Index
L82007 Bauordnung Tirol;Norm
BauO Tir 2011 §29;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Köhler und die Hofrätinnen Dr. Bayjones und Mag.a Merl als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Schreiber, über die Revision des R K in S, vertreten durch Dr. Mag. Michael E. Sallinger, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Sillgasse 21/III, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Tirol vom 29. September 2017, LVwG- 2017/38/1896-8, betreffend Feststellung gemäß § 29 TBO 2011 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bürgermeister der Gemeinde Jerzens; mitbeteiligte Parteien: 1. Dr. K G, 2. DI H G,
3. J G, 4. A G, 5. P G, alle vertreten durch Dr. Peter Kolb, Dr. Andreas Fink, Dr. Christopher Fink, Rechtsanwälte in 6460 Imst, Sirapuit 7; weitere Partei: Tiroler Landesregierung), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Der Revisionswerber hat den Mitbeteiligten Aufwendungen in der Höhe von insgesamt EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
2 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
3 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
4 Der Revisionswerber beantragte mit Schriftsatz vom 18. Mai 2017, der Bürgermeister der Gemeinde Jerzens (im Folgenden: Behörde) wolle feststellen, dass für das Gebäude auf den Grundstücken Nr. X und Nr. Y sowie den bestehenden Zubau mit Kamin das Vorliegen einer Baubewilligung zu vermuten sei.
5 Die Behörde traf mit Bescheid vom 27. Juni 2017 die beantragte Feststellung.
6 Die Mitbeteiligten sind Miteigentümer des nördlich an die oben angeführten Grundstücke angrenzenden Grundstückes Nr. Z. 7 Das Landesverwaltungsgericht Tirol (LVwG) gab der Beschwerde der Mitbeteiligten insofern statt, als es zu Recht erkannte, dass das Vorliegen einer Baubewilligung für den Teil der baulichen Anlage auf Grundstück Nr. X und teilweise auf Grundstück Nr. Y, der im näher konkretisierten Lageplan vom 11. Mai 2017 als bestehender Gasthof A bezeichnet sei, zu vermuten sei; für jenen Teil, der in diesem Plan als bestehender Zubau bezeichnet sei, und den errichteten Kamin in Richtung der Grenze zum Grundstück Nr. Z sei hingegen kein Vorliegen einer Baubewilligung zu vermuten. Eine ordentliche Revision erklärte das LVwG für unzulässig.
Begründend führte das LVwG - soweit für das gegenständliche Verfahren relevant - aus, das von den Mitbeteiligten vorgelegte Bild Nr. 5937 des Laser- und Luftbildatlas Tirol aus dem Jahr 1947 lasse aufgrund des geringen Schärfegrades keine eindeutigen Schlussfolgerungen hinsichtlich des Gebäudebestandes zu. Die vom Revisionswerber vorgelegten Mappenblätter aus den Jahren 1915 und 1926 bildeten nur die Form des Grundstückes des Revisionswerbers ab, enthielten jedoch keinen Hinweis auf die Form der damals vorhandenen Gebäudeteile. Daher sei eine Zeugin, die seit ihrer Geburt im Jahr 1945 bis 1971 im Haus auf dem Nachbargrundstück gewohnt habe, in der Verhandlung vor dem LVwG vernommen worden. Ihrer Aussage zufolge habe zur Zeit ihrer Kindheit bereits ein kleiner Zubau (Waschküche, nicht unterkellert) bestanden, jedoch nicht in der heutigen Form; der heute bestehende Zubau und der Kamin seien erst errichtet worden, als die Zeugin ein Schulmädchen gewesen sei. Dazu legte die Zeugin undatierte Fotos vor, auf denen einerseits der kleine, ebenerdige Zubau und andererseits der zweigeschossige, bestehende Zubau im Rohbau zu sehen ist. Aus dieser Zeugenaussage schloss das LVwG, dass der zu beurteilende Zubau nach 1950 (Einschulung der Zeugin frühestens 1951) errichtet worden sei. Da ab 1950 die Bauakten im Archiv der Gemeinde lückenlos vorhanden seien, für den verfahrensgegenständlichen Zubau jedoch keine Baubewilligung vorliege, obwohl eine Bewilligungspflicht bestanden habe, sei für den nördlichen Zubau und den Kamin, der sich auf dem Grundstück Nr. Z der Mitbeteiligten befinde, kein baurechtlicher Konsens gegeben.
8 In ihrer Zulässigkeitsbegründung rügt die Revision eine Verletzung tragender Grundsätze des Verfahrensrechtes (Hinweis u. a. auf VwGH Ra 2014/03/0061, Ra (gemeint wohl: Ro) 2014/09/0050), weil das LVwG die hg. Rechtsprechung zur Wahrung des rechtlichen Gehörs, zum Erfordernis eines Sachverständigenbeweises sowie zur Feststellung des Umfanges der baurechtlichen Genehmigung des Objektes verkenne. Der Rechtsvertreter des Revisionswerbers habe in der Verhandlung "um Übermittlung der vorgelegten Lichtbilder" und Einräumung einer Frist zur Stellungnahme dazu ersucht, was jedoch abgewiesen worden sei. Im Rahmen einer Stellungnahme hätte der Revisionswerber ein Prospekt der A vorlegen können, in dem der Zubau abgebildet sei; aufgrund der Währungsangaben in Reichsmark sei davon auszugehen, dass der Prospekt aus den Jahren 1938 bis 1945 stamme.
9 Eine derartige qualifizierte Verletzung von Verfahrensgrundsätzen liegt im Revisionsfall auch im Zusammenhang mit dem nunmehr vorgelegten Prospekt nicht vor. Das Beweisthema, zu dem die Zeugin vernommen wurde, nämlich die Frage, wann welche Teile des nunmehr bestehenden Komplexes errichtet wurden, stand mit der Antragstellung durch den Revisionswerber selbst fest. Darüber hinaus wurde die Frage der Errichtung des Haupthauses in der Beschwerde der mitbeteiligten Parteien konkret aufgeworfen. Die Notwendigkeit, allfällige Beweismittel zu diesem zentralen Thema des Verfahrens vorzulegen, war daher spätestens seit der Einleitung des Beschwerdeverfahrens bekannt. Der Revisionswerber war nicht gehindert, seine Beweismittel im Verfahren vorzulegen. Er zeigt auch nicht auf, inwiefern erst die Aussage der Zeugin es erforderlich gemacht habe, den Prospekt betreffend das Gasthaus A vorzulegen.
10 Die Revision wendet sich weiter gegen die vom LVwG durchgeführte Beweiswürdigung und bringt vor, die Frage, ob ein Grundstück zu einer bestimmten Zeit bebaut gewesen sei, sei durch Aufnahme eines Gutachtens eines entsprechend ausgebildeten Sachverständigen zu untersuchen (Hinweis auf VwGH (26.9.1991), 89/06/0076, sowie Hengstschläger/Leeb, AVG, § 52 Rz 9ff). Bei Aufnahme eines Sachverständigenbeweises über das Luftbild Nr. 5937 aus dem Jahr 1947 und die Mappenblätter aus den Jahren 1915 und 1926 hätte das LVwG feststellen können, dass der Zubau und der Kamin zumindest vor 1950 in der vorliegenden Form errichtet worden sei.
11 Dazu ist darauf hinzuweisen, dass der Verwaltungsgerichtshof als Rechtsinstanz zur Überprüfung der Beweiswürdigung im Allgemeinen nicht berufen ist. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG liegt als Abweichung von der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die im Einzelfall vorgenommene Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat (vgl. etwa VwGH 19.12.2017, Ra 2017/06/0236, mwN).
12 Eine derartige, vom Verwaltungsgerichtshof aufzugreifende Unvertretbarkeit der Beweiswürdigung des LVwG vermag die Revision jedoch nicht aufzuzeigen. Einerseits ist fallbezogen nicht strittig, dass auf den verfahrensgegenständlichen Grundstücken bereits vor 1950 ein Gebäude samt Zubau stand. Fraglich ist nur, ob zu diesem Zeitpunkt schon der "neue" zweigeschossige Zubau mit dem heutigen Erscheinungsbild vorhanden war. Das zitierte hg. Erkenntnis 89/06/0076 ist somit auf den hier zu beurteilenden Sachverhalt nicht übertragbar, weil aufgrund von Luftbildern (schwarz-weiß mit sehr schlechter Auflösung) die Höhe von Bauwerken naturgemäß nicht beurteilt werden kann. Andererseits stützte das LVwG seine Entscheidung im Wesentlichen auf die Aussage einer Zeugin und die von ihr vorgelegten Lichtbilder, auf denen deutlich der Unterschied zwischen dem "alten", eingeschossigen und teilweise mit Holz verkleideten Zubau und dem zweigeschossigen "neuen" Zubau (im Rohbau) zu erkennen ist. Das LVwG gelangte sodann im Rahmen einer - jedenfalls nicht unvertretbaren - Beweiswürdigung aufgrund der Zeugenaussage in Zusammenhang mit den Lichtbildern zu dem Ergebnis, dass der "neue" Zubau erst nach 1950 errichtet wurde.
13 Was aus dem in der Zulässigkeitsbegründung zitierten hg. Beschluss vom 29. Jänner 2015, Ra 2014/03/0061, mit dem eine Revision betreffend die Ausstellung eines Waffenpasses wegen Nichtvorliegen einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zurückgewiesen wurde, für den Revisionswerber zu gewinnen sein soll, bleibt offen. Fallbezogen kann auch keine Rede davon sein, dass das LVwG - so die Revision - "zu den entscheidenden Punkten jegliche Ermittlungstätigkeit unterlassen" habe. Eine vergleichbare Fallkonstellation, wie sie dem hg. Erkenntnis Ro 2014/09/0050 zugrunde lag, ist hier nicht gegeben.
14 In der Revision wird somit keine Rechtsfrage aufgeworfen, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme; sie war daher gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG zurückzuweisen.
Wien, am 27. März 2018
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2018:RA2017060256.L00Im RIS seit
27.04.2018Zuletzt aktualisiert am
27.08.2018