TE Bvwg Erkenntnis 2018/4/17 W183 2172694-1

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Veröffentlicht am 17.04.2018
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Entscheidungsdatum

17.04.2018

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs5
B-VG Art.133 Abs4
VwGVG §28 Abs2

Spruch

W183 2172694-1/12E

Schriftliche Ausfertigung des am 16.01.2018 mündlich verkündeten Erkenntnisses

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin MMag. Dr. Erika PIELER über die Beschwerde von XXXX , geb.: XXXX , StA:

Somalia, vertreten durch ARGE Rechtsberatung, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 30.08.2017, Zl. 1090708105-151536297, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 16.01.2018 zu Recht:

A)

Der Beschwerde wird stattgegeben und XXXX gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG iVm § 3 Abs. 1 AsylG 2005 der Status der Asylberechtigten zuerkannt.

Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Die Beschwerdeführerin (BF) stellte am 12.10.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz.

2. BF wurde am 13.10.2015 erstbefragt und am 26.07.2017 vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA), der gegenständlich belangten Behörde, einvernommen.

3. Im Rahmen des Administrativverfahrens brachte BF im Wesentlichen vor, im Jahr 1998 geboren worden und ledig zu sein, Angehörige der Volksgruppe der Hawiye (Hawadle) zu sein sowie aus Halgan, Somalia, zu stammen. Sie verfüge über keine Ausbildung. Aus dem am 05.02.2016 erstellten Sachverständigengutachten ergibt sich als fiktives Geburtsdatum der BF der 22.09.1998.

Als Fluchtgrund gab BF zusammengefasst an, sie hätte mit einem al Shabaab Mann zwangsverheiratet werden sollen. Im Falle einer Rückkehr habe sie Angst, dass ihr nochmals eine Zwangsheirat drohe.

4. Mit dem angefochtenen Bescheid (zugestellt am 06.09.2017) wurde der Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (AsylG 2005) bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Somalia (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Gemäß § 57 AsylG 2005 wurde ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt, gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 87/2012 (BFA-VG), gegen BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (FPG), erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Somalia zulässig ist (Spruchpunkt III.). Unter Spruchpunkt IV. wurde ausgeführt, dass gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft dieser Rückkehrentscheidung beträgt.

5. Mit Schriftsatz vom 14.09.2017 erhob BF durch ihre Rechtsvertretung binnen offener Frist das Rechtsmittel der Beschwerde in vollem Umfang.

6. Mit Schriftsatz vom 04.10.2017 (beim Bundesverwaltungsgericht eingelangt am 06.10.2017) legte das BFA die Beschwerde sowie die Bezug habenden Verwaltungsunterlagen dem Bundesverwaltungsgericht vor.

7. Mit Schreiben vom 20.11.2017 wurden die BF und das BFA zu einer mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 16.01.2018 geladen und wurde darauf hingewiesen, dass das Bundesverwaltungsgericht beabsichtigt, die Länderberichte gemäß dem "Länderinformationsblatt der Staatendokumentation - Somalia, Wien am 25.4.2016 (letzte Informationen eingefügt am 08.08.2017)" als Feststellungen zur Situation in Somalia seiner Entscheidung zugrunde zu legen. Es wurde Gelegenheit zur Einsicht und Stellungnahme gegeben.

8. Am 16.01.2018 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht eine öffentliche mündliche Verhandlung im Beisein einer Dolmetscherin für die somalische Sprache, der BF sowie deren Rechtsvertretung statt, in welcher BF ausführlich zu ihrer Person und ihren Fluchtgründen befragt wurde und ihr Gelegenheit gegeben wurde, ihre Fluchtgründe umfassend darzulegen sowie zu den im Verfahren herangezogenen Länderberichten Stellung zu nehmen. Das BFA nahm an dieser Verhandlung nicht teil und gab keine schriftliche Stellungnahme zu der Situation im Herkunftsland ab.

Ein Strafregisterauszug wurde am Tag der Verhandlung eingeholt.

Die BF wiederholte im Rahmen der Verhandlung im Wesentlichen ihre bereits im Administrativverfahren getätigten Angaben. Generell habe es wegen des Krieges viele Probleme in Somalia gegeben. Auch sei sie vergewaltigt worden. Betreffend ihren Gesundheitszustand legte BF den Befund einer Autoimmunerkrankung vor.

Das Bundesverwaltungsgericht verkündete das Erkenntnis wie im Spruch oben angeführt. Nach einer Belehrung gem. § 29 Abs. 2a VwGVG verzichtete BF auf eine Revision beim Verwaltungsgerichtshof sowie auf eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof.

9. Mit Schriftsatz vom 17.01.2018 ersuchte die belangte Behörde um eine schriftliche Ausfertigung.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person der Beschwerdeführerin

BF ist eine 1998 geborene, nunmehr volljährige somalische Staatsangehörige sunnitischen Glaubens und Angehörige der Hawiye (Hawadle). Ihre Identität steht nicht fest, weshalb hinsichtlich Name und Geburtsdatum Verfahrensidentität vorliegt.

BF stammt aus Halgan, Region Hiiraan, Somalia. Sie ist ledig und verfügt über keine Ausbildung.

Ein Kontakt zu Familienangehörigen in Somalia kann nicht festgestellt werden.

1.2. Zum Fluchtvorbringen

BF droht in Somalia eine zwangsweise Verheiratung. Auch wurde BF vergewaltigt. Schutz durch männliche Verwandte kann nicht festgestellt werden. Eine geschlechtsspezifische Verfolgung im Falle ihrer Rückkehr ist damit mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit gegeben.

1.3. Zur maßgeblichen Situation im Herkunftsstaat

Die gegenständlich relevante Region Hiiraan ist im Umfeld von Halgan unter Einfluss der al Shabaab (vgl. Karte im LIB S 14).

In von al Shabaab kontrollierten Gebieten treten Zwangsehen auf. Auch wird von al Shabaab sexualisierte Gewalt als Taktik im bewaffneten Konflikt eingesetzt (vgl. LIB S 65).

Generell sind Frauen den Gefahren der Vergewaltigung, Verschleppung und sexuellen Versklavung ausgesetzt. Eine Vergewaltigung hat eine Stigmatisierung der Opfer zur Folge; eine Ehe zwischen Täter und Opfer kann erzwungen werden. In den Lagern der Binnenvertriebenen drohen Frauen ebenfalls Übergriffe (vgl. LIB S 64 f.).

Ein staatlicher Schutz ist nicht gewährleistet (vgl. LIB S 31 und 64).

Für alleinstehende Frauen und Alleinerzieherinnen ohne männlichen Schutz - vor allem für Minderheitenangehörige - ist eine innerstaatliche Relokationsmöglichkeit nicht gegeben (vgl. LIB S 76 f.).

Weite Teile Somalias sind dürrebedingt derzeit von einer massiven Nahrungsversorgungsunsicherheit betroffen sind. Mehr als sechseinhalb Millionen Menschen sind auf humanitäre Hilfe angewiesen, wobei die Zahl der akut Betroffenen in den vergangenen Monaten massiv angestiegen ist und übereinstimmende Prognosen eine weitere drastische Verschlechterung der Situation erwarten lassen. Die Unterernährung von Kindern sowie die Verbreitung von Krankheiten (z.B. Cholera) sind im Steigen begriffen, seit November 2016 wurden mehr als 700.000 Menschen dürrebedingt innerhalb Somalias vertrieben. Die Lage wird als an der Kippe zur Hungersnot beschrieben, einzelne Hungertote sind bereits bestätigt (vgl. LIB S 83 ff.).

1.4. BF ist in Österreich strafrechtlich unbescholten und hat keinen Asylausschlussgrund verwirklicht.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Die Feststellungen ergeben sich aus den von der belangten Behörde vorgelegten Verwaltungsunterlagen sowie den Aktenbestandteilen des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens. Als Beweismittel insbesondere relevant sind die Niederschriften der Einvernahmen durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes (13.10.2015), durch das BFA (26.07.2017) und durch das Bundesverwaltungsgericht (16.01.2018), das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation - Somalia vom 25.04.2016 (aktualisiert am 08.08.2017) und der Strafregisterauszug vom 16.01.2018.

2.2. Zu folgenden Feststellungen wird näher ausgeführt wie folgt:

2.2.1. Zur Person der Beschwerdeführerin:

Das Bundesverwaltungsgericht erachtet die BF für persönlich glaubwürdig, weil sie in der mündlichen Verhandlung im Kern gleichbleibende Angaben machte und aus ihrem Verhalten und Auftreten eine tatsächliche Furcht vor geschlechtsspezifischer Gewalt im Falle einer Rückkehr ersichtlich war. So wirkte sie sehr ängstlich und wurde die Verhandlung auch auf Wunsch der BF unterbrochen. Dass die BF in Somalia tatsächlich bereits intensive Gewalt erlebt hat, ist für das erkennende Gericht glaubwürdig.

Die Feststellung, dass die BF alleinstehend und ohne männlichen Schutz ist, ergibt sich aus deren glaubwürdigem Vorbringen in der mündlichen Verhandlung. Demnach konnte nach Befragung kein Kontakt zu Familienangehörigen in Somalia verlässlich festgestellt werden und gab BF auch an, dass ihr Vater entführt worden sei.

2.2.2. Zum Fluchtvorbringen:

In der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht konnte die BF auf Grund ihres persönlich glaubwürdigen Eindrucks nachvollziehbar darlegen, dass sie bei einer Rückkehr nach Somalia ernstlich Gefahr liefe, zwangsverheiratet zu werden sowie aufgrund der erlittenen Vergewaltigung diskriminiert zu werden.

Die BF hat den Ablauf der Geschehnisse, die zur Flucht führten, im gesamten Verfahren vor der belangten Behörde wie vor dem Bundesverwaltungsgericht im Wesentlichen gleichbleibend und mit Blick auf die Feststellungen zu den örtlichen Gegebenheiten in Somalia plausibel geschildert.

2.2.3. Zur Situation in Somalia:

Die Feststellungen ergeben sich aus den im Länderinformationsblatt der Staatendokumentation - Somalia vom 25.04.2016 (aktualisiert am 08.08.2017) wiedergegebenen und zitierten Berichten. Die aktuellen Länderberichte beruhen auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängiger Quellen von staatlichen und nichtstaatlichen Stellen und bieten dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wesentliche Widersprüche, weshalb im vorliegenden Fall für das Bundesverwaltungsgericht kein Anlass besteht, an der Richtigkeit dieser Berichte zu zweifeln. Insoweit den Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat Berichte älteren Datums zugrunde liegen, ist auszuführen, dass sich seither die darin angeführten Umstände unter Berücksichtigung der dem Bundesverwaltungsgericht von Amts wegen vorliegenden Berichte aktuelleren Datums für die Beurteilung der gegenwärtigen Situation nicht wesentlich geändert haben.

Das Bundesverwaltungsgericht teilte den Verfahrensparteien im Rahmen der Ladung zur mündlichen Verhandlung mit, welche Berichte es beabsichtigt, der Entscheidung zugrunde zu legen, und bot die Möglichkeit zur Einsicht und Stellungnahme an. Den Länderberichten wurde nicht entgegengetreten, weshalb für das Bundesverwaltungsgericht auch aus diesem Grund keine Zweifel an deren Richtigkeit bestehen.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zu A)

3.1.1. Rechtsgrundlagen

Gemäß § 3 Abs. 1 Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (in Folge: AsylG 2005), ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) droht. Gemäß § 3 Abs. 3 AsylG 2005 ist der Asylantrag bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abzuweisen, wenn dem Fremden eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG 2005) offen steht oder wenn er einen Asylausschlussgrund (§ 6 AsylG 2005) gesetzt hat.

Flüchtling iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK ist, wer sich "aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren."

Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 26.11.2003, 2003/20/0389, ausführte, ist das individuelle Vorbringen eines Asylwerbers ganzheitlich zu würdigen und zwar unter den Gesichtspunkten der Konsistenz der Angaben, der persönlichen Glaubwürdigkeit und der objektiven Wahrscheinlichkeit des Behaupteten.

Dass eine Verfolgung der Beschwerdeführerin auf Grund "Zwangsverheiratung" unter dem Gesichtspunkt einer geschlechtsspezifischen Verfolgung als Angehörige einer bestimmten sozialen Gruppe nach Art. 1 Abschnitt A Z. 2 Genfer Flüchtlingskonvention asylrelevant sein kann, entspricht der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. vgl. VwGH Ra 15.10.2015, 2015/20/0181; 15.09.2010, 2008/23/0463

3.1.2. Umgelegt auf den gegenständlichen Fall ergibt sich vor diesem Hintergrund, dass die BF glaubhaft darlegen konnte, dass ihr im Falle einer Rückkehr nach Somalia mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung durch nicht staatliche Akteure (al Shabaab) drohen würde. Glaubhaft ist die drohende Verfolgung aufgrund der im Rahmen der Beweiswürdigung näher begründeten persönlichen Glaubwürdigkeit der BF sowie der vor dem Hintergrund der Länderberichte gegebenen Plausibilität ihres Vorbringens.

Die BF hat bereits geschlechtsspezifische Gewalt tatsächlich erfahren. Auch ist sie noch jung und bislang nicht verheiratet. Aus den Länderberichten ergibt sich, dass diesen Frauen eine Zwangsverheiratung droht und dies gerade in den von al Shabaab kontrollierten Gebieten wie es auch die Region um Halgan ist. Auch der glaubwürdig dargelegte Umstand der Vergewaltigung kann vor den Hintergrund der Länderberichte zu einer intensiven Diskriminierung führen. Schutz durch den Staat ist, wie sich aus den Länderberichten ergibt - nicht zu erwarten und konnte auch kein Kontakt zu männlichen Verwandten, welche BF schützen könnten, festgestellt werden. BF droht damit geschlechtsspezifische Gewalt von hoher Intensität.

Bei den Verfolgern handelt es sich um nicht-staatliche Akteure, doch ist nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes eine mangelnde Schutzfähigkeit des Staates zu berücksichtigen (vgl. VwGH 30.08.2017, Ra 2017/18/0119). Angesichts der Berichtslage bzw. der nur äußerst schwach ausgeprägten staatlichen Strukturen in Somalia kann nicht davon ausgegangen werden, dass die staatlichen Sicherheitsbehörden ausreichend schutzfähig und schutzwillig wären, um die die BF treffende Verfolgungsgefahr genügend zu unterbinden.

Im Ergebnis ist es objektiv nachvollziehbar, dass BF im Falle ihrer Rückkehr nach Somalia Verfolgung aufgrund ihrer Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe der alleinstehenden, schutzlosen Frauen mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit droht.

Zu der Frage, ob für die BF eine innerstaatliche Fluchtalternative besteht, ergibt sich aus den Länderberichten, dass für alleinstehende Frauen ohne männlichen Schutz eine innerstaatliche Relokationsmöglichkeit nicht gegeben ist. Die BF hat daher keine innerstaatliche Fluchtalternative, da sie wie festgestellt alleinstehend und ohne männlichen Schutz ist. Kontakt zu Familienangehörigen konnte nicht festgestellt werden. Auch verfügt BF über keine Ausbildung, was eine Neuansiedlung zusätzlich erschweren würde. Sie kann sich der Verfolgungsgefahr auch nirgendwo in Somalia entziehen. Nicht nur kontrolliert al Shabaab viele Gebiete, sodass sich für die BF keine hinreichend zuverlässige Gelegenheit böte, Übergriffen der al Shabaab zu entgehen. Weite Teile der Gebiete Somalias sind heute von erheblicher Dürre betroffen, sodass die Versorgung der Bevölkerung dort nicht mehr zuverlässig gewährleistet erscheint. Auch für die übrigen Gebiete beschreiben die Länderberichte für Somalia die Versorgungslage von Binnenflüchtlingen als besonders schlecht, was eine innerstaatliche Flucht erheblich erschwert. Wegen der zunehmend fragilen humanitären Situation und der akuten Nahrungsmittelunsicherheit in Somalia ist nicht davon auszugehen, dass ihr die notwendige Unterstützung zuteilwürde. Es steht ernstlich zu befürchten, dass die BF anderswo im Herkunftsstaat sogar in eine aussichtslose Lage geraten würde oder Übergriffen der al Shabaab ausgesetzt wäre. Letztlich steht ihr somit keine innerstaatliche Fluchtalternative offen.

Es kamen schließlich auch keine Asylausschlussgründe iSd § 6 Abs. 1 AsylG 2005 hervor; insbesondere ist die BF strafrechtlich unbescholten.

Das Bundesverwaltungsgericht gelangt somit abschließend zu dem Ergebnis, dass dem Antrag der BF auf internationalen Schutz stattzugeben und ihr der Status der Asylberechtigten zuzuerkennen war. Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 war die Entscheidung über die Asylgewährung mit der Feststellung zu verbinden, dass ihr damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

3.2. Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung (siehe die unter Punkt 3.1. zitierte Judikatur); weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Im Übrigen war eine auf die Umstände des Einzelfalls bezogene Prüfung vorzunehmen.

Schlagworte

asylrechtlich relevante Verfolgung, mündliche Verkündung,
Schutzunfähigkeit, Schutzunwilligkeit, Zwangsehe

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:W183.2172694.1.00

Zuletzt aktualisiert am

26.04.2018
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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