TE Bvwg Erkenntnis 2018/4/11 W266 2124506-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 11.04.2018
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

11.04.2018

Norm

BBG §40
BBG §41
BBG §45
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

W266 2124506-1/11E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Stephan Wagner als Vorsitzenden und die Richterin Mag. Ulrike Scherz sowie den fachkundigen Laienrichter Mag. Rudolf Halbauer, Bakk. Phil. als Beisitzer über die Beschwerde des XXXX , geboren am XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle Wien, vom 16.3.2016, XXXX , betreffend die Höhe des Grades der Behinderung in nicht öffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde wird teilweise Folge gegeben und festgestellt, dass der Grad der Behinderung des Beschwerdeführers 90 von Hundert (90%) beträgt. Es ist sohin im Behindertenpass des Beschwerdeführers der Grad der Behinderung mit 90 von Hundert (90%) einzutragen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1.1. Das Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle Wien (in der Folge: belangte Behörde) hat dem Beschwerdeführer am 16.3.2016 einen Behindertenpass ausgestellt und darin einen Grad der Behinderung in Höhe von 80% eingetragen.

1.2. Die belangte Behörde begründete ihre Entscheidung im Wesentlichen damit, dass aufgrund des medizinischen Beweisverfahrens ein Grad der Behinderung in Höhe von 80% ergebe. Die wesentlichen Ergebnisse des ärztlichen Begutachtungsverfahrens seien der Beilage, die einen Bestandteil der Begründung bilde, zu entnehmen.

1.6. In der gegen diesen Bescheid erhobenen fristgerechten Beschwerde führt der Beschwerdeführer - unter Vorlage weiterer Beweismittel - im Wesentlichen aus, dass er nicht verstehe, warum, obwohl sein Grad der Behinderung in der Vergangenheit bereits mit 90 % festgestellt worden wäre, er nunmehr (Jahre später) nur zu 80% behindert sein sollte. Weiters verstehe er auch nicht, warum seine mit 20% festgestellte Berufskrankheit nicht berücksichtig würde.

1.7. Mit Schreiben vom 5.4.2016, beim Bundesverwaltungsgericht eingelangt am 11.4.2016, hat die belangte Behörde die Beschwerde und den zugehörigen Verwaltungsakt vorgelegt.

1.8. Zur Überprüfung des Beschwerdegegenstandes wurde seitens des Bundesverwaltungsgerichtes ein orthopädisches Sachverständigengutachten eingeholt.

1.9. Im Gutachten des Facharztes für Orthopädie wird nach der durchgeführten Anamnese vom Sachverständigen festgehalten, dass der Beschwerdeführer die Durchführung der Untersuchung verweigert hat und diesbezüglich angegeben hat, dass er nicht verstehe, warum er neuerlich untersucht werden sollte. Er sei mit der Beurteilung des Morbus Bechterew zufrieden und wolle hier keine Änderungen vornehmen. Er verstehe lediglich nicht, warum seine anerkannte Berufskrankheit nicht berücksichtigt werde. Früher seien deren 20% einfach zu den 80% des Morbus Bechterew addiert worden und wäre sohin der Grad der Behinderung 100% gewesen. Eine Untersuchung lehne er ab.

1.10. Da der Beschwerdeführer eine Untersuchung ablehnte, jedoch das von der belangten Behörde eingeholte Gutachten in einem Punkt als unschlüssig erachtet wurde, wurde in der Folge seitens des Bundesverwaltungsgerichtes eine ergänzende Stellungnahme des bereits von der belangten Behörde beigezogenen Sachverständigen eingeholt, welche ergab, dass der Gesamtgrad der Behinderung des Beschwerdeführers 90% und nicht 80% betrage.

1.11. Mit Schreiben des Bundesverwaltungsgerichtes wurde die ergänzende Stellungnahme dem Beschwerdeführer im Rahmen des Parteiengehörs zur Kenntnis gebracht und diesem die Möglichkeit zur Stellungnahme binnen zweier Wochen ab Zustellung eingeräumt. Es wurde dem Beschwerdeführer mitgeteilt, dass das Bundesverwaltungsgericht aufgrund des vorliegenden Sachverhaltes entscheiden werde, wenn nicht eine Stellungnahme anderes erfordere.

1.12. Am 9.3.2018 gab der Beschwerdeführer dem Bundesverwaltungsgericht bekannt, dass er keine Stellungnahme abgeben werde, da seine Berufskrankheit abermals nicht berücksichtigt worden wäre.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Nach Einsicht in den behördlichen Verwaltungsakt, insbesondere in das von der belangten Behörde eingeholte Gutachten des Sachverständigen für Orthopädie, welches auf persönlicher Begutachtung des Beschwerdeführers am 10.2.2016 basiert, Einholung einer ergänzenden Stellungnahme des mit der Sache befassten orthopädischen Sachverständigen sowie eines aktuellen Auszuges aus dem zentralen Melderegister steht folgender entscheidungswesentlicher Sachverhalt fest:

1.2. Der Beschwerdeführer ist österreichischer Staatsbürger am XXXX geboren und wohnhaft in XXXX Wien, XXXX .

1.3. Mit Bescheid des Landesinvalidenamtes für Wien, NÖ und Burgenland vom 2.4.1975 wurde gemäß Art.11 des Bundesgesetzes vom 20. Juni 1973 BGBl. Nr. 329 von amts wegen festgestellt, dass der Beschwerdeführer ab dem 1.1.1974 dem Kreis der begünstigten Invaliden gemäß § 2 Abs. 1 und § 14 Abs. 2 Invalideneinstellungsgesetz 1969 idF BGBl. 329/1973 angehört und eine Minderung der Erwerbsfähigkeit von 90% festgestellt.

1.5. Am 14.3.1980 wurde dem Beschwerdeführer seitens des Amtsarztes des Polizeikommissariates Donaustadt eine Minderung der Erwerbsfähigkeit von 100% bestätigt.

1.6. Am 3.12.2015 beantragte der Beschwerdeführer die Ausstellung eines Behindertenpasses.

1.7. Aufgrund seines Antrages vom 3.12.2015 auf Ausstellung eines Behindertenpasses erfolgte am 10.2.2016 eine ärztliche Begutachtung des Beschwerdeführers. Das darauf basierende Gutachten des Sachverständigen für Orthopädie wurde dem Beschwerdeführer gemeinsam mit dem angefochtenen Bescheid gesendet.

1.5. Hinsichtlich des Gesundheitszustandes wird folgendes festgestellt:

Klinischer Status - Fachstatus:

Größe 165 cm, Gewicht 87 kg

Hörvermögen: nicht beeinträchtigt

Sehvermögen: nicht beeinträchtigt

Zehenspitzen-und Fersenstand: beidseits durchführbar

Schulter - und Beckengeradstand

Finger-Boden -Abstand: Vorneigen durch versteifte Wirbelsäule nicht möglich

Caput/Collum: unauffällig

Thorax: tonnenförmig, Thoraxexkursion 0,5 cm

Abdomen: kein Druckschmerz, klinisch unauffällig

Obere Extremitäten:

Nacken - und Kreuzgriff beidseits 1/3 eingeschränkt

Gelenke:

Schultern beidseits: Vorheben 100/0/20 Abduktion 90/0/0, Rotation nicht möglich, Versuch sehr schmerzhaft

Muskuläre Verhältnisse: beidseits altersbedingt atroph‚

Durchblutung unauffällig

Faustschluss, Grob -und Spitzgriff beidseits unauffällig

4. Finger rechts: Zustand nach Exartikulation im PIP-Gelenk, Narbe reizlos

Neurologie obere Extremitäten:

Kraftgrad: 4-5

Sehnenreflex: beidseits mittellebhaft

Sensibilität: ungestört

Tinnel-Hoffmann-Zeichen: beidseits negativ

Wirbelsäule: Druckschmerz: nein; Klopfschmerz: nein;

Stauchungsschmerz: nein

Die komplette Wirbelsäule ist versteift, eine Bewegungsprüfung kaum möglich

Halswirbelsäule: minimale Bewegungen, Kinn-Jugulum-Abstand 4,0 cm B

rust Wirbelsäule: Ott 30/30 cm, verstärkte, langbogige BWS-Kyphose

Lendenwirbelsäule: Schober 10/10 cm, Seitneigung nicht möglich, Lendenwuls nein

Insuffizienz der Rückenmuskulatur

Untere Extremitäten:

Hüften:

rechte Hüfte: Druckschmerz nein, Flexion 0/5/45, Abduktion 20/10/10, Außenrotation 20/0/0 Linke Hüfte: Druckschmerz nein, Flexion 0/5/95, Abduktion 25/0/25, Außenrotation 20/0/20

Oberschenkel

Rechts: unauffällig

Links: unauffällig

Knie:

Kondylenabstand:

Rechtes Knie: Flexion 0/0/100, Druckschmerz medial, Erguß nein, Rötung nein, Hyperthermie nein, medial + aufklappbar, lateral + aufklappbar, retropatellare Symptomatik ja, Zohlen-Zeichen ++ positiv

Linkes Knie: Flexion 0/0/100, Druckschmerz nein, Erguß nein. Rötung nein, Hyperthermie nein, medial + aufklappbar, lateral + aufklappbar, retropatellare Symptomatik ja, Zohlen-Zeichen + positiv

Unterschenkel:

Rechts unauffällig

Links unauffällig

Sprunggelenke:

Beweglichkeit: OSG: beidseits frei und schmerzfrei; dorsal Extension/Plantarflexion 25/0/45 USG: Eversion/Inversion 30/0/60;

Erguss: nein, Hyperthermie: nein

Fuß- und Zehengelenke

Beweglichkeit beidseits frei und schmerzfrei

Durchblutung unauffällig

Neurologie untere Extremitäten

Kraftgrad 4-5

Sehnenreflexe: seitengleich untermittellebhaft auslösbar

Sensibilität: unklare Dysästhesie rechte Großzehe, nicht zuordenbar

Beinlänge

Links minus 2cm

Gesamtmobilität-Gangbild

Hilfsmittel: Krücke links

Schuhwerk: feste Halbschuhe

Hocke beidseits nicht durchführbar

Anhalten beim Aufstehen

An- und Auskleiden im Stehen; nur mit Hilfe durchführbar

Gangbild: symmetrisch, kleinschrittig, Schonhinken links

Status Psychicus

Zeitlich und örtlich orientiert; kommunikativ; kooperativ

Die Funktionseinschränkungen des Beschwerdeführers entsprechen den folgenden Leidenspositionen

Lfd. Nr.

Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktions-einschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden: Begründung der Positionsnummer und des Rahmensatzes:

Pos.Nr.

Gdb %

1

Wirbelsäule: Morbus Bechterew mit kompletter Einsteifung der gesamten Wirbelsäule; oberer Rahmensatz, da radiologische Veränderungen und irreversible Funktionseinschränkungen mit erheblicher Mobilitätsbegrenzung bestehen;

02.01.03

80

2

Hüften beidseits: rechte Hüfte Zustand nach Totalendoprotese, linke Hüfte Zustand nach Coxarthrose Oberer Rahmensatz, da an beiden Hüften eine mittelgradige Bewegungs- und Funktionseinschränkung besteht.

02.05.10

50

und beträgt der Gesamtgrad der Behinderung 90%,

Es besteht eine komplette Einsteifung der gesamten Wirbelsäule mit irreversiblen Funktionseinschränkungen in allen Abschnitten und eine mittelgradige Bewegungs- und Funktionsbeeinträchtigung beider Hüftgelenke.

Leiden 1 wird daher durch Leiden 2 um eine Stufe erhöht, da ein wechselseitiges ungünstiges Zusammenwirken in behinderungsrelevantem funktionsbeeinträchtigendem Ausmaß vorliegt.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Die Feststellungen beruhen betreffend Geburtsdatum, Staatsbürgerschaft und Wohnadresse auf den glaubhaften Angaben des Beschwerdeführers am Antragsformular, sowie auf den übereinstimmenden Unterlagen im Verwaltungsakt sowie auf dem eingeholten Auszug aus dem zentralen Melderegister.

2.2. Hinsichtlich des Gesundheitszustandes und des Grades der Behinderung beruhen die Feststellungen auf dem bereits von der belangten Behörde eingeholten Gutachten des Sachverständigen für Orthopädie, welches auf einer persönlichen Untersuchung am 10.2.2016 basiert, sowie dessen ergänzender Stellungnahme vom 28.2.2018. Diese sind in sich schlüssig, nachvollziehbar und vollständig. Es wird darin vollständig und in nachvollziehbarer Art und Weise auf alle vom Beschwerdeführer vorgebrachten Leidenszustände unter Berücksichtigung der vorgelegten Befunde eingegangen.

2.3. Weiters hat der Beschwerdeführer keine neuen Befunde vorgelegt. Somit liegen keine substantiierten Anhaltspunkte dafür vor, dass sich bestehende Leiden des Beschwerdeführers verschlechtert hätten oder dass neue Leiden hinzugetreten sind. Insgesamt ist es dem Beschwerdeführer somit nicht gelungen, dem Gutachten auf gleicher fachlicher Ebene entgegenzutreten.

2.4. Der Beschwerdeführer bringt vor, dass es für ihn nicht nachvollziehbar sei, dass sein Grad der Behinderung trotz seines im Vergleich zur letzten Untersuchung fortgeschrittenen Alters geringer werde. Weiters führt er seine Berufskrankheit ins Treffen. Diesbezüglich ist auf die rechtliche Beurteilung zu verweisen.

2.5. Insgesamt war das Vorbringen des Beschwerdeführers nicht geeignet das Sachverständigengutachten in Zweifel zu ziehen und wird dieses daher in freier Beweiswürdigung der Entscheidung zugrunde gelegt.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Gemäß § 17 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

3.2. Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist,.

3.3. Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn

1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder

2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Zu A) Teilweise Stattgabe der Beschwerde:

3.4. Gemäß § 1 Abs. 2 Bundesbehindertengesetz (BBG) ist unter Behinderung im Sinne dieses Bundesgesetzes die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten.

3.5. Gemäß § 40 Abs. 1 BBG ist behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpaß auszustellen, wenn

1. ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist oder

2. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen oder

3. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten oder

4. für sie erhöhte Familienbeihilfe bezogen wird oder sie selbst erhöhte Familienbeihilfe beziehen oder

5. sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, angehören.

3.6. Gemäß § 41 Abs. 1 BBG gilt als Nachweis für das Vorliegen der im § 40 genannten Voraussetzungen der letzte rechtskräftige Bescheid eines Rehabilitationsträgers (§ 3), ein rechtskräftiges Urteil eines Gerichtes nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, BGBl. Nr. 104/1985, ein rechtskräftiges Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes oder die Mitteilung über die Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs. 5 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967, BGBl. Nr. 376. Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen hat den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen, wenn

1. nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hiefür maßgebenden Vorschriften keine Einschätzung vorsehen oder

2. zwei oder mehr Einschätzungen nach bundesgesetzlichen Vorschriften vorliegen und keine Gesamteinschätzung vorgenommen wurde oder

3. ein Fall des § 40 Abs. 2 vorliegt.

3.7. Gemäß § 46 BBG beträgt die Beschwerdefrist abweichend von den Vorschriften des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes, BGBl. I Nr. 33/2013, sechs Wochen. Die Frist zur Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung beträgt zwölf Wochen. In Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht dürfen neue Tatsachen und Beweismittel nicht vorgebracht werden.

3.8. Gemäß § 55 Abs. 5 BBG hat im Falle eines Antrages auf Neufestsetzung des Grades der Behinderung nach Ablauf des 31. August 2013 die Einschätzung unter Zugrundelegung der Bestimmungen der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) zu erfolgen. Im Falle einer von Amts wegen durchgeführten Nachuntersuchung bleibt - bei objektiv unverändertem Gesundheitszustand - der festgestellte Grad der Behinderung unberührt.

3.9. Gemäß § 1. Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend nähere Bestimmungen über die Feststellung des Grades der Behinderung (Einschätzungsverordnung) ist unter Behinderung im Sinne dieser Verordnung die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft, insbesondere am allgemeinen Erwerbsleben, zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten.

3.10. Gemäß § 2 Abs. 1 Einschätzungsverordnung sind die Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen als Grad der Behinderung zu beurteilen. Der Grad der Behinderung wird nach Art und Schwere der Funktionsbeeinträchtigung in festen Sätzen oder Rahmensätzen in der Anlage dieser Verordnung festgelegt. Die Anlage bildet einen Bestandteil dieser Verordnung.

3.11. Die relevanten Positionen der Anlage zur Einschätzungsverordnung lauten:

02.01 Wirbelsäule

 

02.01.03

Funktionseinschränkungen schweren Grades

50 - 80%

50 %: Radiologische Veränderungen und klinische Defizite Maßgebliche Einschränkungen im Alltag 60%: Chronischer Dauerschmerz mit episodischen Verschlechterungen Einfache analgetische Therapie (NSAR) nicht mehr ausreichend 70 %: Therapieresistente Instabilitätssymptomatik bei fortgeschrittenen Stadien eines Wirbelgleitens, Spinal-kanalstenose mit Claudicatio spinalis (kurze Wegstrecke), schwere Skoliose mit erforderlicher Mieder-versorgung oder OP-Indikation Postlaminektomie-Syndrom 80 %: Zusätzliche Beeinträchtigungen wie chronischer neurogener Dauerschmerz, Opionidindikation Indikationen für invasive Therapieverfahren einschließlich Schmerzschrittmacher (SCS) und Schmerz-pumpen, Periduralkatheter Lähmungserscheinungen mit Gangstörungen Versteifung über mindestens mehrere Segmente

 

 

Hüftgelenke

 

 

02.05.10

Funktionseinschränkung mittleren Grades beidseitig

50 %

Streckung/Beugung bis zu 0-30-90° mit entsprechender Einschränkung der Dreh- und Spreizfähigkeit)

 

 

3.12. Gemäß § 3 Abs. 1 Einschätzungsverordnung ist eine Einschätzung des Gesamtgrades der Behinderung dann vorzunehmen, wenn mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vorliegen. Bei der Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung sind die einzelnen Werte der Funktionsbeeinträchtigungen nicht zu addieren. Maßgebend sind die Auswirkungen der einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen zueinander.

3.13. Gemäß § 3 Abs. 2 Einschätzungsverordnung ist bei der Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung zunächst von jener Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, für die der höchste Wert festgestellt wurde. In der Folge ist zu prüfen, ob und inwieweit dieser durch die weiteren Funktionsbeeinträchtigungen erhöht wird. Gesundheitsschädigungen mit einem Ausmaß von weniger als 20 vH sind außer Betracht zu lassen, sofern eine solche Gesundheitsschädigung im Zusammenwirken mit einer anderen Gesundheitsschädigung keine wesentliche Funktionsbeeinträchtigung verursacht.

Bei Überschneidungen von Funktionsbeeinträchtigungen ist grundsätzlich vom höheren Grad der Behinderung auszugehen.

3.14. Gemäß § 3 Abs. 3 Einschätzungsverordnung liegt eine wechselseitige Beeinflussung der Funktionsbeeinträchtigungen, die geeignet ist, eine Erhöhung des Grades der Behinderung zu bewirken, vor, wenn

-

sich eine Funktionsbeeinträchtigung auf eine andere besonders nachteilig auswirkt,

-

zwei oder mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vorliegen, die gemeinsam zu einer wesentlichen Funktionsbeeinträchtigung führen.

3.15. Gemäß § 3 Abs. 4 Einschätzungsverordnung ist eine wesentliche Funktionsbeeinträchtigung dann gegeben, wenn das Gesamtbild der Behinderung eine andere Beurteilung gerechtfertigt erscheinen lässt, als die einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen alleine.

3.16. Gemäß § 4 Abs. 1 Einschätzungsverordnung bildet die Grundlage für die Einschätzung des Grades der Behinderung die Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigungen im körperlichen, geistigen, psychischen Bereich oder in der Sinneswahrnehmung in Form eines ärztlichen Sachverständigengutachtens. Erforderlichenfalls sind Experten aus anderen Fachbereichen - beispielsweise Psychologen - zur ganzheitlichen Beurteilung heran zu ziehen.

3.17. Gemäß § 4 Abs. 2 Einschätzungsverordnung hat das Gutachten neben den persönlichen Daten die Anamnese, den Untersuchungsbefund, die Diagnosen, die Einschätzung des Grades der Behinderung, eine Begründung für die Einschätzung des Grades der Behinderung innerhalb eines Rahmensatzes sowie die Erstellung des Gesamtgrades der Behinderung und dessen Begründung zu enthalten.

3.18. Gemäß § 2 Abs. 2 Behinderteneinstellungsgesetz (BEistG) gelten nicht als begünstigte Behinderte im Sinne des Abs. 1 behinderte Personen die

a) sich in Schul- oder Berufsausbildung befinden oder

b) das 65. Lebensjahr überschritten haben und nicht in Beschäftigung stehen oder

c) nach bundes- oder landesgesetzlichen Vorschriften Geldleistungen wegen dauernder Erwerbsunfähigkeit (dauernder Berufsunfähigkeit) bzw. Ruhegenüsse oder Pensionen aus dem Versicherungsfall des Alters beziehen und nicht in Beschäftigung stehen oder

d) nicht in einem aufrechten sozialversicherungspflichtigen Dienstverhältnis stehen und infolge des Ausmaßes ihrer Funktionsbeeinträchtigungen zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit auch auf einem geschützten Arbeitsplatz oder in einem Integrativen Betrieb (§ 11) nicht in der Lage sind.

3.19. Gemäß § 106. Abs. 1 Einkommensteuergesetz 1972 (EStG 1972) in der Fassung BGBl. Nr. 314/1994 ist Körperbehinderten auf Antrag ein Freibetrag (Abs. 3) zur Abgeltung etwaiger außergewöhnlicher Belastungen, die durch die Körperbehinderung veranlaßt sind, zu gewähren. Als Körperbehinderte gelten auch geistig Behinderte.

Gemäß Abs. 2 leg cit bestimmt sich die Höhe des Freibetrages nach dem Ausmaß der Minderung der Erwerbsfähigkeit. Die Tatsache der Körperbehinderung und das Ausmaß der Minderung der Erwerbsfähigkeit sind durch eine amtliche Bescheinigung der für diese Feststellung zuständigen Stelle nachzuweisen. Zuständige Stelle ist

1. bei Kriegsbeschädigten, Präsenzdienstpflichtigen und Opfern von Verbrechen das Landesinvalidenamt,

2. bei Empfängern einer Opferrente (§ 11 Abs. 2 des Opferfürsorgegesetzes, BGBl. Nr. 183/1947, in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 323/1963) der Landeshauptmann,

3. bei Berufskrankheiten oder Berufsunfällen von Arbeitnehmern der Träger der gesetzlichen Sozialversicherung,

4. in allen übrigen Fällen das Gesundheitsamt, im Bereich der Stadt Wien der Amtsarzt des jeweiligen Bezirkspolizeikommissariates.

Gemäß § 35 Abs. 2 Einkommensteuergesetz 1988 (EStG 1988) bestimmt sich die Höhe des Freibetrages nach dem Ausmaß der Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung). Die Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung) richtet sich in Fällen,

1. in denen Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden, nach der hiefür maßgebenden Einschätzung,

2. in denen keine eigenen gesetzlichen Vorschriften für die Einschätzung bestehen, nach § 7 und § 9 Abs. 1 des Kriegsopferversorgungsgesetzes 1957 bzw. nach der Einschätzungsverordnung, BGBl. II Nr. 261/2010, für die von ihr umfassten Bereiche.

Die Tatsache der Behinderung und das Ausmaß der Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung) sind durch eine amtliche Bescheinigung der für diese Feststellung zuständigen Stelle nachzuweisen. Zuständige Stelle ist:

? Der Landeshauptmann bei Empfängern einer Opferrente (§ 11 Abs. 2 des Opferfürsorgegesetzes, BGBl. Nr. 183/1947).

? Die Sozialversicherungsträger bei Berufskrankheiten oder

Berufsunfällen von Arbeitnehmern.

? In allen übrigen Fällen sowie bei Zusammentreffen von

Behinderungen verschiedener Art das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen; dieses hat den Grad der Behinderung durch Ausstellung eines Behindertenpasses nach §§ 40 ff des Bundesbehindertengesetzes, im negativen Fall durch einen in Vollziehung dieser Bestimmungen ergehenden Bescheid zu bescheinigen.

Daraus folgt:

4. Da der Beschwerdeführer mit Erreichen des 65. Lebensjahres, sohin ab dem 3.5.2004, nicht mehr zum Kreis der begünstigten Invaliden bzw. Behinderten gehörte und er in Besitz eines vor dem 1. Jänner 2001 ausgestellten Ausweises gemäß § 29b StVO war, der gemäß § 29b StVO mit dem 31.12.2015 seine Gültigkeit verlor, stellte er, wie er selbst ausführt, am 3.12.2015 einen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses und eines Ausweises nach § 29b StVO.

5. Somit hat die Einschätzung des Grades der Behinderung des Beschwerdeführers jedenfalls nach der Einschätzungsverordnung zu erfolgen.

6. Auch die Bestätigung der Minderung der Erwerbsfähigkeit des Bezirkspolizeikommissariates Donaustadt hat mittlerweile ihre Rechtsgrundlage verloren und handelt es sich dabei nicht um einen Nachweis im Sinne des § 41 Abs. 1 BBG. Demgemäß konnte diese Bestätigung nicht dem gegenständlichen Verfahren zugrunde gelegt werden.

7. Es erfolgt sohin die Feststellung des Grades der Behinderung des Beschwerdeführers erstmalig nach der (für den Beschwerdeführer) neuen Rechtslage. Daraus können im Übrigen die Unterschiede hinsichtlich der Einstufung resultieren.

8. Zur Frage der Berufskrankheit des Beschwerdeführers und zu seinen diesbezüglichen Ausführungen ist festzuhalten: Zumindest nach der derzeitigen Rechtslage ist es nicht zulässig die 20% Minderung der Erwerbsfähigkeit der Berufskrankheit zu den Prozenten der anderen Funktionseinschränkungen zu addieren. Es müsste vielmehr im Rahmen einer Begutachtung die Berufskrankheit untersucht und in der Folge beurteilt werden, ob sich aus dieser eine Funktionseinschränkung ergibt. Falls ja, würde dieser ein Grad der Behinderung zugeschätzt und dann geprüft werden müssen, ob durch die Berufskrankheit der Grad der Behinderung des Leidens Morbus Bechterew erhöht würde. Dafür müsste die Berufskrankheit einen negativen Einfluss auf das Leiden Morbus Bechterew haben.

9. Da der Beschwerdeführer jedoch deutlich zu verstehen gab, dass er keine weiteren Untersuchungen wünscht, und auch zum Parteiengehör vom 5.3.2018 keine Stellungnahme abgeben wollte, muss das Bundesverwaltungsgericht, wie in diesem Schreiben angekündigt vom bisher bekannten Sachverhalt ausgehen.

10. Das gegenständliche Sachverständigengutachten aufgrund der persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers am 10.2.2016 entspricht den formalen und inhaltlichen Voraussetzungen der Einschätzungsverordnung und wird, aus den unter 2.2. ff näher ausgeführten Gründen, der Entscheidung zugrunde gelegt.

11. Der Gesamtgrad der Behinderung des Beschwerdeführers beträgt, wie festgestellt 90%, da wie bereits oben unter 2.2. ausgeführt, vom Amtssachverständigen für Orthopädie in seinem Gutachten und seiner ergänzenden Stellungnahme schlüssig und nachvollziehbar die einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen entsprechend der Einschätzungsverordnung eingeschätzt wurden und der Grad des führenden Leidens (Morbus Bechterew) infolge eines wechselseitigen ungünstigen Zusammenwirkens mit Leiden 2 (Funktionseinschränkungen der Hüfte) um einen Grad erhöht wird.

12. Es war sohin spruchgemäß zu entscheiden.

Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung:

13. Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

14. Gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn

1. der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits aufgrund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder

2. die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist.

15. Gemäß § 24 Abs. 3 VwGVG hat der Beschwerdeführer die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden.

16. Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK), BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GRC), ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen.

17. Wurde - wie im vorliegenden Fall - kein entsprechender Antrag gestellt, ist die Frage, ob von Amts wegen eine Verhandlung durchgeführt wird, in das pflichtgemäße und zu begründende Ermessen des Verwaltungsgerichtes gestellt, wobei die in § 24 Abs. 2, 3, 4 und 5 VwGVG normierten Ausnahmebestimmungen als Anhaltspunkte der Ermessensübung anzusehen sind (vgl. zur insofern gleichartigen Regelungsstruktur des § 67d Abs. 1 und 2 bis 4 AVG [alte Fassung] die Darstellung bei Hengstschläger/Leeb, AVG [2007] § 67d Rz 17 und 29, mwH).

18. Unter dem Gesichtspunkt des Art. 6 EMRK (Art. 47 GRC) führte der Verwaltungsgerichtshof zur Frage der Durchführung einer beantragten mündlichen Verhandlung im Erkenntnis vom 16.12.2013, 2011/11/0180 (mit Hinweis auf EGMR 13.10.2011, Fexler gg. Schweden, Beschw. Nr. 36.801/06) aus, dass eine solche unterbleiben kann, wenn der Ausgang des Verfahrens vor allem vom Ergebnis der Gutachten medizinischer Sachverständiger abhängt und der Beschwerdeführer auch nicht behauptet, dass er den von der Behörde eingeholten Gutachten entgegentritt. Dies gilt nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichtes umso mehr für den Fall einer von den Parteien nicht beantragten mündlichen Verhandlung.

19. In diesem Zusammenhang wird auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) verwiesen, die im Bereich von Entscheidungen, die eher technischer Natur ("rather technical in nature") sind und deren Ausgang von schriftlichen medizinischen Sachverständigengutachten abhängt ("the outcome depended on the written medical opinions") unter Rücksichtnahme u.a. auf die genannten Umstände von der Zulässigkeit des Absehens einer mündlichen Verhandlung ausgeht, dies nicht nur im Verfahren vor dem jeweils zuständigen Höchstgericht, sondern auch in Verfahren vor dem als erste gerichtliche Tatsacheninstanz zuständigen (Verwaltungs)Gericht, dem die nachprüfende Kontrolle verwaltungsbehördlicher Entscheidungen zukommt (vgl. etwa EGMR [Unzulässigkeitsentscheidung] 22.05.2012, Osorio gg. Schweden, Beschw. Nr. 21.660/09, sowie VwGH 03.10.2013, 2012/06/0221, mit Hinweis auf EGMR 18.07.2013, Beschw. Nr. 56.422/09, Schädler-Eberle gg. Liechtenstein; EGMR 10.05.2007, Beschw. Nr. 7401/04, Hofbauer gg. Österreich Nr. 2; EGMR 03.05.2007, Beschw. Nr. 17.912/05, Bösch gg. Österreich).

20. Der im Beschwerdefall maßgebliche Sachverhalt ergibt sich aus dem im Verwaltungsverfahren eingeholten - vom erkennenden Gericht als schlüssig erachteten - Gutachten eines medizinischen Sachverständigen, dem der Beschwerdeführer weder auf gleicher fachlicher Ebene noch durch ein sonst substantiiertes Vorbringen entgegengetreten ist. Die strittigen Tatsachenfragen gehören ausschließlich dem Bereich zu, der von Sachverständigen zu beleuchten ist. All dies lässt die Einschätzung zu, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten ließ und eine Entscheidung ohne vorherige Verhandlung im Beschwerdefall nicht nur mit Art. 6 EMRK und Art. 47 GRC kompatibel ist, sondern auch im Sinne des Gesetzes (§ 24 Abs. 1 VwGVG) liegt, weil damit dem Grundsatz der Zweckmäßigkeit, Raschheit, Einfachheit und Kostenersparnis (§ 39 Abs. 2a AVG) gedient ist, gleichzeitig aber das Interesse der materiellen Wahrheit und der Wahrung des Parteiengehörs nicht verkürzt wird.

ZU B) Unzulässigkeit der Revision:

21. Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG) hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

22. Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

23. Vielmehr hängt die Entscheidung im Gegenstand von Tatsachenfragen ab. Maßgebend sind die Art des Leidens und das festgestellte Ausmaß der Funktionsbeeinträchtigungen.

Schlagworte

Behindertenpass, Grad der Behinderung, Rechtslage,
Sachverständigengutachten, Teilstattgebung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:W266.2124506.1.00

Zuletzt aktualisiert am

24.04.2018
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten