Entscheidungsdatum
16.04.2018Norm
B-VG Art.133 Abs4Spruch
W166 2169345-1/4E
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Carmen LOIBNER-PERGER als Vorsitzende und die Richterin Dr. Tanja KOENIG-LACKNER sowie den fachkundigen Laienrichter Mag. Michael SVOBODA als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX, geb. XXXX, vertreten durch XXXX Rechtsanwälte, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle Salzburg, vom 26.06.2017, betreffend die Abweisung des Antrages vom 24.02.2017 auf Pauschalentschädigung für Schmerzengeld nach dem Verbrechensopfergesetz, beschlossen:
A)
Der angefochtene Bescheid wird aufgehoben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen zurückverwiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
BEGRÜNDUNG:
I. Verfahrensgang:
Der Beschwerdeführer stellte am 24.02.2017, vertreten durch den Weissen Ring, einen Antrag auf Schmerzengeld nach dem Verbrechensopfergesetz. Antragsbegründend wurde angegeben, dass er am 02.12.2016 Opfer eines Raubüberfalles geworden sei und dabei eine schwere Körperverletzung erlitten habe. Es sei Anzeige gegen Unbekannt erstattet worden, die Täter seien bis dato noch immer unbekannt und das strafrechtliche Ermittlungsverfahren sei mittlerweile abgebrochen worden.
Dem Antrag beigeschlossen war das Protokoll über die Zeugenvernehmung des Beschwerdeführers durch die LPD Salzburg vom 07.12.2016, eine Verletzungsanzeige von Dr.XXXX, Arzt für Allgemeinmedizin, Facharzt für Sport- und Unfallmedizin, vom 02.12.2016, wonach der Beschwerdeführer eine Speichenfraktur rechts und eine Schädelprellung erlitten hat, eine Anzeigenbestätigung über die am 02.12.2016 um 00.35 Uhr erstattete Anzeige durch den Beschwerdeführer gegen die Unbekannten Täter, sowie eine Vollmacht des Beschwerdeführers, mit der er den Weissen Ring mit der Prozessbegleitung im Sinne des § 66 StPO beauftragte.
Die belangte Behörde forderte mit Auftragsschreiben vom 08.03.2017 die Krankenunterlagen des Beschwerdeführers von Dr. XXXX ein und ersuchte diesen gleichzeitig um Mitteilung, ob medizinisch beurteilt werden könne, ob die Verletzung von einem Sturz oder von "Schlägen/Tritten" komme.
Der Mediziner für Allgemein-, Sport- und Unfallmedizin Dr. XXXX äußerte in seinem Antwortschreiben an die belangte Behörde, dass es für ihn keinen Grund gebe, an der Version des ihm gut bekannten Patienten zu zweifeln. Eine medizinische Beurteilung, ob die Verletzung von einem Sturz oder von Schlägen bzw. Tritten verursacht worden sei, müsse von einem medizinischen Gutachter, Sachverständigen bzw. Gerichtsmediziner vorgenommen werden.
Nach schriftlicher Bekanntgabe gegenüber dem Beschwerdeführer, dass sein Antrag aufgrund der derzeitigen Ermittlungsergebnisse, voraussichtlich abzuweisen sein werde und dem Beschwerdeführer die Möglichkeit eingeräumt werde, dazu binnen zwei Wochen Stellung zu nehmen, erließ die belangte Behörde am 29.06.2017 den abweisenden Bescheid vom 26.06.2017.
Begründend führte sie aus, dass sich das Ermittlungsergebnis auf den eingeholten Strafakt zur Zahl XXXX der Staatsanwaltschaft Salzburg stütze. Aus dem Abschlussbericht sei ersichtlich, dass die Tat weder videoüberwacht ist, noch dass der Beschwerdeführer in Begleitung von anderen Personen gewesen sei und sich auch auf eine Pressemeldung keine Zeugen gemeldet hätten. Über die geraubte Bankomat bzw. Kreditkarte gebe es keine Hinweise auf die Täter. Auch vom Mobiltelefon des Beschwerdeführers habe es ab der Tatzeit kein abgehendes Telefonat mehr gegeben und das Telefon sei ausgeschaltet gewesen. Die IMEI-Nummer des geraubten Telefons sei ab dem Tatzeitpunkt nicht mehr aktiv gewesen. Die Auswertungen hätten daher keinerlei Ermittlungsergebnisse ergeben. Demnach könne nicht mit der für das Verbrechensopfergesetz erforderlichen Wahrscheinlichkeit festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer am 02.12.2016 Opfer einer mit mehr als sechsmonatigen Freiheitsstrafe drohenden rechtswidrigen und vorsätzlichen Handlung geworden sei. Es sei daher spruchgemäß zu entscheiden gewesen.
Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer, vertreten durch XXXX Rechtsanwälte, fristgerecht das Rechtsmittel der Beschwerde und brachte darin vor, dass aufgrund des Inhaltes des Strafaktes der Staatsanwaltschaft keinerlei Zweifel bestehen könne, dass der Beschwerdeführer durch unbekannte Täter beraubt worden sei und durch eine Gewaltanwendung der Täter eine schwere Körperverletzung im Sinne des § 84 Abs. 1 StGB erlitten habe. Die unbekannten Täter hätten mit den Füßen auf das am Boden liegende Opfer eingetreten. Damit seien die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 Z 1 VOG erfüllt und sei der Umstand, dass die Tat von den Sicherheitsbehörden bisher nicht aufgeklärt worden sei, nicht relevant. Dafür, dass die Körperverletzung nicht der Straftat zuzuordnen sei, wie die belangte Behörde offenbar vermeine, würden überhaupt keine Beweisergebnisse vorliegen. Der Beschwerdeführer habe gleich bei seinem ersten Kontakt mit der PI XXXX von Schmerzen im Arm berichtet. Dass das wahre Ausmaß der Verletzung erst nach dem Aufwachen am nächsten Morgen und dem anschließenden Arztbesuch erkannt worden sei, könne auf die "Wahrscheinlichkeit" der Kausalität keinen Einfluss nehmen.
Die Beschwerde samt dem Verwaltungsakt wurde dem Bundesverwaltungsgericht von der belangten Behörde am 31.08.2017 vorgelegt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Gemäß § 9d Abs. 1 Verbrechensopfergesetz (VOG), BGBl. Nr. 288/1972 idgF entscheidet das Bundesverwaltungsgericht im Verfahren über Beschwerden in Rechtssachen in den Angelegenheiten des VOG durch einen Senat, dem ein fachkundiger Laienrichter angehört. Es liegt somit gegenständlich Senatszuständigkeit vor.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. I 2013/33 idgF, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Zu Spruchpunkt A)
Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist. Gemäß Abs. 2 leg.cit. hat über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG das Verwaltungsgericht selbst zu entscheiden, wenn
1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder
2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
Gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG hat das Verwaltungsgericht im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vorliegen und die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung und Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhaltes unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hiebei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.
Das Modell der Aufhebung des Bescheides und Zurückverweisung der Angelegenheit an die Behörde folgt konzeptionell jenem des § 66 Abs. 2 AVG, setzt im Unterschied dazu aber nicht auch die Notwendigkeit der Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung voraus. Voraussetzung für eine Aufhebung und Zurückverweisung ist allgemein (nur) das Fehlen behördlicher Ermittlungsschritte. Sonstige Mängel, abseits jener der Sachverhaltsfeststellung, legitimieren nicht zur Behebung auf Grundlage von § 28 Abs. 3 2.
Satz VwGVG (Fister/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahren (2013)
§ 28 VwGVG Anm. 11).
§ 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG bildet damit die Rechtsgrundlage für
eine kassatorische Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes, wenn "die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen" hat.
Der Verwaltungsgerichtshof hat sich in seinem Erkenntnis vom 26.06.2014, Ro 2014/03/0063, mit der Sachentscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte auseinandergesetzt und darin folgende Grundsätze klargestellt:
Die Aufhebung eines Bescheides einer Verwaltungsbehörde durch ein Verwaltungsgericht komme nach dem Wortlaut des § 28 Abs. 1 Z 1 VwGVG nicht in Betracht, wenn der für die Entscheidung maßgebliche Sachverhalt feststeht. Dies wird jedenfalls dann der Fall sein, wenn der entscheidungsrelevante Sachverhalt bereits im verwaltungsbehördlichen Verfahren geklärt wurde, zumal dann, wenn sich aus der Zusammenschau der im verwaltungsbehördlichen Bescheid getroffenen Feststellungen (im Zusammenhalt mit den dem Bescheid zu Grunde liegenden Verwaltungsakten) mit dem Vorbringen in der gegen den Bescheid erhobenen Beschwerde kein gegenläufiger Anhaltspunkt ergibt.
Der Verfassungsgesetzgeber habe sich bei Erlassung der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012, BGBl. I 51, davon leiten lassen, dass die Verwaltungsgerichte grundsätzlich in der Sache selbst zu entscheiden haben, weshalb ein prinzipieller Vorrang einer meritorischen Entscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte anzunehmen ist.
Angesichts des in § 28 VwGVG insgesamt verankerten Systems stelle die nach § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG bestehende Zurückverweisungsmöglichkeit eine Ausnahme von der grundsätzlichen meritorischen Entscheidungszuständigkeit der Verwaltungsgerichte dar. Nach dem damit gebotenen Verständnis stehe diese Möglichkeit bezüglich ihrer Voraussetzungen nicht auf derselben Stufe wie die im ersten Satz des § 28 Abs. 3 VwGVG verankerte grundsätzliche meritorische Entscheidungskompetenz der Verwaltungsgerichte. Vielmehr verlangt das im § 28 VwGVG insgesamt normierte System, in dem insbesondere die normative Zielsetzung der Verfahrensbeschleunigung bzw. der Berücksichtigung einer angemessenen Verfahrensdauer ihren Ausdruck findet, dass von der Möglichkeit der Zurückverweisung nur bei krassen bzw. besonders gravierenden Ermittlungslücken Gebrauch gemacht wird. Eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen wird daher insbesondere dann in Betracht kommen, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhaltes (vgl. § 37 AVG) lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden (etwa im Sinn einer "Delegierung" der Entscheidung an das Verwaltungsgericht).
Die gegenständlich maßgeblichen Bestimmungen des Verbrechensopfergesetzes, BGBl. 288/1972 idF BGBl. I. 152/2015, lauten:
"Kreis der Anspruchsberechtigten
§ 1. (1) Anspruch auf Hilfe haben österreichische Staatsbürger, wenn mit Wahrscheinlichkeit anzunehmen ist, dass sie
1. durch eine zum Entscheidungszeitpunkt mit einer mehr als sechsmonatigen Freiheitsstrafe bedrohte rechtswidrige und vorsätzliche Handlung eine Körperverletzung oder eine Gesundheitsschädigung erlitten haben oder
2. durch eine an einer anderen Person begangene Handlung im Sinne der Z 1 nach Maßgabe der bürgerlich-rechtlichen Kriterien einen Schock mit psychischer Beeinträchtigung von Krankheitswert erlitten haben oder
3. als Unbeteiligte im Zusammenhang mit einer Handlung im Sinne der Z 1 eine Körperverletzung oder Gesundheitsschädigung erlitten haben, soweit nicht hieraus Ansprüche nach dem Amtshaftungsgesetz, BGBl. Nr. 20/1949, bestehen,
und ihnen dadurch Heilungskosten erwachsen sind oder ihre Erwerbsfähigkeit gemindert ist. Wird die österreichische Staatsbürgerschaft erst nach der Handlung im Sinne der Z 1 erworben, gebührt die Hilfe nur, sofern diese Handlung im Inland oder auf einem österreichischen Schiff oder Luftfahrzeug (Abs. 6 Z 1) begangen wurde.
[...]
Hilfeleistungen
§ 2. Als Hilfeleistungen sind vorgesehen:
1. Ersatz des Verdienst- und Unterhaltsentganges;
2. Heilfürsorge
2a. Kostenübernahme bei Krisenintervention durch klinische Psychologen und Gesundheitspsychologen sowie Psychotherapeuten;
3. Orthopädische Versorgung
a) Ausstattung mit Körperersatzstücken, orthopädischen und anderen Hilfsmitteln, deren Wiederherstellung und Erneuerung,
b) Kostenersatz für Änderungen an Gebrauchsgegenständen sowie für die Installation behinderungsgerechter Sanitärausstattung,
c) Zuschüsse zu den Kosten für die behinderungsgerechte Ausstattung von mehrspurigen Kraftfahrzeugen,
d) Beihilfen zur Anschaffung von mehrspurigen Kraftfahrzeugen,
e) notwendige Reise- und Transportkosten;
4. medizinische Rehabilitation
[...]"
Grundsätzlich macht das VOG die Gewährung von Versorgungsleistungen für Gesundheitsschädigungen davon abhängig, dass das schädigende Ereignis mit der Gesundheitsschädigung in ursächlichem Zusammenhang (Kausalzusammenhang) steht.
Das VOG 1972 knüpft den Anspruch des Geschädigten an das Vorliegen einer zumindest bedingten vorsätzlichen Handlung iSd § 1 Abs. 1 VOG 1972. Eine ausreichende Wahrscheinlichkeit iSd § 1 Abs. 1 VOG 1972 ist erst gegeben, wenn erheblich mehr für als gegen das Vorliegen einer Vorsatztat spricht (Hinweis E vom 6. März 2014, 2013/11/0219, mwN).
Voraussetzung für eine Hilfeleistung nach dem VOG 1972 ist u.a., dass erheblich mehr für als gegen das Vorliegen einer Vorsatztat spricht (Hinweis E vom 26. April 2013, 2012/11/0001). Eine Anklageerhebung hat nach § 210 StPO 1975 zu erfolgen, wenn aufgrund ausreichend geklärten Sachverhalts eine Verurteilung nahe liegt und kein Grund für die Einstellung des Verfahrens oder den Rücktritt von der Verfolgung vorliegt. Aus einer Einstellung des Strafverfahrens gemäß § 190 Z. 2 StPO 1975 folgt ebenso wenig zwingend wie aus dem Unterbleiben einer Anklage, dass die von § 1 VOG 1972 geforderte Wahrscheinlichkeit einer Tatbegehung nicht gegeben ist. Die Behörde hat vielmehr, so nicht eine bindende strafgerichtliche Verurteilung vorliegt, eine eigenständige, auf Feststellungen gegründete und schlüssige Beurteilung vorzunehmen (VwGH vom 21.08.2014, 2013/11/0251).
Der ursächliche Zusammenhang und die - nach dem Gesetz ausreichende - Wahrscheinlichkeit dieses Zusammenhanges sind Rechtsbegriffe; ob der Kausalzusammenhang, und zwar (wenigstens) mit Wahrscheinlichkeit gegeben ist, ist Gegenstand der rechtlichen Beurteilung. Die Behörde hat der rechtlichen Beurteilung einen ausreichend ermittelten Sachverhalt zu Grunde zu legen und zu diesem Zweck ein Ermittlungsverfahren durchzuführen, in dessen Rahmen auch Beweis durch ärztliche Sachverständige aufzunehmen ist. Die Behörde hat dabei die ärztlichen Sachverständigen anzuleiten, zu dem von ihr pflichtgemäß ermittelten Vorgängen und Erscheinungen Stellung zu nehmen und sich gutachterlich zu äußern, ob sie ausreichen, einen ursächlichen Zusammenhang als wahr anzunehmen. Das Gutachten der ärztlichen Sachverständigen darf sich nicht darauf beschränken, den ursächlichen Zusammenhang bloß zu verneinen. Die ärztlichen Sachverständigen haben vielmehr ihr Urteil zu begründen (Hinweis E 18. Dezember 2001, Zl. 2000/09/0069) (VwGH 06.03.2008, Zl. 2006/09/0043) (vgl. auch VwGH zum VOG am 27.04.2015, Zl. Ra 2015/11/0004).
Der angefochtene Bescheid erweist sich in Bezug auf den zu ermittelnden Sachverhalt aus folgenden Gründen als mangelhaft:
Die belangte Behörde hat richtigerweise erkannt, dass es zur Aufklärung des Sachverhaltes erforderlich ist, Ermittlungen hinsichtlich des Verletzungsmusters des Beschwerdeführers durchzuführen und befragte den vom Beschwerdeführer nach dem Vorfall am 02.12.2016 konsultierten Arzt, Dr. XXXX, ob er medizinisch beurteilen könnte, ob die Verletzung des Beschwerdeführers von einem Sturz oder von "Schlägen/Tritten" kommt.
In seinem Antwortschreiben vom 21.03.2017 äußerte dieser Arzt, dass eine medizinische Beurteilung, ob die Verletzung von einem Sturz oder von Schlägen bzw. Tritten verursachte wurde, von einem medizinischen Gutachter, Sachverständigen bzw. Gerichtsmediziner vorgenommen werden müsse.
In weiterer Folge unterließ es die belangte Behörde - aus dem Bundesverwaltungsgericht nicht erkenntlichen Gründen - ein entsprechendes Sachverständigengutachten darüber in Auftrag zu geben. Die im Aktenvermerk vom 07.06.2017 genannte Begründung, dass ein medizinisches Gutachten keine relevanten Informationen enthalten würde, da eventuelle Blutergüsse durch Tritte im März 2017 ohnehin nicht mehr nachweisbar seien, ist nicht geeignet, um von der Einholung eines ärztlichen Sachverständigengutachten Abstand zu nehmen.
Die belangte Behörde hat somit notwendige Ermittlungen des Sachverhaltes unterlassen und erweist sich der vorliegende Sachverhalt zur Beurteilung der Voraussetzungen für die Gewährung von Schmerzengeld nach dem Verbrechensopfergesetz aufgrund der nicht durchgeführten Ermittlungen im verwaltungsbehördlichen Verfahren als so mangelhaft, dass weitere Ermittlungen bzw. konkrete Sachverhaltsfeststellungen erforderlich sind. Im Beschwerdefall hat das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen im Sinne der oben zitierten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes bloß ansatzweise ermittelt, indem sie lediglich den entsprechenden Strafakt einholte und ihre gesamten Sachverhaltsfeststellungen auf diesen stützte. An dieser Stelle darf auf die ebenfalls oben zitierte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes verwiesen werden, demnach sich aus einer Einstellung des strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens nicht automatisch ergibt, dass die geforderte Wahrscheinlichkeit einer Tatbegehung nicht gegeben ist.
In Anbetracht des Umstandes, dass die belangte Behörde trotz Hinweis des Arztes des Beschwerdeführers, dass die an ihn gerichtete Fragestellung, ob die Verletzungen des Beschwerdeführers von Schlägen bzw. Tritten herrühren können, von einem Sachverständigen in einem Gutachten beurteilt werden müssen, und die belangte Behörde daraufhin kein entsprechendes Gutachten einholte, vermittelt den Eindruck, als hätte die Verwaltungsbehörde Ermittlungen unterlassen, damit diese durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden. Aufgrund der vorliegenden medizinischen Unterlagen nach dem gegenständlichen Vorfall, die die belangte Behörde auch vom konsultierten Arzt des Beschwerdeführers einforderte, ist ihre Begründung dazu im Aktenvermerk vom 07.06.2017, wieso ein Gutachten nicht einzuholen sei - wie bereits erwähnt - nicht nachvollziehbar.
Im fortgesetzten Verfahren wird die belangte Behörde ein fachärztliches Sachverständigengutachten zu der dargelegten Fragestellung einzuholen und die Ergebnisse unter Einbeziehung des Beschwerdevorbringens bei der Entscheidungsfindung, insbesondere bei den zu treffenden Sachverhaltsfeststellungen, zu berücksichtigen haben. Anschließend wird sich die belangte Behörde unter Berücksichtigung der oben dargelegten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes mit der Rechtsfrage auseinanderzusetzen haben, ob der Kausalzusammenhang, und zwar (wenigstens) mit Wahrscheinlichkeit gegeben ist und demnach der Antrag des Beschwerdeführers auf Gewährung von Hilfeleistungen in Form einer Pauschalentschädigung für Schmerzengeld nach dem Verbrechensopfergesetz gewährt wird oder nicht. Von den vollständigen Ergebnissen des weiteren Ermittlungsverfahrens wird der Beschwerdeführer mit der Möglichkeit zur Abgabe einer Stellungnahme in Wahrung des Parteiengehörs in Kenntnis zu setzen sein.
Dass eine unmittelbare weitere Beweisaufnahme durch das Bundesverwaltungsgericht "im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden" wäre, ist - angesichts des mit dem bundesverwaltungsgerichtlichen Beschwerdeverfahren als Mehrparteienverfahren verbundenen erhöhten Aufwandes - nicht ersichtlich.
Die Voraussetzungen des § 28 Abs. 2 VwGVG sind somit im gegenständlichen Beschwerdefall nicht gegeben. Da der maßgebliche Sachverhalt im Fall des Beschwerdeführers noch nicht feststeht und vom Bundesverwaltungsgericht auch nicht rasch und kostengünstig festgestellt werden kann, war in Gesamtbeurteilung der dargestellten Erwägungen der angefochtene Bescheid gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG aufzuheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen zurückzuverweisen.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen.
Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden, noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen.
Schlagworte
Ermittlungspflicht, Kassation, mangelnde Sachverhaltsfeststellung,European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2018:W166.2169345.1.00Zuletzt aktualisiert am
25.04.2018