TE Vfgh Beschluss 2018/2/26 G33/2018

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Veröffentlicht am 26.02.2018
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Index

10/07 Verfassungs- und Verwaltungsgerichtsbarkeit

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
B-VG Art140 Abs1 Z1 litd
ZPO §52 Abs1

Leitsatz

Zurückweisung eines Parteiantrages auf Aufhebung einer Bestimmung der Zivilprozessordnung betr den Rechtsmittelausschluss gegen einen Kostenvorbehalt; Unzulässigkeit des nicht aus Anlass eines zulässigen Rechtsmittels gestellten Parteiantrages

Spruch

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Begründung

Begründung

I.       Antrag

Mit dem vorliegenden, auf Art140 Abs1 Z1 litd B-VG gestützten Antrag begehrt der Einschreiter, der Verfassungsgerichtshof möge §52 Abs1 zweiter Satz Zivilprozessordnung, RGBl. 113/1895, idF BGBl I 111/2010, als verfassungswidrig aufheben.

II.      Rechtslage

Die hier maßgebliche Bestimmung des §52 des Gesetzes vom 1. August 1895, über das gerichtliche Verfahren in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten (Zivilprozessordnung – ZPO), RGBl. 113/1895, idF BGBl I 111/2010, lautet (der angefochtene Satz ist hervorgehoben):

"§52. (1) In jedem Urteil und in den Beschlüssen, welche eine Streitsache für die Instanz vollständig erledigen, ist auch über die Verpflichtung zum Kostenersatz zu entscheiden, sofern das Gericht nicht die Kostenentscheidung bis zur rechtskräftigen Erledigung der Streitsache vorbehält. Ein solcher Vorbehalt kann nicht angefochten werden. In anderen Beschlüssen kann über den Ersatz der Kosten nur insoweit erkannt werden, als die Ersatzpflicht vom Ausgang der Hauptsache unabhängig ist.

(2) Ein Vorbehalt der Kostenentscheidung nach Abs1 ist nur zulässig, wenn die Entscheidung durch ein Rechtsmittel angefochten werden kann und wenn dies aufgrund der Komplexität der zu treffenden Kostenentscheidung aus Gründen der Verfahrensökonomie zweckmäßig ist. Bei Erlassung eines Zahlungsbefehls, eines Wechselzahlungsauftrags oder eines Versäumungs-, Verzichts- oder Anerkenntnisurteils ist ein Vorbehalt der Kostenentscheidung jedenfalls unzulässig.

(3) Hat ein Gericht die Kostenentscheidung vorbehalten, so ist im weiteren Rechtsgang keine Kostenentscheidung zu treffen. Über die Verpflichtung zum Kostenersatz für das gesamte Verfahren entscheidet das Gericht erster Instanz nach rechtskräftiger Erledigung der Streitsache.

(4) Ist das Gericht bei Erlassung eines Teilurteils nicht in der Lage, hinsichtlich des abgeurteilten Anspruchs oder Teilanspruchs zugleich über die Kosten zu entscheiden, so ist im Urteil auszusprechen, inwiefern eine solche Entscheidung noch einem weiteren Urteil vorbehalten bleibt.

(5) Über die Verpflichtung zum Kostenersatz ist von Amts wegen zu entscheiden, wenn rechtzeitig ein Kostenverzeichnis gelegt wurde."

III.    Sachverhalt

1.       Mit Urteil vom 5. Februar 2016 wies das Landesgericht Feldkirch als Arbeits- und Sozialgericht die Klage des Antragstellers gegen seinen ehemaligen Arbeitgeber auf Zahlung von näher bestimmten Beträgen infolge der Beendigung des Arbeitsverhältnisses des Antragstellers bei der beklagten Partei ab und erkannte der beklagten Partei den Ersatz der Prozesskosten zu.

2.       Gegen dieses Urteil des Landesgerichtes Feldkirch erhob der Antragsteller rechtzeitig Berufung an das Oberlandesgericht Innsbruck, das mit Urteil vom 23. September 2016 der beklagten Partei die Zahlung eines näher bezeichneten Betrages auftrug, das Zinsmehrbegehren des Antragstellers abwies und im Hinblick auf die eingeklagte Urlaubsersatzleistung die Rechtssache an das Erstgericht zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung zurückverwies.

3.        Mit Schriftsatz vom 1. Juni 2017 schränkte der Antragsteller das Klagebegehren nach Erfüllung des Teilurteiles vom 23. September 2016 durch die beklagte Partei ein.

4.       Mit Urteil des Landesgerichtes Feldkirch vom 31. Jänner 2018 wurde dem Antragsteller im zweiten Rechtsgang ein näher bezeichneter Betrag als Urlaubsersatzleistung zugesprochen und der beklagten Partei die Zahlung dieses Betrages aufgetragen (Spruchpunkt 1.). Außerdem behielt sich das Landesgericht Feldkirch die Kostenentscheidung bis zur Rechtskraft der Entscheidung gemäß §52 Abs1 ZPO vor (Spruchpunkt 4.).

5.       Gegen den Kostenvorbehalt im Urteil des Landesgerichtes Feldkirch im zweiten Rechtsgang erhob der Antragsteller mit Schriftsatz vom 9. Februar 2018 Kostenrekurs an das Oberlandesgericht Innsbruck und stellte gleichzeitig den vorliegenden, auf Art140 Abs1 Z1 litd B-VG gestützten Antrag auf Aufhebung von §52 Abs1 zweiter Satz ZPO als verfassungswidrig.

§52 Abs1 zweiter Satz ZPO verstoße gegen Art7 B-VG, weil ein Abgehen des Gesetzgebers von der allgemeinen Möglichkeit einer Anfechtung von Beschlüssen gemäß §514 Abs1 ZPO durch den Anfechtungsausschluss des Kostenvorbehalts gemäß §52 Abs1 zweiter Satz ZPO sachlich nicht gerechtfertigt sei.

IV.      Zur Zulässigkeit

1.       Gemäß Art140 Abs1 Z1 litd B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über die Verfassungswidrigkeit von Gesetzen auf Antrag einer Person, die als Partei einer von einem ordentlichen Gericht in erster Instanz entschiedenen Rechtssache wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, aus Anlass eines gegen diese Entscheidung erhobenen Rechtsmittels, wobei es sich hiebei um ein zulässiges Rechtsmittel handeln muss.

2.       Ein zulässiges Rechtsmittel gegen die Entscheidung ist im vorliegenden Fall nicht gegeben, weil §52 Abs1 zweiter Satz ZPO ein Rechtsmittel gegen den Kostenvorbehalt in einem Urteil oder Beschluss eines Gerichtes, welcher eine Streitsache für die Instanz vollständig erledigt, ausdrücklich ausschließt.

2.1. Gemäß §52 Abs1 ZPO haben ordentliche Gerichte "[i]n jedem Urteil und in den Beschlüssen, welche eine Streitsache für die Instanz vollständig erledigen", auch über die Verpflichtung zum Kostenersatz zu entscheiden. Das Gericht kann sich aber "die Kostenentscheidung bis zur rechtskräftigen Erledigung der Streitsache" vorbehalten.

Ein solcher Vorbehalt kann gemäß §52 Abs1 zweiter Satz ZPO nicht mit einem Rechtsmittel angefochten werden. Gemäß §52 Abs2 ZPO ist ein solcher allgemeiner Kostenvorbehalt "nur zulässig, wenn die Entscheidung durch ein Rechtsmittel angefochten werden kann und wenn dies auf Grund der Komplexität der zu treffenden Kostenentscheidung aus Gründen der Verfahrensökonomie zweckmäßig ist".

Das Gericht erster Instanz, welches sich die Kostenentscheidung vorbehalten hat, entscheidet gemäß §52 Abs3 ZPO über die Verpflichtung zum Kostenersatz für das gesamte Verfahren nach rechtskräftiger Erledigung der Rechtssache.

2.2. Der Verfassungsgerichtshof sieht sich aus Anlass des gegenständlichen Antrags auch nicht veranlasst, ein amtswegiges Verfahren zur Prüfung der Verfassungskonformität des §52 Abs1 zweiter Satz ZPO einzuleiten (vgl. dazu VfGH 15.3.2017, G219-220/2016).

2.2.1. Das mit §52 Abs1 ZPO verfolgte Ziel und die Ausgestaltung der Verfolgung dieses Zieles liegen im rechtspolitischen Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers: §52 Abs1 ZPO dient der Verfahrensökonomie (vgl. §52 Abs2 ZPO und ErläutRV 981 BlgNR 24. GP, 80). Diesem Ziel folgend normiert der Gesetzgeber in Abs2 leg.cit. zwei Voraussetzungen für einen Kostenvorbehalt: Die Entscheidung in der Sache muss noch durch ein Rechtsmittel angefochten werden können und die Kostenentscheidung eine höhere Komplexität aufweisen, weshalb ein Abwarten einer möglichen Entscheidung der übergeordneten Instanz zweckmäßig erscheint. Ein solches Abwarten ist etwa bei Streitwertänderungen, Parteienmehrheiten oder einer Vielzahl von Kostenpunkten zweckmäßig, wenn eine Abänderung (oder Aufhebung) der Sachentscheidung durch die übergeordnete Instanz nicht ganz unwahrscheinlich ist, weil in diesen Konstellationen die Kostenentscheidungen häufig sehr umfangreich und komplex sind (vgl. dazu M. Bydlinski in Fasching/Konecny [Hrsg.], Zivilprozessgesetze II/13, §52 ZPO, Rz 11 mwN). Auf Grundlage eines derartigen Kostenvorbehalts hat das Erstgericht nach Rechtskraft der streiterledigenden Entscheidung über die gesamten Verfahrenskosten aller nach Ausspruch des Vorbehalts mit der Rechtssache befassten Instanzen mit eigenem Beschluss zu entscheiden. Dieser Kostenbeschluss der ersten Instanz ist gemäß §55 ZPO selbstständig anfechtbar (vgl. M. Bydlinski in Fasching/Konecny [Hrsg.] Zivilprozessgesetze II/13, §55 ZPO, Rz 1 mwN und Rechberger/Simotta, Zivilprozessrecht9 Rz 494 mwN). Folglich steht den Verfahrensparteien trotz Ausschlusses der Anfechtbarkeit des Vorbehalts der Kostenentscheidung gemäß §52 Abs1 ZPO ein Rechtsmittel gegen den nach Rechtskraft der Entscheidung in der Sache zu fassenden Kostenbeschluss des Gerichtes offen.

2.2.2. Die Parteien des Verfahrens vor dem Gericht sind keiner "richterlichen Willkür" ausgeliefert, weil §52 Abs2 ZPO als Voraussetzung für einen Kostenvorbehalt die zwei bereits genannten, kumulativen Kriterien der Anfechtbarkeit der Entscheidung in der Sache und der Komplexität der Kostenentscheidung festlegt. Außerdem zählt das Gesetz im letzten Satz des Abs2 leg.cit. Kategorien von Entscheidungen auf (beispielsweise bei Versäumungs- und Anerkenntnisurteilen), bei denen ein Kostenvorbehalt jedenfalls unzulässig ist.

2.3. Der Verfassungsgerichtshof kann daher aus Anlass des vorliegenden Falles nicht finden, dass der Rechtsmittelausschluss in §52 Abs1 zweiter Satz ZPO verfassungsrechtlichen Bedenken begegnet. Ein zulässiges Rechtsmittel gegen den Spruchpunkt 4. des Urteils des Landesgerichtes Feldkirch vom 31. Jänner 2018, aus dessen Anlass der vorliegende auf Art140 Abs1 Z1 litd B-VG gestützte Antrag gestellt wurde, liegt folglich nicht vor. Der Antrag ist daher schon aus diesem Grund zurückzuweisen.

V.       Ergebnis

1.       Der Antrag ist zurückzuweisen.

2.       Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

Schlagworte

VfGH / Parteiantrag, Zivilprozess, Kostenersatz, Rechtsmittel

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2018:G33.2018

Zuletzt aktualisiert am

25.04.2018
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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