Index
40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AVG §52;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Köhler und die Hofrätinnen Dr. Bayjones, Mag.a Merl und Mag. Rehak sowie Hofrat Mag. Haunold als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Schreiber, über die Revision des Stadtmagistrates der Landeshauptstadt Innsbruck in 6020 Innsbruck, Maria-Theresien-Straße 18, gegen den Beschluss des Landesverwaltungsgerichts Tirol vom 3. Oktober 2017, LVwG- 2017/38/2226-1, betreffend Herstellung des gesetzmäßigen Zustandes (mitbeteiligte Partei: Mag. C M, vertreten durch Dr. Herbert Ernst Schöpf, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Arkadenhof, Maria-Theresien-Straße 34; belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht:
Stadtmagistrat der Landeshauptstadt Innsbruck; weitere Partei:
Tiroler Landesregierung), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Beschluss wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Begründung
1 Mit Bescheid des Stadtmagistrates der Landeshauptstadt Innsbruck (im Folgenden: Behörde) vom 31. Juli 2017 wurde dem Mitbeteiligten gemäß § 39 Abs. 1 Tiroler Bauordnung 2011 (TBO 2011) aufgetragen, hinsichtlich der auf Grundstück Nr. X, GB M, durchgeführten Hangabtragung und der Errichtung von Hangsicherungen den gesetzmäßigen Zustand binnen sechs Monaten ab Rechtskraft dieses Bescheides herzustellen (Spruchpunkt I.), und es wurde festgestellt, dass einer nachträglichen Erteilung einer Baubewilligung der Abweisungsgrund des § 27 Abs. 3 lit. a Z 1 TBO 2011 entgegenstehe (Spruchpunkt II.).
2 Der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde des Mitbeteiligten gab das Landesverwaltungsgericht Tirol (LVwG) mit dem angefochtenen Beschluss statt, hob den Bescheid auf und verwies die Angelegenheit an die Behörde zurück. Eine ordentliche Revision wurde für unzulässig erklärt.
Begründend führte das LVwG aus, laut Vorbringen in der Beschwerde habe die Behörde ihrer Entscheidung das Gutachten des Amtssachverständigen DI S zugrunde gelegt, der jedoch nicht die fachliche Befähigung aufweise. DI S habe auf telefonische Rückfrage des LVwG ausgeführt, dass er Bauingenieurwesen studiert habe, für die Tätigkeit als Bodenmechaniker fehle ihm eine Ziviltechnikerprüfung. Den vom Mitbeteiligten vorgelegten Gutachten von DI L sei somit seitens der Behörde nicht auf gleicher fachlicher Ebene begegnet worden; die Behörde werde daher einen geeigneten amtlichen oder nichtamtlichen Sachverständigen zu bestellen haben.
Die Behörde habe auch keine Ermittlungen zu dem Beschwerdevorbringen durchgeführt, die Errichtung der Spritzbetonmauer sei aufgrund einer Hangrutschung in Zusammenhang mit der nördlich befindlichen Privatstraße erforderlich gewesen, weshalb keine Zuständigkeit der Behörde gegeben sei. Diesbezüglich sei der Sachverhalt absolut mangelhaft erhoben worden.
Darüber hinaus habe die Behörde nicht ermittelt, welche konkreten Maßnahmen im Fall des Rückbaus gesetzt werden müssten und wie die Gefährdung der oberhalb der 10 m hohen Mauer gelegenen Gebäude verhindert werden könnte. § 39 TBO 2011 sehe zwar nicht die Vorschreibung von Auflagen vor, "aufgrund der Gefährdungssituation seien jedenfalls die Bestimmungen des § 56 ff AVG anzuwenden und die entsprechenden Maßnahmen vorzuschreiben." Auch über den Zeitraum, in welchem derartige Maßnahmen durchgeführt werden könnten, sei ein Sachverständigengutachten einzuholen.
Da somit umfangreiche Ermittlungsschritte zu setzen seien, die durch die Behörde zweckmäßig und zeitsparend - vor allem in Bezug auf die straßenrechtliche Frage - durchzuführen, seitens des LVwG jedoch "nicht möglich" seien, sei die Zurückverweisung trotz der restriktiven Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (Hinweis auf VwGH 26.6.2014, Ro 2014/03/0063) fallbezogen wegen gravierender Sachverhaltsmängel geboten gewesen.
3 Gegen diesen Beschluss richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision mit dem Begehren, der Verwaltungsgerichtshof möge gemäß § 42 Abs. 4 VwGG in der Sache selbst entscheiden, in eventu die Entscheidung wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes aufheben.
4 Der Mitbeteiligte beantragte, die Revision zurückzuweisen, in eventu abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
5 Die Revision bringt im Rahmen der Zulässigkeitsbegründung vor, das LVwG sei von der hg. Rechtsprechung abgewichen bzw. fehle eine solche. Eine allfällige Unzuständigkeit der Behörde hätte das LVwG in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen aufgreifen und den Bescheid ersatzlos beheben müssen (Hinweis etwa auf VwGH 25.5.2016, Ra 2015/06/0095). Zu der Frage, ob eine fehlende Ziviltechnikerprüfung geeignet sei, die fachliche Eignung eines Sachverständigen zur Beurteilung von technischen Fragen, die in seinem Fachgebiet lägen, in Frage zu stellen, fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes.
6 Angesichts des Vorbringens zur Unzulässigkeit der vorgenommenen Zurückverweisung nach § 28 Abs. 3 VwGVG erweist sich die Revision als zulässig.
7 Nach der ständigen hg. Judikatur kann die Rechtsprechung zur Rechtslage vor Einführung der Verwaltungsgerichtsbarkeit erster Instanz mit 1. Jänner 2014, wonach die Berufungsbehörde in jenen Fällen, in denen die Unterbehörde unzuständig war, allein dafür zuständig war, diese Unzuständigkeit - unabhängig davon, ob der Rechtsmittelwerber dies im Verfahren vorbrachte oder in der Berufung relevierte - aufzugreifen und den bekämpften Bescheid zu beheben, auf die geltende Rechtslage übertragen werden (vgl. etwa VwGH 25.5.2016, Ra 2015/06/0095, mit Verweis auf VwGH 29.10.2015, Ro 2015/07/0019).
8 Die Rechtsfrage, ob die Behörde zur Erlassung des gegenständlichen Wiederherstellungsauftrages zuständig war, hätte das LVwG prüfen und allenfalls den Bescheid ersatzlos aufheben müssen. Aus welchem Grund dem LVwG - etwa im Rahmen einer in der Beschwerde ausdrücklich beantragten mündlichen Verhandlung -
Ermittlungen "in Bezug auf die straßenrechtliche Frage ... nicht
möglich" seien, ist unklar. Durch die stattdessen vorgenommene Zurückverweisung der Beschwerde belastete das LVwG den angefochtenen Beschluss mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit.
9 Schon aus diesem Grund war der angefochtene Beschluss gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben, ohne dass die weiteren vom LVwG herangezogenen Gründe für die Aufhebung und Zurückverweisung zu prüfen waren.
10 Im Übrigen wird angemerkt: Falls die Behörde zur Erlassung des Wiederherstellungsauftrages unzuständig war, stellt sich die Frage der fachlichen Eignung des Amtssachverständigen DI S im Bauverfahren nicht. Insofern liegen auch keine Ermittlungsmängel vor. Sollte jedoch keine Unzuständigkeit der Behörde vorliegen, wird darauf hingewiesen, dass die mangelnde Fachkunde eines Amtssachverständigen mit Erfolg nur durch ein konkretes Vorbringen geltend gemacht werden kann, wonach das vom Sachverständigen erstattete Gutachten unrichtig oder unvollständig ist (vgl. VwGH 9.9.2015, 2013/03/0120, mwN; siehe auch VwGH 24.10.2017, Ra 2016/06/0104: der Umstand, dass ein Ziviltechniker für einen bestimmten Teilbereich nicht zum gerichtlich beeideten Sachverständigen bestellt ist, besagt nicht, dass er für diesen (von seiner Berufsbefugnis umfassten) Bereich nicht als Sachverständiger in einem Verwaltungsverfahren herangezogen werden könnte). Aus der Tatsache, dass der Amtssachverständige DI S über keine Ziviltechnikerprüfung für den Bereich Bodenmechanik verfügt, ist für sich genommen nicht abzuleiten, dass er über keine ausreichende Fachkunde auf diesem Bereich verfügt. Auch dabei handelt es sich um eine Rechtsfrage, die das LVwG grundsätzlich selbst zu beurteilen hat.
Wien, am 27. März 2018
Schlagworte
Anforderung an ein GutachtenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2018:RA2017060247.L00Im RIS seit
02.05.2018Zuletzt aktualisiert am
14.05.2018