TE Bvwg Erkenntnis 2018/4/17 W154 2014169-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 17.04.2018
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Entscheidungsdatum

17.04.2018

Norm

AsylG 2005 §10
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §52
FPG §55

Spruch

W154 2014169-1/8E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. KRACHER als Einzelrichterin über die Beschwerde der XXXX , geb. XXXX , StA. Volksrepublik China, vertreten durch den MigrantInnenverein St. Marx, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 27.08.2014, Zl. 1026957307/14832626, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 19.12.2017 zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird gemäß §§ 3, 8, 10, 55 und 57 AsylG 2005, § 9 BFA-VG sowie §§ 52 und 55 FPG als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang

Die Beschwerdeführerin, eine Staatsangehörige der Volksrepublik China, stellte am 29.07.2014 einen Antrag auf internationalen Schutz. Dazu gab sie im Rahmen einer Erstbefragung vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes am selben Tag sowie im Rahmen ihrer niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: Bundesamt) am 06.08.2014 im Wesentlichen an, der Volksgruppe der Han anzugehören, ohne Bekenntnis zu sein und aus der Stadt Fushun in der Provinz Liaoning zu stammen. In der Heimat habe sie die Grundschule besucht und gearbeitet, bis sie 1990 ihre Anstellung verloren habe. Sie sei verheiratet und kinderlos. Ihre Eltern wären verstorben, außer ihrem Mann habe sie keine weiteren Verwandten.

Zu ihren Fluchtgründen brachte sie vor, fast täglich von ihrem alkohol- und drogensüchtigen Ehemann geschlagen worden zu sein. Geheiratet habe sie im Jahr 1985, ca. 1990 hätten die Probleme begonnen. Später gab die Beschwerdeführerin vor dem Bundesamt an, es habe sich nur um eine Lebensgemeinschaft gehandelt. Welche Drogen ihr Mann eingenommen habe, wisse sie nicht, es seien Spritzen und Pulver gewesen und sie habe für ihn Geld auftreiben müssen. Auf Nachfrage hin gab sie an, dass ihr Gatte gearbeitet habe. Einmal sei sie im Krankenhaus gewesen, weil er sie auf den Kopf geschlagen hätte. Wann dies gewesen sei, wisse sie nicht mehr. Die Polizei sei einmal gekommen, habe aber nichts gemacht. Auch hier könne sie keinen Zeitpunkt angeben. Im Mai 2014 habe sie ihren Mann verlassen und sich zunächst bei Freunden versteckt. Ihr Gatte hätte ihr sicherlich eine Ohrfeige verpasst, wenn er sie gefunden hätte. Bedroht habe er sie nicht, sei aber immer unzufrieden und wütend gewesen. Bei einer Rückkehr befürchte sie, von ihm getötet zu werden, weil sie nicht gefolgt und kein Geld für seine Sucht gehabt habe.

Da sie mit der Situation nicht mehr umgehen habe können, sei sie im Juli 2014 aus der Heimat ausgereist. Ansonsten gebe es keine Fluchtgründe.

Dass sie nicht innerhalb Chinas verzogen sei, erklärte sie damit, kein Geld gehabt zu haben. Freunde hätten ihr die Schlepperkosten vorgestreckt, weil sie vermutet hätten, das Geld zurückzuerhalten, wenn die Beschwerdeführerin in Europa arbeite.

Mit dem im Spruch angeführten Bescheid des Bundesamtes wurde der Antrag der Beschwerdeführerin auf internationalen Schutz gem. § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen und ihr der Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) sowie gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 leg.cit. der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf ihren Herkunftsstaat Volksrepublik China nicht zuerkannt (Spruchpunkt II.). Gemäß §§ 57 und 55 AsylG 2005 wurde ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt und gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG gegen die Beschwerdeführerin eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen, wobei gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt wurde, dass die Abschiebung der Beschwerdeführerin gemäß § 46 FPG in den Herkunftsstaat zulässig sei (Spruchpunkt III.). Weiters wurde ausgeführt, dass die Frist für die freiwillige Ausreise der Beschwerdeführerin gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage.

Gegen diesen Bescheid wurde fristgerecht Beschwerde erhoben.

Am 19.12.2017 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht eine öffentliche mündliche Verhandlung statt, an der das Bundesamt als weitere Partei des Verfahrens nicht teilnahm und der eine Dolmetscherin für die Sprache Chinesisch beigezogen wurde.

Hierbei erklärte die Beschwerdeführerin, sie befinde sich wegen Herz- und Lungenproblemen in ärztlicher Behandlung, werde leicht schwindelig und falle um. Gegen ihre Herzprobleme nehme sie Medikamente. Wegen eines Knochenbruches sei sie am Bein operiert worden. Dazu erklärte sie, die aktuellsten Befunde zu haben und legte welche aus den Jahren 2014 und 2015 vor (ein gutartiger Mammografie- und Mammasonographiebefund, ein Röntgenbefund beider Kniegelenke und des linken Schultergelenks sowie ein radiologischer Befund der Lendenwirbelsäule). Auf Nachfrage hin gab sie an, sich zurzeit wegen der geschilderten Herz- und Lungenprobleme nicht in Behandlung zu stehen. Jedes Mal, wenn sie zum Arzt gegangen sei, sei alles in Ordnung gewesen.

Geboren sei sie in der Stadt Fushun in der Provinz Liaoning. Wie ihr ihr Vater erzählt habe, sei die Mutter im Jahr 1973 oder 1974 verstorben, als sie selbst ein oder zwei Jahre alt gewesen sei. Anschließend habe die Beschwerdeführerin mit ihrem Vater zusammengelebt, Geschwister gebe es keine, 2004 oder 2005 sei auch ihr Vater verstorben. Im Alter von 15 oder 16 Jahren habe sie ihren Mann kennengelernt, in welchem Jahr dies gewesen sei, könne sie jedoch nicht sagen. Nachgefragt, wo und wie sie ihn kennengelernt habe und aufgefordert, dies näher zu beschreiben, gab sie an, sie seien Nachbarn gewesen. Ihr Gatte sei im Jahr 1963 geboren und elf Jahre älter als die Beschwerdeführerin. Geheiratet hätten sie im Jahr 1990, sie selbst sei damals 16 oder 17, ihr Mann ca. 30 Jahre alt gewesen. Die Beschwerdeführerin sei in einer Fabrik für Verpackung von Produkten aus Aluminium und später als Verkäuferin tätig gewesen. Ihr Mann habe nie gearbeitet.

Zu ihrem Fluchtgrund erklärte sie, ihr Gatte sei ihr immer in die Arbeit gefolgt und habe sie dort geschlagen. Sie sei oft geprügelt worden. Die Probleme hätten zwei oder drei Jahre nach der Heirat begonnen. Das letzte Mal habe sie die Polizei gerufen, die daraufhin gekommen sei. Ihr Ehemann habe sich bei ihr entschuldigt und die Polizei sei wieder begannen. Daraufhin habe er wieder begonnen, sie zu schlagen. An den Zeitpunkt könne sie sich jedoch nicht erinnern. Nachgefragt, ob sie öfter die Polizei gerufen habe, erklärte die Beschwerdeführerin, keine Chance gehabt zu haben, weil sie ihr Mann nicht gelassen habe. Auf Vorhalt, dass es ihr einmal gelungen sei, gab sie an, dass der Nachbar dabei gewesen sei, der ihn gefasst habe, woraufhin sie die Polizei angerufen habe. Im Jahr 2012 habe die Beschwerdeführerin ihren Mann bereits verlassen, aber er habe sie wieder gefunden. 2013 habe sie sich endgültig von ihm getrennt und sei 2014 nach Österreich gekommen. Dazwischen habe sie ein Jahr ohne ihren Mann in China gelebt, gejobbt und manchmal bei Nachbarn und manchmal bei Schulfreunden gewohnt. Sie hätte sich versteckt, aus Angst, er könne sie wiederfinden. Anfangs habe sie noch nicht an eine Ausreise gedacht und kein Geld dafür gehabt. Eine Scheidung sei nicht möglich gewesen, weil ihr Mann das nicht gewollt hätte.

Welche Drogen ihr Gatte genommen habe, wisse sie nicht. Er habe mit der Nase ein Pulver genommen und sich am rechten Oberarm und am Gesäß etwas gespritzt. Er habe es heimlich gemacht und sie habe es gesehen. Geschlagen habe er sie dann, wenn sie ihn beim Drogenkonsum erwischt habe.

Nachgefragt, was der konkrete Anlass für ihre Ausreise aus China gewesen sei, antwortete die Beschwerdeführerin zunächst, sie hätte sich vor ihrem Gatten verstecken wollen. In dieser Zeit habe er sie auch wieder gefunden und sie sei wieder weggegangen. Nochmals nachgefragt, erklärte sie, keine Verwandten in China zu haben. Es gebe keinen konkreten Anlass, er habe sie immer wieder gesucht. Nachgefragt warum sie nicht innerhalb von China umgezogen sei, gab die Beschwerdeführerin an, er würde sie immer wieder finden. Österreich stehe für den Schutz von Frauen und Kindern. Ausschlaggebend für die Ausreise aus China sei gewesen, dass sie von Leuten in ihrer Heimatstadt gehört habe, es sei in Österreich so gut.

Die Ausreise von ihr und einer zweiten Dame habe ein Mann organisiert, der ihr von jemand anderem vorgestellt worden sei. Bezahlt hätten die Reise die "anderen", gemeint seien damit die Nachbarn.

Gegenwärtig befinde sich ihr Mann in ihrer Heimatstadt, sie habe keinen Kontakt zu ihm und auch sonst keine Verwandten in China.

Die Beschwerdeführerin spreche sehr wenig Deutsch und habe keinen Deutschkurs absolviert. In Österreich sei sie im Rotlichtmilieu tätig und wohne bei einem Freund. Wenn sie arbeiten gehe, wohne sie an ihrem Arbeitsplatz. Sie habe keine Wohnung mit Mietvertrag, keine Partnerschaft oder Lebensgemeinschaft und keine Verwandten und auch keine Freunde in Österreich. Sie kenne nur die Kunden aus ihrer Arbeit, habe aber keinen privaten Kontakt zu ihnen. Außer der von ihr genannten Arbeit verrichte sie keine Tätigkeiten in Österreich. Sie sei auch fast ein Jahr lang ihrer Arbeit nicht nachgegangen, lebe aber heute noch von ihrem Verdienst. Dass sie im Rotlichtmilieu arbeiten werde, habe sie erst hier erfahren. Nachgefragt von wem, antwortete sie, sie habe es gehört. Bei ihrer Ankunft in Österreich habe sie an Arbeit gedacht, egal welche. Von Österreich erwarte sie sich eine sichere Lebensqualität. Wenn sie zurückkehren müsse, könne sie dort nicht leben, weil sie krank sei, konkret habe sie bereits seit ihrer Zeit in China Rheuma.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die Beschwerdeführerin ist Staatsangehörige der Volksrepublik China, stammt aus der Stadt Fushun in der Provinz Liaoning, ist ohne Bekenntnis und gehört der Volksgruppe der Han an.

Sie reiste illegal in Österreich ein und stellte am 29.07.2014 einen Antrag auf internationalen Schutz.

Es kann nicht festgestellt werden, dass die Beschwerdeführerin bei einer Rückkehr in die Volksrepublik China von Verfolgung bedroht ist.

Die Beschwerdeführerin ist arbeitsfähig und leidet weder an einer schweren bzw. lebensbedrohenden Erkrankung noch besteht längerfristiger Pflege- oder Rehabilitationsbedarf. Sie lebte bis zu ihrer Ausreise im Jahr 2014 in der Heimat, verfügt über eine heimatliche Pflichtschulbildung und finanzierte dort ihren Lebensunterhalt selbst.

In Österreich hat die Beschwerdeführerin keine Partnerschaft oder Lebensgemeinschaft, keine Verwandten und auch keine sozialen Bindungen zu Österreichern. Sie besuchte keine Deutsch- oder sonstigen Kurse und war nicht in Vereinen oder ehrenamtlich tätig. Sie war - nach eigener Aussage bis vor einem Jahr - im Rotlichtmilieu tätig und lebt von ihrem Einkommen daraus.

Zur Situation im Herkunftsstaat der Beschwerdeführerin:

Sicherheitslage

Proteste auf lokaler Ebene haben in ganz China stark zugenommen. Sie richten sich vor allem gegen steigende Arbeitslosigkeit und Vorenthaltung von Löhnen, hauptsächlich von Wanderarbeitern. Bei den bäuerlichen Protesten auf dem Land geht es meistens um die (entschädigungslose oder unzureichend entschädigte) Enteignung von Ländereien oder die chemische Verseuchung der Felder durch Industriebetriebe oder Umweltkatastrophen. Die Anzahl sog. "Massenzwischenfälle" soll 2012 bei ca. 200.000 gelegen haben und schnell zunehmen. Massenzwischenfälle sind nach chinesischer Definition nicht genehmigte Demonstrationen und Proteste, an denen sich mehr als 100 Personen beteiligen. Wie verlässlich die genannten Zahlen sind, bleibt offen. Die lokalen Behörden verfolgen in Reaktion zumeist eine Mischstrategie aus engmaschiger Kontrolle, die ein Übergreifen nach außen verhindern soll, gepaart mit einem zumindest partiellen Eingehen auf die Anliegen (AA 15.10.2014). Einer internationalen NGO zufolge wird die Zahl der Proteste auf 30.000 -50.000 pro Jahr geschätzt. Andere Quellen sprechen von einigen 10.000 bis 100.000 jedes Jahr. Wie schon in den vergangenen Jahren fand sich die Ursache der Mehrzahl der Demonstrationen Grundstücksstreitereien, Wohnungsprobleme, Industrie- Umwelt und Arbeitsangelegenheiten, staatliche Korruption, Steuern sowie sonstige wirtschaftliche und soziale Anliegen (USDOS 25.6.2015).

Nach den Massenkundgebungen der Demokratiebewegung in Hongkong ist noch keine Einigung mit den Behörden in Sicht (DW 7.10.2014, vgl. HRW 29.1.2015). Auf dem Höhepunkt der Proteste hatten bis zu 100.000 Menschen in der früheren britischen Kronkolonie für mehr Demokratie demonstriert. Sie verlangen den Rücktritt von Verwaltungschef Leung Chun Ying. Zudem protestieren sie dagegen, dass die Regierung in Peking bei der 2017 anstehenden Wahl eines Nachfolgers nur vorab bestimmte Kandidaten zulassen will (TR 20.10.2014).

Die Proteste waren weitgehend friedlich, im Oktober kam es aber auch zu einigen gewalttätigen Auseinandersetzungen, als Einzelpersonen versuchten, die von den Demonstranten auf mehreren Hauptstraßen errichtet Barrikaden zu beseitigen. Einige Demonstranten behaupteten, dass diese Personen kriminellen Banden angehörigen würden oder auf Geheiß der Zentralregierung tätig wurden und dass die Polizei nicht angemessen darauf reagiert habe. Von der Polizei wurden die Vorfälle untersucht und 19 Personen verhaftet, die mutmaßlich Angriffe auf die Demonstranten verübt haben. Im November konnte die Polizei einen Versuch der Demonstranten, das Regierungsgebäude in Hongkong zu stürmen abwehren (USDOS 15.6.2015).

In Hongkong hat das Parlament nun mit Beratungen über eine umstrittene Wahlreform begonnen. Die Demokratiebewegung sieht eine wesentliche Forderung nicht erfüllt, denn Peking will weiterhin massiv mitbestimmen. Den künftigen Regierungschef soll Hongkong frei wählen dürfen - ausgesucht werden sollen die Kandidaten aber von Peking selbst. Seit 17.6.2015 berät das aus 70 Abgeordneten bestehende Parlament der chinesischen Sonderverwaltungszone über den Wahlmodus des künftigen Regierungs- und Verwaltungschefs. Viele Demokratie-Aktivisten lehnen die Änderungen im Wahlmodus ab. Im Parlament platzierten oppositionelle Abgeordnete Schilder mit Kreuzen als Zeichen ihres Protests gegen die Reformpläne. Vor dem Parlament versammelten sich hunderte Anhänger beider Lager (DW 17.6.2015).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (15.10.2014): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Volksrepublik China

-

DW - Deutsche Welle (7.10.2014): Beharren auf Demokratie in Hongkong,

http://www.dw.de/beharren-auf-demokratie-in-hongkong/a-17980006, Zugriff 20.8.2015

-

DW - Deutsche Welle (17.6.2015): Proteste gegen umstrittene Wahlreform in Hongkong,

http://www.dw.com/de/proteste-gegen-umstrittene-wahlreform-in-hongkong/a-18519571, Zugriff 20.8.2015

-

FH - Freedom House (28.1.2015a): Freedom in the World 2015 - China, http://www.ecoi.net/local_link/295269/430276_de.html, Zugriff 20.8.2015

-

HRW - Human Rights Watch (29.1.2015): World Report 2015 - China, http://www.ecoi.net/local_link/295449/430481_de.html, Zugriff 20.8.2015

-

TR - Thomson Reuters (20.10.2014): Keine größeren Zusammenstöße bei Protesten in Hongkong,

http://de.reuters.com/article/worldNews/idDEKCN0I90NZ20141020, Zugriff 20.8.2015

-

USDOS - US Department of State (25.6.2015): Country Reports on Human Rights Practices 2014 - China (includes Tibet, Hong Kong, and Macau), http://www.ecoi.net/local_link/306284/443559_de.html, Zugriff 20.8.2015

Rechtsschutz/Justizwesen

Eine unabhängige Strafjustiz existiert in China nicht. Strafrichter und Staatsanwälte unterliegen der politischen Kontrolle von staatlichen Stellen und Parteigremien (AA 15.10.2014). Die Kontrolle der Gerichte durch politische Institutionen ist ein verfassungsrechtlich verankertes Prinzip (ÖB 11.2014, vgl. FH 28.1.2015a). Parteipolitisch-rechtliche Ausschüsse überwachen die Tätigkeit der Gerichte auf allen Ebenen und erlauben Parteifunktionären, Urteile und Verurteilungen zu beeinflussen. Die Aufsicht der KPCh zeigt sich besonders in politisch heiklen Fällen (FH 28.1.2015). Die Gerichte sind auf jeder Ebene administrativ und institutionell den jeweiligen Einheiten des Nationalen Volkskongresses verantwortlich, von denen sie laut Verfassung auch errichtet werden. Jedes Gericht verfügt über ein Rechtskomitee, bestehend aus dem Gerichtspräsidenten, dem Vizepräsidenten und dem Leiter jeder Abteilung des Gerichts. Aufgabe ist es, bei "wichtigen und komplizierten Fällen" Anleitung zu geben. Das Problem ist, dass ein Richter, der einen solchen "komplizierten" Fall betreut, vor dem Urteilsspruch an das Rechtskomitee berichten muss. Es kommt daher zu der Situation, dass Personen, die den Prozess nicht gehört haben, Einfluss auf das Urteil nehmen (ÖB 11.2014). Das 3. Plenum des Zentralkomitees hat im November 2013 Beschlüsse zu einer Justizreform verabschiedet. Neben der Abschaffung des Systems der "Umerziehung durch Arbeit" sind Kernthemen Fragen der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung, nicht zuletzt im Interesse der Korruptions- und Missbrauchsbekämpfung, der Unabhängigkeit der Strafverfolgungsbehörden und Gerichte und Professionalisierung der Justizarbeit. Die Zahl der Straftaten, die die Todesstrafe nach sich ziehen, sollte reduziert werden. Die durchaus ermutigenden Ansätze einer Verrechtlichung werden allerdings durch den fortbestehenden umfassenden Führungsanspruch der Partei relativiert (AA 15.10.2014). Trotz laufender Reformbemühungen gibt es, vor allem auf unterer Gerichtsebene, noch immer einen Mangel an gut ausgebildeten Richtern, was die unterschiedliche Rechtsqualität zwischen den Gerichten in den großen Städten und den kleineren Städten erklärt (ÖB 11.2014). Ein umfassender Regelungsrahmen unterhalb der gesetzlichen Ebene soll "Fehlverhalten" von Justizbeamten und Staatsanwälten in juristischen Prozessen unterbinden. Das Oberste Volksgericht (OVG) unter seinem als besonders "linientreu" geltenden Präsidenten und die Oberste Staatsanwaltschaft haben in ihren Berichten an den Nationalen Volkskongress im März 2014 in erster Linie gefordert, "Falschurteile" der Gerichte zu verhindern, die Richterschaft an das Verfassungsverbot von Folter und anderen Zwangsmaßnahmen bei Vernehmungen zu erinnern und darauf hinzuweisen, dass Verurteilungen sich nicht allein auf Geständnisse stützen dürfen. Die Regierung widmet sowohl der juristischen Ausbildung als auch der institutionellen Stärkung von Gerichten und Staatsanwaltschaften seit mehreren Jahren große Aufmerksamkeit (AA 15.10.2014).

Am 1.1.2013 trat eine Novelle des chinesischen Strafprozessgesetzes in Kraft. Es handelt sich dabei um die umfassendste Reform des Strafrechts seit 16 Jahren. Neu aufgenommen wurde "die Hochachtung und der Schutz der Menschenrechte". So sind z.B. gemäß Art. 50 Folter und Bedrohung bzw. Anwendung anderer illegaler Methoden zur Beweisermittlung verboten. Gemäß Art. 83 sollen die Familien der Internierten innerhalb von 24 Stunden ab Strafarrest informiert werden, es sei denn es ist nicht möglich. Gemäß Art. 188 tragen Ehepartner, Eltern und Kinder keine Beweispflicht mehr. Die Rechte der Verteidigung wurden in einigen Bereichen gestärkt; so sind Geständnisse, die durch illegale Methoden wie Folter erzwungen werden, ungültig. Beweismittel und Zeugenaussagen, die auf unrechtmäßigem Wege gewonnen wurden, sind vor Gericht unzulässig; Polizeibehörden können Verdächtige nicht mehr zwingen sich selbst zu bezichtigen; dies könnte zu einem Rückgang an Foltervorfällen durch Polizeiorgane führen. Der Schutz jugendlicher Straftäter wird erhöht (ÖB 11.2014, vgl. FH 23.1.2014a, AI 23.5.2013, AA 15.10.2014). Auch der Zeugenschutz wird gestärkt. Chinesische Experten gehen davon aus, dass die Durchsetzung dieser Regeln viele Jahre erfordern wird (AA 15.10.2014).

2014 wurden schrittweise weitere Reformen eingeleitet, darunter die Anordnung an Richter, Entscheidungen über ein öffentliches Onlineportal zugänglich zu machen sowie ein Pilotprojekt in sechs Provinzen um die Aufsicht über Bestellungen und Gehälter auf eine höhere bürokratische Ebene zu verlagern. Beim vierten Parteiplenum im Oktober 2014 standen Rechtsreformen im Mittelpunkt. Die Betonung der Vorherrschaft der Partei über das Rechtssystem und die Ablehnung von Aktionen, die die Unabhängigkeit der Justiz erhöhen würden, wurde jedoch beibehalten. Dies führte zu Skepsis hinsichtlich der tatsächlichen Bedeutung der Reform (FH 28.1.2015a).

Das neue Gesetz sieht allerdings vor, dass "Staatsicherheit gefährdende" Verdächtige an einem "designierten Ort" bis zu 6 Monate unter "Hausarrest" gestellt werden können. Die Familie muss zwar formell innerhalb von 24 Stunden über die Festnahme informiert werden, nicht jedoch über den Grund der Festnahme oder über den Aufenthaltsort. Dieser Aufenthaltsort könnte auch außerhalb offizieller Einrichtungen sein. Rechtsexperten sehen darin eine signifikante Ausweitung der Polizeimacht, denn es ist zu befürchten, dass es an diesen geheimen Orten weiterhin zu Folterhandlungen kommen könnte (ÖB 11.2014, vgl. FH 23.1.2014a, AI 23.5.2013). Das chinesische Strafgesetz hat die früher festgeschriebenen "konterrevolutionären Straftaten" abgeschafft und im Wesentlichen durch Tatbestände der "Straftaten, die die Sicherheit des Staates gefährden" (Art. 102-114 chin. StG) ersetzt. Danach können vor allem Personen bestraft werden, die einen politischen Umsturz/Separatismus anstreben oder das Ansehen der VR China beeinträchtigen. Gerade dieser Teil des Strafgesetzes fällt durch eine Vielzahl unbestimmter Rechtsbegriffe auf (AA 15.10.2014). Der Vorwurf der "Gefährdung der Staatssicherheit" oder des "Terrorismus" sind vage Begriffe, die oft als Vorwand von Maßnahmen gegen Dissidenten verwendet werden; jährlich werden ca. 1.000 Personen wegen des Verdachts auf "Gefährdung der Staatssicherheit" festgehalten (ÖB 11.2014, vgl. FH 23.1.2014a, AI 23.5.2013). Häufig wurden Anklagen wegen "Gefährdung der Staatssicherheit", "Anstiftung zur Untergrabung der Staatsgewalt" oder "Preisgabe von Staatsgeheimnissen" erhoben und langjährige Gefängnisstrafen gegen Personen verhängt, weil sie Internetblogs veröffentlicht oder als sensibel eingestufte Informationen ins Ausland weitergeleitet hatten. Der Staat benutzt somit das Strafrechtssystem dazu, seine Kritiker zu bestrafen (AI 23.5.2013). Prozesse, bei denen die Anklage auf Terrorismus oder "Verrat von "Staatsgeheimnissen" lautet, werden unter Ausschluss der Öffentlichkeit geführt. Was ein Staatsgeheimnis ist, kann nach chinesischer Gesetzeslage auch rückwirkend festgelegt werden. Angeklagte werden in diesen Prozessen weiterhin in erheblichem Umfang bei der Wahrnehmung ihrer Rechte beschränkt. U.a. wird dem Beschuldigten meist nicht erlaubt, einen Verteidiger seiner Wahl zu beauftragen; nur in seltenen Ausnahmefällen wird ihm vom Gericht überhaupt ein Verteidiger bestellt (AA 15.10.2014).

Rechtsanwälte, die in kontroversen Fällen tätig wurden, mussten mit Drangsalierungen und Drohungen seitens der Behörden rechnen, und in einigen Fällen wurde ihnen die weitere berufliche Tätigkeit verboten. Dies hatte zur Konsequenz, dass der Zugang der Bürger zu einem gerechten Gerichtsverfahren sehr stark eingeschränkt war. Verstöße gegen das Recht von Angeklagten auf ein faires Gerichtsverfahren und gegen andere ihrer Rechte waren gängige Praxis, darunter der verwehrte Zugang zu Anwälten und Familienangehörigen, Inhaftierungen über die rechtlich zulässige Zeitdauer hinaus, sowie Folter und Misshandlung in Gewahrsam (AI 23.5.2013; vgl. FH 23.1.2014a).

Die wachsende Anzahl von Bürgerrechtsanwälten war auch 2014 weiterhin mit Beschränkungen und körperlichen Angriffen konfrontiert. Anwälte wurden daran gehindert, ihre Klienten zu sehen, geschlagen und in einigen Fällen sogar festgehalten und gefoltert (FH 28.1.2015a).

Willkürliche Verhaftungen oder Hausarrest ("soft detention") ohne gerichtliche Verfahren kommen häufig vor. Personen werden oft über lange Zeit hinweg in ihrer eigenen Wohnung oder an anderen Orten ohne Zugang zur Außenwelt festgesetzt (AA 15.10.2014).

Der Nationale Volkskongress schaffte Chinas berüchtigtes System der "Umerziehung durch Arbeit" im Dezember 2013 offiziell ab. In der Folge griffen die Behörden ausgiebig auf andere Formen der willkürlichen Inhaftierung zurück, wie z.B. Schulungseinrichtungen für Rechtserziehung, verschiedene Arten der Administrativhaft, geheime "black jails" und rechtswidrigen Hausarrest. Darüber hinaus benutzte die Polizei häufig vage Anklagen wie "Streitsucht und Unruhestiftung" oder "Störung der Ordnung in der Öffentlichkeit", um politisch engagierte Bürger für Zeiträume von bis zu 37 Tagen willkürlich in Haft zu nehmen. KPCh-Mitglieder, die unter Korruptionsverdacht standen, wurden im Rahmen des geheimen Disziplinarsystems shuanggui ("doppelte Festlegung") ohne Zugang zu einem Rechtsbeistand und ihren Familien in Gewahrsam gehalten (AI 25.2.2015, vgl. ÖB 11.2014).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (15.10.2014): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Volksrepublik China

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AI - Amnesty International (23.5.2013): Annual Report 2013 - China, http://www.refworld.org/docid/519f51a96b.html, Zugriff 20.8.2015

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AI - Amnesty International (25.2.2015): Amnesty International Report 2014/15 - The State of the World's Human Rights - China, http://www.ecoi.net/local_link/297304/434266_de.html, Zugriff 20.8.2015

-

FH - Freedom House (23.1.2014a): Freedom in the World 2014 - China, http://www.ecoi.net/local_link/268012/395593_de.html, Zugriff 20.8.2015

-

FH - Freedom House (28.1.2015a): Freedom in the World 2015 - China, http://www.ecoi.net/local_link/295269/430276_de.html, Zugriff 20.8.2015

-

HRW - Human Rights Watch (21.1.2014): World Report 2014 - China, http://www.ecoi.net/local_link/267710/395073_de.html, Zugriff am 20.8.2015

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ÖB Peking (11.2014): Asylländerbericht Volksrepublik China

Sicherheitsbehörden

Zivile Behörden behielten die Kontrolle über Militär- und Sicherheitskräfte bei (USDOS 25.6.2015). Die KPCh kontrolliert und leitet die Sicherheitskräfte auf allen Ebenen. 2013 dehnte die Partei ihren Apparat zur "Stabilitätserhaltung", mit dem Recht und Ordnung erhalten werden soll, allerdings auch friedlicher Protest unterdrückt und die Bevölkerung überwacht wird, weiterhin aus (FH 23.1.2014a). Die Zentrale Militärkommission (ZMK) der Partei leitet die Streitkräfte des Landes. Nach dem Gesetz zur Landesverteidigung von 1997 sind die Streitkräfte nicht dem Staatsrat, sondern der Partei unterstellt (AA 4.2015a).

Für die innere Sicherheit sind zuständig:

(1) Polizei und Staatsanwaltschaften, die Rechtsverstöße des Normalbürgers verfolgen;

(2) Disziplinar-Kontrollkommission der KPCh, die gegen Verstöße von KP-Mitgliedern einschreitet;

(3) Einheiten des Ministeriums für Verwaltungskontrolle, die fu¿r Pflichtverletzungen im Amt zuständig sind (AA 15.10.2014).

Für den Bereich der Gefahrenabwehr ist primär das dem Staatsrat unterstehende Ministerium für Öffentliche Sicherheit (MfÖS) mit seinen Polizeikräften verantwortlich, das daneben auch noch für Strafverfolgung zuständig ist und in Teilbereichen mit nachrichtendienstlichen Mitteln arbeitet. Aufgaben der Polizei sind sowohl die Gefahrenabwehr als auch die Strafverfolgung, bei der ihr u. a. die Anordnung von Administrativhaft als Zwangsmaßnahme zur Verfügung steht. Im Bereich der Strafverfolgung ist sie für die Durchführung von strafrechtlichen Ermittlungsverfahren originär zuständig. Bei Delikten, die von Polizisten aufgrund ihrer Amtsstellung begangen werden können, ermittelt die Staatsanwaltschaft selbst, während sie sonst primär die Tätigkeit der polizeilichen Ermittlungsorgane beaufsichtigt und auf Grundlage deren Empfehlung über die Erhebung der Anklage entscheidet (AA 15.10.2014).

Das Ministerium für Staatssicherheit (MSS) ist u.a. zuständig für die Auslandsaufklärung sowie für die Überwachung von Auslandschinesen und von Organisationen oder Gruppierungen, welche die Sicherheit der VR China beeinträchtigen könnten. Es überwacht die Opposition im eigenen Land, betreibt aber auch Spionageabwehr und beobachtet hierbei vielfach auch die Kontakte zwischen ausländischen Journalisten und chinesischen Bürgern. Darüber hinaus verfügen auch die Streitkräfte über einen eigenen, sorgfältig durchstrukturierten Nachrichtendienst, die 2. Hauptverwaltung im Generalstab, die sich in Konkurrenz zum MSS und MfÖS sieht. Die elektronische Aufklärung wird vornehmlich durch die 3. Hauptverwaltung im Generalstab wahrgenommen. Zudem sind viele Arbeitseinheiten parallel mit der Beschaffung von Informationen bzw. mit Überwachungsaufgaben von in- und ausländischen Bürgern befasst. Vor allem das Internationale Verbindungsbüro unter der politischen

1. Hauptverwaltung des Generalstabs ist zuständig für Informationen aus dem Ausland, für die Entsendung von Agenten in Auslandseinsätze, meist unter diplomatischer "Tarnung", und für die Überwachung des eigenen diplomatischen Personals. Zahlreiche "Think tanks" sind für die Beschaffung von Auslandsinformationen zuständig (AA 15.10.2014).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (15.10.2014): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Volksrepublik China

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AA - Auswärtiges Amt (4.2015a): China - Innenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/China/Innenpolitik_node.html#doc334570bodyText5, Zugriff 20.8.2015

-

FH - Freedom House (23.1.2014a): Freedom in the World 2014 - China, http://www.ecoi.net/local_link/268012/395593_de.html, Zugriff 20.8.2015

-

USDOS - US Department of State (25.6.2015): Country Reports on Human Rights Practices 2014 - China, http://www.ecoi.net/local_link/306284/443559_de.html, Zugriff 20.8.2015

Folter und unmenschliche Behandlung

China ratifizierte 1988 die VN-Konvention gegen Folter. Nach Art. 247 und 248 StGB wird Folter zur Erzwingung eines Geständnisses oder zu anderen Zwecken in schweren Fällen mit einer Strafe von bis zu drei Jahren Freiheitsstrafe, in besonders schweren Fällen mit bis zu lebenslänglicher Freiheitsstrafe oder Todesstrafe geahndet (AA 15.10.2014).

In den letzten Jahren wurden einige Verordnungen erlassen, die formell einen besseren Schutz vor Folter für Tatverdächtige im Ermittlungsverfahren bieten sollen. Die letzte Strafprozessnovelle (in Kraft mit 1.1.2013) sah einige Verbesserungen vor. Ein großes Problem bleibt jedoch die mangelnde Umsetzung dieser Rechtsinstrumente, die Sicherheitsbehörden genießen weiterhin auch aufgrund des Mangels an Kontrolle und Transparenz einen großen Handlungsspielraum. Im Jänner 2014 wurden die Umerziehungslager durch Arbeit (Reeducation through Labour) offiziell abgeschafft. Unklar ist jedoch, inwieweit die Lager durch Lager für Drogensüchtige oder die sogenannten "Community correction" Zentren ersetzt wurden. Die ohne gesetzliche Basis operierenden "Custody and Education" Zentren für Prostituierte bestehen jedenfalls weiter. Illegale Haftanstalten ("black jails") sind darüber hinaus weiterhin landesweit in Verwendung, besonders für die Festhaltung von unliebsamen Petitionären (ÖB 11.2014).

Das revidierte Strafverfahrensrecht schließt die Verwendung unter Folter oder anderweitig mit illegalen Mitteln zustande gekommener Geständnisse und Zeugenaussagen (neuer Art. 53) und illegal erlangter Beweismittel (Art. 54) im Strafprozess ausdrücklich aus. Folter soll in der Untersuchungshaft häufiger vorkommen als in regulären Gefängnissen (AA 15.10.2014). Die Anwendung von Folter zur Erzwingung von Geständnissen ist nach wie vor weit verbreitet (AI 25.2.2015, vgl. FH 28.1.2015a). Straffreiheit ist die Normalität, auch für verdächtige Todesfälle in Gefängnissen (FH 28.1.2015a). Soweit die chinesische Regierung und die staatlich gelenkte Presse Folterfälle einräumen, stellen sie diese als vereinzelte Übergriffe "unterer Amtsträger" dar, gegen die man energisch vorgehe (AA 15.10.2014).

In einem seltenen Fall bestätigte ein Berufungsgericht in Harbin, Provinz Heilongjiang, im August 2014 die Schuldsprüche gegen vier Personen wegen Folter. Sie waren zusammen mit drei anderen Personen von einem Gericht der ersten Instanz für schuldig befunden worden, im März 2013 mehrere Straftatverdächtige gefoltert zu haben. Die Täter erhielten Haftstrafen von einem bis zu zweieinhalb Jahren. Nur drei der sieben Personen waren Polizeibeamte; bei den übrigen handelte es sich um "Sonderinformanten" - gewöhnliche Bürger, die der Polizei bei der Aufklärung von Straftaten "behilflich" sein sollen. Eines der Opfer, das mit Elektroschocks traktiert und mit einem Schuh geschlagen wurde, starb in der Haft an den Folgen der Folter (AI 25.2.2015).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (15.10.2014): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Volksrepublik China

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AI - Amnesty International (25.2.2015): Amnesty International Report 2014/15 - The State of the World's Human Rights - China, http://www.ecoi.net/local_link/297304/434266_de.html, Zugriff 20.8.2015

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FH - Freedom House (28.1.2015a): Freedom in the World 2015 - China, http://www.ecoi.net/local_link/295269/430276_de.html, Zugriff 20.8.2015

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ÖB Peking (11.2014): Asylländerbericht Volksrepublik China

Korruption

Bei der Polizei auf lokaler Ebene ist Korruption weit verbreitet, auch die Justiz wird durch Korruption beeinflusst. Es gibt Strafen für Korruption, doch dieses Gesetz wird nicht konsequent und transparent umgesetzt (USDOS 25.6.2015, vgl. FH 28.1.2015a)

Das Vierte Plenum des 18. Zentralkomitees der KPCh, welches von 20.

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23-10.2014 unter dem Motto "yi fa zhi guo", wörtlich "den Gesetzen entsprechend das Land regieren" tagte, bekräftigte den harten - und weitgehend außerhalb rechtsstaatlicher Verfahren abgewickelten - Anti-Korruptionskampf (ÖB 11.2014).

2014 erreichte eine aggressive Korruptionsbekämpfungskampagne die höchsten Ränge der Partei. Korruption bleibt weit verbreitet, in vielen Fällen auch in stark von der Regierung regulierten Bereichen wie Landnutzungsrechte, Immobilien, Bergbau und Entwicklung der Infrastruktur - die anfällig für Betrug, Bestechung und Schmiergeld sind. Trotz der Bemühungen der Regierung die Korruption zu bekämpfen bleibt diese bestehen. Die Strafverfolgung ist sehr selektiv und undurchsichtig, sodass persönliche Netzwerke und interne Machtkämpfe innerhalb der KPCh die Zielpersonen und Ausgänge beeinflussen. Ein Durchgreifen auf unabhängige Korruptionsbekämpfungsaktivisten und Repressalien gegen ausländische Medien bei Untersuchungen des Einflusses von Bestechung von hochrangigen Beamtenfamilien haben die Effektivität und Legitimität der Kampagne weiter untergraben (FH 28.1.2015a). Im Jahr 2013 langten bei der Zentralen Kommission für Disziplinaruntersuchungen 1,95 Millionen Korruptionsvorwürfe ein,

172.532 Fälle wurden untersucht und 182.038 Disziplinarverfahren verhängt (USDOS 25.6.2015).

Quellen:

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FH - Freedom House (28.1.2015a): Freedom in the World 2015 - China, http://www.ecoi.net/local_link/295269/430276_de.html, Zugriff 20.8.2015

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USDOS - US Department of State (25.6.2015): Country Reports on Human Rights Practices 2014 - China, http://www.ecoi.net/local_link/306284/443559_de.html, Zugriff 20.8.2015

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ÖB Peking (11.2014): Asylländerbericht Volksrepublik China

Allgemeine Menschenrechtslage

Die Menschenrechtslage in China bietet weiterhin ein zwiespältiges und trotz aller Fortschritte im Ergebnis negatives Bild. 2004 wurde der Begriff "Menschenrechte" in die Verfassung aufgenommen, die individuellen Freiräume der Bürger in Wirtschaft und Gesellschaft wurden in den letzten Jahren erheblich erweitert. Andererseits bleiben die Wahrung der inneren Stabilität und der Machterhalt der KPCh oberste Prämisse und rote Linie. Vor diesem Hintergrund geht die chinesische Führung kompromisslos gegen jene vor, die als Bedrohung dieser Prioritäten angesehen werden, wie z. B. regierungskritische Schriftsteller, Blogger, Bürgerrechtsaktivisten, Menschenrechtsanwälte, Petitionäre oder Mitglieder nicht anerkannter Religionsgemeinschaften (Falun Gong, Hauskirchen etc). Nach dem Führungswechsel im März 2013 hat sich das Klima für Menschenrechtsverteidiger und regierungskritische Personen, die politische Reformen fordern, deutlich verschärft. Kritische Intellektuelle, Journalisten und Blogger, die sich zu Themen äußern, die die chinesische Führung als sensibel ansieht, werden unter Druck gesetzt, bedroht und inhaftiert. Zahlreiche Dissidenten und Aktivisten befinden sich wegen kritischer Äußerungen in Haft (AA 15.10.2014).

Politische Opposition ist in der VR China strafbar (Straftatbestand der "Staatsgefährdung"), unabhängige Gewerkschaftsgründung verboten, Presse- und Meinungsfreiheit nach wie vor stark eingeschränkt. Weiterhin befinden sich unzählige DissidentInnen in Arbeitslagern oder psychiatrischen Kliniken. Internetzensur ist nicht nur bei Diskussionen über Demokratie oder Freiheit an der Tagesordnung (ÖB 11.2014).

Nicht zuletzt dank der modernen Kommunikationsmittel entsteht eine über ihre Rechte zunehmend besser informierte Öffentlichkeit, die bereit ist, diese Rechte zu verteidigen, und willkürliches Handeln der staatlichen Organe nicht länger unwidersprochen hinnehmen will. Massenproteste mit sozialpolitischem Hintergrund - insbesondere gegen illegale Landnahme, unzureichende oder vorenthaltene Kompensationen bei Umsiedlungen, gewaltsamen Abriss von Häusern, Umweltkonflikte und Korruption - nehmen zu (AA 15.10.2014). Die chinesische Gesellschaft hat durch die soziale Dynamik, die durch die wirtschaftlichen Reformen ausgelöst wurde, in den letzten drei Jahrzehnten insgesamt an Offenheit gewonnen. Die Lebensbedingungen haben sich für die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung deutlich verbessert und erlauben im wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Bereich ein höheres Maß an persönlicher Freiheit. Die Führung unternimmt Anstrengungen, das Rechtssystem auszubauen. Dem steht jedoch weiterhin der Anspruch der Kommunistischen Partei auf ungeteilte Macht gegenüber. Gewaltenteilung und Mehrparteiendemokratie werden ausdrücklich abgelehnt. Von der Verwirklichung rechtsstaatlicher Normen und einem Verfassungsstaat ist China noch weit entfernt. Im Alltag sind viele Chinesen weiterhin mit Willkür und Rechtlosigkeit konfrontiert, neben sozialer Not eine der Hauptquellen von Unzufriedenheit in der chinesischen Gesellschaft (AA 4.2015a). Die Volksrepublik China erkennt de jure die grundlegenden Prinzipien der Charta der Vereinten Nationen und der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte an. Sie gehört einer Reihe von VN-Übereinkünften zum Schutz der Menschenrechte an und hat den Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte zwar 1998 gezeichnet, allerdings bis heute nicht ratifiziert. Am 27.3.2010 hat die Volksrepublik den VN-Wirtschafts- und Sozialpakt ratifiziert, allerdings zum Recht auf die Bildung freier Gewerkschaften einen Vorbehalt eingelegt. Unabhängige Gewerkschaften sind nicht zugelassen (AA 4.2015a).

Es gibt weiterhin besorgniserregende Verletzungen rechtsstaatlicher Mindeststandards in ganz China. So gibt es immer noch Strafverfolgung aus politischen Gründen, Administrativhaft (Haftstrafe ohne Gerichtsurteil), Verletzung von allgemeinen Verfahrensgarantien im Strafverfahren (z.B. Unschuldsvermutung), sehr häufige Verhängung der Todesstrafe sowie Fälle von Misshandlungen und Folter. Daneben gibt es das Bekenntnis der Regierung zu einem an Recht und Gesetz ausgerichteten sozialen Regierungshandeln und vermehrt Reformbemühungen im Rechtsbereich, so beispielsweise beim 4. Plenum des Zentralkomitees der KPCh im Oktober 2014. Im Januar 2013 ist eine umfassende Revision des Strafprozessrechts in Kraft getreten. Ende 2013 wurde die Abschaffung der seit den 1950er Jahren existierenden Umerziehungslager ("Reform durch Arbeit") beschlossen; viele dieser Lager sowie andere Formen der Lagerhaft bestehen allerdings fort (AA 4.2015a).

Presse-, Meinungs- und Religionsfreiheit sind stark eingeschränkt. Das öffentliche Infragestellen des Machtmonopols der Kommunistischen Partei Chinas wird weiterhin hart geahndet.

Menschenrechtsverteidiger sind starken Repressionen ausgesetzt. China geht mit besonderer Härte auch gegen Forderungen nach Unabhängigkeit oder größerer Autonomie, besonders in Tibet und Xinjiang vor. Die heutige chinesische Gesellschaft ermöglicht freie Meinungsäußerung im privaten Bereich, Mobilität und individuelle beruflich-wirtschaftliche Chancen. Insbesondere sogenannte soziale Medien im Internet haben sich in diesem Zusammenhang - trotz aller Kontrollversuche der chinesischen Regierung - zu besonders wichtigen Kommunikationsträgern entwickelt (AA 3.2014a, vgl. HRW 28.1.2015).

Die chinesische Regierung hat 2014 gezielt das Internet und die Presse weiteren Einschränkungen unterworfen. Alle Medien unterliegen allgegenwärtiger Kontrolle und Zensur. Die Regierung unterhält eine landesweite Internetfirewall, um politisch inakzeptable Informationen zu filtern. Die Behörden haben auch Einschränkungen der Presse verschärft. Die "staatliche Verwaltung für Radio, Film und Fernsehen" hat im Juli 2014 eine Richtlinie erlassen die verlangt, dass chinesische Journalisten eine Vereinbarung unterzeichnen die besagt, dass sie unveröffentlichte Informationen nicht ohne vorherige Zustimmung ihres Arbeitgebers veröffentlichen. Weiters wird dabei gefordert, dass sie Prüfungen in politischer Ideologie ablegen, bevor sie einen amtlichen Presseausweis ausgestellt bekommen (HRW 28.1.2015).

Kommunalregierungen griffen weiter auf Landverkäufe zur Finanzierung von Projekten der Wirtschaftsförderung zurück, was im ganzen Land zur rechtswidrigen Zwangsräumung von Tausenden Menschen aus ihren Wohnungen oder zur Vertreibung von ihrem Land führte. Rechtswidrige Zwangsräumungen unter Anwendung von Gewalt und ohne Vorankündigung waren weit verbreitet. Ihnen gingen oftmals Drohungen und Drangsalierungen voraus. Eine Konsultierung der betroffenen Einwohner fand nur selten statt. Entschädigungen, angemessene Ersatzwohnungen und der Zugang zu Rechtsbehelfen waren stark eingeschränkt. In vielen Fällen schlossen korrupte Dorfvorsteher Verträge mit privaten Bauunternehmen und übertrugen ihnen die Nutzungsrechte für Grund und Boden, ohne dass die dortigen Bewohner darüber unterrichtet wurden (AI 23.5.2013).

Wegen der mangelnden Unabhängigkeit der Justiz wählen viele Betroffene von Beho¿rdenwillku¿r den Weg der Petition bei einer übergeordneten Behörde, z.B. Provinz- oder Zentralregierung. Petitionen von Bürgern gegen Rechtsbrüche lokaler Kader in den Provinzen nehmen zu. Allein in Peking versammeln sich täglich Hunderte von Petenten vor den Toren des staatlichen Petitionsamts, um ihre Beschwerde vorzutragen. Chinesischen Zeitungsberichten zufolge werden pro Jahr landesweit ca. 10 Mio. Eingaben eingereicht (AA 15.10.2014, vgl. AI 23.5.2013). Das Petitionswesen kann die Missstände allerdings nicht lösen. Dazu kommt, dass zahlreiche Petenten, aus den verschiedenen Provinzen, die die örtliche Politik bei der Pekinger Zentralregierung anprangern, über die Verbindungsbu¿ros ihrer jeweiligen Heimatprovinzen denunziert, häufig von Schlägertrupps im Auftrag der Provinzregierungen aufgespürt und in Ihre Heimatregionen zurückgebracht oder zur Rückkehr gezwungen werden. Als Sanktion für ihr Verhalten werden viele anschließend in ein Lager für "Umerziehung durch Arbeit", eine psychiatrische Anstalt oder ein illegales Gefängnis ("black jail") eingewiesen (AA 15.10.2014, vgl. FH 28.1.2015a).

Nicht zuletzt dank der modernen Kommunikationsmittel entsteht allerdings eine über ihre Rechte zunehmend besser informierte Öffentlichkeit, die bereit ist, diese Rechte zu verteidigen und willkürliches Handeln der staatlichen Organe nicht länger unwidersprochen hinnehmen will. Massenproteste mit sozialpolitischem Hintergrund - insbesondere gegen illegale Landnahme, unzureichende oder vorenthaltene Kompensationen bei Umsiedlungen, gewaltsamen Abriss von Häusern, Umweltkonflikte und Korruption - nehmen zu. Dabei sind Internet und soziale Netzwerke zu machtvollen Sprachrohren von Frustrationswellen geworden, die Partei und Regierung immer stärker herausfordern. Ungeachtet der strengen und engmaschigen Kontrolle des Internet ist eine zunehmende Unterstützung der chinesischen Öffentlichkeit im Internet für soziale und politische Anliegen zu beobachten, die unter kreativer Umgehung der Zensur über Blogs und Mikroblog-Netzwerke genährt wird (AA 15.10.2014, vgl. FH 28.1.2015a).

Die Pressefreiheit bleibt in China weiter sehr eingeschränkt. Journalisten, Blogger und Intellektuelle werden regelmäßig bedroht und sogar verhaftet. Die chinesischen Festlandmedien sind politisch gleichgeschaltet. CNN und BBC werden bei China betreffenden Meldungen sensiblen Inhalts in der Regel abgeschaltet, Internetseiten wie Facebook, Twitter und YouTube sind dauerhaft gesperrt. Inhalte mit sensiblen Schlüsselwörter wie "4. Juni", "Ägypten/Libyen Aufstand", "Jasminrevolution" oder "Nobelpreis" werden ebenfalls geblockt (ÖB 11.2014).

Laut Mitteilung des Ministeriums für öf

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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