TE Bvwg Erkenntnis 2018/4/20 W123 2187423-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 20.04.2018
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

20.04.2018

Norm

BVergG 2006 §12
BVergG 2006 §13 Abs3
BVergG 2006 §13 Abs4
BVergG 2006 §19 Abs1
BVergG 2006 §291
BVergG 2006 §292 Abs1
BVergG 2006 §30 Abs2
BVergG 2006 §312 Abs3 Z3
BVergG 2006 §331 Abs1
BVergG 2006 §331 Abs1 Z2
BVergG 2006 §334
BVergG 2006 §37
BVergG 2006 §41 Abs1
B-VG Art.133 Abs4
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

W123 2187423-1/25E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Michael ETLINGER als Vorsitzenden sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. XXXX als Mitglied der Auftraggeberseite und Mag. XXXX als Mitglied der Auftragnehmerseite über die Anträge der XXXX , vertreten durch Schnitzer Rechtsanwalts GmbH, Stubenring 14, 1010 Wien, betreffend das Vergabeverfahren "Neue E-Vergabeplattform des zentralen Beschaffungsdienstleisters BBG" des Auftraggebers Bundesbeschaffung GmbH, Lassallestraße 9b, 1020 Wien, vom 27.02.2018 bzw. 10.04.2018 , zu Recht erkannt:

A)

I. Dem Antrag, "das BVwG möge feststellen, dass die Durchführung eines Vergabeverfahrens ohne vorherige Bekanntmachung wegen eines Verstoßes gegen das BVergG, die hierzu ergangenen Verordnungen oder unmittelbares Gemeinschaftsrecht rechtswidrig war", wird gemäß §§ 41 iVm 312 Abs. 3 Z 3 und 331 Abs. 1 Z 2 BVergG 2006 stattgegeben.

Der "Vertrag über die Implementierung von Standardanwendungssoftware für den Standardworkflow - Österreich", abgeschlossen zwischen der Bundesbeschaffung GmbH und der XXXX am 11.10.2017, wird gemäß § 334 Abs. 3 BVergG 2006 für nichtig erklärt.

Der "Vertrag über die Überlassung von Standardsoftware auf Dauer für die Bundesbeschaffung GmbH (Standardworkflow-Österreich)", abgeschlossen zwischen der Bundesbeschaffung GmbH und der XXXX am 11.10.2017, wird gemäß § 334 Abs. 3 BVergG 2006 für nichtig erklärt.

Der "Vertrag über die Applikationsbetreuung und -wartung der eVergabe Lösung von Standardworkflow Österreich", abgeschlossen zwischen der Bundesbeschaffung GmbH und der XXXX am 11.10.2017 wird gemäß § 334 Abs. 3 BVergG 2006 für nichtig erklärt.

Der "Vertrag über den Betrieb der AI Standardanwendungssoftware", abgeschlossen zwischen der Bundesbeschaffung GmbH und der XXXX am 11.10.2017, wird gemäß § 334 Abs. 3 BVergG 2006 für nichtig erklärt.

II. Der Antrag vom 10.04.2018 auf Feststellung, dass "auch Vertrag 1-4 (Anm.: Vertrag über die Überlassung von Standardsoftware auf Dauer für die Bundesbeschaffungs GmbH ["Vertrag-1"]; Vertrag über die Implementierung von Standardsoftware für die Bundesbeschaffungs GmbH ["Vertrag-2"]; Vertrag über den Betrieb der Al-Standardanwendungssoftware für die Bundesbeschaffungs GmbH ["Vertrag-3"]; Vertrag über die Applikationsbetreuung und Wartung E-Vergabelösung bei der Bundesbeschaffungs GmbH ["Vertrag-4"]; alle abgeschlossen am 14.06.2016) entgegen den Vorgaben des Bundesvergabegesetzes geschlossen wurde", wird gemäß § 331 Abs. 1 BVergG 2006 zurückgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Mit Schriftsatz vom 27.02.2018 stellte die Antragstellerin das im Spruch ersichtliche Begehren und brachten im Wesentlichen vor:

Infolge der neuen EU-Vergaberichtlinien 2014/24/EU und 2014/25/EU seien die EU-Mitgliedstaaten verpflichtet, öffentliche Ausschreibungen (zukünftig) elektronisch durchzuführen. Die Umsetzung der e-Vergabe müsse bis zum 18.10.2018 erfolgen; von dieser Frist (dh dem 18.10.2018) bestehe jedoch wiederum eine Sonderregelung für zentrale Beschaffungsstellen, wonach die e-Vergabe für diese schon bis zum 18.04.2017 umgesetzt werden müsse. Bei der Auftraggeberin handle es sich unzweifelhaft um eine zentrale Beschaffungsstelle iSd VergabeRL sowie § 12 iVm Ahang V BVergG. Daher treffe die Auftraggeberin auch die Pflicht, e-Procurement gemäß den Vorgaben der VergabeRL seit 18.04.2017 umzusetzen und Beschaffungsvorhaben seit diesem Zeitpunkt unter Einhaltung der maßgeblichen Bestimmungen durchzuführen.

Am 17.11.2016 habe die Antragstellerin, ein portugiesisches Unternehmen, welches auf die Entwicklung von Lösungen im Bereich e-Procurement und somit die Bereitstellung von elektronischen Sourcing Plattformen zur Unterstützung von Ausschreibungs- und Verhandlungsprozessen spezialisiert sei, quasi zufällig davon erfahren, dass die Auftraggeberin eine neue Vergabeplattform präsentiere, welche von der Zuschlagsempfängerin vorgestellt worden sei. Aus diesem Grund habe die Antragstellerin am 22.11.2016 einen Nachprüfungs- sowie Feststellungsantrag (samt diverser Eventualanträge) beim Bundesverwaltungsgericht gestellt; das Verfahren sei zu W1492140356-2 protokolliert worden. Die Auftraggeberin habe in diesem Verfahren im Wesentlichen vorgebracht, dass im Zusammenhang mit dem Beschaffungsvorhaben "eVergabe Lösung bei der Bundesbeschaffungs GmbH" die vier nachstehenden Verträge mit der Zuschlagsempfängerin geschlossen worden seien:

* Vertrag über die Überlassung von Standardsoftware auf Dauer für die Bundesbeschaffungs GmbH (mit einem Auftragswert von EUR 7.000) ("Vertrag-1");

* Vertrag über die Implementierung von Standardsoftware für die Bundesbeschaffungs GmbH (mit einem Auftragswert von EUR 16.000) ("Vertrag-2");

* Vertrag über den Betrieb der Al-Standardanwendungssoftware für die Bundesbeschaffungs GmbH (mit einem Auftragswert von EUR 8.400) ("Vertrag-3") und

* Vertrag über die Applikationsbetreuung und Wartung E-Vergabelösung bei der Bundesbeschaffungs GmbH (mit einem Auftragswert von EUR 33.000) ("Vertrag-4").

Da der Gesamtwert bei EUR 64.400,-- liege, sei - so die Auftraggeberin - eine zulässige Direktvergabe gewählt worden; die Auftraggeberin habe selbstverständlich eine sachkundige Ermittlung des Auftragswertes durchgeführt und sei zum Ergebnis gekommen, dass ein Wert von EUR 100.000,-- nicht überschritten werde.

In weiterer Folge habe die Auftraggeberin schriftlich vorgebracht, dass sie die seitens der Zuschlagsempfängerin programmierte "eVergabe Lösung bei der Bundesbeschaffungs GmbH" keinesfalls Dritten zur Verfügung stellen werde, sondern nur für ihre eigenen rund 150 Vergabeverfahren pro Jahr nutzen werde. Ohnedies läge der Auftragswert mit EUR 64.000,-- weit unterhalb der Grenze für ein Vergabeverfahren mit vorheriger Bekanntmachung. Ausschließlich aufgrund dieser - vor einem Gericht erfolgten - Zusage, habe die Antragstellerin sämtliche Nach- bzw. Feststellungsanträge am 22.12.2016 zurückgezogen; und dies mit folgender Begründung:

"Begründet wird dies einerseits vor allem damit, dass die Bundesbeschaffung GmbH (‚BBG' oder ‚Auftraggeberin' oder ‚Antragsgegnerin') in ihrer Stellungnahme vom 13.12.2016 ausdrücklich bestätigt, dass die zwischen der BBG und der XXXX , XXXX (‚ XXXX ') geschlossenen Verträge betreffend die e-Procurement-Lösung der BBG keine Vertriebsprovisionen vorsehen und somit kein sog. profit-sharing vereinbart wurde.

Anderseits hat die BBG in der Stellungnahme vom 13.12.2016 ausdrücklich bestätigt, dass die BBG die gegenständliche e-Procurement-Lösung von XXXX ausschließlich nur für ihre ‚eigenen' - und somit weniger als 200 - Verfahren pro Jahr verwenden und diese somit nicht anderen öffentlichen Auftraggebern gegen Entgelt zur Nutzung anbieten wird.

Sofern die Antragstellerin (aufgrund ihrer Branchenerfahrung) in Erfahrung bringt, dass o.g. Leistungen bzw. Vorteile - trotz schriftlicher Zusicherung - seitens der BBG an XXXX beauftragt werden bzw. XXXX mehr als EUR 100.000 gegenüber der BBG für die gegenständlichen Leistungen abrechnet, behält sich Vortal vor, die entsprechenden rechtlichen Schritte einzuleiten. Hierzu zählt neben einem Vorgehen gegen die BBG aus Sicht des Vergaberechts auch ein Vorgehen gegen XXXX aus Sicht des Wettbewerbsrechts (UWG)."

Im Rahmen eines (Telefon-)Gesprächs der rechtlichen Vertretung der Antragstellerin mit der Geschäftsführung der Auftraggeberin am 20.2.2018 sei seitens der Auftraggeberin bestätigt worden, dass diese (dh die Auftraggeberin) einen weiteren Vertrag bzw. weitere Verträge mit der Zuschlagsempfängerin, dh über Vertrag-1 bis Vertrag-4 hinaus, betreffend die e-Procurement-Lösung der Auftraggeberin geschlossen habe.

Die Auftraggeberin habe gegen § 13 Abs. 4 BVergG verstoßen, wonach diese einen (einzigen) zusammengehörenden Auftrag in zunächst vier Einzelaufträge unterteilt und in einem weiteren Schritt Vertrag-1, Vertrag-2, Vertrag-3 und Vertrag-4 durch einen oder mehrere Verträge erweitert habe. Eine derartige Aufteilung sei rechtswidrig, zumal nicht durch objektive Gründe gerechtfertigt.

Ohnedies seien öffentliche Auftraggeber stets dazu verpflichtet, den größtmöglichen Umfang bei der Berechnung des geschätzten Auftragswertes heranzuziehen; es komme somit auf die prognostizierte Gesamtvergütung an.

Die Auftraggeberin habe somit einerseits gegen das Umgehungsverbot (der Wert der eVergabe Lösung der Auftraggeberin sei absichtlich gering geschätzt worden) und andererseits gegen das Aufteilungsverbot (die Auftraggeberin habe den Auftrag in der Absicht aufgeteilt, um so den maßgeblichen Schwellenwert zu unterschreiten) verstoßen.

Aus dem Vergabekontrollverfahren-2016 gehe hervor, dass die Auftraggeberin mit der Zuschlagsempfängerin Vertrag-1, Vertrag-2, Vertrag-3 und Vertrag 4 im Jahr 2016 geschlossen habe. Der Wert dieser (vier) Verträge solle bei EUR 64.000,-- liegen. Aufgrund der Auskunft der Auftraggeberin vom 20.2.2018 sei bzw. seien nunmehr ein weiterer bzw. weitere Verträge mit der Zuschlagsempfängerin betreffend die eVergabe Lösung der Auftraggeberin geschlossen worden. Daher gehe die Antragstellerin zu Recht davon aus, dass die Gesamtauftragssumme insgesamt (weit) über EUR 100.000,-- liege.

Die Auftraggeberin habe die Vergabe der gegenständlichen Aufträge (betreffend die E-Vergabeplattform) jedoch weder im Amtlichen Lieferungsanzeiger des Amtsblattes der Wiener Zeitung noch im Supplement zum Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften veröffentlicht. Im konkreten Fall habe die Zuschlagsempfängerin aufgrund der unterlassenen Bekanntmachung offenbar eine Direktvergabe gemäß § 41 BVergG oder ein Verhandlungsverfahren ohne vorherige Bekanntmachung gemäß § 30 Abs. 2 BVergG bzw. § 38 Abs. 2 Z 2 BVergG durchgeführt. Auch komme ein nicht offenes Verfahren ohne vorherige Bekanntmachung gemäß § 37 Z 2 BVergG in Betracht. Die Voraussetzungen für ein Vergabeverfahren ohne vorherige Bekanntmachung seien jedoch nicht vorgelegen, zumal etwa der Auftragswert der neuen E-Vergabeplattform EUR 100.000,-- eindeutig überschreite.

Dabei wäre ein allfällig geschlossener Vertrag ex tunc für nichtig zu erklären, und dies unabhängig davon, ob der Vertrag im Oberschwellenbereich oder Unterschwellenbereich liege. Für die Geltendmachung von Schaden- bzw. UWG-Ansprüche sei die begehrte Feststellung jedenfalls zu treffen. Denn die Vorgehensweise der Auftraggeberin sei offenkundig rechtswidrig; und dies vor allem, weil die Auftraggeberin einen klaren Gesetzeswortlaut betreffend Schwellenwerte missachtetet und einen Ausnahmetatbestand des Verhandlungsverfahrens mit nur einem Unternehmen offenkundig nicht vorliege; die Durchführung eines Vergabeverfahrens ohne vorherige Bekanntmachung betreffend die e-Procurement-Lösung der Auftraggeberin sei schlicht unzulässig. Auch scheide ein entschuldbarer Rechts- oder Tatsachenirrtum aus.

2. Am 07.03.2018 erteilte die Auftraggeberin zunächst allgemeine Auskünfte zum Vergabeverfahren.

3. Am 14.03.2018 erstattete die Auftraggeberin eine Stellungnahme zum Feststellungsantrag und führte im Wesentlichen aus, dass die Auftraggeberin, um ihrer eigenen Verpflichtung zur Verwendung eines E-Vergabetools nachzukommen, im Jahr 2016 entsprechende vier Verträge mit der Zuschlagsempfängerin abgeschlossen habe. Die entsprechenden Verträge seien am 14.06.2006 rechtsgültig unterfertigt worden. Die Auftraggeberin habe im Jahr 2016 eine eigene Volllösung mit einem Leistungsbild bei der Zuschlagsempfängerin in Auftrag gegeben; diese dürfe exklusiv nur von der Auftraggeberin verwendet werden. Um dem Servicegedanken als zentrale Beschaffungsstelle gerecht zu werden, habe die Auftraggeberin entschieden, ein gesondertes elektronisches Tool für E-Vergaben auch ihren Kunden anzubieten. Um dieses Vorhaben zu verwirklichen seien am 11.10.2017 insgesamt vier Verträge über einen "Standardworkflow Österreich" abgeschlossen worden.

Eine inhaltliche Gegenüberstellung verdeutliche die unterschiedlichen Leistungsinhalte der beiden Produkte und lasse erkennen, dass der Leistungsumfang für alle Kunden der Auftraggeberin auf dem Standard-Customizing der Zuschlagsempfängerin basiere und inhaltlich wesentlich unterschiedlich zur Lösung der Auftraggeberin ausgestaltet sei.

Vor dem Hintergrund dieser unterschiedlichen Leistungsinhalte müsse auch festgehalten werden, dass gegenständlichen Vertrag auf Kunden der Auftraggeberin mit einer aufrechten Nutzungsvereinbarung eingeschränkt seien und es keinen Zwang für Kunden der Auftraggeberin gebe, dieses System zu nutzen. Beide Projekte würden sich gegenseitig nicht bedingen und seien komplett voneinander getrennt zu betrachten.

Die terminlich definierte verpflichtende Anwendung von elektronischen Vergabeverfahren sei der Hintergrund für die gegenständliche Beauftragung der der Zuschlagsempfängerin: Die Auftraggeberin wolle eine einfache, kostengünstige Lösung erhalten, damit sie diese den Kunden der Auftraggeberin für eigene Ausschreibungen zur Verfügung stellen könne, die wenigstens die gesetzlichen Mindesterfordernisse erfülle.

Für dieses Vorhaben seien auf Wunsch der Zuschlagsempfängerin die angeführten Verträge abgeschlossen worden, die sich gegenseitig bedingen würden, jedoch unterschiedliche Erfüllungszeiträume bzw. Rechte regeln würden:

* Der Implementierungsvertrag sichere die korrekte Auslieferung im oben skizzierten Funktionsumfang zu. Der Vertrag ende mit Erfüllung.

* Der Überlassungsvertrag regle das Nutzungs- und Verwertungsrecht über die seitens der Zuschlagsempfängerin für die Auftraggeberin bereitgestellte Lösung: Damit könnten die Kunden der Auftraggeberin, wie diese in RZ 7 des Vertrags definiert seien, die Software nutzen. Das Recht gelte unbefristet und unwiderruflich.

* Der Betriebsvertrag verpflichte die Zuschlagsempfänger den technischen Betrieb der Lösung sicherzustellen. Die Entgeltzahlungspflicht beginne mit Produktivsetzung und ende nach Kündigung bzw. nach Beendigung der gesetzlichen Aufbewahrungspflicht (vgl. RZ 44).

* Der Applikationsbetreuungs- und Wartungsvertrag stelle sicher, dass die Standard-software in der Ausprägung Standardworkflow Österreich betreut und gewartet werde. Die Entgeltzahlungspflicht beginnt mit Produktivsetzung und endet nach Kündigung.

Die Vertragslaufzeit beinhalte eine Implementierungsphase und eine Bereitstellungsphase. Mit der ersten produktiven Ausschreibung sei frühestens im Mai 2018 zu rechnen. Das Folgemonat des Veröffentlichungszeitpunktes der ersten EU-weiten Ausschreibung sei der erste Abrechnungszeitpunkt für die Betriebs- und Wartungsverträge. Somit ergebe sich für die Berechnung des Gesamtvorhabens über den effektiven Leistungszeitraum von 48 Monaten ein Betrag von EUR 30.500,-- (die ersten acht Monate würden keine laufenden monatlichen Zahlungen anfallen).

Der Gesamtauftragswert sei somit deutlich unter der gesetzlich verankerten Höchstgrenze für die Vergabe im Zuge einer Direktvergabe.

Die Aufrechnung mit der Beauftragung für die Speziallösung der Auftraggeberin von 2016 sei nicht zulässig, da diese vollkommen gesondert zu betrachten sei (siehe oben). Der guten Ordnung halber werde festgehalten, dass selbst die Summe beider Beauftragungen noch immer unter dem Schwellenwert von EUR 100.000,-- liege.

Um die Möglichkeit einer Direktvergabe rechtskonform ausüben zu können, sei das Vorliegen der entsprechenden Rechtfertigungsgründe, wie oben dargestellt, vor der Wahl des Vergabeverfahrens getroffen worden.

Die Zuschlagsempfängerin sei auf dem deutschen Markt als führender Anbieterin anzusehen und habe in den letzten Jahren e-Tendering-Lösungen bei zahlreichen öffentlichen Auftraggebern implementiert. Aufgrund dieser langjährigen Markterfahrung und des bestehenden Softwareprogrammes sei es der Zuschlagsempfängerin möglich, zu einem Angebotspreis anzubieten, welcher die Wahl der Direktvergabe rechtfertige.

Mit aller Entschiedenheit werde der Behauptung der Antragstellerin entgegengetreten, dass die Auftraggeberin bestehende Verträge geändert, ergänzt oder wie sie es nennt, ein

"Vertragsanpassungspotential" von EUR 335.6000,-- ausgenutzt habe. Wie oben dargestellt, würden die genannten Verträge von 2016 und 2017 in keinem Zusammenhang stehen. Seitens der Antragstellerin würden die unterschiedliche Leistungsinhalte, auch wenn es sich in beiden Fällen um E-Vergabetools handle, unzulässiger Weise in Zusammenhang gebracht. Wie sich aus den Verträgen eindeutig ergebe, seien unterschiedliche Vorhaben davon betroffen und somit könnten elektronische Vergabeverfahren der Auftraggeberin genauso wenig über der "Standardworkflow Österreich" abgewickelt werden wie elektronische Vergabeverfahren von Kunden der Auftraggeberin über die im Jahr 2016 geschlossenen Verträge. Gerade diese unterschiedlichen Leistungsinhalte würden auch einer wertmäßigen Vertragsanpassung jede Grundlage entziehen.

Selbst für den Fall, dass das Gericht zur unwahrscheinlichen Auffassung gelangen sollte, dass es sich um einen gemeinsamen und daher zusammenrechenbaren Leistungsinhalt handeln würde, wäre bei einem Gesamtauftragswert von EUR 98.500.-- eine Direktvergabe gemäß den vergaberechtlichen Bestimmungen zulässig.

Ein Feststellungsantrag könne nur gegen die rechtswidrige Durchführung eines Vergabeverfahrens ohne Bekanntmachung wegen eines Verstoßes gegen das Bundesvergabegesetz und die hierzu ergangenen Verordnungen oder unmittelbar anwendbaren "Unionsrechts" beantragt werden. Da aufgrund des geschätzten Auftragswertes und des endgültigen Zuschlags-Preises die Wahl der Direktvergabe gemäß den vergaberechtlichen Bestimmungen zulässig sei, wäre den Feststellungsanträgen nicht stattzugeben.

4. Mit Schreiben vom 15.03.2018 übermittelte die Zuschlagsempfängerin eine Stellungnahme, in welcher im Wesentlichen ausgeführt wurde, dass die Zuschlagsempfängerin am 11.10.2017 Verträge für den "Standardworkflow Österreich" abgeschlossen habe. Hierbei handle es sich um einen standardisierten einfachen Kurzworkflow, welcher lediglich die Vorgaben der einzuhaltenden EU-Richtlinie abdecke. Diese Verträge seien auch inhaltlich von den bestehenden Vertragsabschlüssen losgelöst zu betrachten, da der Leistungsgegenstand ein anderer sei.

Im Übrigen stimme die Zuschlagsempfängerin den Ausführungen der Auftraggeberin zu.

5. Am 04.04.2018 übermittelte die Antragstellerin eine Replik und wies einleitend darauf hin, dass die Auftraggeberin mit dem Abschluss der 2017 zusätzlich geschlossenen vier Verträge eklatant gegen ihre eigenen im Verfahren zu GZ W149 2140356-2 getätigten Zusagen verstoßen habe. Die Auftraggeberin habe nunmehr ihre e-procurement-Lösung derart "erweitert", dass diese nunmehr eben nicht nur für ihre "eigenen" Vergabeverfahren, sondern darüber hinaus für quasi eine unbeschränkte Anzahl von Vergabeverfahren genutzt werden könne. Dies bedeute nunmehr, dass die (seitens der Zuschlagsempfängerin entwickelte) e-procurement-Lösung der BBG in Konkurrenz zu anderen am österreichischen Markt angebotenen e-procurement-Lösungen trete.

Der Versuch, ein und dieselbe e-Vergabeplattform, die von ein und demselben Unternehmen für die Auftraggeberin programmiert worden sei und auch nur von der Zuschlagsempfängerin betrieben, gewartet und serviciert werde, künstlich aufzuteilen, sei dermaßen verfehlt, sodass ein vertieftes Vorbringen hierzu grundsätzlich unterbleiben könne. Die Verträge 1-4 und 5-8 stünden offenkundig in einem Zusammenhang; diese würden sich auch gegenseitig bedingen. Es handle sich schlicht um ein und dieselbe e-Vergabelösung (selbst wenn nicht, handle es sich jedenfalls aber um gleichartige Leistungen). Aus all dem liege ein funktional einheitlicher Gesamtauftrag im Sinne des BVergG vor.

Es sei unzulässig, eine Beschaffung in Form von acht Einzelverträgen aufzuteilen. Die Auftraggeberin hätte somit die Verpflichtung getroffen, einen (einzelnen) Vertrag im Zusammenhang mit der e-procurement-Lösung auszuschreiben bzw. zu schließen, anstatt von acht (getrennten) Verträgen.

6. Am 10.04.2018 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht eine öffentliche mündliche Verhandlung statt. Die Niederschrift lautet auszugsweise:

Der VR weist den AG daraufhin, dass sich aus den Unterlagen kein geschätzter Auftragswert der hg. Verträge ergibt.

AG, Mag. XXXX weist auf § 7 Abs. 1 Z 4 AVG hin. Im Nachprüfungsverfahren Direktvergabeplattform Möbel am 18.04.2013 wurde bei der Erörterung der Sachfragen von Dr. XXXX ein Vorhalt gemacht, mit den Worten: "Die BBG wird zu groß/mächtig und wird auf ihre Kernaufgaben (Anmerkung Mag. XXXX : gemeint war wohl die ausschließliche Tätigkeit für den Bund) zurückgeführt." Diese persönlich subjektive Haltung eines in der Sache entscheidenden Organwalters ist geneigt, die volle Unbefangenheit von Dr. XXXX in Rechtsschutzverfahren der BBG in Zweifel zu ziehen. Daher stelle ich den Antrag, auf Hinzuziehung eines anderen Laienrichters.

Dr. XXXX fragt nach, ob es diesbezüglich etwas Schriftliches (ein Protokoll) gibt.

Mag. XXXX gibt dazu an, dass dies eine persönliche Aufzeichnung seinerseits ist. Im damaligen Verfahren war Mag. XXXX ebenfalls Vertreter der BBG.

VR: Der Antrag wird zur Kenntnis genommen.

Der Vertreter der Antragstellerin stellt den Antrag, diesem Antrag nicht stattzugeben: Die BBG verkennt, dass eine Befangenheit nachzuweisen ist, dieser Nachweis wurde nicht erbracht. Eine persönliche fünf Jahre zurückliegende Erinnerung ist keinesfalls glaubwürdig. Für die BBG oder Mag. XXXX wäre es leicht gewesen, das entsprechende Protokoll der mündlichen Verhandlung vorzulegen, was nicht geschehen ist, daher liegt keine nachgewiesene Befangenheit vor. Hr. Dr. XXXX entscheidet ohnedies nicht alleine, sondern zusammen mit den beiden anderen Senatsmitgliedern.

Mag. XXXX hält diesem Vorbringen entgegen, dass es nicht leicht ist, entsprechende Protokolle mitzuhaben: Da ich bis zum Beginn der Verhandlung nicht wusste, wer Beisitzer ist und ich daher nicht alle Protokolle bei mir haben kann. Einen Aktenvermerk habe ich in meinem Computer mit. Erstellt wurde das Dokument am 2. Juli 2013, laut Wordeigenschaften, elektronisch signiert, am 10.07.2014.

VR erinnert den AG an die erste Frage, ob schriftliche Dokumente zum geschätzten Auftragswert vorliegen.

AG: Im Jahr 2015 wurden Markterkundungen erstellt, die schließlich im Jahr 2016 zum Vertrag zwischen BBG und XXXX bezüglich BBG-Lösung geführt haben. Für die BBG-Kunden benötigt die BBG lediglich ein "abgespecktes System". Die BBG hat auf Grund der Erfahrung mit den vier Verträgen aus dem Jahr 2016 zurückgreifen können. Das Minimalsystem im Wert von € 34.100 war für die BBG durchaus nachvollziehbar. Der Wert von € 34.100 wurde von XXXX angeboten. Für weitere Erläuterungen ersuche ich die ASt den Saal zu verlassen, weil es um Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse der XXXX geht.

LR1: Sie haben mehrere Varianten erwogen. Sie haben auch die Variante "Eigenentwicklung" in Spiel gebracht. Gibt es in Ihren Unterlagen diesbezügliche Dokumentationsnachweise?

AG, Mag. XXXX : Die BBG hat dieses Thema nicht weiter verfolgt.

LR2: Gibt es vor der Direktvergabe eine schriftliche Dokumentation über den Auftragswert?

AG, Mag. XXXX verweist darauf, dass diese Antwort von XXXX direkt gegeben werden könne, dazu müsste jedoch die ASt den Saal verlassen.

[...]

VR weist AG auf § 42 Abs. 2 BVergG hin und fragt, ob es diesbezügliche schriftliche Aufzeichnungen gibt.

AG: Wie sich aus unseren Ausführungen ergeben hat, haben wir auf Grund der eingeholten Angebote die wirtschaftliche Angemessenheit der Preise erachtet. Insbesondere auch aus dem 2016 erfolgten Vertragsabschluss für den BBG-E-Vergabeworkflow. Zweifel an der Preisangemessenheit im Vergleich mit den Markterhebungen sind daher nicht aufgetreten. Die Antwort auf die Frage, ob es gemäß § 42 Abs. 2 BVergG schriftliche Aufzeichnungen gibt, verneint der AG. Die Preisgestaltung der XXXX waren für die BBG insofern schlüssig, als auf Grund der Tatsache der langjährigen Existenz der Software und der vielfach erprobten Einführungspraxis die BBG davon ausgehen konnte, dass die Preisgestaltung für die XXXX nicht existenzgefährdend ist. Zweifel an der Preisgestaltung sind keine aufgekommen.

VR: Wann wurden die Verträge 5 - 8 abgeschlossen?

AG, Mag. XXXX : Verträge 5 - 8 wurden alle am 11.10.2017 elektronisch signiert. Aus diesen Verträgen sind bis dato keine Bestellungen erfolgt.

7. Mit Beschluss des Präsidenten des Bundesverwaltungsgerichtes vom 12.04.2018, W123 2187423-1/22Z, wurde dem Antrag der Auftraggeberin vom 10.04.2018, den fachkundigen Laienrichter Dr. XXXX abzulehnen, nicht stattgegeben.

8. Mit Schriftsatz vom 17.04.2018 wies die Auftraggeberin auf § 42 Abs. 2 BVergG hin. Nach einer internen Nachforschung könne festgehalten werden, dass die Prüfung der Preisgestaltung bereits bis in das Jahr 2015 zurückreiche, somit vor Abschluss der Direktvergabe erfolgt sei und als den Bestimmungen des BVergG 2006 entsprechend erachtet werde. Diesem Schreiben waren folgende Mails beigelegt:

* ?XXXX an XXXX vom 19.03.2015 zum Betreff "eVergabe [Termin] vemap"

* ?XXXX an XXXX vom 02.06.2015 zum Betreff "Varianten"

* ?XXXX an XXXX vom 09.11.2015 zum Betreff "2015 Angebot Lieferanzeiger"

* ?XXXX an XXXX vom 11.12.2015 zum Betreff "Angebotsentwurf Vergabemanagementsystem"

* ?XXXX an XXXX vom 22.12.2015 zum Betreff "eTendering: Evaluierung mittels Direktvergabe - Gesprächszusammenfassung"

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen (Sachverhalt):

1. Die Auftraggeberin schloss um ihrer eigenen Verpflichtung zur Verwendung eines

E-Vergabetools nachzukommen, im Jahr 2016 vier Verträge mit der Zuschlagsempfängerin ab:

* Vertrag über die Applikationsbetreuung und Wartung E-Vergabelösung bei der Bundesbeschaffung GmbH

* Vertrag über den Betrieb der AI-Standardanwendungssoftware für die Bundesbeschaffung GmbH

* Vertrag über die Implementierung von Standardanwendungssoftware für die Bundesbeschaffung GmbH

* Vertrag über die Überlassung von Standardsoftware auf Dauer für die Bundesbeschaffung GmbH.

Diese Verträge wurden am 14.06.2016 unterzeichnet.

Die Auftraggeberin vergab diesen Dienstleistungsauftrag im Wege der Direktvergabe mit einem geschätzten Auftragswert in der Höhe von EUR 86.000,-- an die jetzige Zuschlagsempfängerin. Die Antragstellerin zog nach Einleitung eines Vergabekontrollverfahrens am 22.11.2016 sämtliche Anträge betreffend das Vergabeverfahren "Neue E-Vergabeplattform des zentralen Beschaffungsdienstleisters BBG" am 22.12.2016 zurück, weshalb dieses Vergabekontrollverfahren mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes, W149 2140356-2/20E, vom 27.12.2016 eingestellt wurde.

2. Am 11.10.2017 unterzeichneten die Auftraggeberin und die Zuschlagsempfängerin folgende vier Verträge:

* Implementierung von Standardanwendungssoftware für den Standardworkflow Österreich: Es wurde die Bezahlung eines Pauschalbetrages von EUR 5.500,-- vereinbart. Der Vertrag ist erfüllt sobald alle zugesagten Funktionen und Schnittstellen funktionieren und seitens der Auftraggeberin abgenommen wurden und im Echtbetrieb zur Verfügung stehen.

* Der Überlassungsvertrag regelt das Nutzungs- und Verwertungsrecht über die seitens der Zuschlagsempfängerin für die Auftraggeberin bereitgestellte Lösung: Überlassung von Standardsoftware auf Dauer für die Auftraggeberin (Standardworkflow-Österreich). Die Lizenzgebühr für das Nutzungsrecht der AI-Software beträgt EUR 7.000,-- und wird unmittelbar nach Vertragsabschluss fällig.

* Der Betriebsvertrag verpflichtet die Zuschlagsempfänger den technischen Betrieb der Lösung sicherzustellen. Die Entgeltzahlungspflicht beginnt mit Produktivsetzung und endet nach Kündigung. Für sämtliche mit diesem Vertrag vereinbarten Leistungen sind monatlich EUR 200,-- zu bezahlen; der Vertrag wurde auf unbestimmte Zeit abgeschlossen.

* Der Applikationsbetreuungs- und Wartungsvertrag stellt sicher, dass die Standard-software in der Ausprägung Standardworkflow Österreich betreut und gewartet wird. Für sämtliche mit diesem Vertrag vereinbarten Leistungen sind monatlich EUR 250,-- zu leisten. Der Vertrag wurde auf unbestimmte Zeit abgeschlossen.

Die Auftraggeberin vergab diese gegenständlichen Leistungen im Wege einer Direktvergabe an die Zuschlagsempfängerin.

3. Aus den am 11.10.2017 geschlossenen Verträgen sind bis zum jetzigen Zeitpunkt keine Bestellungen erfolgt.

4. Aus den vorgelegten Vergabeunterlagen der Auftraggeberin ist keine Ermittlung des geschätzten Auftragswertes ersichtlich. Ferner findet sich auch keine schriftliche Dokumentation iSd § 42 Abs. 2 BVergG (siehe dazu auch die Aussagen der Auftraggeberin in der mündlichen Verhandlung).

2. Beweiswürdigung:

Der Sachverhalt ergibt sich schlüssig aus dem Verfahrensakt bzw. den Stellungnahmen der Parteien bzw. deren Ausführungen in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht. Bei der Beweiswürdigung haben sich gegen die Echtheit und Richtigkeit der Vergabeunterlagen der Auftraggeberin keine Bedenken ergeben.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

Zu Spruchpunkt I.:

1. Gemäß § 41 Abs. 1 BVergG gelten für die Vergabe von Aufträgen durch Auftraggeber im Wege der Direktvergabe ausschließlich der 1. Teil, die §§ 3 Abs. 1, 4 bis 6, 9, 10, 13 bis 16, 18 Abs. 1, 19 Abs. 1 bis 4, 25 Abs. 10, 42 Abs. 2, 87a, 99a, der 4. bis 6. Teil sowie die Vorschriften der Abs. 2 bis 4.

Gemäß § 19 Abs. 1 BVergG sind Vergabeverfahren nach einem in diesem Bundesgesetz vorgesehenen Verfahren, unter Beachtung der unionsrechtlichen Grundfreiheiten sowie des Diskriminierungsverbotes entsprechend den Grundsätzen des freien und lauteren Wettbewerbes und der Gleichbehandlung aller Bewerber und Bieter durchzuführen. Die Vergabe hat an befugte, leistungsfähige und zuverlässige Unternehmer zu angemessenen Preisen zu erfolgen.

Gemäß § 13 Abs. 3 BVergG ist der geschätzte Auftragswert der auszuschreibenden Leistung ohne Umsatzsteuer vom Auftraggeber vor der Durchführung des Vergabeverfahrens sachkundig zu ermitteln. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Ermittlung ist der Zeitpunkt der Einleitung des Vergabeverfahrens durch den Auftraggeber. Bei Vergabeverfahren mit vorheriger Bekanntmachung ist dies der Zeitpunkt der Absendung der Bekanntmachung gemäß § 46, bei Vergabeverfahren ohne vorherige Bekanntmachung die erste nach außen in Erscheinung tretende Festlegung.

Gemäß § 42 Abs. 2 BVergG sind bei bei einer Direktvergabe, sofern der Dokumentationsaufwand wirtschaftlich vertretbar ist, der Gegenstand und Wert des Auftrages, der Name des Auftragnehmers sowie die Prüfung der Preisangemessenheit schriftlich festzuhalten.

Um die für das weitere Vergabeverfahren maßgeblichen Bestimmungen zu ermitteln, hat der Auftraggeber vor Durchführung eines Vergabeverfahrens den (geschätzten) Auftragswert zu ermitteln. Dies ist einerseits erforderlich für die Wahl des richtigen Verfahrenstypus (zB Direktvergabe), andererseits aber auch notwendig für die Einschätzung, ob die Bestimmungen des Ober- oder des Unterschwellenbereiches anwendbar sind. Für die Anwendbarkeit des BVergG ist es von großer Bedeutung, ob der geschätzte Auftragswert die gemeinschaftlichen Schwellenwerte überschreitet oder nicht. Der geschätzte Auftragswert ist jener Wert, den ein umsichtiger und sachkundiger öffentlicher Auftraggeber, unter Umständen nach sorgfältiger Überprüfung des genannten Marktsegmentes (zB durch Prüfung verschiedener Firmenkataloge) und im Einklang mit den Erfordernissen betriebswirtschaftlicher Finanzplanung, bei der Anschaffung der vergabegegenständlichen Leistung veranschlagen würde. Ist der Auftraggeber dazu nicht imstande, so hat er entsprechende sachkundige Dritte beizuziehen (RV 1171 BlgNR XXII. GP 34 f).

2. Aus § 41 Abs. 1 BVergG ergibt sich, dass die Bestimmungen der §§ 13, 19 und 42 Abs. 2 BVergG bei der Anwendung der Direktvergabe zwingend zur Anwendung gelangen. Auch bei der Direktvergabe hat der Auftraggeber die Grundsätze des freien und lauteren Wettbewerbs und der unparteiischen Behandlung aller möglichen Bewerber zu wahren (siehe Rindler in Gast [Hrsg.], BVerG Leitsatzkommentar, E 1. zu § 41). Der Gleichbehandlungsgrundsatz setzt eine Verpflichtung zur Transparenz voraus; sonst könnte nicht geprüft werden, ob er beachtet worden ist (U. Hofer in Gast E 35. zu § 19).

3. Die Rechtswidrigkeit der gegenständlichen Entscheidung der Auftraggeberin, vier Verträge mit der Zuschlagsempfängerin (ohne vorherige Bekanntmachung) abzuschließen, ergibt sich bereits auf Grund der mangelnden Nachvollziehbarkeit der in § 13 Abs. 3 BVergG festgesetzten Grundsätze. Den vorgelegten Unterlagen der Auftraggeberin fehlt jeglicher Hinweis auf eine sachkundige Ermittlung des gegenständlich benannten Auftragswertes von EURO 34.100,00. Ferner fehlt der Dokumentationsaufwand iSd § 42 Abs. 2 BVergG. Folglich ist dem Bundesverwaltungsgericht aber eine Überprüfung dieser Summe und infolgedessen auch die Prüfung, ob die Auftraggeberin zu Recht davon ausgehen durfte, die gegenständlichen vier Verträge im Wege einer Direktvergabe abzuschließen, verunmöglicht.

Zwar findet sich in § 13 Abs. 3 BVergG kein expliziter Hinweis, dass ein Auftraggeber verpflichtet wäre, die Dokumentation über die sachkundige Auftragswertermittlung schriftlich aufzuzeichnen, jedoch kann § 13 Abs. 3 BVergG (insbesondere in Verbindung mit § 42 Abs. 2 BVergG) teleologisch nur dahingehend interpretiert werden, dass die

-

vor Einleitung eines des Vergabeverfahrens - verpflichtend durchzuführende sachkundige Ermittlung des geschätzten Auftragswertes in transparenter Art und Weise (im Sinne der Grundsätze des § 19 Abs. 1 BVergG) dargestellt werden muss, um in einem allfälligen Verfahren vor den Vergabekontrollbehörden eine solche Entscheidung plausibel rechtfertigen zu können. Lässt sich aber ein dementsprechender nachvollziehbarer Vorgang über die Ermittlung des geschätzten Auftragswertes - wie im vorliegenden Fall

-

dem Vergabeakt nicht entnehmen, ist eine gerichtliche Überprüfung nicht möglich. In diesem Zusammenhang ist überdies darauf hinzuweisen, dass den Vergabekontrollbehörden jedenfalls keine Befugnis zukommt, die fehlende sachkundige Ermittlung der Kostenschätzung anstelle des Auftraggebers nachzuholen (siehe dazu Rindler in Gast, E 28. zu § 41).

Die Auftraggeberin wurde im Rahmen der mündlichen Verhandlung auf die fehlende schriftliche Dokumentation des geschätzten Auftragswertes hingewiesen. Die Auftraggeberin legte nach dem Vorhalt des Senates zwei Angebote über die elektronische Abwicklung von E-Vergabeverfahren von zwei unterschiedlichen Anbietern vor, die offenbar im Vorfeld der gegenständlichen Direktvergabe eingeholt wurden. Diesen waren gravierende Unterschiede hinsichtlich der Schätzung der Angebotssumme zu entnehmen (ein Angebot lag über dem relevanten Schwellenwert von 100.000, das andere knapp darunter). Allein schon auf Grund dieser divergierenden Angebotssummen hätte aber die Auftraggeberin die Pflicht gehabt, in transparenter Art und Weise darzulegen, warum der geschätzte Auftragswert (bzw. die dann am 11.10.2017 zugeschlagene Angebotssumme) unterhalb des Schwellenwertes des § 41 Abs. 1 BVergG gelegen ist und sich daher die Auftraggeberin zu Recht auf ein Vergabeverfahren ohne vorherige Bekanntmachung berufen konnte. Wie bereits ausgeführt, findet sich aber im Vergabeakt kein solcher Dokumentationsaufwand.

Am obigen Ergebnis vermögen auch die am 17.04.2018 nachgereichten E-Mails nichts ändern. Auch diesen Unterlagen ist keine nachvollziehbare Begründung der Auftraggeberin dahingehend zu entnehmen, warum sie entsprechen des Bestimmungen des BVergG ein Vergabeverfahren ohne vorherige Bekanntmachung durchführen hätte können.

4. Die Auftraggeberin hat im Rahmen der mündlichen Verhandlung bestätigt, dass noch keine der vier Verträge in Geltung gesetzt wurde. Daher waren die Verträge vom 11.10.2017 gemäß § 334 Abs. 3 BVergG für nichtig zu erklären.

Zu Spruchpunkt II.:

Gemäß § 331 Abs. 1 BVergG kann ein Unternehmer, der ein Interesse am Abschluss eines dem Anwendungsbereich dieses Bundesgesetzes unterliegenden Vertrages hatte, nur dann die im Einzelnen aufgezählten Feststellungen begehren, sofern ihm durch die behauptete Rechtswidrigkeit ein Schaden entstanden ist oder zu entstehen droht.

Der seitens der Antragstellerin im Zuge der mündlichen Verhandlung gestellte Antrag war schon deshalb zurückzuweisen, da die Antragstellerin sämtliche Nachprüfungs- und Feststellungsanträge gegen die am 14.06.2016 abgeschlossenen Verträge 1 -4 mit Schriftsatz vom 22.12.2016 zurückgezogen hat. Somit kann aber der Antragstellerin selbst bei Rechtswidrigkeit der am 14.06.2016 abgeschlossenen Verträge kein Schaden iSd § 331 Abs. 1 BVergG mehr drohen.

Zu B)

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Zum Transparenzgebot siehe etwa EuGH 18.10.2001, Rs C-19/00, SIAC Construction.

Schlagworte

Antragszurückziehung, Auftragswert, Ausschreibung, Berechnung,
Bietergleichbehandlung, Dienstleistungsauftrag, Direktvergabe,
Dokumentationszweck, Ermittlungspflicht, ex tunc, fairer Wettbewerb,
Feststellungsantrag, Feststellungsverfahren, Gesamtbetrachtung,
Gleichbehandlung, Grundsatz der Gleichbehandlung, Grundsatz der
Transparenz, Kostenschätzung, mündliche Verhandlung,
Nachprüfungsantrag, Nachprüfungsverfahren, Nachvollziehbarkeit,
Nichtigerklärung, öffentlicher Auftraggeber, Rechtswidrigkeit,
Schaden, Schätzung des Auftragswertes, Schriftlichkeit,
Schwellenwert, Transparenz, Umgehungsverbot, Vergabeverfahren,
Veröffentlichungspflicht, Vertragsabschluss, vorherige
Bekanntmachung, Wahl des Vergabeverfahrens, Wettbewerb,
Zurückweisung, Zurückziehung, Zurückziehung Antrag, Zusammenrechnung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:W123.2187423.1.00

Zuletzt aktualisiert am

27.04.2018
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten