von Verfolgungshandlungen im Herkunftsstaat maßgeblich wahrscheinlich betroffen ist. Damit liegen aber substantielle, stichhaltige Gründe für das Vorliegen einer individuellen Gefahr der Verfolgung nach § 3 Abs. 1 AsylG iVm Art. 1 Abschnitt A Z 2 der GFK (und nicht bloß alle Staatsbürger gleichermaßen treffende Unbilligkeiten aufgrund des Bürgerkrieges/der allgemein schlechten Lage im Herkunftsstaat) vor. Die Furcht der Erstbeschwerdeführerin vor einer Verfolgung im Herkunftsstaat ist daher als "wohlbegründet" im Sinn der GFK anzusehen.

Diese Prognose steht im Einklang mit der Position des UNHCR zu Syrien (s. oben; zur Indizwirkung einer derartigen Position des UNHCR vgl. VwGH 16.01.2008, 2006/19/0182).

Gemäß § 2 Abs. 1 Z 22 AsylG 2005 ist im Sinne dieses Bundesgesetzes Familienangehöriger: wer Elternteil eines minderjährigen Kindes, Ehegatte oder zum Zeitpunkt der Antragstellung minderjähriges lediges Kind eines Asylwerbers oder eines Fremden ist, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten zuerkannt wurde, sofern die Ehe bei Ehegatten bereits im Herkunftsstaat bestanden hat; dies gilt weiters auch für eingetragene Partner, sofern die eingetragene Partnerschaft bereits im Herkunftsstaat bestanden hat sowie für den gesetzlichen Vertreter der Person, der internationaler Schutz zuerkannt worden ist, wenn diese minderjährig und nicht verheiratet ist, sofern dieses rechtserhebliche Verhältnis bereits im Herkunftsstaat bestanden hat.

Die Erstbeschwerdeführerin ist die Mutter der Zweitbeschwerdeführerin, sodass sie die Begriffsbestimmungen eines Familienangehörigen erfüllen.

Gemäß § 34 Abs. 4 AsylG 2005 hat die Behörde (hier: das Bundesverwaltungsgericht) An-träge von Familienangehörigen eines Asylwerbers gesondert zu prüfen; die Verfahren sind unter einem zu führen; unter den Voraussetzungen der Abs. 2 und 3 erhalten alle Familien-angehörigen den gleichen Schutzumfang. Entweder ist der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wobei die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten vorgeht, es sei denn, alle Anträge wären als unzulässig zurückzuweisen oder abzuweisen. Jeder Asylwerber erhält einen gesonderten Bescheid (hier: Erkenntnis). Ist einem Fremden der faktische Abschiebeschutz gemäß § 12a Abs. 4 zuzuerkennen, ist dieser auch seinen Familienangehörigen zuzuerkennen.

Entsprechend den erläuternden Bemerkungen zu § 34 Abs. 4 AsylG 2005 sollen alle Famili-enmitglieder einen eigenen Bescheid (hier: ein gesondertes Erkenntnis), aber mit gleichem Inhalt zugesprochen bekommen. Jener Schutzumfang, der das stärkste Recht gewährt, ist auf alle Familienmitglieder anzuwenden.

Somit war auch der Zweitbeschwerdeführerin im Sinne der Familieneinheit der Status einer Asylberechtigten zuzuerkennen.

Wurde ein Antrag auf internationalen Schutz mit oder nach dem 15. November 2015 gestellt, so wird gemäß § 3 Abs. 4 AsylG 2005 idF des Bundesgesetzes

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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