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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
VwGG §30 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat über den Antrag der Bezirkshauptmannschaft Mistelbach, der gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich vom 28. November 2017, Zl. LVwG-AV-1206/001-2017, betreffend Waffenbesitzkarte (mitbeteiligte Partei: Mag. Ing. R, vertreten durch die Hopmeier Wagner Kirnbauer Rechtsanwälte OG in 1010 Wien, Rathausstraße 15), erhobenen Revision die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, den Beschluss gefasst:
Spruch
Gemäß § 30 Abs. 2 VwGG wird dem Antrag nicht stattgegeben.
Begründung
1 Gemäß § 30. Abs. 1 VwGG hat die Revision keine aufschiebende Wirkung. Ab Vorlage der Revision hat der Verwaltungsgerichtshof gemäß § 30 Abs. 2 VwGG jedoch auf Antrag des Revisionswerbers die aufschiebende Wirkung mit Beschluss zuzuerkennen, wenn dem nicht zwingende öffentliche Interessen entgegenstehen und nach Abwägung der berührten öffentlichen Interessen und Interessen anderer Parteien mit dem Vollzug des angefochtenen Erkenntnisses oder mit der Ausübung der durch das angefochtene Erkenntnis eingeräumten Berechtigung für den Revisionswerber ein unverhältnismäßiger Nachteil verbunden wäre.
2 Ungeachtet der offenbar nicht auf Amtsrevisionen zugeschnittenen Formulierung des § 30 Abs. 2 VwGG ist die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung auch bei einer Revision zulässig, die von der im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht belangten Behörde erhoben wird (Amtsrevision). Als "unverhältnismäßiger Nachteil für den Revisionswerber" ist hier jedoch eine unverhältnismäßige Beeinträchtigung der von der Amtspartei zu vertretenden öffentlichen Interessen als Folge einer Umsetzung des angefochtenen Erkenntnisses in die Wirklichkeit zu verstehen (VwGH 20.8.2014, Ra 2014/02/0082).
3 Der Mitbeteiligte ist Inhaber eines Waffenpasses für zwei Faustfeuerwaffen der Kategorie B. Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde - in Abänderung des Bescheides der Bezirkshauptmannschaft Mistelbach vom 28. August 2017 - dem Antrag des Mitbeteiligten auf Ausstellung einer Waffenbesitzkarte für zwei Waffen der Kategorie B "bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen" stattgegeben.
4 In ihrer gegen dieses Erkenntnis gerichteten Revision beantragt die Bezirkshauptmannschaft Mistelbach, der Revision aufschiebende Wirkung zuzuerkennen. Sie führt dazu aus, dass - sollte keine aufschiebende Wirkung zuerkannt werden - die Waffenbehörde infolge der Bindungswirkung an das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die im Spruch des Erkenntnisses bezeichnete Waffenbesitzkarte zu beauftragen und anschließend an den Mitbeteiligten auszufolgen habe. Der Mitbeteiligte könne in weiterer Folge zwei weitere Waffen der Kategorie B erwerben und somit infolge der bereits bewilligten zwei Waffen der Kategorie B auf dem Waffenpass zusammen vier Waffen der Kategorie B besitzen. Sollte der Verwaltungsgerichtshof die Rechtsansicht der revisionswerbenden Behörde teilen und das Erkenntnis des Verwaltungsgerichts aufheben, so käme dem aufhebenden Erkenntnis "ex tunc"-Wirkung zu, sodass allen Akten die während der Geltung eines später vom Verwaltungsgerichtshof aufgehobenen Erkenntnisses auf dessen Basis gesetzt worden wären, im Nachhinein die Grundlage entzogen wäre. Die von der Waffenbehörde in Bindungswirkung an das aufgehobene Erkenntnis des Verwaltungsgerichts ausgefolgte Waffenbesitzkarte wäre einzuziehen, denn die vom Verwaltungsgericht ursprünglich erteilte Bewilligung würde infolge der "ex tunc"-Wirkung des Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes in Wirklichkeit als nie erteilt zu gelten haben. Eine Nichtgewährung der aufschiebenden Wirkung wäre mit erheblichen faktischen und rechtlichen Schwierigkeiten im Bereich der durchzuführenden Rückabwicklung - vor allem im Fall von bereits angeschafften Waffen der Kategorie B - verbunden. Dies bedeute eine unverhältnismäßige Beeinträchtigung zwingender öffentlicher Interessen, sofern nicht der Vollzug des angefochtenen Verwaltungsaktes aufgeschoben werde.
5 Mit diesem Vorbringen kann die revisionswerbende Behörde eine unverhältnismäßige Beeinträchtigung der von ihr wahrzunehmenden öffentlichen Interessen nicht dartun.
6 Vorweg ist festzuhalten, dass die revisionswerbende Behörde keine Bedenken im Hinblick auf die waffenrechtliche Verlässlichkeit des Mitbeteiligten äußert; solche ergeben sich auch nicht aus den vorgelegten Akten des Verfahrens.
Da der Mitbeteiligte über einen Waffenpass für zwei Schusswaffen der Kategorie B verfügt, ist nicht zu erkennen und wurde von der revisionswerbenden Behörde auch nicht geltend gemacht, dass einer gegebenenfalls nur kurzfristig aufrechten Bewilligung, zwei weitere Schusswaffen der Kategorie B zu besitzen, für die Dauer des Hauptverfahrens zwingende öffentliche Interessen im Sinne des § 30 Abs. 2 VwGG entgegenstünden.
7 Die von der revisionswerbenden Bezirkshauptmannschaft ins Treffen geführten "erheblichen faktischen und rechtlichen Schwierigkeiten" im Falle einer Aufhebung des angefochtenen Erkenntnisses werden im Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung nicht näher konkretisiert.
Zutreffend geht die revisionswerbende Behörde dabei davon aus, dass im Fall der Aufhebung des angefochtenen Erkenntnisses die vom Verwaltungsgericht erteilte Bewilligung wegfällt. In diesem Fall wäre der Mitbeteiligte - der mit der Möglichkeit der Erhebung einer Revision und in der Folge der Aufhebung des angefochtenen Erkenntnisses durch den Verwaltungsgerichtshof rechnen konnte - nicht mehr berechtigt, allenfalls zwischenzeitig aufgrund der Entscheidung des Verwaltungsgerichtes erworbene Waffen zu besitzen. Das aufgrund der Entscheidung des Verwaltungsgerichtes von der Waffenbehörde ausgestellte, durch das aufhebende Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes ungültig gewordene waffenrechtliche Dokument wäre in diesem Fall - in sinngemäßer Anwendung des § 16a WaffG - der Behörde abzuliefern oder von der Behörde einzuziehen.
Dieser im Wesentlichen administrative Aufwand ist zwangsläufige und typische Folge eines Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes, mit dem eine verwaltungsgerichtliche Entscheidung, durch die eine Berechtigung verliehen wurde, aufgehoben wird, sodass allein darin keine unverhältnismäßige Beeinträchtigung der von der revisionswerbenden Behörde wahrzunehmenden öffentlichen Interessen zu erkennen ist.
8 Im Übrigen ist festzuhalten, dass der Verwaltungsgerichtshof im Verfahren über die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung nicht zu prüfen hat (VwGH 31.7.2015, Ra 2015/03/0058 uva).
9 Dem Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung war daher nicht stattzugeben.
Wien, am 12. Jänner 2018
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2018:RA2018030004.L00Im RIS seit
26.04.2018Zuletzt aktualisiert am
27.04.2018