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L0 Verfassungs- und OrganisationsrechtNorm
B-VG Art26 Abs1Leitsatz
Verletzung im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Wahlrecht zum Gemeinderat durch Verweigerung der Eintragung in das Wählerverzeichnis aufgrund Unterlassung der Klärung des entscheidungsrelevanten Sachverhaltes und unzureichender BescheidbegründungSpruch
Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Teilnahme an der Gemeinderatswahl verletzt worden.
Der Bescheid wird aufgehoben.
Das Land Kärnten ist schuldig, dem Beschwerdeführer zu Handen seiner Beschwerdevertreter die mit S 18.000,-- bestimmten Verfahrenskosten binnen vierzehn Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I.1.1. Am 26. Jänner 1997 begehrte der nunmehrige Beschwerdeführer mit Einspruch bei der Gemeindewahlbehörde Hüttenberg, politischer Bezirk St. Veit an der Glan, seine Aufnahme in das dort aufliegende Wählerverzeichnis für die Gemeinderats- und Bürgermeisterwahl am 9. März 1997 gemäß §26 der Gemeinderats- und Bürgermeisterwahlordnung (K-GBWO), LGBl. 9/1991 idF. LGBl. 20/1996, und zwar in der Hauptsache mit der Begründung, daß er seit seiner Anmeldung am 15. Juni 1990 ohne Unterbrechung in der Gemeinde Hüttenberg lebe und hier den Mittelpunkt seiner Lebensbeziehungen habe; darüber hinaus habe er weder in Österreich noch im Raum der EU einen weiteren Wohnsitz.
1.2. Die Gemeindewahlbehörde Hüttenberg wies diesen Einspruch mit Bescheid vom 5. Feber 1997 ab.
1.3. Gegen diese Entscheidung der Gemeindewahlbehörde brachte J W K fristgerecht das Rechtsmittel der Berufung gemäß §30 Abs1 K-GBWO ein.
1.4. Die Bezirkswahlbehörde für den Bezirk St. Veit/Glan für die Gemeinderats- und Bürgermeisterwahl 1997 gab der Berufung mit Bescheid vom 13. Feber 1997 keine Folge. Begründend wurde (nach der Wiedergabe der Rechtslage) folgendes ausgeführt:
"Da sich Herr K J mit Meldezettel vom 21.5.1991 bei der Gemeinde Hüttenberg abgemeldet und in der Folge keinen neuen Wohnsitz angemeldet hat, war dieser zum Stichtag, 1.1.1997, auch nicht mit Hauptwohnsitz im Bereich der Gemeinde Hüttenberg gemeldet.
Die Bezirkswahlbehörde beschloß daher, daß gemäß den Bestimmungen des §16 Abs1 der Gemeinderats- und Bürgermeisterwahlordnung ein wesentlicher Bestandteil, nämlich das Bestehen eines Hauptwohnsitzes in der betreffenden Gemeinde, nicht gegeben war und lehnte das Berufungsbegehren ab."
2.1. Gegen diesen Berufungsbescheid richtet sich die vorliegende, auf Art144 Abs1 B-VG gestützte Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, in dem die Verletzung des durch Art117 Abs2 (iVm. Art26 Abs1, Art95 Abs1) B-VG gewährleisteten Rechts auf Teilnahme an der Gemeinderats- und Bürgermeisterwahl behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides begehrt wird.
2.2. Die Bezirkswahlbehörde für den Bezirk St. Veit/Glan als belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift und trat darin für die Abweisung der Beschwerde ein.
3. Die im vorliegenden Zusammenhang maßgeblichen Bestimmungen sind nachfolgend wiedergegeben:
3.1. Die mit "Wahlrecht" übertitelte Bestimmung des §16 der Gemeinderats- und Bürgermeisterwahlordnung, LGBl. 9/1991 idF LGBl. 20/1996, hat folgenden Wortlaut:
"(1) Wahlberechtigt sind alle österreichischen Staatsbürger und alle Staatsangehörigen anderer Mitgliedstaaten der Europäischen Union, die vor dem 1. Jänner des Jahres der Wahl das 18. Lebensjahr vollendet haben, vom Wahlrecht nicht ausgeschlossen sind und in der Gemeinde den Hauptwohnsitz im Sinne des Art6 Abs3 B-VG haben.
(2) Ob die Voraussetzungen nach Abs1 zutreffen, ist, abgesehen vom Wahlalter, nach dem Stichtag (§1 Abs2) zu beurteilen."
3.2. §21 Abs1 und Abs3 K-GBWO lauten auszugsweise folgendermaßen:
"Wählerverzeichnisse
(1) Die Wahlberechtigten sind in Wählerverzeichnisse einzutragen ...
(3) Die Wählerverzeichnisse sind von den Gemeinden auf Grund der Wählerevidenz anzulegen, wobei Wahlberechtigte ohne ordentlichen Wohnsitz in der Gemeinde am Stichtag auszuscheiden sind."
II.Über die Beschwerde wurde erwogen:
1. Der administrative Instanzenzug ist ausgeschöpft (§30 Abs2 letzter Satz K-GBWO). Da auch die übrigen Prozeßvoraussetzungen zutreffen, ist die Beschwerde zulässig.
2.1. Das in Art117 Abs2 iVm Art26 Abs1, Art95 Abs1 B-VG verfassungsgesetzlich gewährleistete Wahlrecht zum Gemeinderat wird durch rechtswidrige Nichteintragung eines Wahlberechtigten in das Wählerverzeichnis verletzt (vgl. VfSlg. 3169/1957, 6303/1970). Das ist auch dann der Fall, wenn das zur Nichteintragung führende Verwaltungsverfahren an gravierenden Mängeln leidet (vgl. VfSlg. 5148/1965, 7017/1973, 7766/1976, 10668/1980, 11676/1988, 13244/1992; s. auch zum Wahlrecht zum Landtag VfSlg. 8845/1980, 11962/1989, zum Wahlrecht zum Nationalrat VfSlg. 11220/1987).
2.2. Die Begründung des angefochtenen Bescheides erschöpft sich im Kern in der Aussage, der Beschwerdeführer sei am Stichtag der Wahl nicht mit Hauptwohnsitz im Bereich der Gemeinde Hüttenberg gemeldet gewesen. Aus welchen tatsächlichen und rechtlichen Gründen die belangte Behörde zu ihrem Spruch gelangte, wird nicht entsprechend dargetan, obwohl der Beschwerdeführer in der Berufungsschrift ausgeführt hatte, daß sein Hauptwohnsitz - und gleichzeitig einziger Wohnsitz - am Stichtag in der Gemeinde Hüttenberg, Wahlsprengel III (Lölling), bestanden habe. Vollkommen unerörtert und ungewürdigt blieb auch das sinngemäße weitere Vorbringen des Beschwerdeführers im Berufungsverfahren, daß das Bestehen eines Wohnsitzes in der Gemeinde Hüttenberg auch daraus hervorgehe, daß seine entsprechende Wohnadresse in der Gemeinde sowohl im Antrag seiner Lebensgefährtin auf Gewährung von Karenzurlaubsgeld als auch im Typenschein seines im Juli 1994 angemeldeten Motorrades aufscheine, womit ausreichend dokumentiert sei, daß er seinen (einzigen) Wohnsitz seit Jahren in der Gemeinde Hüttenberg bei seiner Lebensgefährtin und dem gemeinsamen Sohn habe. Die belangte Behörde unterließ es, geeignete Ermittlungen zur Klärung des entscheidungsrelevanten Sachverhaltes durchzuführen, und zwar insbesondere zur Überprüfung des deutlich dargelegten Standpunktes des Berufungswerbers. Dieser Umstand im Zusammenhalt mit der unzureichenden Bescheidbegründung, die sich nach dem Gesagten mit dem Vorbringen des Beschwerdeführers nicht hinreichend befaßte und auseinandersetzte, kennzeichnet aber die von der belangten Behörde gewählte Vorgangsweise - selbst unter gebührender Berücksichtigung der geringeren Anforderungen, die an das Ermittlungsverfahren vor Wahlbehörden schon angesichts der kurzen zur Verfügung stehenden Fristen zu stellen sind (vgl. VfSlg. 8845/1980, 10668/1985, 11220/1987, 11676/1988, 11962/1989) - unter dem Aspekt der maßgebenden Frage des Bestehens eines Hauptwohnsitzes als derart mangelhaft und ergänzungsbedürftig (s. etwa auch: VfSlg. 5148/1965, 6473/1971, 7017/1973, 7652/1975, 7766/1976, 8845/1980, 10668/1985, 11220/1987, 11676/1988, 11962/1989), daß bereits von einer Verfassungswidrigkeit iS der zu Punkt II.2.1. wiedergegebenen verfassungsgerichtlichen Judikatur gesprochen werden muß.
2.3. Mithin wurde der Beschwerdeführer durch den angefochtenen, die Eintragung ins das Wählerverzeichnis verweigernden Bescheid in seinem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Wahlrecht zum Gemeinderat (Art117 Abs2 iVm Art26 Abs1, Art95 Abs1 B-VG) verletzt.
Der Bescheid war daher schon aus diesem Grund als verfassungswidrig aufzuheben, ohne daß es eines Eingehens auf das sonstige Beschwerdevorbringen bedurfte.
2.4. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §88 VerfGG 1953. Im zugesprochenen Kostenbetrag ist Umsatzsteuer in der Höhe von S 3.000,-- enthalten.
2.5. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG 1953 ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung ergehen.
Schlagworte
Wahlen, Wahlrecht aktives, Bescheidbegründung, ErmittlungsverfahrenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1997:B571.1997Dokumentnummer
JFT_10028872_97B00571_00