Entscheidungsdatum
16.04.2018Norm
AsylG 2005 §5 Abs1Spruch
W233 2191536-1/2E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Andreas FELLNER über die Beschwerde des XXXX, geboren am XXXX, Staatsangehöriger von Iran, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 05.03.2018, Zl. 1122577405 - 161023084, zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B)
Die ordentliche Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
Der Beschwerdeführer (in der Folge auch BF) brachte nach seiner Einreise in das Bundesgebiet am 22.07.2016 einen Antrag auf internationalen Schutz ein.
Über den BF liegen EURODAC-Treffermeldungen eingespeichert von Griechenland vom 21.03.2016, von der Bundesrepublik Deutschland vom 10.06.2016 und von Ungarn vom 16.07.2016 auf.
Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge BFA) richtete am 24.08.2016 unter Hinweis auf den von der Bundesrepublik Deutschland über den BF gespeicherten EURODAC-Treffer ein auf Art. 18 Abs. 1 lit. b der Verordnung (EU) 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.06.2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (im Folgenden: "Dublin III-VO") gestütztes Wiederaufnahmeersuchen an die Bundesrepublik Deutschland, welche mit Schreiben vom 30.08.2016 der Aufnahme des Beschwerdeführers ausdrücklich zustimmte.
Mit Schriftsatz vom 05.09.2016 informierte das Bundesamt die deutsche Dublin-Behörde davon, dass der Beschwerdeführer untergetaucht sei und sich deshalb die Frist zur Überstellung des Beschwerdeführers in die Bundesrepublik Deutschland auf 18 Monate verlängere.
Mit dem Bescheid vom 08.10.2016 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz ohne in die Sache einzutreten gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig zurückgewiesen und ausgesprochen, dass die Bundesrepublik Deutschland für die Prüfung des Antrages gemäß Art. 18 Abs. 1 lit. b Dublin III-VO zuständig sei (Spruchpunkt I.). Gleichzeitig wurde gegen den Beschwerdeführer gemäß § 61 Abs. 1 FPG die Außerlandesbringung angeordnet und festgestellt, dass demzufolge seine Abschiebung in die Bundesrepublik Deutschland gemäß § 61 Abs. 2 FPG zulässig sei (Spruchpunkt II.). Dieser Bescheid wurde gemäß § 8 Abs. 3 iVm § 23 Zustellgesetz ohne Zustellversuch bei der belangten Behörde hinterlegt und ist in der Folge in Rechtskraft erwachsen.
Laut einer im Akt einliegenden Auskunft aus dem Zentralen Melderegister ist der Beschwerdeführer an der Adresse der Justizanstalt XXXX seit 09.02.2018 wieder polizeilich gemeldet.
Mit dem im Spruch angeführten Bescheid hat das Bundesamt seinen Bescheid vom 08.10.2016, mit der Zahl 1122577405 - 161023084 gemäß § 68 Abs. 2 AVG von Amts wegen mit der Begründung aufgehoben, dass eine Überstellung in den nach der Dublin III-VO zuständigen Mitgliedstaat, die Bundesrepublik Deutschland, nicht mehr möglich sei.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die fristgerecht eingebrachte Beschwerde in der der BF vorbringt, dass er mit seiner ganzen Familie in Deutschland lebe und nicht von seiner Familie getrennt werden möchte, weshalb sein Asylverfahren in Deutschland und nicht in Österreich weitergeführt werden möge.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Beweisaufnahme:
Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgeblichen Sachverhaltes wurde im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweis erhoben durch Einsicht in den dem BVwG vom BFA vorgelegten Verwaltungsakt.
2. Feststellungen:
Festgestellt wird, dass über den BF ein von der Bundesrepublik Deutschland eingespeicherter Datensatz nach dortiger Asylantragstellung im EURODAC-Informationssystem aufscheint.
Ferner wird festgestellt, dass das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl fristgerecht aufgrund der positiven EURODAC-Treffermeldung über den BF ein Konsultationsverfahren mit der Bundesrepublik Deutschland geführt hat und die Bundesrepublik Deutschland der Überstellung des BF ausdrücklich zustimmte.
Des Weitern wird festgestellt, dass dem BF der Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl mit welchem sein Antrag auf internationalen Schutz vom 22.07.2016 als unzulässig zurückgewiesen und ausgesprochen wurde, dass für die Prüfung seines Antrags auf internationalen Schutz die Bundesrepublik Deutschland zuständig ist sowie dass gegen ihn die Außerlandesbringung und demzufolge seine Abschiebung in die Bundesrepublik Deutschland zulässig ist, rechtmäßig durch Hinterlegung im Akt zugestellt und in der Folge in Rechtskraft erwachsen ist.
Schließlich wird festgestellt, dass die Überstellung des BF in die Bundesrepublik Deutschland nicht innerhalb der dafür in Art. 29 Abs. 2 2. Satz definierten Maximalfrist von 18 Monaten erfolgt ist, sodass die Zuständigkeit zur Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz des BF auf die Republik Österreich, als den ersuchenden Mitgliedstaat, zurückgefallen ist.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A)
Die maßgebliche Bestimmung der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates (Dublin III-Verordnung) lautet:
Artikel 29
(1) Die Überstellung des Antragstellers oder einer anderen Person im Sinne von Artikel 18 Absatz 1 Buchstabe c oder d aus dem ersuchenden Mitgliedstaat in den zuständigen Mitgliedstaat erfolgt gemäß den innerstaatlichen Rechtsvorschriften des ersuchenden Mitgliedstaats nach Abstimmung der beteiligten Mitgliedstaaten, sobald dies praktisch möglich ist und spätestens innerhalb einer Frist von sechs Monaten nach der Annahme des Aufnahme - oder Wiederaufnahmegesuchs durch einen anderen Mitgliedstaat oder der endgültigen Entscheidung über einen Rechtsbehelf oder eine Überprüfung, wenn diese gemäß Artikel 27 Absatz 3 aufschiebende Wirkung hat.
Wenn Überstellungen in den zuständigen Mitgliedstaat in Form einer kontrollierten Ausreise oder in Begleitung erfolgen, stellt der Mitgliedstaat sicher, dass sie in humaner Weise und unter uneingeschränkter Wahrung der Grundrechte und der Menschenwürde durchgeführt werden.
Erforderlichenfalls stellt der ersuchende Mitgliedstaat dem Antragsteller ein Laissez-passer aus. Die Kommission gestaltet im Wege von Durchführungsrechtsakten das Muster des Laissez-passer. Diese Durchführungsrechtsakte werden gemäß dem in Artikel 44 Absatz 2 genannten Prüfverfahren erlassen.
Der zuständige Mitgliedstaat teilt dem ersuchenden Mitgliedstaat gegebenenfalls mit, dass die betreffende Person eingetroffen ist oder dass sie nicht innerhalb der vorgegebenen Frist erschienen ist.
(2) Wird die Überstellung nicht innerhalb der Frist von sechs Monaten durchgeführt, ist der zuständige Mitgliedstaat nicht mehr zur Aufnahme oder Wiederaufnahme der betreffenden Person verpflichtet und die Zuständigkeit geht auf den ersuchenden Mitgliedstaat über. Diese Frist kann höchstens auf ein Jahr verlängert werden, wenn die Überstellung aufgrund der Inhaftierung der betreffenden Person nicht erfolgen konnte, oder höchstens auf achtzehn Monate, wenn die betreffende Person flüchtig ist."
[...]
Die maßgebliche Bestimmung des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes lautet:
"§ 68. (1) Anbringen von Beteiligten, die außer den Fällen der §§ 69 und 71 die Abänderung eines der Berufung nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides begehren, sind, wenn die Behörde nicht den Anlaß zu einer Verfügung gemäß den Abs. 2 bis 4 findet, wegen entschiedener Sache zurückzuweisen.
(2) Von Amts wegen können Bescheide, aus denen niemandem ein Recht erwachsen ist, sowohl von der Behörde, die den Bescheid erlassen hat, als auch in Ausübung des Aufsichtsrechtes von der sachlich in Betracht kommenden Oberbehörde aufgehoben oder abgeändert werden.
(3) [...]
(4) [...]
(5) [...]
(6) Die der Behörde in den Verwaltungsvorschriften eingeräumten Befugnisse zur Zurücknahme oder Einschränkung einer Berechtigung außerhalb eines Berufungsverfahrens bleiben unberührt.
(7) Auf die Ausübung des der Behörde gemäß den Abs. 2 bis 4 zustehenden Abänderungs- und Behebungsrechts steht niemandem ein Anspruch zu. Mutwillige Aufsichtsbeschwerden und Abänderungsanträge sind nach § 35 zu ahnden."
Die Zuständigkeit der Bundesrepublik Deutschland zur Aufnahme des Beschwerdeführers ist mit Wirksamkeit vom 31.08.2016 eingetreten und endete nach Ablauf der wegen seines Untertauchens auf 18 Monate ausgedehnten Überstellungsfrist am 28.02.2018, 24.00 Uhr. Da der Beschwerdeführer innerhalb dieses Zeitraumes nicht in die Bundesrepublik Deutschland überstellt worden ist, ist mit 01.03.2018, 00:00 Uhr, die Zuständigkeit zur Prüfung des Antrages des BF auf internationalen Schutz vom 22.07.2016 auf Österreich zurückgefallen.
Das Bundesamt hat nach Ablauf der 18-monatigen Überstellungsfrist ihren rechtskräftigen zurückweisenden Bescheid vom 08.10.2016 mit Bescheid vom 05.03.2018 gemäß § 68 Abs. 2 AVG von Amts wegen behoben, da aus dem Bescheid vom 08.10.2016 niemanden, im Besonderen dem BF, ein Recht erwachsen ist und in der Begründung ausgeführt, dass sich das Verfahren des Beschwerdeführers nunmehr wieder im Stadium des Zulassungsverfahrens befinde.
In diesem Zusammenhang ist festzuhalten, dass der VwGH betont, dass § 68 Abs. 2 AVG nur den Bestand solcher Bescheide schützt, die subjektive öffentliche Rechte einräumen. Bescheide, aus denen niemanden ein Recht erwachsen ist, sind demnach insbesondere solche, die in einem Einparteienverfahren ergangen sind und abweislich sind oder Pflichten auferlegen (vgl. Kolonovits/Muzak/Stöger, Verwaltungsverfahrensrecht10 (2014), Rz 654). Zudem hat der VwGH in seiner Entscheidung vom 19.06.2008, 2007/21/0509 ausgeführt, dass die seinerzeitige Bestimmung des § 5a Abs 3 AsylG 1997 für den Fall des Ablaufs der Überstellungsfrist ex lege das Außerkrafttreten der Dublin-Unzuständigkeitsentscheidung anordnete, jedoch der Gesetzgeber des AsylG 2005 davon ausgeht, dass dem in Dublin II für diesen Fall vorgesehenen Zuständigkeits(rück)übergang mit einer Aufhebung des verfahrensbeendenden Bescheides Rechnung zu tragen ist. Dem ist zu folgen, zumal sich aus der genannten Verordnung nicht ergibt, in welcher Form es zur "Beseitigung" der innerstaatlichen Unzuständigkeitsentscheidung kommt. Mangels ausdrücklicher Regelung über ein ex-lege-Außerkrafttreten bedarf es somit im Anwendungsbereich des AsylG 2005 zur Beseitigung der Rechtskraftwirkungen der ursprünglichen (nicht fristgerecht umgesetzten) "Dublin-Entscheidung" deren förmlicher Aufhebung. Diese ist unverzüglich nach fruchtlosem Ablauf der jeweiligen Überstellungsfrist (auch von Amts wegen) vorzunehmen. Diese zur damals in Geltung stehenden Dublin II-VO ergangene Entscheidung des VwGH ist mangels Änderung der durch die mit 01.01.2014 in Kraft tretende Dublin III-VO in Bezug auf den Zuständigkeitsrückübergang auch für den gegenständlichen Fall relevant.
Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl hat somit rechtmäßig die Aufhebung des seinerzeitigen Bescheides vom 08.10.2016 mit Bescheid vom 05.03.2018 gemäß § 68 Abs. 2 AVG verfügt.
Das Vorbringen des Beschwerdeführers in seiner Beschwerde gegen den aufhebenden Bescheid vom 05.03.2018, dass er um Weiterführung seines Asylverfahrens in Deutschland nach seiner Haftentlassung in Österreich ersucht, geht ins Leere. Zum einen ist darauf hinzuweisen ist, dass es nicht dem Asylwerber obliegt, das Asylverfahren in einem Land seiner Wahl durchzuführen, sondern hierfür die Bestimmungen der Dublin III-VO gelten, die im vorliegenden Fall unzweifelhaft eine Zuständigkeit der Republik Österreich ergeben. Zum anderen zeigt der Beschwerdeführer in seiner Beschwerde keine Gründe auf, die den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit belasten würden.
Eine mündliche Verhandlung konnte gemäß § 21 Abs. 6a und 7 BFA-VG unterbleiben, zumal sämtliche verfahrenswesentliche Abklärungen, insbesondere aber die im gegenständlichen Verfahren relevante Frage hinsichtlich des Vorliegens eines Fristablaufes, eindeutig aus dem vorliegenden Verwaltungsakt beantwortet werden konnten.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.
Schlagworte
amtswegige Abänderung, Fristablauf, Überstellungsfrist,European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2018:W233.2191536.1.00Zuletzt aktualisiert am
26.04.2018