TE Bvwg Erkenntnis 2018/4/18 W217 2163879-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 18.04.2018
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Entscheidungsdatum

18.04.2018

Norm

BBG §40
BBG §41
BBG §45
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

W217 2163879-1/8E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Julia STIEFELMEYER als Vorsitzende, Richterin Mag. Ulrike LECHNER LL.M sowie die fachkundige Laienrichterin Verena KNOGLER BA, MA als Beisitzerin über die Beschwerde von Frau XXXX , geb. XXXX , vertreten durch den Kriegsopfer- und Behindertenverband für Wien, NÖ und Bgld, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle Wien, vom 19.05.2017, OB: XXXX , betreffend Abweisung des Antrages auf Ausstellung eines Behindertenpasses in nicht öffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde wird stattgegeben.

Bei der Beschwerdeführerin liegt ein Grad der Behinderung von 70 v. H. (70%) vor.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Frau XXXX (in der Folge: Beschwerdeführerin) beantragte erstmals am 22.10.2015 beim Sozialministeriumsservice, Landesstelle Niederösterreich, (im Folgenden die belangte Behörde), die Ausstellung eines Behindertenpasses unter Beilegung medizinischer Beweismittel. Die belangte Behörde gab in der Folge ein Sachverständigengutachten einer Ärztin für Allgemeinmedizin basierend auf der Einschätzungsverordnung BGBl. II Nr. 261/2010 idF BGBl. II Nr. 251/2012 in Auftrag. Dieses allgemeinmedizinische Sachverständigengutachten vom 12.02.2016 ergab nach persönlicher Untersuchung der Beschwerdeführerin einen Grad der Behinderung von 40 v.H. Die Ausstellung eines Behindertenpasses wurde aufgrund des Fehlens der gesetzlichen Voraussetzungen mit Bescheid vom 08.03.2016 abgewiesen. Dagegen erhob die Beschwerdeführerin erstmals Beschwerde. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 20.07.2016 wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

2. Die Beschwerdeführerin beantragte neuerlich am 25.10.2016 bei der belangten Behörde unter Beilegung weiterer medizinischer Unterlagen die Ausstellung eines Behindertenpasses.

3. Der Beschwerdeführerin wurde mittels Schreiben der belangten Behörde vom 28.11.2016 zur Kenntnis gebracht, dass Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses oder auf Einschränkung des Grades der Behinderung ohne Durchführung eines Ermittlungsverfahrens zurückzuweisen wären, wenn seit der letzten rechtskräftigen Entscheidung noch kein Jahr vergangen sei. Dies gelte nicht, wenn eine offenkundige Änderung des Leidenszustandes glaubhaft geltend gemacht werden würde. Da eine offenkundige Änderung bisher nicht glaubhaft gemacht worden sei, wäre der Antrag zurückzuweisen. Der Beschwerdeführerin wurde Parteiengehör zur Einbringung einer schriftlichen Stellungnahme und/oder Vorlage neuer Beweismittel binnen drei Wochen ab Zustellung des Schreibens gewährt.

4. Die Beschwerdeführerin legte im Rahmen des Parteiengehörs fristgerecht am 19.12.2016 ein Gutachten des Landesklinikums XXXX , Abteilung für Augenheilkunde, vor.

5. Mit Schreiben vom 07.02.2017 wurde der Beschwerdeführerin das Ergebnis der Beweisaufnahme unter Anschluss des von der belangten Behörde eingeholten medizinischen Sachverständigengutachtens Dr. XXXX vom 03.02.2017, basierend auf der Aktenlage, erstellt nach der Einschätzungsverordnung, zur Kenntnis gebracht, welches einen Grad der Behinderung von 40 v.H. befundet, und die Möglichkeit einer Stellungnahme und Vorlage allfälliger weiterer Beweismittel binnen drei wöchiger Frist gewährt.

6. Die Beschwerdeführerin legte im Rahmen des Parteiengehörs mit Schreiben vom 23.02.2017 einen weiteren augenärztlichen Befund des Landesklinikums XXXX als weiteres Beweismittel vor und beantragte, den Sachverhalt nochmals zu prüfen und über den eingebrachten Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses zu entscheiden.

7. In dem von der belangten Behörde neuerlich in Auftrag gegebenen medizinischen Sachverständigengutachten Dris. XXXX vom 11.05.2017, basierend auf der Aktenlage, erstellt nach der Einschätzungsverordnung BGBl. II. Nr. 261/2010 idF BGBl. II Nr. 251/2012, wurde erneut ein Grad der Behinderung 40 v.H. befundet. Das Ergebnis der durchgeführten Begutachtung, basierend auf der Aktenlage, lautete wie folgt:

Lfd. Nr.

Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkung, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden: Begründung der Positionsnummer und des Rahmensatzes:

Pos.Nr.

GdB %

1

Trockene Maculadegeneration rechts, zentrale Fibrose links bei Zustand nach Avastin-Behandlung bei feuchter Maculadegeration links Wahl dieser Richtsatzposition bei Minderung der Sehschärfe beider Augen, fixer Rahmensatz gemäß Tabelle Kolumne 2, Zeile 9.

11.02.01

40

2

Cervicalsyndrom und rezidivierende Lumboischalgien Unterer Rahmensatz, da keine Dauertherapie und keine sensomotorischen Ausfälle bei radiologischen Veränderungen.

02.01.02

30

3

Allgemeine Abnützungserscheinungen des gesamten Bewegungsapparates, Arthrose des linken Kniegelenkes Unterer Rahmensatz, da Beschwerden or allem morgens und nach körperlicher Anstrengung.

02.02.02

30

4

Blasenplastik und Spincter ani-Operation Eine Stufe über dem unteren Rahmensatz bei Harninkontinenz, aber keine Angaben von Schmerzen oder Infektionen.

08.01.02

20

5

Arterielle Hypertonie Fixer Rahmensatz, Hyperlipidämie mitberücksichtigt.

05.01.02

20

6

Hyperthyreose bei Morbus Basedow Unterer Rahmensatz, da medikamentös zufriedenstellend eingestellt

09.01.01

10

Gesamtgrad der Behinderung 40 v.H.

8. Die Beschwerdeführerin brachte mit Schreiben vom 16.05.2017 bei der belangten Behörde eine Nachreichung unter Anschluss eines neuen augenärztlichen Befundes des Landesklinikums XXXX vom 24.04.2017 ein.

9. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 19.05.2017 wies die belangte Behörde den Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses ab und begründete dies, dass die Beschwerdeführerin mit dem sachverständig festgestellten Grad der Behinderung 40 v.H. die Voraussetzungen für die Ausstellung des Behindertenpasses nicht erfülle. Dabei stützte sich die belangte Behörde beweiswürdigend auf das im vorangegangenen Ermittlungsverfahren zuletzt eingeholte, ärztliche Sachverständigengutachten Dris. XXXX vom 11.05.2017. Dieses Gutachten wurde dem Bescheid als integrierter Bestandteil der Begründung beigelegt.

10. Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin fristgerecht das Rechtsmittel der Beschwerde und führte darin zusammengefasst aus, dass der nunmehr angefochtene Bescheid rechtswidrig sei, da das vorliegende Cervikalsyndrom und die rezidivierende Lumboischialgien sehr wohl einer ständigen Behandlung bedürften und daher von einer Dauertherapie auszugehen sei und der Grad der Behinderung für dieses Leiden folglich zumindest 40 v.H. betragen müsse. Weiters läge bei der Beschwerdeführerin eine Maculadegeneration, Pseudophakia postop.ou., Myopie, Astigmatismus und Presbyopie vor. Es bestünde ein deutlich eingeschränktes räumliches Sehen. Vor allem bei der Fortbewegung im Alltag sei die Beschwerdeführerin durch die bereits länger vorliegende Gesundheitsschädigung des Bewegungsapparates eingeschränkt gewesen, durch die nunmehr hinzu kommende Sehbehinderung sei die Beschwerdeführerin weitergehender eingeschränkt. Dies würde zu einer nachteiligen wechselseitigen Leidensbeeinflussung führen und einen Gesamtgrad der Behinderung von zumindest 50 v.H. rechtfertigen.

Der Beschwerde beigeschlossen war ein ärztlicher Befund Dris XXXX , Facharzt für Augenheilkunde und Optometrie, vom 19.06.2017.

11. Mit Vorlagebericht vom 11.07.2017 wurde die Beschwerde samt Fremdakt dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vorgelegt und langte beim Gericht noch am selben Tag ein.

12. Zur Überprüfung des Beschwerdegegenstandes wurden durch das Bundesverwaltungsgerichte weitere medizinische Sachverständigengutachten eingeholt.

13. Dem Bundesverwaltungsgericht wurden das fachärztliche Sachverständigengutachten Dr.a XXXX , Fachärztin für Augenheilkunde, und jenes von Dr. XXXX , Facharzt für Unfallchirurgie, beide basierend auf der persönlichen Untersuchung der BF übermittelt. In dem das Gutachten Dr.a XXXX mit berücksichtigenden Sachverständigengutachten vom 28.11.2017 wird von Dr. XXXX im Wesentlichen ausgeführt:

"(...)

Objektiver Untersuchungsbefund

Größe 165 cm, Gewicht ca.75 kg

Allgemeinzustand: altersentsprechend Ernährungszustand: normal

Kommt in Stiefeletten zur Untersuchung, verwendet keine weiteren Gehhilfen. Ist in Begleitung der Tochter. Das Gangbild ist im wesentlichen hinkfrei, insgesamt aber verlangsamt und vorsichtig. Aus- und Ankleiden wird im überwiegend im Sitzen durchgeführt, teilweise hilft die Tochter. Trägt an beiden Handgelenken abnehmbare Manschetten.

Caput/Collum: unauffällig

Thorax: symmetrisch, elastisch

Abdomen: klinisch unauffällig, kein Druckschmerz

Obere Extremitäten:

Rechtshänder. Der Schultergürtel ist horizontal. Symmetrische Muskelverhältnisse. Durchblutung und Sensibilität sind ungestört. Benützungszeichen sind seitengleich sehr zart. Mäßig arthrotische Auftreibungen an sämtlichen Fingergelenken. Die Gelenke, rechts mehr als links, sind druckschmerzhaft. Deutlich Druckschmerz am rechten Daumensattelgelenk.

Beide Handgelenke sind diskret verschwollen, sind deutlich druck- und bewegungsschmerzhaft und in der Beweglichkeit je 1/2 eingeschränkt.

Über der dem linken Speichengriffelfortsatz besteht eine druckschmerzhafte prallelastische Schwellung im Sinne eines Ganglions. Die Schultern sind diffus druckschmerz- und deutlich bewegungsschmerzhaft.

Die Arme können in den Schultern mit Mühe und unter Schmerzen bis zur Horizontalen gehoben werden. Nacken- und Kreuzgriff sind jeweils deutlich eingeschränkt. Grob- und Spitzgriff sind durchführbar aber deutlich kraftgemindert, der Faustschluss ist komplett.

Untere Extremitäten:

Beim Gehen ist Oberkörper nach vor geneigt. Das Gangbild ist sicher, insgesamt watschelnd bei deutlicher X-Fehlstellung. Ausgeprägt Knicksenkfüße beidseits. Symmetrische Muskelverhältnisse. Ausgeprägt Spreitzfußstellung beidseits. Hallux- Valgus beidseits. Das Großzehengrundgelenk links ist deutlich druckschmerzhaft und etwas gerötet.

Die Sprunggelenke sind bandfest, sind bewegungsschmerzhaft, nicht wesentlich druckschmerzhaft.

Kniegelenke altersentsprechend unauffällig.

An den Hüften besteht Druckschmerz am großen Rollhöcker und deutlich Endlagenschmerz bei Beugung und Rotation.

Beweglichkeit:

Hüften S 0-0-90 beidseits. R (S 90°) 5-0-15 beidseits. Knie S 0-0-135 beidseits. Oberes Sprunggelenk S 10-0-30 beidseits. Untere Sprunggelenke endlagig eingeschränkt.

Wirbelsäule:

Schultergürtel und Becken sind horizontal. Mäßige Rotationskoliose von Brust- und Lendenwirbelsäule. Ausgeprägt Rundrücken, Streckhaltung der Lendenwirbelsäule. Deutlich Hartspann zervikal, mäßig lumbal. Gering Klopfschmerz überden Dornfortsätzen. Iliosacralgelenke sind mäßig druckschmerzhaft.

Beweglichkeit:

Halswirbelsäule: allseits 1/2 eingeschränkt.

Brustwirbelsäule/Lendenwirbelsäule: beim Vorwärtsbeugen reichen die Hände zu den Kniegelenken. Seitwärtsneigen und Rotation je 1/2 eingeschränkt.

Beantwortung der Fragen:

Zu beantworten sind folgende Fragen:

2.1. Stellungnahme ob sich auf Grund des Vorbringens und der neuen Befunde eine Änderung der orthopädischen Leiden ergibt.

Hinsichtlich des Wirbelsäulenleidens besteht mittelgradige Beweglichkeitseinschränkung ohne neurologisches Defizit, was keine geänderte Einschätzung des Leidens rechtfertigt.

Allerdings ist Leiden 3 aus dem Vorgutachten höher einzuschätzen, da fast alle großen Gelenke betroffen sind mit zum Teil mittelgradiger Funktionsbehinderung. Es liegt zwar keine wechselseitig ungünstige Leidensbeeinflussung zwischen dem Augenleiden und den orthopädischen Leiden vor, allerdings bewirken die orthopädischen Leiden in ihrer Gesamtheit eine relevante Zusatzbehinderung, die die Erhöhung des Augenleidens um 2 Stufen rechtfertigt.

Wenn ja:

2.2. Bewertung und Begründung der Leiden nach der Einschätzungsverordnung.

1 Zustand nach Grauer Star Op mit Hinterkammerlinsenimplantation beidseits, degenerative Entartung der Netzhautmitte beidseits mit Sehverminderung recht auf 0,5 und links auf 1/24

Pos. 11.02.01 50%

Tabelle, Kolonne 2, Zeile 9, Kunstlinsenimplantation + 10% inkl

2 Degenerative Veränderung der Wirbelsäule, Cervicolumbalsyndrom

Pos. 02.01.02 30%

Unterer Rahmensatz dieser Position, da keine Dauertherapie und ohne neurologisches Defizit, bei mäßiger Beweglichkeitseinschränkung und radiologischen Veränderungen

3 Allgemeine Abnützungserscheinungen des gesamten Bewegungsapparates

Pos. 02.02.02 40%

Wahl dieser Position mit dem oberen Rahmensatz, da fast alle großen Gelenke betroffen sind mit zum Teil mittelgradiger Funktionsbehinderung.

4 Blasenplastik und Sphincter ani - Operation

Pos. 08.01.02 20%

Wahl dieser Position mit 1 Stufe über dem unteren Rahmensatz, da Harninkontinenz, aber keine Angabe von Schmerzen oder Infektion

5 Bluthochdruck

Pos. 05.01.02 20%

Fixer Rahmensatz

6 Hyperthyreose bei Morbus Basedow

Pos. 09.01.01 10%

Wahl dieser Position mit dem unteren Rahmensatz, da medikamentös zufriedenstellend eingestellt.

2.3. Zusammenfassende Neueinschätzung

Der Gesamtgrad der Behinderung beträgt somit siebzig von Hundert (70 v. H.), weil das führende Leiden 1 durch Leiden 2 und 3 um 2 Stufen höher wird wegen relevanter Zusatzbehinderung. Die übrigen Leiden erhöhen wegen fehlender wechselseitiger ungünstiger Lebensbeeinflussung und zu geringer funktioneller Relevanz nicht weiter.

2.4. Es ist auf das Vorbringen der BF einzugehen.

Hinsichtlich des Wirbelsäulenleidens besteht mittelgrade Beweglichkeitseinschränkung ohne neurologisches Defizit, was keine geänderte Einschätzung des Leidens rechtfertigt.

Allerdings ist das Leiden 3 aus dem Vorgutachten höher einzuschätzen, da fast alle großen Gelenke betroffen sind mit zum Teil mittelgradiger Funktionsbehinderung. Es liegt zwar keine wechselseitige ungünstige Lebensbeeinflussung zwischen dem Augenleiden und den orthopädischen Leiden vor, allerdings bewirken die orthopädischen Leiden in ihrer Gesamtheit eine relevante Zusatzbehinderung, die die Erhöhung des Augenleidens um 2 Stufen rechtfertigt.

2.5. Änderung zum Vorgutachten?

Das Augenleiden wird aus fachärztlicher Sicht höher eingeschätzt.

Fachbezogen wir das Leiden 3 aus dem Vorgutachten höher eingeschätzt, da fast alle großen Gelenke betroffen sind mit zum Teil mittelgradiger Funktionsbehinderung und von im Ausmaß und der Lokalisation wechselnder Ausprägung.

Zur Zeit werden Handgelenksschienen auf Grund starker Schmerzhaftigkeit getragen.

Hinsichtlich des gesamten GdB wurde oben Stellung genommen.

2.6. Feststellung, ob, bzw. wann eine NU erforderlich ist.

Dauerzustand

2.7. Feststellung, ab wann der Gesamt-GdB anzunehmen ist.

Seit Antragstellung."

14. Die Gelegenheit, zu den vom Bundesverwaltungsgericht übermittelten Sachverständigengutachten Stellung zu nehmen, blieb seitens der BF und der belangten Behörde ungenützt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Da sich die Beschwerdeführerin mit der Abweisung des Antrages auf Ausstellung eines Behindertenpasses nicht einverstanden erklärt hat, war dies zu überprüfen.

1. Feststellungen:

1.1. Die Beschwerdeführerin ist am 22.04.1937 geboren, österreichische Staatsbürgerin und hat ihren Wohnsitz im Inland. Sie erfüllt damit die allgemeinen Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses.

1.2. Die Beschwerdeführerin begehrte mit Antrag vom 25.10.2016 zuletzt die Ausstellung eines Behindertenpasses bei der belangten Behörde.

1.3. B ei der Beschwerdeführerin liegen folgende Funktionseinschränkungen vor:

Lfd.Nr.

Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden

Pos.Nr.

GdB %

1

Zustand nach Grauer Star Op mit Hinterkammerlinsenimplantation beidseits, degenerative Entartung der Netzhautmitte beidseits mit Sehverminderung recht auf 0,5 und links auf 1/24

11.02.01

50

2

Degenerative Veränderung der Wirbelsäule, Cervicolumbalsyndrom

02.01.02

30

3

Allgemeine Abnützungserscheinungen des gesamten Bewegungsapparates

02.02.02

40

4

Blasenplastik und Sphincter ani - Operation

08.01.02

20

5

Bluthochdruck

05.01.02

20

6

Hyperthyreose bei Morbus Basedow

09.01.01

10

1.4 Der Gesamtgrad der Behinderung beträgt 70 v. H.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Die unter Punkt 1.1 getroffene Feststellungen beruhen auf den eigenen Angaben der Beschwerdeführerin sowie den Einträgen im zentralen Melderegister. Die Feststellung zum Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt der Beschwerdeführerin im Inland ergibt sich aus der Einsichtnahme im zentralen Melderegister.

2.2. Die unter 1.2. getroffenen Feststellungen des Datums des Einlangens des Antrages auf Ausstellung eines Behindertenpasses basiert auf dem diesbezüglich unbestrittenen und widerspruchsfreien Akteninhalt des von der belangten Behörde vorgelegten Fremdakts.

2.3. Die unter 1.3. und 1.4. getroffenen Feststellungen über den Gesamtgrad der Behinderung sowie Art und Ausmaß der bei der Beschwerdeführerin vorliegenden Funktionseinschränkungen, basieren auf den Befunden des medizinischen Sachverständigen Dr. XXXX , Facharzt für Unfallchirurgie, und der medizinischen Sachverständigen Dr.a XXXX , Fachärztin für Augenheilkunde, jeweils nach persönlicher Untersuchung der Beschwerdeführerin.

Darin wird auf die Art der Leiden der Beschwerdeführerin und deren Ausmaß vollständig, nachvollziehbar und widerspruchsfrei eingegangen. Das zusammenfassende Gutachten Dris. XXXX war der Entscheidung zu Grunde zu legen, da es die zuletzt von der Beschwerdeführerin vorgelegten Befunde inhaltlich ergänzend in die Bewertung der Leiden der Beschwerdeführerin miteinbezieht. Die medizinischen Sachverständigen setzen sich auf Grundlage von persönlicher Begutachtung mit den vorgelegten Befunden, die im Gutachten angeführt sind, auseinander. Die getroffene Einschätzung, basierend auf dem im Rahmen einer persönlichen Untersuchung erhobenen Befund, entspricht der festgestellten Funktionsbeeinträchtigung. Der Gesamtgrad der Behinderung der Beschwerdeführerin wurde gegenüber dem allgemeinmedizinischen Sachverständigengutachten Dris. XXXX vom 11.05.2017 höher eingeschätzt.

Die von Dr.a XXXX sachverständig festgestellte Funktionsbeeinträchtigung "Zustand nach Grauer Star Op mit Hinterkammerlinsenimplantation beidseits, degenerative Entartung der Netzhautmitte beidseits mit Sehverminderung rechts auf 0,5 und links auf 1/24" (Leiden 1) fällt nach der Einschätzungsverordnung BGBl. II Nr. 261/2010 idF BGBl. II Nr. 251/2012 unter die Positionsnummer 11.02.01 (Sehstörungen, Störung des zentralen Sehens (Sehschärfe mit Korrektur)), für welche die Einschätzungsverordnung einen Grad der Behinderung 40 v.H. vorsieht. Die medizinische Sachverständige legte einen Grad der Behinderung mit 50 v.H. fest und begründete die Erhöhung des festen Rahmensatzes um 10% mit der Berücksichtigung der Kunstlinsenimplantation, wodurch es zu einer gerechtfertigten Anhebung des Augengrades der Behinderung von 40 % auf 50 % kommt.

Die sachverständig festgestellte Funktionsbeeinträchtigung "Degenerative Veränderung der Wirbelsäule, Cervicolumbalsyndrom" (Leiden 2) fällt nach der Einschätzungsverordnung unter die Positionsnummer 02.01.02 (Wirbelsäule, Funktionseinschränkung mittleren Grades), für welche die Einschätzungsverordnung einen Rahmen von 30% - 40 % vorsieht. Der medizinische Sachverständige Dr. XXXX schöpfte bei der Festsetzung des Grades der Behinderung den Rahmensatz der Positionsnummer 02.01.02 mit 30 % aus und begründete die Wahl des unteren Rahmensatzes damit, dass keine Dauertherapie erforderlich sei und keine neurologischen Defizite bei mäßiger Beweglichkeitseinschränkung und radiologischen Veränderungen vorliegen.

Die sachverständig festgestellte Funktionsbeeinträchtigung "Allgemeine Abnützungserscheinungen des gesamten Bewegungsapparates" (Leiden 3) fällt nach der Einschätzungsverordnung unter die Positionsnummer 02.02.02 (Generalisierte Erkrankung des Bewegungsapparates, mit funktionellen Auswirkungen mittleren Grades), für welche die Einschätzungsverordnung einen Rahmen von 30 % - 40 % vorsieht. Dr. XXXX schöpfte bei der Festsetzung des Grades der Behinderung den Rahmensatz mit 40 % aus und begründete die Wahl des oberen Rahmensatzes damit, dass fast alle großen Gelenke mit zum Teil mittelgradiger Funktionsbehinderung betroffen sind.

Die sachverständig festgestellte Funktionsbeeinträchtigung "Blasenplastik und Sphincter ani-Operation" (Leiden 4) fällt nach der Einschätzungsverordnung unter die Positionsnummer 08.01.02 (Urogenitalsystem, Ableitende Harnwege und Nieren, Fistelbildung und künstliche Harnableitung nach Innen) für welche die Einschätzungsverordnung einen Rahmen von 10 % - 40 % vorsieht. Dr. XXXX schöpfte bei der Festsetzung des Grades der Behinderung den Rahmensatz mit 20 % aus und begründete die Wahl der Position mit einer Stufe über dem unteren Rahmensatz damit, dass keine Angaben hinsichtlich des Vorliegens von Schmerzen oder Infektionen bekannt sind.

Die sachverständig festgestellte Funktionsbeeinträchtigung "Bluthochdruck" (Leiden 5) fällt nach der Einschätzungsverordnung unter die Positionsnummer 05.01.02 (Hypertonie, mäßige Hypertonie) für welche die Einschätzungsverordnung einen fixen Rahmensatz von 20 % vorsieht.

Die sachverständige festgestellte Funktionsbeeinträchtigung "Hyperthyreose bei Morbus Basedow" (Leiden 6) fällt nach der Einschätzungsverordnung unter die Positionsnummer 09.01.01 (Schilddrüsenerkrankung mit geringer Beeinträchtigung) für welchen die Einschätzungsverordnung einen Rahmensatz von 10 % - 20 % vorsieht. Der medizinische Sachverständige schöpfte bei der Festsetzung des Grades der Behinderung den Rahmensatz mit 10 % aus und begründete die Wahl des unteren Rahmensatzes insofern, dass die Beschwerdeführerin medikamentös zufriedenstellend eingestellt ist.

Begründend für die Abweichung zum Vorgutachten Dris. XXXX vom 11.05.2017 führt der fachärztliche Sachverständige Dr. XXXX unter Bezugnahme auf das Sachverständigengutachten Dr.a XXXX im zusammenfassenden Sachverständigengutachten vom 28.11.2017 aus, dass das Augenleiden der Beschwerdeführerin aus fachärztlicher Sicht höher eingeschätzt wird und es durch die Berücksichtigung der Kunstlinsenimplantation zu einer Anhebung der Augen Grad der Behinderung von 40 % auf 50 % kommt. Weiters ist aus chirurgisch-fachärztlicher Sicht das Leiden 3 (Allgemeine Abnützungserscheinungen des gesamten Bewegungsapparates) im Vergleich zum Vorgutachten höher eingeschätzt, da fast alle großen Gelenke betroffen sind, dies mit zum Teil mittelgradiger Funktionsbehinderung und von im Ausmaß und der Lokalisation wechselnder Ausprägung.

Weiters stellte Dr. XXXX fest, dass das führende Leiden 1 durch Leiden 2 und 3 um 2 Stufen erhöht wird wegen relevanter Zusatzbehinderung.

Weder die belangte Behörde noch die Beschwerdeführerin sind den Ergebnissen des zusammengefassten Sachverständigengutachtens Dris. XXXX im Rahmen des Parteiengehörs entgegengetreten.

Das Sachverständigengutachten Dris. XXXX ist insbesondere unter Berücksichtigung des ebenfalls eingeholten und im Gutachten Dris. XXXX berücksichtigten augenfachärztlichen Gutachten von Dra XXXX schlüssig und nachvollziehbar und steht mit den Erfahrungen des Lebens, der ärztlichen Wissenschaft und den Denkgesetzen nicht in Widerspruch.

Somit waren die im Rahmen der Beschwerde erhobenen Einwände geeignet, das Ergebnis des Ermittlungsverfahrens zu entkräften, da sie ausreichend substantiiert waren.

Seitens des Bundesverwaltungsgerichtes bestehen folglich keine Zweifel an der Richtigkeit, Vollständigkeit und Schlüssigkeit der vom Bundesverwaltungsgericht eingeholten Sachverständigengutachten. Diese werden daher in freier Beweiswürdigung der gegenständlichen Entscheidung zu Grunde gelegt.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz - BVwGG), BGBl. I Nr. 10/2013 idgF, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gemäß § 45 Abs. 3 BBG hat in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen. Gegenständlich liegt somit Senatszuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz - VwGVG), BGBl. I Nr. 33/2013 idgF, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung (BAO), BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes (AgrVG), BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 (DVG), BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben ist, den angefochtenen Bescheid auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

§ 47 BBG beinhaltet eine Verordnungsermächtigung, wonach der Bundesminister für Arbeit und Soziales ermächtigt ist, mit Verordnung die näheren Bestimmungen über den nach § 40 leg.cit auszustellenden Behindertenpass und damit verbundene Berechtigungen festzusetzen.

Zu Spruchpunkt A)

Unter Behinderung iSd Bundesbehindertengesetz (BBG) ist gemäß dessen § 1 Abs 2 leg.cit. die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktion zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten.

§ 40 Abs. 1 BBG normiert, dass behinderte Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% ist auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpass auszustellen, wenn

1. ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist oder

2. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen oder

3. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten oder

4. für sie erhöhte Familienbeihilfe bezogen wird oder sie selbst erhöhte Familienbeihilfe beziehen oder

5. sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes (BEinstG), BGBl. Nr. 22/1970, angehören.

Behinderten Menschen, die nicht dem im Abs. 1 angeführten Personenkreis angehören, ist gemäß § 40 Abs 2 BBG ein Behindertenpass auszustellen, wenn und insoweit das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen auf Grund von Vereinbarungen des Bundes mit dem jeweiligen Land oder auf Grund anderer Rechtsvorschriften hiezu ermächtigt ist.

Gemäß § 41 Abs. 1 BBG hat das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010 idF BGBl II 251/2012) unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen, wenn

1. nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hiefür maßgebenden Vorschriften keine Einschätzung vorsehen oder

2. zwei oder mehr Einschätzungen nach bundesgesetzlichen Vorschriften vorliegen und keine Gesamteinschätzung vorgenommen wurde oder

3. ein Fall des § 40 Abs. 2 vorliegt.

Gemäß § 42 Abs. 1 BBG hat der Behindertenpass den Vornamen sowie den Familien- oder Nachnamen, das Geburtsdatum, eine allfällige Versicherungsnummer, und den festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.

Der Behindertenpass ist gemäß § 42 Abs. 2 BBG unbefristet auszustellen, wenn keine Änderung in den Voraussetzungen zu erwarten ist.

Treten Änderungen ein, durch die behördliche Eintragungen im Behindertenpass berührt werden, hat das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen diese zu berichtigen oder erforderlichenfalls einen neuen Behindertenpass auszustellen. Bei Wegfall der Voraussetzungen ist der Behindertenpass einzuziehen (§ 43 Abs. 1 BBG).

Gemäß § 45 Abs. 1 BBG sind Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.

Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3 leg.cit.) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt gemäß § 45 Abs. 2 BBG Bescheidcharakter zu.

Die maßgebenden Bestimmungen der Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend nähere Bestimmungen über die Feststellung des Grades der Behinderung (Einschätzungsverordnung BGBl II 261/2010 idF BGBl II 251/2012) lauten auszugsweise wie folgt:

§ 1. Unter Behinderung im Sinne dieser Verordnung ist die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft, insbesondere am allgemeinen Erwerbsleben, zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten.

Grad der Behinderung:

§ 2 Abs. 1 Die Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigung sind als Grad der Behinderung zu beurteilen. Der Grad der Behinderung wird nach Art und Schwere der Funktionsbeeinträchtigung in festen Sätzen oder Rahmensätzen in der Anlage dieser Verordnung festgelegt. Die Anlage bildet einen Bestandteil dieser Verordnung.

Abs. 2 Bei Auswirkungen von Funktionsbeeinträchtigungen, die nicht in der Anlage angeführt sind, ist der Grad der Behinderung in Analogie zu vergleichbaren Funktionsbeeinträchtigungen festzulegen.

Abs. 3 Der Grad der Behinderung ist nach durch den zehn teilbaren Hundertsätzen festzustellen. Ein um fünf geringerer Grad der Behinderung wird von ihnen mit umfasst. Das Ergebnis der Einschätzung innerhalb eines Rahmensatzes ist zu begründen.

Gemäß § 3 Abs. 1 der Einschätzungsverordnung ist eine Einschätzung des Gesamtgrades der Behinderung dann vorzunehmen, wenn mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vorliegen. Bei der Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung sind die einzelnen Werte der Funktionsbeeinträchtigungen nicht zu addieren. Maßgebend sind die Auswirkungen der einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen zueinander.

Gemäß Abs. 2 leg.cit. ist bei der Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung zunächst von jener Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, für die der höchste Wert festgestellt wurde. In der Folge ist zu prüfen, ob und inwieweit diese durch die weiteren Funktionsbeeinträchtigungen erhöht wird. Gesundheitsschädigungen mit einem Ausmaß von weniger als 20 v.H. sind außer Betracht zu lassen, sofern eine solche Gesundheitsschädigung im Zusammenwirken mit einer anderen Gesundheitsschädigung keine wesentliche Funktionsbeeinträchtigung verursacht.

Zunächst ist festzuhalten, dass der Grad der Behinderung im Beschwerdefall - wie dies auch die belangte Behörde zu Recht annahm - nach der Einschätzungsverordnung einzuschätzen war, was im Verfahren auch unbestritten geblieben ist.

Wie oben unter Punkt 2.3. ausgeführt, wird der gegenständlichen Entscheidung das oben dargestellte zusammenfassende Sachverständigengutachten Dris. XXXX vom 28.11.2017 zu Grunde gelegt, aus dem sich bei der Beschwerdeführerin ein Grad der Behinderung 70 v.H. ergibt. Da sich durch dieses Ergebnis der Grad der Behinderung der Beschwerdeführerin im Vergleich zu dem nunmehr angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 19.05.2017 um 30% erhöht hat, war der Beschwerde stattzugeben und der Gesamtgrad der Behinderung der Beschwerdeführerin neu festzustellen. Die Beschwerdeführerin erfüllt damit die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses gemäß § 40 Abs.1 BBG.

Der Beschwerde war aus den dargelegten Gründen daher stattzugeben.

Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung

Das Verwaltungsgericht hat auf Antrag, oder wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen (§ 24 Abs. 1 VwGVG).

Die Verhandlung kann entfallen, wenn der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist (§ 24 Abs. 1 VwGVG).

Gemäß § 24 Abs. 3 VwGVG hat der Beschwerdeführer die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden.

Nach § 24 Abs. 4 VwGVG kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (MRK), BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GRC), ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen. Eine Verhandlung ist demnach in jenen Fällen durchzuführen, wenn ‚civil rights' oder ‚strafrechtliche Anklagen' iSd Art. 6 MRK oder die Möglichkeit der Verletzung einer Person eingeräumter Unionsrechte betroffen sind und eine inhaltliche Entscheidung in der Sache selbst getroffen wird (VwGH 9.9.2014, Ro 2014/09/0049).

Weiters kann das Verwaltungsgericht gemäß § 24 Abs. 5 VwGVG von der Durchführung (Fortsetzung) einer Verhandlung absehen, wenn die Parteien ausdrücklich darauf verzichten. Ein solcher Verzicht kann bis zum Beginn der (fortgesetzten) Verhandlung erklärt werden.

Der EGMR hat in seinen Entscheidungen vom 10. Mai 2007, Nr. 7401/04 (Hofbauer/Österreich Nr. 2), und vom 3. Mai 2007, Nr. 17.912/05 (Bösch/Österreich), unter Hinweis auf seine frühere Rechtsprechung dargelegt, dass der Beschwerdeführer grundsätzlich ein Recht auf eine mündliche Verhandlung vor einem Tribunal hat, außer es lägen außergewöhnliche Umstände vor, die eine Ausnahme davon rechtfertigten.

Der EGMR hat das Vorliegen solcher außergewöhnlichen Umstände angenommen, wenn das Verfahren ausschließlich rechtliche oder "hoch-technische" Fragen ("exclusively legal or highly technical questions") betrifft. Der Gerichtshof verwies im Zusammenhang mit Verfahren betreffend ziemlich technische Angelegenheiten ("rather technical nature of disputes") auch auf das Bedürfnis der nationalen Behörden nach zweckmäßiger und wirtschaftlicher Vorgangsweise, das angesichts der sonstigen Umstände des Falles zum Absehen von einer mündlichen Verhandlung berechtige (VwGH 03.10.2013, Zl. 2012/06/0221).

In seinem Urteil vom 18. Juli 2013, Nr. 56.422/09 (Schädler-Eberle/Liechtenstein) hat der EGMR in Weiterführung seiner bisherigen Judikatur dargelegt, dass es Verfahren geben würde, in denen eine Verhandlung nicht geboten sei, etwa wenn keine Fragen der Beweiswürdigung auftreten würden oder die Tatsachenfeststellungen nicht bestritten seien, sodass eine Verhandlung nicht notwendig sei und das Gericht auf Grund des schriftlichen Vorbringens und der schriftlichen Unterlagen entscheiden könne (VwGH 03.10.2013, Zl. 2012/06/0221).

Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt und einem Entfall der Verhandlung weder Art 6 Abs. 1 MRK noch Art 47 GRC entgegenstehen (§ 24 Abs. 4 VwGVG).

Maßgebend für die gegenständliche Entscheidung sin die Art und das Ausmaß der bei der Beschwerdeführerin festgestellten Funktionseinschränkung im Hinblick auf deren Einschätzung des durch sie bedingten Grades der Behinderung.

Im gegenständlichen Fall bilden fachärztliche Gutachten von Sachverständigen aus dem Bereich Unfallchirurgie und Augenheilkunde die Grundlage für die Beurteilung, ob die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses erfüllt sind. In dem, beide fachärztliche Gutachten umfassenden Sachverständigengutachten Dris. XXXX vom 28.11.2017 wurden die Funktionsbeeinträchtigungen der Beschwerdeführerin, wie oben bereits ausgeführt, nachvollziehbar, vollständig, schlüssig und widerspruchsfrei mit einem Grad der Behinderung von 70 v.H. bewertet. Auch wurde das Abweichen vom bisherigen allgemeinmedizinischen Gutachten vom 11.05.2017, in welchem die aktuellsten Befunde keine Berücksichtigung gefunden haben, schlüssig begründet.

Der entscheidungsrelevante Sachverhalt ist vor dem Hintergrund des eingeholten medizinischen Sachverständigengutachtens als geklärt anzusehen. Da die Klärung der Rechtssache durch eine eingehende Auseinandersetzung mit den Funktionseinschränkungen der Beschwerdeführerin durch die fachärztlichen Sachverständigengutachten erfolgte und bedingt durch die dort nachvollziehbaren und schlüssigen Ausführungen bedurfte es keiner weiteren Klärung der Rechtssache.

Daher wurde von der Durchführung einer mündlichen Ve

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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