Index
E3R E02202000;Norm
31992R2913 ZK 1992 Art220 Abs2 litb;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn sowie die Hofräte Dr. Mairinger und Mag. Straßegger als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Karlovits, LL.M., über die Revision des Zollamtes Klagenfurt Villach in 9020 Klagenfurt, Siriusstraße 11, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes vom 20. Dezember 2017, Zl. RV/6200003/2016, betreffend nachträgliche buchmäßige Erfassung gemäß Art. 220 ZK (mitbeteiligte Partei: P in W), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Zur Vorgeschichte wird gemäß § 43 Abs. 2 VwGG auf VwGH 14.12.2015, 2013/16/0234 bis 0235, verwiesen, wo der Verwaltungsgerichtshof die nachträgliche buchmäßige Erfassung gemäß Art. 220 Zollkodex (ZK) von zehn Warenanmeldungen des Mitbeteiligten betreffend Aprikosenpüreekonzentrat unter einer näher genannten Warennummer mit der wesentlichen Begründung aufhob, dass aus den getroffenen Feststellungen und auf Grund des vorgelegten Akteninhalts nicht von einem Irrtum des beschwerdeführenden Zollamtes ausgegangen werden konnte, weil ihm die für die Einreihung unter einer anderen - einer nachträglichen technischen Untersuchung der Ware entsprechenden - Zolltarifnummer der Kombinierten Nomenklatur (KN) erforderlichen Informationen über die Zubereitungsart und die Zusammensetzung der angemeldeten Ware nicht mitgeteilt worden seien.
2 Mit dem nun angefochtenen Erkenntnis gab das Bundesfinanzgericht den Beschwerden neuerlich Folge und sprach aus, dass gemäß Art. 220 Abs. 2 lit. b Unterabsatz 1 ZK keine nachträgliche buchmäßige Erfassung erfolge und eine Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei. Begründend ging es davon aus, die bis Juni 2012 von den Zollbehörden der EU vertretene Ansicht und die langjährige Verwaltungsübung des revisionswerbenden Zollamtes, das Fruchtpüreekonzentrat der verfahrensgegenständlichen Qualität in die vom Mitbeteiligten angegebene Warennummer einzureihen, begründe als langjährige unrichtige Abfertigungspraxis einen Irrtum. Der Mitbeteiligte habe sich auf die Verwaltungspraxis der Zollbehörden eingestellt und den Irrtum der Zollbehörden nach den Gesamtumständen des Falles nicht erkennen können, sodass er gutgläubig gehandelt habe und einer Berichtigung der buchmäßigen Erfassung die Vertrauensschutzregelung des Art. 220 Abs. 2 lit. b Unterabsatz 1 ZK entgegenstehe.
3 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
4 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
5 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
6 Das Zollamt macht zur Zulässigkeit der Revision geltend, das Bundesfinanzgericht habe die für das Absehen von der buchmäßigen Erfassung im Fall eines Irrtums der Zollbehörden wesentliche Frage, ob der Zollschuldner in der Zollanmeldung alle für die Einreihung der Ware erforderlichen Angaben gemacht habe, völlig unberücksichtigt gelassen (Hinweis auf EuGH 18.10.2007, Agrover Srl, C-173/06, Rn. 33) und sei damit von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen, nach der für die Ausnahme von der Nacherhebung nach Art. 220 Abs. 2 lit. b ZK kumulativ drei Voraussetzungen erfüllt sein müssen, nämlich ein Irrtum der zuständigen Behörden selbst, der von einem gutgläubigen Abgabenschuldner nicht erkannt werden konnte, und schließlich, dass Letzterer alle Bestimmungen der geltenden Regelung über die Zollanmeldung beachtet hat (Hinweis auf VwGH 21.3.2012, 2009/16/0217).
7 Auf die Angabe der Zubereitungsart oder der Zusammensetzung des Aprikosenpüreekonzentrats in der Zollanmeldung kam es aber nach der vom Bundesfinanzgericht festgestellten, für die Frage des Irrtums maßgebliche Abfertigungspraxis der Zollbehörde nicht an, weil nach dieser Fruchtpüreekonzentrate stets in die vom Mitbeteiligten angegebene Warennummer eingereiht wurden, sodass es dem Zollschuldner für die Zwecke der Prüfung der dritten Voraussetzung von Art. 220 Abs. 2 lit. b Unterabsatz 1 ZK nicht vorgeworfen werden kann, wenn er sich an die Praxis der Zollbehörden hält und keine weiteren Spezifikationen der Ware nennt (vgl. EuGH 12.11.2013, Wünsche Handelsgesellschaft International mbH & Co. KG/Kommission, T-147/12, Rn. 32). Von dieser Rechtsprechung wich das Bundesfinanzgericht mit dem angefochtenen Erkenntnis nicht ab.
8 In der Revision werden sohin keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 10. April 2018
Gerichtsentscheidung
EuGH 62006CJ0173 Agrover VORABEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2018:RA2018160024.L00Im RIS seit
02.05.2018Zuletzt aktualisiert am
27.11.2018