Index
L5 KulturrechtNorm
B-VG Art139 Abs1 / IndividualantragLeitsatz
Zurückweisung eines Individualantrags auf Aufhebung einer Verordnung betreffend Erklärung einer Aulandschaft zum Naturschutzgebiet wegen Zumutbarkeit des Verwaltungsrechtswegs im Wege des Antrags auf Erteilung einer AusnahmebewilligungSpruch
Der Antrag wird zurückgewiesen.
Begründung
Begründung:
I.1. Mit dem auf Art139 Abs1 B-VG gestützten Antrag wendet sich die antragstellende Partei gegen die "Verordnung der Bezirkshauptmannschaft Leibnitz vom 10. April 1995 über die Erklärung der Aulandschaft entlang der Sulm im Bereich der Gemeinden Wagna und Retznei zum Naturschutzgebiet (Pflanzen- und Tierschutzgebiet)", verlautbart in der Grazer Zeitung - Amtsblatt für die Steiermark vom 14. April 1995, Stück 15, Seite 215. Begehrt wird die Aufhebung der Verordnung zur Gänze, in eventu die Beschränkung der Aufhebung auf die im Eigentum der antragstellenden Partei stehenden Grundstücke.
2. Hinsichtlich der Antragslegitimation bringt die antragstellende Partei vor, sie sei grundbücherlicher Eigentümer mehrerer (näher bezeichneter) Grundstücke, welche Teil jenes Gebietes seien, das durch die angefochtene Verordnung zum Naturschutzgebiet erklärt wurde. Weiters führt sie aus:
"Durch die angefochtene Verordnung werden den Österreichischen Bundesbahnen als Liegenschaftseigentümer konkrete Rechtspflichten und Verbote auferlegt, die unmittelbar in die Rechtssphäre eingreifen, ohne daß es hiefür einer gesonderten behördlichen Entscheidung bedarf. Der Fall des Zuwiderhandelns ist mit der Verhängung von Verwaltungsstrafen bedroht."
Daher werde - so die antragstellende Partei weiter - durch die angefochtene Verordnung ein unmittelbarer Eingriff in die rechtlich geschützten Interessen der Antragsteller bewirkt. Ein anderer zumutbarer Rechtsweg als die Erhebung eines Individualantrages stehe zur Geltendmachung der Gesetzwidrigkeit der angefochtenen Verordnung nicht zur Verfügung.
3. Die Bezirkshauptmannschaft Leibnitz erstattete eine Äußerung, in der sie die Abweisung des Individualantrages begehrt.
II.Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:
1. Die zur Beurteilung des vorliegenden Falles relevanten
Bestimmungen der angefochtenen Verordnung lauten:
"§1
(1) Gemäß §5 Abs2 litc und Abs3 litb Steiermärkisches Naturschutzgesetz, LGBl. Nr. 65/1976, in der Fassung der Novelle 1985, LGBl. Nr. 79, wird die Aulandschaft entlang der Sulm in den Gemeinden Wagna und Retznei zwecks Erhaltung von Lebensräumen wie Fließgewässern, natürlichen stehenden Gewässern, Auwaldungen, Auwiesen, Einzelbäumen, Flurgehölzen und Hecken als Standort und Lebensraum gefährdeter Pflanzen- und Tierarten in dem in der Anlage festgelegten Ausmaß, mindestens jedoch innerhalb eines 5 m breiten, von der Böschungsoberkante landeinwärts gemessenen Uferstreifens, zum Naturschutzgebiet (Pflanzen- und Tierschutzgebiet) erklärt.
...
§2
Im Naturschutzgebiet sind nachstehende Handlungen verboten:
a) das Errichten oder Aufstellen bzw. Erweitern von Bauten und Anlagen aller Art;
b) die Vornahme von Ablagerungen oder Aufschüttungen aller Art, ausgenommen zur Erhaltung bestehender Wege; Asphaltierungen bisher nicht asphaltierter Flächen und Befestigungen mit Bauschutt sind jedenfalls verboten;
c) das Verändern der Beschaffenheit oder Gestalt des Bodens;
...
§3
Ausnahmen von den im §2 genannten Verboten können bewilligt werden, wenn der Eingriff dem Zweck des Schutzes nicht widerspricht."
2. a) Gemäß Art139 Abs1 letzter Satz B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über die Gesetzwidrigkeit von Verordnungen auch auf Antrag einer Person, die unmittelbar durch diese Gesetzwidrigkeit in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, sofern die Verordnung ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides für diese Person wirksam geworden ist. Dazu nahm der Gerichtshof seit seinen Beschlüssen VfSlg. 8009/1977 (der zur vergleichbaren Rechtslage nach Art140 B-VG erging) und VfSlg. 8058/1977 in ständiger Rechtsprechung den Standpunkt ein, die Antragslegitimation nach Art139 Abs1 B-VG setze voraus, daß durch die bekämpfte Bestimmung die (rechtlich geschützten) Interessen des Antragstellers nicht bloß potentiell, sondern aktuell beeinträchtigt werden. Der durch Art139 Abs1 B-VG dem einzelnen eingeräumte Rechtsbehelf ist dazu bestimmt, Rechtsschutz gegen rechtswidrige Verordnungen nur insoweit zu gewähren, als ein anderer zumutbarer Weg hiefür nicht zur Verfügung steht (zB VfSlg. 11726/1988, 12799/1991).
b) Ein solcher zumutbarer Weg steht im vorliegenden Fall offen. Der antragstellenden Partei stünde es im Hinblick auf ihr Grundeigentum frei, gemäß §3 der angefochtenen Verordnung (entspricht §5 Abs6 des Steiermärkischen Naturschutzgesetzes 1976) eine Ausnahmebewilligung zu begehren und eine allfällige abweisende Entscheidung - nach Erschöpfung des Instanzenzuges - beim Verfassungsgerichtshof in Beschwerde zu ziehen und in deren Rahmen die gegen die Gesetzmäßigkeit der Verordnung sprechenden Bedenken darzulegen. Irgendwelche Umstände, die das Beschreiten dieses Weges als unzumutbar erscheinen ließen, sind nicht zu erkennen. Der Verfassungsgerichtshof verweist in diesem Zusammenhang beispielsweise auf seine Beschlüsse VfSlg. 9724/1983 und 11554/1987, in welchen er ebenfalls im Hinblick auf die in der zitierten Gesetzesbestimmung vorgesehene Ausnahmebewilligung die Berechtigung zur Anfechtung einer Naturschutzverordnung verneint hat.
3. Der antragstellenden Partei mangelt es demzufolge an der Legitimation zur Stellung des vorliegenden Individualantrages. Der Antrag war daher gemäß §19 Abs3 Z2 lite VerfGG in nichtöffentlicher Sitzung als unzulässig zurückzuweisen.
Schlagworte
Naturschutz, Naturschutzgebiete, VfGH / IndividualantragEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1997:V32.1996Dokumentnummer
JFT_10028872_96V00032_00