TE Vwgh Erkenntnis 2018/3/28 Ra 2017/07/0123

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Veröffentlicht am 28.03.2018
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof
20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB)
40/01 Verwaltungsverfahren
81/01 Wasserrechtsgesetz

Norm

ABGB §1294
AVG §74
AVG §75
AVG §76
AVG §76 Abs2
AVG §77
AVG §77 Abs1
VwGG §42 Abs2 Z1
WRG 1959 §138
WRG 1959 §50

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Beck sowie die Hofrätin Dr. Hinterwirth und die Hofräte Dr. N. Bachler, Dr. Lukasser und Mag. Haunold, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Schubert-Zsilavecz, über die Revision der Bezirkshauptmannschaft Rohrbach gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Oberösterreich vom 24. August 2017, Zl. LVwG-551101/8/Wg, betreffend Vorschreibung von Kommissionsgebühren in einem amtswegigen Verfahren gemäß § 138 WRG 1959 (mitbeteiligte Partei: R B in S), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird - im Umfang seines Ausspruches über die Behebung des Spruchabschnitts II. des bekämpften Bescheides betreffend die Vorschreibung von Kommissionsgebühren - wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.

Begründung

1        Mit Bescheid vom 9. März 2017 trug die Bezirkshauptmannschaft Rohrbach, die nunmehrige Amtsrevisionswerberin, der mitbeteiligten Partei auf, die konsenslos hergestellte Verrohrung des Sattlingerbaches im Bereich der Grundstücke 3189 und 3190, je KG St. Oswald, gemäß §§ 41, 98, 138 Abs. 1 WRG 1959 in einem näher umschriebenen Ausmaß zu entfernen und in diesem Bereich wieder ein offenes Gerinne herzustellen (Spruchpunkt I.).

2        Überdies trug die Amtsrevisionswerberin der mitbeteiligten Partei die Entrichtung von Kommissionsgebühren für die wasserrechtliche Verhandlung vom 24. November 2015 in Höhe von € 367,20 (für 3 Amtsorgane je 6 begonnene halbe Stunden zu je € 20,40) gemäß § 77 Abs. 1 AVG in Verbindung mit § 3 Z 1 lit. b Landes-Kommissionsgebühren-Verordnung 2013 sowie von Stempelgebühren in Höhe von € 28,60 (2 Bögen Verhandlungsschrift zu je € 14,30) gemäß §§ 3, 5 und 14 Gebührengesetz auf (Spruchpunkt II.).

3        Begründend führte die Amtsrevisionswerberin hinsichtlich Spruchpunkt II. aus, für die von ihr am 24. November 2015 durchgeführte Amtshandlung außerhalb des Amtes seien im Sinne des § 77 Abs. 1 AVG in Verbindung mit der Landes-Kommissionsgebührenverordnung 2013 die vorgeschriebenen Kommissionsgebühren einzuheben. Das behördliche Einschreiten in dieser Angelegenheit sei gerechtfertigt gewesen. Die Kosten für diese Amtshandlung habe der Verursacher, nämlich die mitbeteiligte Partei, zu tragen. Die weiteren bei der Verhandlung am 24. November 2015 angefallenen Kommissionsgebühren seien von S B zu tragen, weil in der genannten Verhandlung auch dessen Fischteichanlage behandelt worden sei.

4        In der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde führte die mitbeteiligte Partei in Bezug auf Spruchpunkt II. aus, beim Lokalaugenschein seien noch einige weitere Punkte behandelt worden, die nichts mit der gegenständlichen Verrohrung bzw. dem Fischteich von S B zu tun hätten; dennoch seien der mitbeteiligten Partei und S B die vollen 10 angefangenen halben Stunden verrechnet worden.

5        Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich (LVwG) gab der genannten Beschwerde - nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung - mit Erkenntnis vom 24. August 2017 teilweise statt, verlängerte die in Spruchabschnitt I. unter Punkt 11) des angefochtenen Bescheides vorgeschriebene Frist bis 30. Juni 2018 und erklärte das angeschlossene und mit einem Bezugsvermerk versehene Orthofoto vom 7. September 2015 als integralen Bestandteil seiner Entscheidung. Zudem behob das LVwG Spruchabschnitt II. des Bescheides der Amtsrevisionswerberin vom 9. März 2017 und wies im Übrigen die Beschwerde als unbegründet ab (Spruchpunkt I.). Das LVwG erklärte die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof für nicht zulässig (Spruchpunkt II.).

6        Begründend führte das LVwG aus, die mitbeteiligte Partei habe keine bewilligungsfreie Sanierungsmaßnahme durchgeführt, sondern eine neue Verrohrung errichtet. Da keine wasserrechtliche Bewilligung eingeholt worden sei, handle es sich um eine eigenmächtige Neuerung im Sinne des § 138 Abs. 1 WRG 1959. Die mitbeteiligte Partei habe die Verrohrung errichtet und sei daher als Adressat des wasserpolizeilichen Auftrages heranzuziehen.

7        Das LVwG vertrat weiters die Ansicht, Kommissionsgebühren fielen in einem von Amts wegen geführten wasserpolizeilichen Verfahren nicht an; die Vorschreibung von Stempelgebühren im Sinne des Gebührengesetzes mit Bescheid sei den Finanzbehörden vorbehalten.

8        Schließlich führte das LVwG aus, die ordentliche Revision sei unzulässig, weil die Rechtslage durch die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes geklärt sei.

9        In der gegen das Erkenntnis des LVwG erhobenen außerordentlichen Revision, welche sich ausschließlich gegen die Behebung der Vorschreibung der Kommissionsgebühren richtet, macht die Amtsrevisionswerberin Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend.

10       Die mitbeteiligte Partei begehrt in ihrer Revisionsbeantwortung die Abweisung der Revision.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

11       1. Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

12       Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

13       Gemäß § 34 Abs. 1a erster Satz VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 nicht gebunden. Die Zulässigkeit der außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

14       Die Amtsrevisionswerberin macht zur Zulässigkeit der Revision geltend, die angefochtene Entscheidung des LVwG weiche von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, weil bei Erteilung von wasserpolizeilichen Aufträgen auch die Vorschreibung von Kommissionsgebühren zulässig sei (Hinweis auf VwGH 21.10.1999, 99/07/0088).

15       Die Revision erweist sich als zulässig. Sie ist auch begründet.

16       Die hier maßgeblichen Bestimmungen des AVG lauten:

Kosten der Behörden

§ 75. (1) Sofern sich aus den §§ 76 bis 78 nicht anderes ergibt, sind die Kosten für die Tätigkeit der Behörden im Verwaltungsverfahren von Amts wegen zu tragen.

(2) Die Heranziehung der Beteiligten zu anderen als den in den §§ 76 bis 78 vorgesehenen Leistungen, unter welchem Titel immer, ist unzulässig.

(3) Die gesetzlichen Bestimmungen über die Stempel- und Rechtsgebühren bleiben unberührt.

§ 76. (1) Erwachsen der Behörde bei einer Amtshandlung Barauslagen, so hat dafür, sofern nach den Verwaltungsvorschriften nicht auch diese Auslagen von Amts wegen zu tragen sind, die Partei aufzukommen, die den verfahrenseinleitenden Antrag gestellt hat. Als Barauslagen gelten auch die Gebühren, die den Sachverständigen und Dolmetschern zustehen. Kosten, die der Behörde aus ihrer Verpflichtung nach § 17a erwachsen, sowie die einem Gehörlosendolmetscher zustehenden Gebühren gelten nicht als Barauslagen. Im Falle des § 52 Abs. 3 hat die Partei für die Gebühren, die den nichtamtlichen Sachverständigen zustehen, nur soweit aufzukommen, als sie den von ihr bestimmten Betrag nicht überschreiten.

(2) Wurde jedoch die Amtshandlung durch das Verschulden eines anderen Beteiligten verursacht, so sind die Auslagen von diesem zu tragen. Wurde die Amtshandlung von Amts wegen angeordnet, so belasten die Auslagen den Beteiligten dann, wenn sie durch sein Verschulden herbeigeführt worden sind.

...

§ 77. (1) Für Amtshandlungen der Behörden außerhalb des Amtes können Kommissionsgebühren eingehoben werden. Hinsichtlich der Verpflichtung zur Entrichtung dieser Gebühren ist § 76 sinngemäß anzuwenden.

...“

17       § 138 WRG 1959 lautet (auszugsweise) folgendermaßen:

Herstellung des gesetzmäßigen Zustandes.

§ 138. (1) Unabhängig von Bestrafung und Schadenersatzpflicht ist derjenige, der die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes übertreten hat, wenn das öffentliche Interesse es erfordert oder der Betroffene es verlangt, von der Wasserrechtsbehörde zu verhalten, auf seine Kosten

a)   eigenmächtig vorgenommene Neuerungen zu beseitigen oder die unterlassenen Arbeiten nachzuholen,

b)   ...“

18       2. Gegenständlich geht es um die Frage der Vorschreibung von Kommissionsgebühren, welche in einem von Amts wegen eingeleiteten Verfahren, das zur Erteilung eines wasserpolizeilichen Auftrages gemäß § 138 WRG 1959 führte, entstanden sind.

19       Das LVwG vertrat in der angefochtenen Entscheidung ohne jegliche Begründung die Auffassung, Kommissionsgebühren fielen in einem von Amts wegen geführten wasserpolizeilichen Verfahren nicht an. Damit verkennt es die Rechtslage.

20       3. Sollte das LVwG meinen, es gäbe in einem solchen Verfahren überhaupt keine Kommissionsgebühren (arg.: „fallen nicht an“), so übersieht es die oben wiedergegebenen Bestimmungen der §§ 76 Abs. 2 zweiter Satz und 77 Abs. 1 AVG, die diesbezüglich klare Regelungen treffen.

21       Sollte das LVwG gemeint haben, es fehle an einer Rechtsgrundlage für die Vorschreibung solcher Gebühren gegenüber den Verfahrensbeteiligten (und die Kosten seien daher von Amts wegen zu tragen), verkennt es den Inhalt dieser Bestimmungen und die dazu ergangene Rechtsprechung:

22       3.1. Für die Tragung von Verfahrenskosten im Zusammenhang mit einem wasserpolizeilichen Auftrag gemäß § 138 WRG 1959 gelten die §§ 74 ff AVG (Bumberger/Hinterwirth, Wasserrechtsgesetz2, K3 zu § 138).

23       Nach § 77 Abs. 1 AVG können für Amtshandlungen der Behörden außerhalb des Amtes, wie der Durchführung einer mündlichen Verhandlung, Kommissionsgebühren eingehoben werden. Hinsichtlich der Verpflichtung zur Entrichtung dieser Gebühren ist § 76 sinngemäß anzuwenden.

24       Nach § 76 Abs. 2 Satz 2 AVG belasten die Auslagen den Beteiligten im Fall einer amtswegig angeordneten Amtshandlung dann, wenn sie durch sein Verschulden herbeigeführt worden sind.

25       3.2. Bei der Prüfung der Frage, ob ein für die Kostenersatzpflicht nach § 76 Abs. 2 AVG erforderliches Verschulden gegeben ist, ist vom Verschuldensbegriff des § 1294 ABGB auszugehen. Ein solches Verschulden fällt jemandem nur zur Last, wenn ihn zumindest der Vorwurf trifft, er habe es an der gehörigen Aufmerksamkeit oder dem gehörigen Fleiß fehlen lassen (VwGH 22.4.2004, 2004/07/0042; 17.10.2007, 2006/07/0163, uvm).

26       Die in § 76 Abs. 2 zweiter Satz AVG vorgesehene Heranziehung des Beteiligten zur Kostentragung setzt voraus, dass ein kausaler Zusammenhang zwischen dem schuldhaften Verhalten des Beteiligten und der mit Kosten verbundenen Amtshandlung bestand und die einzelnen Verfahrenshandlungen, welche die Kosten verursacht haben, zur Feststellung des maßgebenden Sachverhalts erforderlich waren (VwGH 25.2.2016, Ra 2015/07/0170).

27       3.3. Der Verwaltungsgerichtshof befasste sich schon mehrfach, etwa in dem von der Amtsrevisionswerberin erwähnten hg. Erkenntnis vom 21. Oktober 1999, 99/07/0088, mit der Vorschreibung von Kommissionsgebühren in wasserrechtlichen Auftragsverfahren und sah es als zulässig an, dem dortigen Beschwerdeführer Kommissionsgebühren in einem amtswegig eingeleiteten Verfahren gemäß §§ 50 und 138 WRG 1959 für die Durchführung einer mündlichen Verhandlung vorzuschreiben; der genannte Beschwerdeführer hatte die Amtshandlung verschuldet, weil ihre Notwendigkeit auf eine Verletzung seiner Instandhaltungspflicht für eine Abwasserbeseitigungsanlage zurückzuführen war.

28       4. Das LVwG unterlag daher mit seiner Ansicht, dass Kommissionsgebühren in einem Verfahren wie dem gegenständlichen, nämlich einem von Amts wegen eingeleiteten wasserpolizeilichen Auftragsverfahren, nicht anfielen, einem Rechtsirrtum.

29       Indem das LVwG Spruchpunkt II. des Bescheides der Amtsrevisionswerberin vom 9. März 2017 mit dieser Begründung behob, belastete es das angefochtene Erkenntnis in diesem Umfang mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes.

30       5. Das angefochtene Erkenntnis war daher - im Umfang seines Ausspruches über die Behebung des Spruchabschnitts II. des bekämpften Bescheides betreffend die Vorschreibung von Kommissionsgebühren - gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Wien, am 28. März 2018

Schlagworte

Besondere Rechtsgebiete

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2018:RA2017070123.L00

Im RIS seit

14.06.2021

Zuletzt aktualisiert am

14.06.2021
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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