TE Bvwg Erkenntnis 2018/4/16 W116 2190351-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 16.04.2018
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Entscheidungsdatum

16.04.2018

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs5
AsylG 2005 §34 Abs2
B-VG Art.133 Abs4
VwGVG §28 Abs2

Spruch

W116 2190357-1/2E

W116 2190351-1/2E

W116 2190346-1/2E

W116 2190342-1/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Mario DRAGONI als Einzelrichter über die Beschwerden 1.) der XXXX , geb. XXXX , 2.) des mj. XXXX , geb. XXXX , 3.) der mj. XXXX , geb. XXXX und 4.) des mj. XXXX , geb. XXXX , alle StA. Syrien, gegen die Spruchpunkte I. der Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 20.02.2018, Zlen. 1.) 1101641200-160058254, 2.) 1126835410-161145605, 3.) 1101641701-160058360 und 4.) 1168823607-171082860 zu Recht:

A)

Den Beschwerden wird gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG stattgegeben und 1.) der XXXX , 2.) dem mj. XXXX , 3) der mj. XXXX und 4.) dem mj. XXXX gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 34 Abs. 2 AsylG 2005 der Status von Asylberechtigten zuerkannt.

Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 wird festgestellt, dass 1.) der XXXX ,

2.) dem mj. XXXX , 3) der mj. XXXX und 4.) dem mj. XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1.1. Die Erstbeschwerdeführerin reiste gemeinsam mit ihrem Ehegatten und ihrer minderjährigen Tochter (der Drittbeschwerdeführerin) illegal nach Österreich ein und stellte am 12.01.2016 für sich und ihre minderjährige Tochter die gegenständlichen Anträge auf internationalen Schutz. Bei ihrer Erstbefragung gab sie an, Staatsangehörige Syriens, Kurdin und muslimisch/sunnitischen Glaubens zu sein. Sie sei wegen des Krieges geflüchtet und als Kurden seien sie zudem von der syrischen Regierung und von islamischen Extremisten angegriffen worden. Außerdem hätte es keine Nahrungsmittel und keine medizinische Versorgung gegeben. Deshalb habe sie Syrien etwa Mitte 2015 zusammen mit ihrem Ehemann und der gemeinsamen Tochter illegal von ihrem Heimatort aus verlassen und sei nach einem siebenmonatigen Aufenthalt in der Türkei nach Griechenland weitergereist und über Mazedonien, Serbien, Kroatien und Slowenien schließlich illegal nach Österreich eingereist. Sie sei mit dem Beschwerdeführer zu W116 2190337-1 verheiratet. Am XXXX wurde der Zweitbeschwerdeführer und am XXXX der Viertbeschwerdeführer im Bundesgebiet geboren. Daraufhin stellte die Erstbeschwerdeführerin als gesetzliche Vertreterin am 19.08.2016 bzw. am 21.09.2017 für ihre beiden nachgeborenen Kinder ebenfalls Anträge auf internationalen Schutz. Zum Nachweis ihrer Identität legte die Erstbeschwerdeführerin eine Kopie ihres syrischen Studentenausweises und die Geburtsurkunden ihrer im Bundesgebiet geborenen Kinder vor.

1.2. Am 21.11.2017 wurde die Erstbeschwerdeführerin vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl im Beisein einer Dolmetscherin für die arabische Sprache niederschriftlich einvernommen. Befragt, weshalb sie ihren Herkunftsstaat verlassen habe, teilte sie im Wesentlichen mit, dass sie wegen des Krieges geflüchtet sei. In der Heimat sei es zu Tötungen, Folter und Angriffen gekommen. Sie und ihr Mann seien bislang in der Heimat keiner konkreten personenbezogenen Verfolgung ausgesetzt gewesen. Aber ihr Mann sei vor dem Militärdienst geflüchtet, da er weder zur regulären Armee noch zu den kurdischen Kämpfern gewollt habe. Zu ihren Rückkehrbefürchtungen teilte sie mit, dass sie Angst hätte, dass sie (und ihre Familie) im Krieg zu Schaden kommen. Ihre Ortschaft sei immer noch von Luftangriffen bedroht.

2. Die angefochtenen Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl:

2.1. Mit den oben im Spruch angeführten Bescheiden des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl jeweils vom 20.02.2018, durch Hinterlegung zugestellt am 28.02.2018, wurden die Anträge der Beschwerdeführer auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status von Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.), gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 wurde den Beschwerdeführern der Status von subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt (Spruchpunkt II.) und ihnen gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 20.02.2019 erteilt (Spruchpunkt III.).

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl traf herkunftsstaatsbezogene Feststellungen zur allgemeinen Lage in Syrien, stellte die Identität der Beschwerdeführer fest und begründete die abweisende Entscheidung im Wesentlichen damit, dass die Angaben der Erstbeschwerdeführerin zu ihren Ausreisegründen zwar schlüssig und somit glaubhaft gewesen seien, dass sie aber letztlich nicht glaubhaft gemacht habe, dass sie und ihre minderjährigen Kinder vom Bürgerkrieg stärker betroffen gewesen seien, als andere Einwohner Syriens. Da keinem anderen Familienmitglied der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden sei, würde für sie die Zuerkennung aufgrund des vorliegenden Familienverfahrens ebenso nicht in Betracht kommen. Es werde ihr jedoch aufgrund der allgemeinen Lage in Syrien der Status der subsidiärer Schutzberechtigten gewährt.

2.2. Mit Verfahrensanordnung gemäß § 63 Abs. 2 AVG vom 22.02.2018 wurde den Beschwerdeführern gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG der Verein Menschenrechte Österreich als Rechtsberater für das Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht zur Seite gestellt.

2.3. Gegen die Spruchpunkte I. der oben genannten Bescheide wurde fristgerecht eine (gemeinsame) Beschwerde erhoben, welche am 19.03.2018 beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl einlangte. In dieser wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass - wie bereits in einer Vielzahl nahezu gleichlautender Sachverhalte seitens des Bundesverwaltungsgerichtes festgestellt worden sei - angesichts der aktuellen Situation in Syrien davon auszugehen sei, dass der Ehemann bzw. Vater der Beschwerdeführer in weiterer Folge zum Wehrdienst eingezogen werden würde. Das syrische Verteidigungsministerium habe aufgrund von Schwierigkeiten bei der Aushebung neuer Rekruten die Einberufungen auf alle männlichen Staatsbürger Syriens im Alter zwischen 18 und 40 Jahren, die gesundheitlich für den Militärdienst in Frage kommen, ausgeweitet. Da auffällig viele Reservisten nach Erhalt des Einberufungsbefehls das Land verlassen hätten, habe das syrische Regime begonnen, junge und gesunde Männer im Zuge der Kontrollen an den militärischen Checkpoints unmittelbar zur Armee einzuziehen, um eine Desertion praktisch unmöglich zu machen. Dieses Vorgehen habe ihr Ehemann bzw. Vater mehrmals beobachtet und sich deshalb zur Flucht entschlossen. Im Falle einer Rückkehr nach Syrien hätte er mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit noch am Flughafen dem Rekrutierungsbefehl Folge zu leisten. Angesichts der vom syrischen Regime ausgeübten Gewalt würde jedenfalls das Risiko bestehen, dass der Ehemann bzw. Vater der Beschwerdeführer gezwungen wäre, an völker- und menschenrechtswidrigen Handlungen gegen die syrische Zivilbevölkerung mitzuwirken und es könnte ihm deswegen aus asylrechtlicher Sicht nicht zugemutet werden, der Aufforderung zum Wehrdienst Folge zu leisten. Er hätte daher im Fall der Rückkehr nach Syrien mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit mit einer für eine Asylgewährung hinreichend intensiven asylrelevanten Verfolgung durch staatliche Organe zu rechnen.

3. Die Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht:

Die gegenständliche (gemeinsame) Beschwerde und die Bezug habenden Verwaltungsakten wurden vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl vorgelegt und sind am 26.03.2018 beim Bundesverwaltungsgericht eingelangt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat über die zulässigen Beschwerden erwogen:

1. Entscheidungswesentlicher Sachverhalt:

Der entscheidungsrelevante Sachverhalt steht fest. Auf Grundlage der Anträge auf internationalen Schutz vom 12.01.2016 bzw. vom 19.08.2016 bzw. vom 21.09.2017 (Zweit- und Viertbeschwerdeführer), der Einvernahmen der Erstbeschwerdeführerin und ihres Ehegatten durch die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes und des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, der (gemeinsamen) Beschwerde gegen die angefochtenen Bescheide des Bundesamtes, der im Verfahren vorgelegten Dokumente, der Einsichtnahme in die bezughabenden Verwaltungsakten sowie der Einsichtnahme in das Zentrale Melderegister, Fremdeninformationssystem, Strafregister und Grundversorgungs-Informationssystem werden folgende Feststellungen getroffen und der Entscheidung zugrunde gelegt:

1.1. Zur Person und zu den Fluchtgründen der Beschwerdeführer:

Die Beschwerdeführer sind Staatsangehörige Syriens und Angehörige der Volksgruppe der Kurden. Sie bekennen sich zum sunnitischen Islam.

Die Erst- und die Drittbeschwerdeführerin reisten illegal nach Österreich ein und stellten am 12.01.2016 jeweils einen Antrag auf internationalen Schutz. Der Zweit- und der Viertbeschwerdeführer wurden im Bundesgebiet geboren. Für sie stellte ihre gesetzliche Vertreterin am 19.08.2016 bzw. am 21.09.2017 ebenfalls Anträge auf internationalen Schutz.

Die Beschwerdeführer haben in ihrem Verfahren keine sie betreffende auf den in der GFK taxativ aufgezählten Gründen beruhende Bedrohung oder Verfolgung in Syrien ausreichend substantiiert vorgebracht.

Die Erst- bis Viertbeschwerdeführer sind die Ehegattin bzw. die minderjährigen Kinder des XXXX , dem mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom heutigen Tag, W116 2190337-1, im Wesentlichen wegen seiner Wehrdienstverweigerung und einer damit allenfalls unterstellten regimekritischen Einstellung und einer deshalb drohenden Verfolgung durch das syrische Regime gemäß § 3 AsylG 2005 der Status eines Asylberechtigten zuerkannt wurde.

Im gegenständlichen Fall liegt ein Familienverfahren iSd § 34 AsylG 2005 vor.

Es ist nicht ersichtlich, dass den Beschwerdeführern die Fortsetzung des bestehenden Familienlebens mit ihrem asylberechtigten Ehegatten bzw. Vater in einem anderen Staat möglich wäre.

Die Beschwerdeführer sind in Österreich strafgerichtlich unbescholten.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen zur Identität der Beschwerdeführer, ihrer Staatsangehörigkeit und Volksgruppenzugehörigkeit gründen sich vorwiegend auf die diesbezüglich glaubhaften Angaben der Erstbeschwerdeführerin bzw. ihres Ehegatten und hinsichtlich dieser auf die von ihnen im Verfahren vorgelegten Dokumente (insbesondere ihres syrischen Studentenausweises und der Geburtsurkunden ihrer im Bundesgebiet geborenen Kinder). Die Identitäten der Beschwerdeführer wurden auch bereits vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl festgestellt. Die Feststellungen zur Fluchtroute gründen sich auf die diesbezüglich glaubhaften Angaben der Erstbeschwerdeführerin und ihres Ehegatten.

Die Zeitpunkte der Antragstellung und die Ausführungen zum Verfahrensverlauf ergeben sich aus dem Akteninhalt.

Die Feststellungen zur persönlichen und familiären Situation der Beschwerdeführer ergeben sich aus ihren Angaben im Rahmen des Verfahrens sowie aus Abfragen in den entsprechenden amtlichen österreichischen Registern (Zentrales Melderegister, Fremdeninformationssystem, Grundversorgungs-Informationssystem). Die Feststellung zur strafgerichtlichen Unbescholtenheit ergibt sich aus der Einsichtnahme in das Strafregister.

Dass bei den Beschwerdeführern keine eigenen individuellen Fluchtgründe vorliegen, ergibt sich aus dem Vorbringen der Erstbeschwerdeführerin.

Die Feststellung, dass es sich bei den Beschwerdeführern um die Ehegattin bzw. die minderjährigen Kinder des XXXX handelt, gründet sich auf die diesbezüglich übereinstimmenden sowie gleichbleibenden und damit glaubwürdigen Angaben der Erstbeschwerdeführerin und ihres asylberechtigten Ehegatten im Verfahren.

Dass dem Ehemann bzw. Vater der Beschwerdeführer mit Erkenntnis vom heutigen Tag gemäß § 3 AsylG 2005 der Status eines Asylberechtigten zuerkannt wurde, ergibt sich aus dem Gerichtsakt zu W116 2190337-1.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1.1. Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Eine derartige Regelung wird in den einschlägigen Materiengesetzen (BFA-VG, AsylG 2005) nicht getroffen und es liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

3.1.2. Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I 2013/33 i.d.F. BGBl. I 2013/122, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

3.1.3. Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.

Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann - soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist - das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrages von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 EMRK noch Art. 47 GRC entgegenstehen.

In den vorliegenden Beschwerdefällen ergibt sich, dass aus den Akteninhalten der Verwaltungsakte die Grundlage der bekämpften Bescheide in Verbindung mit der (gemeinsamen) Beschwerde unzweifelhaft nachvollziehbar ist. Der maßgebliche Sachverhalt war aus der Aktenlage in Verbindung mit der (gemeinsamen) Beschwerde als geklärt anzusehen. Auch die gebotene Aktualität ist unverändert gegeben, zumal die den Bescheiden zugrunde gelegten Länderfeststellungen unverändert die zur Beurteilung des konkreten Falls notwendige Aktualität aufweisen.

3.2. Zu Spruchpunkt A):

3.2.1. Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht (vgl. auch die Verfolgungsdefinition in § 2 Abs. 1 Z 11 AsylG 2005, die auf Art. 9 der Statusrichtlinie verweist).

Flüchtling iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK ist, wer sich aus der begründeten Furcht vor Verfolgung wegen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Überzeugung, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

3.2.2. Zentraler Aspekt dieses Flüchtlingsbegriffs ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Eine wohlbegründete Furcht vor Verfolgung liegt dann vor, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde (vgl. VwGH 09.03.1999, 98/01/0370). Verlangt wird eine "Verfolgungsgefahr", wobei unter Verfolgung ein Eingriff von erheblicher Intensität in die vom Staat zu schützende Sphäre des Einzelnen zu verstehen ist, welcher geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen. Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in den in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen haben und muss ihrerseits Ursache dafür sein, dass sich die betreffende Person außerhalb ihres Heimatlandes bzw. des Landes ihres vorigen Aufenthaltes befindet. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein. Zurechenbarkeit bedeutet nicht nur ein Verursachen, sondern bezeichnet eine Verantwortlichkeit in Bezug auf die bestehende Verfolgungsgefahr (vgl. VwGH 10.06.1998, 96/20/0287). Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. VwGH 28.03.1995, 95/19/0041; 26.02.2002, 99/20/0509 mwN; 17.09.2003, 2001/20/0177) ist eine Verfolgungshandlung nicht nur dann relevant, wenn sie unmittelbar von staatlichen Organen (aus Gründen der GFK) gesetzt worden ist, sondern auch dann, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, Handlungen mit Verfolgungscharakter zu unterbinden, die nicht von staatlichen Stellen ausgehen, sofern diese Handlungen - würden sie von staatlichen Organen gesetzt - asylrelevant wären. Eine von dritter Seite ausgehende Verfolgung kann nur dann zur Asylgewährung führen, wenn sie von staatlichen Stellen infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt nicht abgewandt werden kann (vgl. VwGH vom 22.03.2000, 99/01/0256 mwN).

Nach der Rechtsprechung des VwGH ist der Begriff der "Glaubhaftmachung" im AVG oder in den Verwaltungsvorschriften iSd ZPO zu verstehen. Es genügt daher diesfalls, wenn der [Beschwerdeführer] die Behörde von der (überwiegenden) Wahrscheinlichkeit des Vorliegens der zu bescheinigenden Tatsachen überzeugt. Diesen trifft die Obliegenheit zu einer erhöhten Mitwirkung, dh er hat zu diesem Zweck initiativ alles vorzubringen, was für seine Behauptung spricht (Hengstschläger/Leeb, AVG § 45 Rz 3 mit Judikaturhinweisen). Die "Glaubhaftmachung" wohlbegründeter Furcht setzt positiv getroffene Feststellungen seitens der Behörde und somit die Glaubwürdigkeit der "hierzu geeigneten Beweismittel", insbesondere des diesen Feststellungen zugrundeliegenden Vorbringens des Asylwerbers voraus (vgl. VwGH 19.03.1997, 95/01/0466). Die Frage, ob eine Tatsache als glaubhaft gemacht zu betrachten ist, unterliegt der freien Beweiswürdigung der Behörde (VwGH 27.05.1998, 97/13/0051).

Relevant kann darüber hinaus nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr sein; sie muss bei Bescheiderlassung vorliegen, auf diesen Zeitpunkt hat die der Asylentscheidung immanente Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus den in Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen zu befürchten habe (VwGH 19.10.2000, 98/20/0233).

Wie bereits im Rahmen der Beweiswürdigung dargestellt wurde, hat die Erstbeschwerdeführerin eine sie bzw. ihre minderjährigen Kinder betreffende auf den in der GFK taxativ aufgezählten Gründen beruhende Bedrohung oder Verfolgung in Syrien im Verfahren nicht ausreichend substantiiert vorgebracht, weshalb keine individuelle asylrelevante Verfolgung im Herkunftsstaat festgestellt werden kann.

Im vorliegenden Fall liegt jedoch ein Familienverfahren im Sinne des § 34 AsylG 2005 bezüglich der Verfahren der Beschwerdeführer und ihres Ehegatten bzw. Vaters vor.

Gemäß § 2 Abs. 1 Z 22 AsylG 2005 ist Familienangehöriger wer Elternteil eines minderjährigen Kindes, Ehegatte oder zum Zeitpunkt der Antragstellung minderjähriges lediges Kind eines Asylwerbers oder eines Fremden ist, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten zuerkannt wurde, sofern die Ehe bei Ehegatten bereits im Herkunftsstaat bestanden hat.

Gemäß § 34 Abs. 2 AsylG 2005 hat die Behörde aufgrund eines Antrages eines Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden ist, dem Familienangehörigen mit Bescheid den Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn dieser nicht straffällig geworden ist (§ 2 Abs. 3); die Fortsetzung eines bestehenden Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK mit dem Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde, in einem anderen Staat nicht möglich ist und gegen den Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist (§ 7).

Gemäß § 34 Abs. 4 AsylG 2005 hat die Behörde Anträge von Familienangehörigen eines Asylwerbers gesondert zu prüfen; die Verfahren sind unter einem zu führen; unter den Voraussetzungen der Abs. 2 und 3 erhalten alle Familienangehörigen den gleichen Schutzumfang.

Dem Ehemann bzw. Vater der Beschwerdeführer wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom heutigen Tag, W116 2190337-1, gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 der Status des Asylberechtigten aufgrund seiner Wehrdienstverweigerung zusammen mit seiner Religions- und Volksgruppenzugehörigkeit und seiner Asylantragstellung im Ausland und einer damit drohenden Verfolgung durch das syrische Regime zuerkannt und gemäß § 3 Abs. 5 AsylG festgestellt, dass ihm kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

Da dem Ehemann bzw. Vater der Beschwerdeführer der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde, ist gemäß § 34 Abs. 2 AsylG 2005 auch den Beschwerdeführern der Status von Asylberechtigten zuzuerkennen, zumal keine Sachverhaltselemente, die unter einen der Tatbestände des § 34 Abs. 2 Z 1 bis 3 AsylG 2005 zu subsumieren wären, erkennbar sind.

Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 ist die Entscheidung, mit der einem Fremden von Amts wegen oder aufgrund eines Antrages auf internationalen Schutz der Status des Asylberechtigten zuerkannt wird, mit der Feststellung zu verbinden, dass diesem Fremden damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

Den Beschwerden ist daher gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG iVm § 3 Abs. 1 iVm § 34 Abs. 2 AsylG 2005 stattzugeben und festzustellen, dass den Erst- bis Viertbeschwerdeführern kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

Der Vollständigkeit halber ist darauf hinzuweisen, dass die gegenständlichen Anträge auf internationalen Schutz am 12.01.2016 bzw. am 19.08.2016 bzw. am 21.09.2017 (Zweit- und Viertbeschwerdeführer) gestellt wurden, wodurch insbesondere die §§ 2 Abs. 1 Z 15 und 3 Abs. 4 AsylG 2005 idF des Bundesgesetzes BGBl. I 24/2016 ("Asyl auf Zeit") gemäß § 75 Abs. 24 leg. cit. im konkreten Fall bereits Anwendung finden.

Gemäß § 3 Abs. 4 AsylG 2005 kommt einem Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wird, eine auf drei Jahre befristete Aufenthaltsberechtigung zu. Diese Aufenthaltsberechtigung verlängert sich kraft Gesetzes nach Ablauf dieser Zeit auf eine unbefristete Gültigkeitsdauer, sofern die Voraussetzungen für eine Einleitung eines Aberkennungsverfahrens nicht vorliegen oder ein Aberkennungsverfahren eingestellt wird. Dementsprechend verfügen die Beschwerdeführer nun über eine auf drei Jahre befristete Aufenthaltsberechtigung.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer solchen Rechtsprechung, des Weiteren ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu den einzelnen Spruchpunkten zu Spruchteil A wiedergegeben. Insoweit die in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu früheren Rechtslagen ergangen ist, ist diese nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.

Schlagworte

Asyl auf Zeit, Asylgewährung, befristete Aufenthaltsberechtigung,
Familienangehöriger, Familienverfahren

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:W116.2190351.1.00

Zuletzt aktualisiert am

25.04.2018
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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