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19/05 Menschenrechte;Norm
AsylG 2005 §34 Abs2 Z2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zens sowie den Hofrat Mag. Eder und die Hofrätin MMag. Ginthör als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Friedwagner, in der Revisionssache der B E, vertreten durch Edward W. Daigneault, Rechtsanwalt in 1160 Wien, Lerchenfelder Gürtel 45/11, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 28. Juni 2017, I403 2153172-1/11E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Die Revisionswerberin, eine Staatsangehörige von Nigeria, stellte am 4. November 2014 einen Antrag auf internationalen Schutz. Bei der am selben Tag durchgeführten Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes gab die Revisionswerberin zu den Fluchtgründen befragt im Wesentlichen an, dass sie gegen ihren Willen mit einem 65-jährigen Mann hätte verheiratet werden sollen. Weiters führte die Revisionswerberin aus, dass sie in Österreich ihren Vater N., einen Staatsangehörigen von Sierra Leone, am 4. November 2014 zum ersten Mal getroffen habe. Sie habe zuvor nur den Namen ihres Vaters gekannt und lediglich gewusst, dass sich dieser in Österreich aufhalte.
2 Bei der durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) am 20. Februar 2017 durchgeführten Einvernahme gab die Revisionswerberin an, dass sie in Österreich ca. zwei Mal pro Woche mit ihrem Vater telefoniere. Sie habe ihren Vater zwei Mal in Österreich besucht, und zwar einmal anlässlich des Stellens des verfahrensgegenständlichen Antrages im November 2014 und einmal im November 2016.
3 Mit Bescheid vom 23. März 2017 wies das BFA den Antrag der Revisionswerberin auf internationalen Schutz ab. Die Behörde erteilte keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen die Revisionswerberin unter einem eine Rückkehrentscheidung und stellte fest, dass ihre Abschiebung nach Nigeria zulässig sei. Die Frist für die freiwillige Ausreise setzte die Behörde mit vierzehn Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung fest.
4 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht die gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde der Revisionswerberin als unbegründet ab. Die Revision erklärte das Verwaltungsgericht gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG für nicht zulässig.
5 Das Gericht erachtete das Fluchtvorbringen der Revisionswerberin aus näher dargestellten Gründen als nicht glaubhaft. Weiters ging das Verwaltungsgericht von der Schutzfähigkeit und -willigkeit der nigerianischen Behörden sowie vom Vorliegen einer innerstaatlichen Fluchtalternative aus. Im Übrigen stellte das Bundesverwaltungsgericht - soweit entscheidungswesentlich - unter Zugrundelegung eines von der Revisionswerberin im verwaltungsgerichtlichen Verfahren vorgelegten DNA-Gutachtens fest, dass N. der Vater der Revisionswerberin sei. Dieser lebe in Österreich und habe im Bundesgebiet am 24. Oktober 2014 einen dritten Antrag auf internationalen Schutz gestellt. In seiner rechtlichen Beurteilung führte das Verwaltungsgericht aus, die Revisionswerberin habe ihren Vater erst nach ihrer Einreise nach Österreich kennengelernt. Dieser sei im Zuge seines dritten Asylverfahrens am 7. Juni 2017 durch das BFA niederschriftlich befragt worden und verfüge in Österreich über kein dauerhaftes Aufenthaltsrecht. Die Revisionswerberin lebe nicht mit ihrem Vater im gemeinsamen Haushalt. Es bestehe hauptsächlich telefonischer Kontakt, der auch im Fall der Ausreise der Revisionswerberin nach Nigeria aufrechterhalten werden könne. Aufgrund des Umstandes, dass die Revisionswerberin bereits volljährig sei und in keinem "Abhängigkeitsverhältnis von ihrem Vater" lebe, sei das Familienleben nicht "von hoher Intensität". Eine Trennung der Revisionswerberin von ihrem Vater sei daher zumutbar. Darüber hinaus bestünde die Möglichkeit, das Familienleben in einem anderen Staat, insbesondere in Nigeria, zu führen.
6 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes, hilfsweise die Verletzung von Verfahrensvorschriften verbunden mit dem Antrag geltend gemacht werden, das angefochtene Erkenntnis aus diesen Gründen aufzuheben.
7 Die Revision führt zur Begründung ihrer Zulässigkeit im Wesentlichen ins Treffen, das angefochtene Erkenntnis weiche von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes insofern ab, als gemäß § 34 Abs. 4 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005) allen Familienangehörigen der gleiche Schutzumfang zu gewähren sei. Der Vater der Revisionswerberin habe am 24. Oktober 2014 in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt, sein Verfahren sei zugelassen worden und es sei eine Entscheidung des BFA noch nicht ergangen. Die Revisionswerberin habe am 4. November 2014 zu einem Zeitpunkt, zu dem sie noch minderjährig gewesen sei, ebenfalls einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt. Mit diesem Vorbringen gelingt es der Revision nicht, eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn von Art. 133 Abs. 4 B-VG aufzuzeigen.
8 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
9 Wenn sich die Revisionswerberin auf ein Abweichen von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes insofern beruft, als gemäß § 34 Abs. 4 AsylG 2005 allen Familienangehörigen der gleiche Schutzumfang zu gewähren sei, übersieht sie, dass dies nach dem eindeutigen Wortlaut des Gesetzes nur unter den in § 34 Abs. 2 und Abs. 3 AsylG 2005 genannten Voraussetzungen der Fall ist.
10 Demnach ist für die Frage, ob im Familienverfahren nach § 34 Abs. 4 AsylG 2005 (in der im vorliegenden Fall maßgeblichen Fassung BGBl. I Nr. 87/2012) der gleiche Schutzumfang zu gewähren ist, ausschlaggebend, ob insbesondere auch die in § 34 Abs. 2 Z 2 und Abs. 3 Z 2 AsylG 2005 genannte Voraussetzung erfüllt ist, dass die Fortsetzung eines bestehenden Familienlebens im Sinn des Art. 8 EMRK mit dem Fremden, dem der Status des Asylberechtigten oder der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, in einem anderen Staat nicht möglich ist (zu dem Begriffsverständnis, welches dem in § 34 Abs. 2 Z 2 AsylG 2005 genannten Erfordernis eines bestehenden Familienlebens zugrunde zu legen ist, siehe VwGH 22.11.2017, Ra 2017/19/0218).
11 Dass zwischen der Revisionswerberin und ihrem Vater, den diese nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichts erstmals im Alter von sechzehn Jahren nach ihrer Einreise in das Bundesgebiet kennenlernte und mit dem die Revisionswerberin nie im gemeinsamen Haushalt lebte, sondern mit dem sie selbst in Österreich im Wesentlichen nur telefonischen Kontakt pflegte, tatsächlich ein Familienleben im Sinn von Art. 8 EMRK bestünde, dessen Fortsetzung in einem anderen Staat nicht möglich wäre, wird in der Revision nicht behauptet.
12 Vor diesem Hintergrund legt die Revision nicht dar, inwiefern fallbezogen die Voraussetzungen gemäß § 34 Abs. 2 und Abs. 3 AsylG 2005 erfüllt wären, sodass gemäß § 34 Abs. 4 AsylG 2005 allen Familienangehörigen der gleiche Schutzumfang zu gewähren wäre. Bereits aus diesem Grund verabsäumt es die Revisionswerberin aber auch, darzulegen, inwiefern das Bundesverwaltungsgericht von der in der Revision angeführten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH 16.8.2016, Ra 2016/01/0039, 0040), wonach die Bestimmung des § 34 Abs. 4 AsylG 2005 dahingehend zu verstehen ist, dass im Familienverfahren gegenüber allen Familienangehörigen dieselbe Art der Erledigung zu treffen ist, abgewichen wäre.
13 Schließlich ist, soweit sich die Revision - im Zusammenhang mit der Annahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative und dem vom Bundesverwaltungsgericht als nicht glaubhaft erachteten Fluchtvorbringen der Revisionswerberin - gegen die Beweiswürdigung des Bundesverwaltungsgerichts wendet, auf dem Boden der Revision nicht ersichtlich, dass die dem angefochtenen Erkenntnis zugrundeliegende Beweiswürdigung unvertretbar wäre. Folglich zeigt das Zulässigkeitsvorbringen auch insofern nicht auf, dass die Entscheidung über die Revision von der Lösung einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung abhinge (vgl. VwGH 15.3.2016, Ra 2014/01/0187).
14 Aus den dargelegten Gründen erweist sich die Revision wegen Fehlens der Voraussetzungen nach Art. 133 Abs. 4 B-VG als nicht zulässig. Sie war daher gemäß § 34 Abs. 1 und Abs. 3 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen. Wien, am 5. April 2018
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2018:RA2017190333.L00Im RIS seit
25.04.2018Zuletzt aktualisiert am
17.05.2018