TE Vwgh Erkenntnis 2000/3/22 2000/04/0026

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Veröffentlicht am 22.03.2000
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §66 Abs4;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte DDr. Jakusch, Dr. Stöberl, Dr. Blaschek und Dr. Baur als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Breunlich, über die Beschwerde der P Gesellschaft m.b.H. in L, vertreten durch Dr. K, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid des unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich vom 21. Mai 1999, Zl. VwSen-550019/4/Gf/Km, betreffend Verfahren gemäß § 58 O.ö. Vergabegesetz (mitbeteiligte Partei: Land Oberösterreich, weitere Partei: Oberösterreichische Landesregierung), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Oberösterreich hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Spruchpunkt I. des Bescheides des unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich vom 21. Mai 1999 wurde der (vor dem unabhängigen Verwaltungssenat) angefochtene Bescheid aufgehoben und gleichzeitig mit Spruchpunkt II. die dagegen erhobene Berufung der Beschwerdeführerin als unzulässig zurückgewiesen. Zur Begründung führte der unabhängige Verwaltungssenat im Wesentlichen aus, mit erstbehördlichem Bescheid vom 20. April 1999 seien die Anträge der Beschwerdeführerin auf Feststellung der Rechtswidrigkeit des Ausschlusses ihres Angebotes vom weiteren Vergabeverfahren wegen Nichtvorliegens der in den Ausschreibungsbedingungen geforderten Vollmacht sowie auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung als unbegründet abgewiesen worden. Nach Darlegung des weiteren Verfahrensganges und eingehenden Ausführungen über die dem O.ö. Vergabegesetz zu Grunde liegende Kompetenzlage kommt der unabhängige Verwaltungssenat zu dem Schluss, dass auf das vorliegende Verfahren entsprechend der Bestimmung des § 58 Abs. 3 erster Satz O.ö. Vergabegesetz die Bestimmungen des AVG in der Fassung BGBl. Nr. 866/1992 zur Anwendung kämen. In der zu Grunde liegenden Ausschreibung eines offenen Vergabeverfahrens des Landes Oberösterreich betreffend einen näher bezeichneten Stahlbau werde das Auftragsvolumen dieses Bauvorhabens mit S 16 Mio. (exklusive Umsatzsteuer) geschätzt. Die Vergabe dieses Bauauftrages falle demnach gemäß § 2 Abs. 1 Z. 1 O.ö. Vergabegesetz wohl in den persönlichen, nach § 3 Abs. 1 Z. 1 leg. cit. jedoch nicht in den sachlichen Geltungsbereich des O.ö. Landesvergabegesetzes, weil das Auftragsvolumen den in der letztgenannten Bestimmung festgelegten Schwellenwert von 5 Mio. ECU bei weitem nicht erreiche. Wenn nun einerseits § 3 Abs. 5 O.ö. Vergabegesetz für derartige Fälle vorsehe, dass das Land als Auftraggeber bei der Vergabe von Aufträgen, deren geschätzter Auftragswert unter dem im § 3 Abs. 1 leg. cit. festgesetzten Schwellenwert liege, die ÖNORM A 2050 vom 1. Jänner 1993 anzuwenden habe, und § 58 Abs. 1 leg. cit. andererseits explicit anordne, dass ein Nachprüfungsverfahren gemäß den §§ 58 ff leg. cit. nur hinsichtlich "jener diesem Landesgesetz unterliegenden Verträge" zulässig sei, so folge daraus, dass der im 4. Teil des O.ö. Vergabegesetzes vorgesehene Rechtsschutz dort von vornherein nicht zum Tragen komme. Allfällige Rechtswidrigkeiten in diesem Bereich seien demnach vielmehr nach den allgemeinen zivilrechtlichen Grundsätzen des Schadenersatzrechtes unter Heranziehung der ÖRNOM A 2050 und vor den ordentlichen Gerichten geltend zu machen. Den durch das O.ö. Vergabegesetz eingerichteten Nachprüfungsbehörden, deren Wirkungskreis nach den §§ 2 bis 4 leg. cit. auf einen spezifischen persönlichen und sachlichen Geltungsbereich eingeengt sei, komme demgegenüber aber sonach in Bezug auf Auftragsvergaben, deren Revision weder nach innerstaatlich-verfassungsrechtlichen noch nach europarechtlichen Vorgaben geboten sei, von vornherein keine Kontrollbefugnis zu. Fragen der sachlichen Zuständigkeit seien nach § 6 Abs. 1 AVG in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen wahrzunehmen. Indem die Erstbehörde verkannt habe, dass sie infolge des Umstandes, dass die verfahrensgegenständliche Auftragsvergabe gemäß § 3 Abs. 1 Z. 1 O.ö. Vergabegesetz nicht in den sachlichen Geltungsbereich dieses Gesetzes falle, zur Entscheidung über den von der Beschwerdeführerin gestellten Nachprüfungsantrag sachlich nicht zuständig sei, sei dieser Bescheid schon deshalb mit Rechtswidrigkeit belastet und somit gemäß § 66 Abs. 4 AVG idF 1992 aufzuheben. Der gegenständlichen Berufung habe gleichwohl dennoch nicht stattgegeben werden können, weil auch der oberösterreichische Verwaltungssenat mangels entsprechender Zuständigkeit nicht dazu befugt sei, im gegenständlichen Fall eine Sachentscheidung zu treffen. Sie sei deshalb gemäß § 66 Abs. 4 AVG idF 1992 als unzulässig zurückzuweisen gewesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erachtet sich die Beschwerdeführerin in dem Recht "auf Feststellung, ob die behauptete Rechtsverletzung, nämlich der rechtswidrige Ausschluss der Beschwerdeführerin vom weiteren Vergabeverfahren, vorliege und dass deswegen der Zuschlag nicht der Beschwerdeführerin als Bestbieterin erteilt wurde, sowie in ihrem Recht auf Fällung einer Sachentscheidung unter Zugrundelegung der Bestimmungen des O.ö. Landesvergabegesetzes" verletzt.

Die Beschwerde erweist sich schon auf Grund folgender Erwägungen als berechtigt:

Die belangte Behörde bezeichnete im Spruch des angefochtenen Bescheides als dessen Rechtsgrundlage, und zwar sowohl des Spruchpunktes I. als auch des Spruchpunktes II., § 66 Abs. 4 AVG idF 1992.

Nach dieser Gesetzesstelle hat die Berufungsbehörde außer dem im Abs. 2 erwähnten Fall, sofern die Berufung nicht als unzulässig oder verspätet zurückzuweisen ist, immer in der Sache selbst zu entscheiden. Sie ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung (§ 60) ihre Anschauung an die Stelle jener der Unterbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern.

Aus dieser Regelung ergibt sich zweifelsfrei, dass eine Entscheidung in der Sache selbst, wozu auch die ersatzlose Aufhebung des erstbehördlichen Bescheides, wie sie mit Spruchpunkt I. des hier angefochtenen Bescheides erfolgte, eine zulässige Berufung voraussetzt. Ist hingegen die Berufung unzulässig, fehlt es der Berufungsbehörde an der funktionellen Zuständigkeit zu einer Entscheidung in der Sache. Eine Erledigung der Berufung, wie im angefochtenen Bescheid, sowohl durch Zurückweisung der Berufung als auch durch Sacherledigung verstößt daher gegen das Gesetz (vgl. z. B. das hg. Erkenntnis vom 25. September 1991, Zl. 91/16/0017, 0022, 0023). Denn selbst unter Zuhilfenahme seiner Begründung ist der angefochtene Bescheid einer Auslegung dahin, dass die Zurückweisung der Berufung nur einen (trennbaren) Teil des Berufungsbegehrens betreffen solle, nicht zugänglich.

Da die belangte Behörde dies verkannte, belastete sie schon aus diesem Grund den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit. Er war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben, ohne dass es eines Eingehens auf das Beschwerdevorbringen bedurfte.

Für das fortgesetzte Verfahren sieht sich der Verwaltungsgerichtshof allerdings veranlasst, auf die Bestimmung des § 58 Abs. 2 O.ö. Vergabegesetz zu verweisen, wonach über einen Antrag auf Nachprüfung einer Entscheidung des Auftraggebers im Vergabeverfahren die OÖ Landesregierung als Nachprüfungsbehörde entscheidet und gegen ihre Entscheidung die Berufung an den unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich zulässig ist. Unabhängig von der Anwendbarkeit des O.ö. Vergabegesetzes auf den zu Grunde liegenden Bauauftrag ist im vorliegenden Fall die Oberösterreichische Landesregierung (ob zu Recht oder zu Unrecht ist im gegebenen Zusammenhang ohne Bedeutung) als Nachprüfungsbehörde im Sinne des § 58 Abs. 2 leg. cit. eingeschritten, sodass gegen ihre Entscheidung jedenfalls die Berufung an die belangte Behörde grundsätzlich zulässig ist (vgl. sinngemäß das hg. Erkenntnis vom 13. September 1988, Zl. 88/04/0067).

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 22. März 2000

Schlagworte

Anwendungsbereich des AVG §66 Abs4

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2000:2000040026.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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