TE Vwgh Erkenntnis 2000/3/23 2000/20/0052

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Veröffentlicht am 23.03.2000
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
19/05 Menschenrechte;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;
49/02 Staatsbürgerschaft Staatenlosigkeit;

Norm

AsylG 1997 §5 Abs1;
B-VG Art130 Abs2;
Dubliner Übk 1997 Art4;
MRK Art14 Abs1;
MRK Art8 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Stöberl, Dr. Baur, Dr. Nowakowski und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Winter, über die Beschwerde des AK (alias AZ, geboren am 6. August 1971; alias EZ, geboren am 6. August 1972), vertreten durch Dr. Georg Angermaier, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Rudolfsplatz 12/10a, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 19. August 1999, Zl. 211.788/0-VII/19/99, betreffend § 5 Asylgesetz (weitere Partei: Bundesminister für Inneres), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Nach Inhalt der Beschwerde und des mit dieser vorgelegten angefochtenen Bescheides steht fest:

Der Beschwerdeführer, ein irakischer Staatsangehöriger, war im September 1998 in die Niederlande eingereist und hatte dort am 26. Oktober 1998 einen Asylantrag gestellt, der von den niederländischen Behörden abgelehnt wurde. In der Folge reiste der Beschwerdeführer über Deutschland kommend am 8. Juni 1999 in das Bundesgebiet ein. Am 9. Juni beantragte er in Österreich Asyl.

Mit Bescheid vom 22. Juli 1999 wies das Bundesasylamt den Asylantrag des Beschwerdeführers gemäß § 5 Abs. 1 AsylG als unzulässig zurück und sprach aus, dass die Niederlande gemäß Art. 8 des Dubliner Übereinkommens, BGBl. III Nr. 165/1997 (im Folgenden: Dubliner Übk), für die Prüfung des Asylantrages des Beschwerdeführers zuständig sei. Zugleich wurde der Beschwerdeführer aus dem Bundesgebiet ausgewiesen.

Dagegen erhob der Beschwerdeführer Berufung. Darin behauptete er, das niederländische Asylverfahren gewährleiste Asylwerbern kein der Genfer Flüchtlingskonvention (FlKonv) und auch kein dem Standard des österreichischen Rechts entsprechendes Asylverfahren, und stellte dahingehende Beweisanträge.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 19. August 1999 wurde die Berufung gemäß § 5 Abs. 1 AsylG abgewiesen.

Die belangte Behörde begründete die Abweisung damit, dass § 5 Abs. 1 AsylG die im Dubliner Übk festgeschriebene Zuständigkeit als negative Prozessvoraussetzung für das Asylverfahren in Österreich normiere. Gegenstand des Berufungsverfahrens sei die Zurückweisung des Asylantrages wegen vertraglicher Zuständigkeit der Niederlande. Das diesbezüglich maßgebende Dubliner Übk normiere in seinen Art. 4 bis 8 die Kriterien der Zuständigkeit zur Prüfung eines Asylantrages. Im vorliegenden Fall komme Art. 8 Dubliner Übk zur Anwendung, wonach der erste Mitgliedstaat, in dem der Asylantrag gestellt werde, für die Prüfung zuständig sei, wenn auf Grundlage der übrigen Kriterien dieses Übereinkommens kein für die Prüfung des Asylantrages zuständiger Staat bestimmt werden könne. Die Niederlande hätten ihre Zuständigkeit zur Prüfung des Asylantrages des Beschwerdeführers mit Schreiben vom 16. Juli 1999 ausdrücklich bestätigt. Festzuhalten sei, dass Tatbestandsvoraussetzung des § 5 AsylG nur das Vorliegen einer vertraglichen Zuständigkeit eines anderen Staates nach dem Dubliner Übk sei. Dies sei gegeben. Die vom Beschwerdeführer gestellten Beweisanträge seien daher nicht zielführend.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Der Beschwerdeführer verweist dazu auf Art. 3 Abs. 4 Dubliner Übk, wonach jeder Mitgliedstaat dieses Übereinkommens mit Zustimmung des Asylwerbers das Recht habe, einen von einem Ausländer gestellten Asylantrag auch dann zu prüfen, wenn er auf Grund der im Übereinkommen definierten Kriterien nicht zuständig sei. Eine verfassungskonforme Anwendung des § 5 AsylG sei "nur im Zusammenwirken mit Art. 3 Abs. 4 Dubliner Übk und Art. 3 und Art. 8 Abs. 2 EMRK gegeben". Auf Grund "des Spannungsverhältnisses des engen Familienbegriffes des Dubliner Übk zur EMRK" sei bei Ausübung des Ermessens nach Art. 3 Abs. 4 Dubliner Übk "der weitere Familienbegriff des Art. 8 EMRK zugrundezulegen". Da Österreich das einzige Land sei,

"in dem der Asylberechtigte das Familienleben - mittelbar durch seine Weiterreise nach den U.S.A. - fortsetzen kann, wäre die bescheiderlassende Behörde auch verpflichtet gewesen, vom Ermessen nach Art. 3 Abs. 4 DÜ zu Gunsten des Beschwerdeführers Gebrauch zu machen, da Österreich im Gegensatz zur Niederlande dem Beschwerdeführer die tatsächliche Auswanderung nach den U.S.A. auf Grund der schon in der Berufung dargelegten Umstände, dass in den Niederlanden keine Niederlassung des IRC besteht, dem Beschwerdeführer die Antragstellung und Weiterreise über Österreich jedoch möglich wäre, sowie weiters, da das Recht auf Familienleben gemäß Art. 8 MRK einzig durch die Asylgewährung in Österreich zum Zwecke der Weiterreise in die U.S.A. gewährleistet ist".

Es lägen somit "humanitäre, familiäre und kulturelle Gründe für die Übernahme der Zuständigkeit und die Asylgewährung vor".

Angeregt werde in diesem Zusammenhang

"die Veranlassung der Überprüfung der Verfassungskonformität des § 5 Abs. 3 AsylG 1997, wonach hier an eine faktische Maßnahme - welche zudem zwingend auf Grund negativer Bescheiderlassung zu erfolgen hat - eine Feststellungswirkung geknüpft wird. Ein Rechtsschutz, selbst durch die beantragte aufschiebende Wirkung ist nicht gegeben, weshalb hier drastisch in Art. 8 EMRK eingegriffen wird, ohne die dafür verfassungsrechtlich erforderlichen Eingriffsschranken klar aufzuzeigen und die Interessenabwägungen mit ausreichender Bestimmtheit darzulegen".

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

§ 4 Abs. 1 AsylG bestimmt, dass ein Asylantrag unzulässig ist, wenn der Fremde in einem Staat, mit dem kein Vertrag über die Bestimmung der Zuständigkeit zur Prüfung eines Asylantrages anwendbar ist, Schutz vor Verfolgung finden kann.

§ 5 AsylG lautet:

"(1) Ein nicht gemäß § 4 erledigter Asylantrag ist als unzulässig zurückzuweisen, wenn ein anderer Staat vertraglich zur Prüfung des Asylantrages zuständig ist. Mit dem Zurückweisungsbescheid hat das Bundesasylamt auch festzustellen, welcher Staat zuständig ist. Ein solcher Bescheid ist mit einer Ausweisung zu verbinden.

(2) ...

(3) Eine Ausweisung gemäß Abs. 1 und 2 gilt stets auch als Feststellung der Zulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in den bezeichneten Staat."

Der Beschwerdeführer zieht nicht in Zweifel, dass nach dem anzuwendenden Dubliner Übereinkommen die Niederlande auf Grund von Art. 8 dieses Übk für die Prüfung des Asylantrages des Beschwerdeführers zuständig seien. Der Verwaltungsgerichtshof hegt nach den unbestrittenen Ausführungen im Bescheid der belangten Behörde keine Zweifel, dass die Niederlande nach diesem Übereinkommen zur Prüfung des Asylantrages des Beschwerdeführers zuständig sind. Die Niederlande haben sich gemäß dem Dubliner Übereinkommen ausdrücklich zur Durchführung des Asylverfahrens für zuständig erklärt.

Damit hat die belangte Behörde den Asylantrag des Beschwerdeführers gemäß § 5 Abs. 1 AsylG zutreffend als unzulässig zurückgewiesen. Bei Zutreffen der Tatbestandsvoraussetzung (vertragliche Zuständigkeit eines anderen Staates zur Prüfung des Asylantrages) sieht § 5 Abs. 1 leg. cit. zwingend die Zurückweisung vor; ein Ermessen ist der belangten Behörde nicht eingeräumt. Durch die Zurückweisung des Asylantrages des Beschwerdeführers wird schon deshalb nicht in seine Rechte nach Art. 8 Abs. 1 EMRK eingegriffen, weil auch nach dem Beschwerdevorbringen im Bundesgebiet keine Familienangehörigen des Beschwerdeführers aufhältig sind und deshalb mit der mit der Zurückweisung gemäß § 5 Abs. 1 AsylG verbundenen Ausweisung nicht in das Familienleben des Beschwerdeführers eingegriffen wird. Im Übrigen nimmt § 5 Abs. 1 AsylG auf die Familienzusammenführung von Asylwerbern dadurch Bedacht, dass bei Bestimmung der Zuständigkeit eines Vertragsstaates des Dubliner Übereinkommens primär Art. 4 Dubliner Übk heranzuziehen ist, wonach derjenige Mitgliedsstaat für die Prüfung zuständig gemacht werden kann, wo bereits einem Familienangehörigen des Asylwerbers die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt wurde und dessen legaler Wohnsitz ist. Über die Frage der Ausreise des Beschwerdeführers in die Vereinigten Staaten, wo sich Familienangehörige des Beschwerdeführers aufhielten, wurde mit dem angefochtenen Bescheid nicht abgesprochen. Ein durch die EMRK verbürgtes Recht auf Durchführung eines Asylverfahrens im Bundesgebiet besteht im Übrigen nicht. Auch ist nicht erkennbar, dass durch die mit der Zurückweisung nach § 5 Abs. 1 AsylG ex lege verbundene Feststellung der Zulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers in die Niederlande (§ 5 Abs. 3 leg. cit.) deshalb in verfassungsmäßig garantierte Rechte des Beschwerdeführers eingegriffen würde, weil "das niederländische Asylverfahren Asylwerbern kein dem Sinne der GFK und auch nicht dem Standard des österreichischen Rechts entsprechendes Asylverfahren" gewährleiste.

Vor dem Hintergrund des gegenständlichen Beschwerdevorbringens sieht sich daher der Verwaltungsgerichtshof nicht veranlasst, die Aufhebung des § 5 AsylG beim Verfassungsgerichtshof zu beantragen.

Da somit bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nicht öffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Damit erübrigt sich eine Entscheidung des Berichters über den Antrag, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

Wien, am 23. März 2000

Schlagworte

Ermessen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2000:2000200052.X00

Im RIS seit

07.02.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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