TE Bvwg Erkenntnis 2018/4/20 W217 2188617-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 20.04.2018
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Entscheidungsdatum

20.04.2018

Norm

BBG §40
BBG §41
BBG §45
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

W217 2188617-1/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Julia STIEFELMEYER als Vorsitzende und die Richterin Mag. Ulrike LECHNER LL.M sowie die fachkundige Laienrichterin Verena KNOGLER BA, MA als Beisitzerinnen über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Wien, vom 06.02.2018, OB: XXXX , betreffend die Abweisung des Antrages auf Ausstellung eines Behindertenpasses, in nicht öffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Herr XXXX (im Folgenden: Beschwerdeführer) stellte am 19.12.2017 beim Sozialministeriumservice, Landesstelle Wien (im Folgenden: belangte Behörde) einlangend unter Anschluss eines Befundkonvoluts einen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses gemäß §§ 40 und 45 Bundesbehindertengesetz (BBG).

2. Zur Überprüfung des Antragsvorbringens wurde von der belangten Behörde ein medizinisches Sachverständigengutachten von Dr.in XXXX , Fachärztin für Orthopädie, basierend auf der persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers am 31.01.2018, mit dem Ergebnis eingeholt, dass der Grad der Behinderung 30 vH betragen würde.

2.1. Das Sachverständigengutachten hat im Ergebnis Folgendes ergeben:

"(...)

Behandlung(en)/Medikament/Hilfsmittel:

Medikamente: Xarelto, Sedacoron, CAndesartan, Crestor, Spirobene, Alna ret., Mysoline, Sotacor, Oleovit, Pregabalin,

(...)

Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe):

Entlassungsbrief Entlassungsbrief XXXX 18.7.17: Rehabilitation vom 21.06.2017 bis 18.07.2017 wegen Lumbosacralgie bei polysegm. Osteochondrosen, Spondylarthrosen, Discopathien; LWS-Streckhaltung; Z.n. Facetteninfiltration L4-S1 + ISG bds., Z.n. Laminektomie u. mikrochirurg. Discusextraktion L2/3 u. L3/4 bds. Bei Vertebrostenose

u. Discusprolaps L2/3 u. L3/4 bds. (11/2016), Polyneuropathie, schmerzhafte Dysästhesien uE. bds.

Arztbrief XXXX 23.11.17: Die stationäre Aufnahme erfolgt bei multisegmentalen Osteochondrosen lumbal bei St.p. OLE L2-L4 beidseits.

wegen Lumbosacralgie bei polysegm. Osteochondrosen, Spondylarthrosen, Discopathien; LWS-Streckhaltung; Z.n. Facetteninfiltration L4-S1 + ISG bds., Z.n. Laminektomie u. mikrochirurg. Discusextraktion L2/3 u. L3/4 bds. Bei Vertebrostenose

u. Discusprolaps L2/3 u. L3/4 bds. (11/2016), Polyneuropathie, schmerzhafte Dysästhesien uE. bds.

Arztbrief XXXX 23.11.17: Die stationäre Aufnahme erfolgt bei multisegmentalen Osteochondrosen lumbal bei St.p. OLE L2-L4 beidseits.

Untersuchungsbefund

Allgemeinzustand: gut

Ernährungszustand: gut

Größe: 187,00 cm Gewicht: 113,00 kg Blutdruck:

Klinischer Status - Fachstatus:

Wirbelsäule - Beweglichkeit:

HWS: Kinn-Jugulum Abstand: 3 cm, alle übrigen Ebenen: endlagig eingeschränkt

BWS: gerade

LWS: Seitneigen nach links bis 20° möglich, nach rechts bis 20° möglich, blande Narbe

FBA: 40 cm

Obere Extremitäten: Rechtshänder

Rechts: Schultergelenk: Abduktion bis 150° möglich,

Ellenbogengelenk: frei, Handgelenk: frei, Finger: o.B.

Links: Schultergelenk: Abduktion bis 150° möglich, Ellenbogengelenk:

frei, Handgelenk: frei, Finger: o.B.

Kraft- und Faustschluss: bds. frei

Kreuz- und Nackengriff: bds. möglich

Untere Extremitäten:

Rechts: Hüftgelenk: S 0-0-150, F 60-0-50, R 50-0-40

Kniegelenk: S 0-0-160, kein Erguß, bandstabil

OSG: frei

Links: Hüftgelenk: S 0-0-150, F 60-0-50, R 50-0-40

Kniegelenk: S 0-0-160, kein Erguß, bandstabil

OSG: frei

Varicen: keine

Füße: bds. o.B.

Zehen- und Fersenstand: bds. möglich, aber unsicher

Gesamtmobilität - Gangbild:

Gangbild: frei

Gehbehelf: keiner

Status Psychicus:

Wach, orientiert

Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:

Lfd. Nr.

Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden: Begründung der Positionsnummer und des Rahmensatzes:

Pos.Nr.

Gdb %

1

Zustand nach Bandscheibenoperation L2/3 und L3/L4 Unterer Rahmensatz, da eine Operation über mehrere Segmente erfolgte und eine mäßige Bewegungseinschränkung besteht.

02.01.02

30

2

Aortenklappenersatz

05.06.04

30

3

Polyneuropathie beider Beine 1 Stufe über dem unteren Rahmensatz, da sensible Ausfälle

04.06.01

20

Gesamtgrad der Behinderung 30 v. H.

Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung:

Das Leiden 1 wird durch die Leiden 2 und 3 nicht erhöht, da kein ungünstiges Zusammenwirken besteht.

Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Welche der festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen lassen das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke, das Ein- und Aussteigen sowie den sicheren Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel nicht zu und warum?

Keine. Kurze Wegstrecken können aus eigener Kraft zurückgelegt werden, das Ein- und Aussteigen ist bei o.a. Beweglichkeit der oberen und unteren Extremitäten möglich. Der sichere Transport ist gewährleistet, da das Anhalten uneingeschränkt möglich ist. Es liegt keine schwere Einschränkung der unteren Extremitäten vor.

Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Liegt eine schwere Erkrankung des Immunsystems vor?

Nein"

3. Mit Bescheid vom 06.02.2018 wies die belangte Behörde den Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses mit der Begründung ab, der Beschwerdeführer würde aufgrund des festgestellten Grades der Behinderung von 30 vH die Voraussetzungen für die Ausstellung des Behindertenpasses nicht erfüllen. Das Sachverständigengutachten wurde dem Bescheid als Teil der Begründung angeschlossen und in der rechtlichen Beurteilung die wesentlichen Bestimmungen des BBG zitiert.

4. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer fristgerecht das Rechtsmittel der Beschwerde und führte darin zusammengefasst und unter Vorlage weiterer medizinischer Beweismittel aus, er leide unter starken Kreuzschmerzen und könne aufgrund der zusätzlich vorgebeugten krummen Schonhaltung und bestehender Gehunsicherheiten und aufgrund der Polyneuropathie in den Beinen kaum zu Fuß gehen. Für kürzere Wegstrecken müsse er sein E-Bike verwenden, um die Schmerzen einigermaßen erträglich zu halten. Bei der 15- minütigen Untersuchung sei die ehrliche Erwähnung der Benützung des E-Bikes zu seinen Lasten ausgelegt worden, ohne dabei auf seine gesundheitliche Verfassung einzugehen. Die Einnahme des blutverdünnenden Medikamentes Xarelto, welches er wegen des bestehenden Vorhofflimmerns einnehmen müsse, sei unberücksichtigt geblieben. Es sei ihm von seinem Hausarzt erklärt worden, dass er durch die Einnahme des blutverdünnenden Medikamentes Xarelto und seiner schlechten körperlichen Verfassung ein großes Risiko eingehen würde und eigentlich gar nicht Radfahren dürfe. Der Beschwerdeführer würde daher um eine neuerliche Prüfung des Antrages ersuchen. Neue medizinische Beweismittel wurden keine vorgelegt.

5. Am 09.03.2018 langte die Beschwerde samt Fremdakt beim Bundesverwaltungsgericht ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Da sich der Beschwerdeführer mit der Abweisung des Antrages auf Ausstellung eines Behindertenpasses nicht einverstanden erklärt hat, war dies zu überprüfen.

1. Feststellungen:

1.1 Der Beschwerdeführer ist am XXXX geboren, österreichischer Staatsbürger und hat seinen Wohnsitz im Inland.

1.2 Der Beschwerdeführer begehrte mit Antrag einlangend am 19.12.2017 die Ausstellung eines Behindertenpasses bei der belangten Behörde.

1.3 Art und Ausmaß der Funktionseinschränkungen

Lfd.Nr.

Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:

Pos.Nr.

GdB %

1

Zustand nach Bandscheibenoperation L2/3 und L3/4 Unterer Rahmensatz, da eine Operation über mehrere Segmente erfolgte und eine mäßige Bewegungseinschränkung besteht.

02.01.02

30

2

Aortenklappenersatz

05.06.04

30

3

Polyneuropathie beider Beine 1 Stufe über dem unteren Rahmensatz, da sensible Ausfälle

04.06.01

20

1.4 Der Gesamtgrad der Behinderung beträgt 30 vH.

1.5 Beim Beschwerdeführer liegen die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses nicht vor.

2. Beweiswürdigung:

Zu 1.1 und 1.2) Die getroffenen Feststellungen gründen auf dem diesbezüglich unbedenklichen Eintrag im Zentralen Melderegister, Stichtag 09.03.2018, sowie dem Akteninhalt des vorgelegten Fremdaktes und stehen überdies im Einklang mit den Angaben des Beschwerdeführers.

Zu 1.3 bis 1.5) Die Feststellungen zur Höhe des Gesamtgrades der Behinderung und der Art und dem Ausmaß der Funktionseinschränkungen gründen sich - in freier Beweiswürdigung - in nachstehend ausgeführten Umfang, auf das von der belangten Behörde eingeholte medizinische Sachverständigengutachten von Dr.in XXXX , Fachärztin für Orthopädie, basierend auf der persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers am 31.01.2018.

Darin wird auf die Art der Leiden des Beschwerdeführers und deren Ausmaß vollständig, nachvollziehbar und widerspruchsfrei, im Einklang mit der medizinischen Wissenschaft und den Denkgesetzen, eingegangen, wobei die vom Beschwerdeführer vorgelegten Befunde und Beweismittel im Ergebnis der medizinischen Beweisaufnahme umfassend Berücksichtigung gefunden haben.

Die getroffenen Einschätzungen basieren auf dem im Rahmen einer persönlichen Untersuchung erhobenen Befund und entsprechen den festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen. Der Gesamtgrad der Behinderung des Beschwerdeführers wurde mit einem Grad der Behinderung von 30 v.H. eingeschätzt.

Die sachverständig festgestellte Funktionsbeeinträchtigung "Zustand nach Bandscheibenoperation L2/3 und L3/4" (Leiden 1), fällt nach der Einschätzungsverordnung BGBl. II 261/2010 idF BGBl. II 251/2012 unter die Positionsnummer 02.01.02 (Wirbelsäule, Funktionseinschränkungen mittleren Grades), für welche die Einschätzungsverordnung einen Rahmensatz von 30% - 40% vorsieht. Die medizinische Sachverständige schöpfte bei der Festsetzung des Grades der Behinderung den Rahmensatz der Positionsnummer 02.01.02 mit 30 % aus und begründete die Wahl des unteren Rahmensatzes insofern, dass zwar eine Operation über mehrere Segmente erfolgt ist, jedoch eine bloß mäßige Bewegungseinschränkung gegeben ist.

Die sachverständig festgestellte Funktionsbeeinträchtigung "Aortenklappenersatz" (Leiden 2), fällt unter die Positionsnummer 05.06.04 (Herzklappenstenose, Erfolgreich operiertes Vitium), für welche die Einschätzungsverordnung einen Rahmensatz fixen Rahmensatz von 30% vorsieht und entspricht den vorgelegten Befunden des Beschwerdeführers.

Die sachverständig festgestellte Funktionsbeeinträchtigung "Polyneuropathie beider Beine" (Leiden 3), fällt unter die Positionsnummer 04.06.01 (Polyneuropathien und Polyneuritiden, Sensible und motorische Ausfälle leichten Grades), für welche die Einschätzungsverordnung einen Rahmensatz von 10% - 40% vorsieht. Die medizinische Sachverständige schöpfte bei der Festsetzung des Grades der Behinderung den Rahmensatz der Positionsnummer 02.02.01 mit 20 % aus und begründete die Wahl eine Stufe über dem unteren Rahmensatzes mit dem Vorliegen bloß sensibler Ausfälle.

Diese Einstufungen decken sich auch mit dem von der Sachverständigen festgestellten klinischen Status (vgl. "Wirbelsäule - Beweglichkeit:

HWS: Kinn-Jugulum Abstand: 3 cm, alle übrigen Ebenen: endlagig eingeschränkt; BWS: gerade; LWS: Seitneigen nach links bis 20° möglich, nach rechts bis 20° möglich, blande Narbe, FBA: 40 cm;

Obere Extremitäten: Rechts: Schultergelenk: Abduktion bis 150° möglich, Ellenbogengelenk: frei, Handgelenk: frei. Links:

Schultergelenk: Abduktion bis 150° möglich, Ellenbogengelenk: frei,

Handgelenk: frei, Kraft- und Faustschluss: bds. frei, Kreuz- und Nackengriff: bds. möglich. Untere Extremitäten: Rechts: Hüftgelenk:

S 0-0-150, F 60-0-50, R 50-0-40, Kniegelenk: S 0-0-160, kein Erguss, bandstabil, OSG: frei. Links: Hüftgelenk: S 0-0-150, F 60-0-50, R 50-0-40. Kniegelenk: S 0-0-160, kein Erguss, bandstabil. OSG: frei.

Zehen- und Fersenstand: bds. möglich, aber unsicher. Gesamtmobilität - Gangbild: Gangbild: frei, Gehbehelf: keiner").

Entgegen dem Beschwerdevorbringen hat die medizinische Sachverständige auch sehr wohl die Einnahme des Medikamentes "Xarelto" berücksichtigt.

Insgesamt kommt die medizinische Sachverständige nachvollziehbar und in sich schlüssig und widerspruchsfrei zu dem Ergebnis, dass Leiden 1 durch Leiden 2 und 3 nicht erhöht wird, da ein ungünstiges Zusammenwirken der Funktionsbeeinträchtigungen nicht besteht.

Der Beschwerdeführer hat auch kein substantielles Vorbringen gegen das Sachverständigengutachten erstattet.

Das Bundesverwaltungsgericht stützt seine Feststellungen hinsichtlich der Funktionseinschränkungen, der Art der Leiden und des Gesamtgrades der Behinderung daher auf das schlüssige und nachvollziehbare Sachverständigengutachten Dr.in XXXX vom 31.01.2018.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz - BVwGG), BGBl. I Nr. 10/2013 idgF, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gemäß § 45 Abs. 3 BBG hat in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen. Gegenständlich liegt somit Senatszuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz - VwGVG), BGBl. I Nr. 33/2013 idgF, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung (BAO), BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes (AgrVG), BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 (DVG), BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben ist, den angefochtenen Bescheid auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Zu Spruchpunkt A)

Zur Entscheidung in der Sache

Unter Behinderung iSd Bundesbehindertengesetz (BBG) ist gemäß dessen § 1 Abs 2 leg.cit. die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktion zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten.

§ 40 Abs. 1 BBG normiert, dass behinderte Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% ist auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpass auszustellen, wenn

1. ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist oder

2. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen oder

3. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten oder

4. für sie erhöhte Familienbeihilfe bezogen wird oder sie selbst erhöhte Familienbeihilfe beziehen oder

5. sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes (BEinstG), BGBl. Nr. 22/1970, angehören.

Behinderten Menschen, die nicht dem im Abs. 1 angeführten Personenkreis angehören, ist ein Behindertenpass auszustellen, wenn und insoweit das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen auf Grund von Vereinbarungen des Bundes mit dem jeweiligen Land oder auf Grund anderer Rechtsvorschriften hiezu ermächtigt ist (§ 40 Abs. 2 BBG).

Als Nachweis für das Vorliegen der im § 40 BBG genannten Voraussetzungen gilt der letzte rechtskräftige Bescheid eines Rehabilitationsträgers (§ 3) oder ein rechtskräftiges Urteil eines Gerichtes nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, BGBl. Nr. 104/1985, ein rechtskräftiges Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes oder die Mitteilung über die Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs. 5 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967, BGBl. Nr. 376.

Gemäß § 41 Abs. 1 BBG hat das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010 idF BGBl II 251/2012) unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen, wenn

1. nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hiefür maßgebenden Vorschriften keine Einschätzung vorsehen oder

2. zwei oder mehr Einschätzungen nach bundesgesetzlichen Vorschriften vorliegen und keine Gesamteinschätzung vorgenommen wurde oder

3. ein Fall des § 40 Abs. 2 vorliegt.

Gemäß § 45 Abs. 1 BBG sind Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.

Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3 leg.cit.) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt gemäß § 45 Abs. 2 BBG Bescheidcharakter zu.

In Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung hat die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen (§ 45 Abs. 3 leg.cit).

Die maßgebenden Bestimmungen der Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend nähere Bestimmungen über die Feststellung des Grades der Behinderung (Einschätzungsverordnung BGBl II 261/2010 idF BGBl II 251/2012) lauten auszugsweise wie folgt:

§ 1. Unter Behinderung im Sinne dieser Verordnung ist die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft, insbesondere am allgemeinen Erwerbsleben, zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten.

Grad der Behinderung:

§ 2 Abs. 1 Die Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigung sind als Grad der Behinderung zu beurteilen. Der Grad der Behinderung wird nach Art und Schwere der Funktionsbeeinträchtigung in festen Sätzen oder Rahmensätzen in der Anlage dieser Verordnung festgelegt. Die Anlage bildet einen Bestandteil dieser Verordnung.

Abs. 2 Bei Auswirkungen von Funktionsbeeinträchtigungen, die nicht in der Anlage angeführt sind, ist der Grad der Behinderung in Analogie zu vergleichbaren Funktionsbeeinträchtigungen festzulegen.

Abs. 3 Der Grad der Behinderung ist nach durch den zehn teilbaren Hundertsätzen festzustellen. Ein um fünf geringerer Grad der Behinderung wird von ihnen mit umfasst. Das Ergebnis der Einschätzung innerhalb eines Rahmensatzes ist zu begründen.

Gemäß § 3 Abs. 1 der Einschätzungsverordnung ist eine Einschätzung des Gesamtgrades der Behinderung dann vorzunehmen, wenn mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vorliegen. Bei der Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung sind die einzelnen Werte der Funktionsbeeinträchtigungen nicht zu addieren. Maßgebend sind die Auswirkungen der einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen zueinander.

Gemäß Abs. 2 leg.cit. ist bei der Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung zunächst von jener Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, für die der höchste Wert festgestellt wurde. In der Folge ist zu prüfen, ob und inwieweit diese durch die weiteren Funktionsbeeinträchtigungen erhöht wird. Gesundheitsschädigungen mit einem Ausmaß von weniger als 20 v.H. sind außer Betracht zu lassen, sofern eine solche Gesundheitsschädigung im Zusammenwirken mit einer anderen Gesundheitsschädigung keine wesentliche Funktionsbeeinträchtigung verursacht.

Zunächst ist festzuhalten, dass der Grad der Behinderung im Beschwerdefall - wie dies auch die belangte Behörde zu Recht annahm - nach der Einschätzungsverordnung einzuschätzen war, was im Verfahren auch unbestritten geblieben ist.

Wie oben unter Punkt II.2. ausgeführt, wird der gegenständlichen Entscheidung das oben dargestellte Sachverständigengutachten zu Grunde gelegt, wonach der Grad der Behinderung des Beschwerdeführers 30 vH beträgt. Der Beschwerdeführer erfüllt damit die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses gemäß § 40 Abs.1 BBG nicht.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung

Das Verwaltungsgericht hat auf Antrag, oder wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen (§ 24 Abs. 1 VwGVG).

Die Verhandlung kann entfallen, wenn der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist (§ 24 Abs. 1 VwGVG).

Gemäß § 24 Abs. 3 VwGVG hat der Beschwerdeführer die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden.

Nach § 24 Abs. 4 VwGVG kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (MRK), BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GRC), ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen. Eine Verhandlung ist demnach in jenen Fällen durchzuführen, wenn ‚civil rights' oder ‚strafrechtliche Anklagen' iSd Art. 6 MRK oder die Möglichkeit der Verletzung einer Person eingeräumter Unionsrechte betroffen sind und eine inhaltliche Entscheidung in der Sache selbst getroffen wird (VwGH 9.9.2014, Ro 2014/09/0049).

Weiters kann das Verwaltungsgericht gemäß § 24 Abs. 5 VwGVG von der Durchführung (Fortsetzung) einer Verhandlung absehen, wenn die Parteien ausdrücklich darauf verzichten. Ein solcher Verzicht kann bis zum Beginn der (fortgesetzten) Verhandlung erklärt werden.

Der EGMR hat in seinen Entscheidungen vom 10. Mai 2007, Nr. 7401/04 (Hofbauer/Österreich Nr. 2), und vom 3. Mai 2007, Nr. 17.912/05 (Bösch/Österreich), unter Hinweis auf seine frühere Rechtsprechung dargelegt, dass der Beschwerdeführer grundsätzlich ein Recht auf eine mündliche Verhandlung vor einem Tribunal hat, außer es lägen außergewöhnliche Umstände vor, die eine Ausnahme davon rechtfertigten.

Der EGMR hat das Vorliegen solcher außergewöhnlichen Umstände angenommen, wenn das Verfahren ausschließlich rechtliche oder "hoch-technische" Fragen ("exclusively legal or highly technical questions") betrifft. Der Gerichtshof verwies im Zusammenhang mit Verfahren betreffend ziemlich technische Angelegenheiten ("rather technical nature of disputes") auch auf das Bedürfnis der nationalen Behörden nach zweckmäßiger und wirtschaftlicher Vorgangsweise, das angesichts der sonstigen Umstände des Falles zum Absehen von einer mündlichen Verhandlung berechtige (VwGH 03.10.2013, Zl. 2012/06/0221).

In seinem Urteil vom 18. Juli 2013, Nr. 56.422/09 (Schädler-Eberle/Liechtenstein) hat der EGMR in Weiterführung seiner bisherigen Judikatur dargelegt, dass es Verfahren geben würde, in denen eine Verhandlung nicht geboten sei, etwa wenn keine Fragen der Beweiswürdigung auftreten würden oder die Tatsachenfeststellungen nicht bestritten seien, sodass eine Verhandlung nicht notwendig sei und das Gericht auf Grund des schriftlichen Vorbringens und der schriftlichen Unterlagen entscheiden könne (VwGH 03.10.2013, Zl. 2012/06/0221).

Maßgebend für die gegenständliche Entscheidung sind die Art und das Ausmaß der beim Beschwerdeführer festgestellten Funktionseinschränkungen im Hinblick auf deren Einschätzung des durch sie bedingten Grades der Behinderung.

Im gegenständlichen Fall bildet das fachärztliche Gutachten der Sachverständigen aus dem Fachbereich der Orthopädie die Grundlage für die Beurteilung, ob die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses erfüllt sind. In dem fachärztlichen Gutachten wurden die Funktionsbeeinträchtigungen des Beschwerdeführers, wie oben bereits ausgeführt, nachvollziehbar, vollständig, schlüssig und widerspruchsfrei mit einem Grad der Behinderung von 30 v.H. bewertet.

Der entscheidungsrelevante Sachverhalt ist vor dem Hintergrund des eingeholten medizinischen Sachverständigengutachtens als geklärt anzusehen. Da die Klärung der Rechtssache durch eine eingehende Auseinandersetzung mit den Funktionseinschränkungen des Beschwerdeführers durch das fachärztliche Sachverständigengutachten erfolgte und bedingt durch die dort nachvollziehbaren und schlüssigen Ausführungen bedurfte es keiner weiteren Klärung der Rechtssache. Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung wurde überdies durch den Beschwerdeführer nicht beantragt.

Zu Spruchpunkt B) Unzulässigkeit der Revision

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Vielmehr hängt die Entscheidung von Tatsachenfragen ab. Maßgebend sind die Art des Leidens und das festgestellte Ausmaß der Funktionsbeeinträchtigung.

Es handelt sich um eine einzelfallbezogene Beurteilung, welche im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde.

Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen.

Schlagworte

Behindertenpass, Grad der Behinderung, Sachverständigengutachten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:W217.2188617.1.00

Zuletzt aktualisiert am

26.04.2018
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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