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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);Norm
B-VG Art133 Abs4;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zens sowie die Hofrätin Mag. Rossmeisel und den Hofrat Mag. Stickler als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Friedwagner, über die Revision des H M in W, vertreten durch Mag. Susanne Singer, Rechtsanwältin in 4600 Wels, Maria-Theresia-Straße 9, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 27. Dezember 2017, Zl. W197 1418935- 2/27E, betreffend eine Angelegenheit nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
2 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
3 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
4 Der Revisionswerber bringt unter dem Gesichtspunkt einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zunächst vor, das Bundesverwaltungsgericht habe die Beurteilung, wonach mit der Abschiebung des Revisionswerbers nach Afghanistan keine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 3 EMRK verbunden sei, unzureichend begründet. Die verwendeten Länderberichte seien veraltet. Tatsächlich sei die Rückkehr nach Kabul - insbesondere unter Beachtung, dass der Revisionswerbers dort über kein soziales Netzwerk verfüge und der Volksgruppe der Hazara angehöre - "in existenzieller Hinsicht schwierig und problematisch". Das angefochtene Erkenntnis lasse eine ganzheitliche Bewertung der Gefahren vermissen.
5 Es entspricht der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, dass das Bundesverwaltungsgericht seinem Erkenntnis die zum Entscheidungszeitpunkt aktuellen Länderberichte zugrunde zu legen hat. Eine Verletzung dieser Vorgabe stellt einen Verfahrensmangel dar. Es reicht jedoch nicht aus, die Außerachtlassung von Verfahrensvorschriften zu behaupten, ohne die Relevanz der genannten Verfahrensmängel in konkreter Weise darzulegen (vgl. VwGH 22.2.2018, Ra 2017/18/0386, mwN).
6 Diesen Anforderungen wird die Revision, die zwar die Verwendung veralteter Länderberichte behauptet, nicht aber ausreichend konkret darlegt, welcher für das Verfahrensergebnis relevanter Sachverhalt sich aus der Heranziehung aktuellerer Berichte ergeben hätte, nicht gerecht.
7 Das Bundesverwaltungsgericht hat geprüft, ob im Fall der Rückkehr des Revisionswerbers - eines arbeitsfähigen, jungen Mannes mit achtjähriger Schulbildung - nach Afghanistan eine reale Gefahr ("real risk") einer Verletzung von Art. 2 und 3 EMRK besteht. Im Rahmen der anzustellenden ganzheitlichen Bewertung der möglichen Gefahren, die sich auf die persönliche Situation des Betroffenen in Relation zur allgemeinen Menschenrechtslage im Zielstaat zu beziehen hat (vgl. dazu näher etwa VwGH 19.6.2017, Ra 2017/19/0095), wurden alle im vorliegenden Fall relevanten Umstände berücksichtigt. Seine Beurteilung orientiert sich an den Leitlinien der hg. Rechtsprechung und wirft daher keine grundsätzliche Rechtsfrage des materiellen Rechtes auf (vgl. dazu aus der auf vergleichbarer Sachverhaltsgrundlage ergangenen Judikatur etwa VwGH 23.1.2018, Ra 2018/18/0001; 8.8.2017, Ra 2017/19/0118; VfGH 12.12.2017, E 2068/2017).
8 Soweit der Revisionswerber sich gegen die Rückkehrentscheidung wendet, ist darauf hinzuweisen, dass nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes eine unter Bedachtnahme auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalls in Form einer Gesamtbetrachtung durchgeführte Interessenabwägung im Sinn des Art. 8 EMRK im Allgemeinen - wenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgte und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde - nicht revisibel im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG ist (vgl. VwGH 22.11.2017, Ra 2017/19/0474, mwN).
9 Die Revision vermag nicht aufzuzeigen, dass die im vorliegenden Einzelfall vorgenommene Abwägung des Bundesverwaltungsgerichtes unvertretbar erfolgt wäre. Entgegen dem Revisionsvorbringen stützte sich das Bundesverwaltungsgericht nicht ausschließlich auf die rechtskräftigen strafgerichtlichen Verurteilungen des Revisionswerbers, sondern auch auf sämtliche anderen relevanten Umstände.
10 Der Berücksichtigung des erstmals in der Revision unter Vorlage von Urkunden erstatteten Vorbringens, der Revisionswerber habe sich einer Behandlung hinsichtlich seiner Drogenabhängigkeit unterzogen und eine Saisonarbeitsstelle angenommen, steht das im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof geltende Neuerungsverbot (§ 41 VwGG) entgegen und ist daher schon deshalb nicht geeignet eine grundsätzliche Rechtsfrage im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG aufzuzeigen (vgl. VwGH 14.12.2016, Ra 2016/19/0300).
11 In der Revision werden sohin keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.
Wien, am 5. April 2018
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2018:RA2018190077.L00Im RIS seit
02.05.2018Zuletzt aktualisiert am
17.05.2018