Index
E3L E09301000;Norm
31977L0388 Umsatzsteuer-RL 06te Art13 TeilB litb;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fuchs und die Hofräte Dr. Nowakowski, MMag. Maislinger und Mag. Novak sowie die Hofrätin Dr. Reinbacher als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Karlovits, LL.M., über die Revision des Finanzamts Wien 2/20/21/22 in 1220 Wien, Dr. Adolf Schärf-Platz 2, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom 24. Oktober 2014, Zl. RV/7100337/2010, betreffend Umsatzsteuer 2008 (mitbeteiligte Partei: G W in W, vertreten durch die WTH Veltze, Mares & Partner KG in 1200 Wien, Dresdner Straße 87/A21), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
1 Der Mitbeteiligte erklärte für das Streitjahr 2008 neben Erlösen aus der Bootsvermietung auch Erlöse aus der Vermietung sogenannter "Kabanen" (containerartiger Badehütten), wobei er letztere - unter der Annahme, dass eine Vermietung von Grundstücken für Wohnzwecke iSd § 10 Abs. 2 Z 4 lit. a UStG 1994 vorliege - mit dem Umsatzsteuersatz von 10 % versteuerte.
2 Mit Bescheid vom 2. Dezember 2009 setzte das Finanzamt die Umsatzsteuer für 2008 nach § 200 Abs. 1 BAO vorläufig fest, wobei es die aus der Kabanenvermietung erzielten Erlöse dem Umsatzsteuersatz von 20 % unterwarf. Zur Begründung führte das Finanzamt - unter Hinweis auf Ruppe, UStG3, § 10 Tz 63 - aus, eine Vermietung zu Wohnzwecken liege nur dann vor, wenn die vermieteten abgeschlossenen Räume privates Leben, insbesondere Nächtigungen, ermöglichten. Eine Befriedigung des Wohnbedürfnisses müsse auf Dauer möglich sein. Eine ganzjährige Bewohnbarkeit sei bei bloßen Baracken oder Containern von einfacher Ausstattung aber nicht gegeben. Ein dauerhaftes Wohnen sei auf einer Fläche von 8 m2 nicht denkbar. Daher liege keine Vermietung zu Wohnzwecken vor. Darüber hinaus handle es sich nach der Verkehrsauffassung bei Containern, seien sie auch fest mit einem Betonfundament verschraubt, nicht um Gebäude, sodass auch die unechte Steuerbefreiung nach § 6 Abs. 1 Z 16 UStG 1994 nicht zur Anwendung komme. Vielmehr seien die Container in Größe und Erscheinungsbild den üblicherweise auf Baustellen eingesetzten Bauhütten ähnlich, sodass vom Vorliegen einer Betriebsanlage (Betriebsvorrichtung) auszugehen sei. Die Vermietung einer solchen unterliege dem Normalsteuersatz von 20 %.
3 In der dagegen erhobenen Berufung vom 7. Jänner 2010 hielt der Mitbeteiligte daran fest, dass die Vermietung der Kabanen als Vermietung von Grundstücken für Wohnzwecke dem 10 %igen Steuersatz nach § 10 Abs. 2 Z 4 lit. a UStG 1994 unterliege. Die vermieteten Räume seien abgeschlossen und ermöglichten privates Leben. Sie seien beheizbar, zum Teil klimatisiert und verfügten über Schlaf- und teilweise auch Kochgelegenheiten. Das Wohnbedürfnis könne damit nicht nur theoretisch befriedigt werden, sondern werde damit auch faktisch befriedigt. So wohnten mehrere Mieter entweder wochenweise oder über das Wochenende in den Kabanen. Auch sei aufgrund der Mietverträge eine andere Nutzung der Kabanen als zu Wohnzwecken gar nicht möglich. Nach Ruppe (aaO) komme es nicht darauf an, ob das Wohnbedürfnis auf Dauer oder nur vorübergehend, etwa im Zusammenhang mit der Freizeitgestaltung, befriedigt werde. Im Übrigen sei eine ganzjährige Nutzung der Kabanen möglich, weil die Wasserversorgung ganzjährig gewährleistet sei, auch wenn von dieser Möglichkeit faktisch kein Gebrauch gemacht werde. Soweit das Finanzamt die geringe Größe der Kabanen ins Treffen führe, sei auf die ebenfalls geringe Größe von Wohnwägen zu verweisen. Diese seien umsatzsteuerrechtlich eindeutig "zu Wohnzwecken" geeignet. Im Übrigen gebe es Mieter, die mehr als eine Kabane gemietet und somit 16 m2 zur Verfügung hätten, wobei die Nassräume nicht inkludiert seien. Es sei die Intention des Gesetzgebers gewesen, durch den ermäßigten Steuersatz von 10 % das Grundbedürfnis "Wohnen" steuerlich zu entlasten. Dieser Begriff sei sehr weit gefasst, sodass auch Campingplätze, eine Frühstückspension inklusive Frühstück, eine Almhütte, eine Eigentumswohnung oder ein bewohntes Innenstadtpalais darunter zu subsumieren seien. Dass "ausgerechnet Kabanen an der alten Donau" nicht darunter fielen, stehe nicht im Einklang mit der Intention des Gesetzgebers.
4 Im Rahmen einer Vorhaltsbeantwortung vom 5. Mai 2014 gab der Mitbeteiligte dem Bundesfinanzgericht bekannt, dass die Kabanen auf Betonfundamenten mit Stahlbewehrung aufgesetzt seien. Sie seien durch Versorgungs- und Entsorgungsleitungen (Strom, Wasser, Kanal) mit dem Grund und Boden verbunden. Es sei möglich, die Außenhaut ohne Zerstörung der Substanz zu demontieren. Wesentliche Teile, wie Stromanschlüsse, Zu- und Abwasserleitungen seien nicht ohne Verletzung der Substanz demontierbar. Die Verbringung der Kabanen an einen anderen Ort (einschließlich der Wiederherstellung der Strom- und Wasserversorgung sowie der Abwasserentsorgung) würde extrem hohe Kosten verursachen. Für die Demontage der (insgesamt 14) Kabanen seien vier Mann und ein Mobilkranfahrer, für den Abtransport sechs Sattelschlepper notwendig.
5 Weiters legte der Mitbeteiligte als Beispiel einen Mietvertrag vor, der auszugsweise wie folgt lautet:
"(...)
Mietgegenstand
Der Vermieter vermietet und übergibt dem Mieter die am
Gelände der Bootsvermietung gelegene Kabane Nr.: 9 nur für
Wohnzwecke.
Mietdauer
Gegenständlicher Vertrag berechtigt den Mieter, die vertragsgegenständliche Kabane während der Vertragsdauer zu nutzen. Der Mietvertrag wird auf unbestimmte Zeit abgeschlossen und kann von beiden Vertragsparteien jeweils zum 1 März unter Einhaltung einer sechswöchigen Kündigungsfrist ohne Angaben von Gründen aufgekündigt werden.
Mietzins
Der Mietzins beträgt für das Jahr 2007 EUR 1.300,-- inklusive Umsatzsteuer (...). Der für die jeweilige Badesaison gültige Mietzins wird dem Mieter schriftlich vom Vermieter zu Beginn jeden Jahres bekannt gegeben. (...)
(...)
Strom
Der Stromverbrauch der Kabane wird jährlich mittels Subzähler
per 30. September abgerechnet.
(...)
Rechte und Pflichten des Mieters
Stamm- und Mitbenutzungskarten berechtigen den Mieter bzw. den berechtigten Mitbenutzer, die Kabane Tag und Nacht zu nutzen. Die Benutzung der Kabane darf nur in jener Art erfolgen, dass das Gebrauchsrecht anderer Kabanenmieter und Mitbenutzer, sowie Gästen weder beeinträchtigt noch gestört wird. Insbesondere ist darauf zu achten, dass ab 22.00 Uhr die Nachtruhe einzuhalten ist. Tagsüber ist der Betrieb von Ton- und Bildabgabegeräten nur in Zimmerlautstärke erlaubt. Die Kabanenmieter und Mitbenutzer haben jegliche Lärmbelästigung zu vermeiden. Jede Geschäftstätigkeit und das Anbringen von Reklame ist verboten.
Der Mieter ist verpflichtet, den Platz vor seiner Kabane in sauberen Zustand zu halten. Der Müll sowie Abfälle sind nur in die dafür bestimmten Gefäße zu entsorgen. Das Waschen und Aufhängen der Badewäsche ist erlaubt. Andere Wäschestücke dürfen im Kabanenbereich nicht gewaschen oder getrocknet werden. (...)
(...)"
6 In einem weiteren Schriftsatz vom 10. Juni 2014 führte der Mitbeteiligte ergänzend aus, das einzige Argument des Finanzamts bestehe darin, dass ein dauerhaftes Wohnen auf einer Fläche von 8 m2 in einem einfach ausgestatteten Container nicht möglich sei. Die Kabanen seien aber nicht einfach ausgestattet, sondern verfügten über Schlafgelegenheiten, Zu- und Abwasser, einen Stromanschluss und eine Kochnische. Damit seien sie aber besser ausgestattet als manche Almhütte. Weiters legte der Mitbeteiligte Fotos der Kabanen Nr. 4 bis 6 vor, welche an eine Person vermietet seien, sodass dieser 23 m2 (inklusive WC und Dusche) zur Verfügung stünden.
7 Mit Schreiben vom 26. August 2014 teilte der Magistrat der Stadt Wien dem Bundesfinanzgericht mit, dass nach der Wiener Bauordnung ein Benützungsbewilligungsbescheid nicht vorgesehen sei, die Kabanen aber nach Vorlage einer vollständig belegten Fertigstellungsanzeige ganzjährig benützt werden könnten.
8 Mit Schreiben vom 14. Oktober 2014 brachte das Bundesfinanzgericht zur Wahrung des Parteiengehörs dem Finanzamt die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens zusammengefasst zur Kenntnis. Unter Hinweis auf die ohnehin im Akt befindlichen Unterlagen verzichtete das Finanzamt auf eine weitere Stellungnahme.
9 Mit Erkenntnis vom 24. Oktober 2014 gab das Bundesfinanzgericht der (als Beschwerde zu behandelnden) Berufung des Mitbeteiligten statt und unterwarf die Erlöse aus der Kabanenvermietung dem Umsatzsteuersatz von 10 %. In der Begründung führte das Bundesfinanzgericht aus, die vom Mitbeteiligten vermieteten Kabanen seien auf Betonfundamenten aufgesetzt. Da die Kabanen durch die Ver- und Entsorgungsleitungen fest mit dem Boden verbunden seien, könnten sie nicht leicht demontiert und versetzt werden. Ein Abbau der Kabanen sei nur unter Einsatz hoher Kosten möglich. Stromanschlüsse, Zu- und Abwasserleitungen könnten nicht ohne Verletzung der Substanz demontiert werden. Laut Auskunft der Baupolizei könnten die Kabanen ganzjährig benutzt werden.
10 Aus dem Urteil des EuGH vom 16. Jänner 2003, Maierhofer, C-315/00, folge, dass die in Art. 135 Abs. 1 Buchst. l der Richtlinie 2006/112/EG (im Folgenden: MwStSystRL) vorgesehene Befreiung für die "Vermietung und Verpachtung von Grundstücken" eine eigenständige unionsrechtliche Definition erfordere. Für die Auslegung dieses Begriffs könne nicht auf das Zivilrecht eines Mitgliedstaats zurückgegriffen werden. Da der Gemeinschaftsgesetzgeber die Vermietung beweglicher Gegenstände der Umsatzbesteuerung unterwerfen wolle, komme es lediglich darauf an, ob das vermietete Gebäude aus einer in das Erdreich eingelassenen Konstruktion bestehe. Um ein Gebäude handle es sich aber nur dann, wenn die Konstruktion nicht leicht demontiert und versetzt werden könne. Auch nach dem Urteil des EuGH vom 4. Oktober 2001, Goed Wonen, C-326/99, sei der Grundstücksbegriff bzw. der Begriff "Vermietung und Verpachtung von Grundstücken" unionsrechtlicher Natur und gehe weiter als die entsprechenden Begriffe des nationalen Rechts. Daher könne auch die Vermietung nur vorübergehend fest mit dem Grund und Boden verbundener Gebäude durchaus der Umsatzsteuerbefreiung unterliegen. Im Urteil vom 3. Juli 1997, Kommission/Frankreich, C-60/96, habe der EuGH entschieden, dass eine nationale Rechtsvorschrift, welche die der Vermietung von Grundstücken vorbehaltene Mehrwertsteuerbefreiung auf die Vermietung bestimmter beweglicher Gegenstände erstrecke, gegen Art. 13 Teil B Buchst. b der 6. EG-RL (bzw. Art. 135 Abs. 1 Buchst. l MwStSystRL) verstoße. Diese als bewegliche Gegenstände qualifizierten Güter seien, so der EuGH, dadurch gekennzeichnet gewesen, dass sie entweder mobil (Wohnanhänger und Mobilheime) oder leicht versetzbar (Zelte und leichte Freizeitunterkünfte) gewesen seien. Das Bundesfinanzgericht gelangte aufgrund der getroffenen Feststellungen zum Ergebnis, dass im Lichte der Judikatur des EuGH bei den streitgegenständlichen Kabanen von einer Grundstücksvermietung iSd Art. 135 Abs. 1 Buchst. l MwStSystRL auszugehen sei.
11 Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes dienten Grundstücke Wohnzwecken iSd § 10 Abs. 2 Z 4 lit. a UStG 1994, wenn sie dazu bestimmt seien, in abgeschlossenen Räumen, einschließlich Nebenräumen, privates Leben zu ermöglichen, und sie Menschen somit auf Dauer Aufenthalt und Unterkunft gewährten. Die vom Mitbeteiligten vermieteten Kabanen seien mit einer Schlaf-, Wasch- und Kochgelegenheit ausgestattet. Die Wasser- und Energieversorgung sei ganzjährig möglich. Die Kabanen dürften nach Auskunft der Baubehörde auch ganzjährig benutzt werden. Sie ermöglichten privates Leben und würden den Mietern auf Dauer Aufenthalt und Unterkunft geben. Der Ansicht des Finanzamts, wonach aufgrund der Fläche von 8 m2 dauerhaftes Wohnen nicht möglich sei, könne daher nicht gefolgt werden.
12 Das Bundesfinanzgericht erklärte die Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG für zulässig, weil Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage, ob Kabanen unter den Grundstücksbegriff des § 6 Abs. 1 Z 16 UStG 1994 zu subsumieren seien, fehle. Darüber hinaus bestehe auch noch keine Rechtsprechung zur Frage, ob die Vermietung von Kabanen als Vermietung zu Wohnzwecken iSd § 10 Abs. 2 Z 4 lit. a UStG 1994 zu qualifizieren sei und dem ermäßigten Steuersatz unterliege.
13 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die ordentliche Revision des Finanzamts, über die der Verwaltungsgerichtshof (der Mitbeteiligte hat eine Revisionsbeantwortung - ohne Kostenbegehren - erstattet) erwogen hat:
14 Die Revision ist zulässig, aber nicht begründet. 15 § 6 Abs. 1 Z 16 UStG 1994, BGBl. Nr. 663/1994
idF BGBl. I Nr. 134/2003, lautet:
"(1) Von den unter § 1 Abs. 1 Z 1 fallenden Umsätzen sind steuerfrei:
(...)
16. die Vermietung und Verpachtung von Grundstücken, von
Berechtigungen, auf welche die Vorschriften des bürgerlichen Rechts über Grundstücke Anwendung finden, und von staatlichen Hoheitsrechten, die sich auf die Nutzungen von Grund und Boden beziehen; die Überlassung der Nutzung an Geschäftsräumen und anderen Räumlichkeiten auf Grund von Nutzungsverträgen ist als Vermietung oder Verpachtung von Grundstücken anzusehen. Nicht befreit sind:
- die Vermietung (Nutzungsüberlassung) von Grundstücken für
Wohnzwecke;
- die Vermietung und Verpachtung von Maschinen und
sonstigen Vorrichtungen aller Art, die zu einer Betriebsanlage
gehören, auch wenn sie wesentliche Bestandteile eines Grundstückes
sind;
- die Beherbergung in eingerichteten Wohn- und Schlafräumen;
- die Vermietung (Nutzungsüberlassung) von Räumlichkeiten
oder Plätzen für das Abstellen von Fahrzeugen aller Art;
- die Vermietung (Nutzungsüberlassung) von Grundstücken für
Campingzwecke;"
16 § 10 Abs. 2 Z 4 lit. a UStG 1994, BGBl. Nr. 663/1994, lautet:
"(2) Die Steuer ermäßigt sich auf 10 % für
(...)
4. a) die Vermietung (Nutzungsüberlassung) von Grundstücken für Wohnzwecke, ausgenommen eine als Nebenleistung erbrachte Lieferung von Wärme;"
17 Art. 135 der Richtlinie des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (2006/112/EG) lautet auszugsweise:
"(1) Die Mitgliedstaaten befreien folgende Umsätze von der Steuer:
(...)
l) Vermietung und Verpachtung von Grundstücken.
(2) Die folgenden Umsätze sind von der Befreiung nach
Absatz 1 Buchstabe l ausgeschlossen:
a) Gewährung von Unterkunft nach den gesetzlichen
Bestimmungen der Mitgliedstaaten im Rahmen des Hotelgewerbes oder
in Sektoren mit ähnlicher Zielsetzung, einschließlich der
Vermietung in Ferienlagern oder auf Grundstücken, die als
Campingplätze erschlossen sind;
b) Vermietung von Plätzen für das Abstellen von Fahrzeugen;
c) Vermietung von auf Dauer eingebauten Vorrichtungen und
Maschinen;
d) Vermietung von Schließfächern.
Die Mitgliedstaaten können weitere Ausnahmen von der Befreiung nach Absatz 1 Buchstabe l vorsehen."
18 Art. 117 Abs. 2 MwStSystRL lautet:
"(2) Österreich darf auf die Vermietung von Grundstücken für Wohnzwecke einen der beiden ermäßigten Sätze des Artikels 98 anwenden, sofern dieser Satz mindestens 10 % beträgt."
19 Nach § 6 Abs. 1 Z 16 UStG 1994 ist die Vermietung und Verpachtung von Grundstücken unecht steuerbefreit. Unionsrechtlich beruht diese Bestimmung auf Art. 135 Abs. 1 Buchst. l MwStSystRL (bzw. vor ihrem Inkrafttreten ab 1. Jänner 2007 auf Art. 13 Teil B Buchst. b der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern - Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage (im Folgenden: 6. EG-RL)).
20 Wie der EuGH wiederholt ausgesprochen hat, sind die in Art. 13 der 6. EG-RL vorgesehenen Befreiungen eigenständige Begriffe des Unionsrechts, die eine einheitliche unionsrechtliche Definition erfordern. Für die Auslegung des Begriffs "Vermietung von Grundstücken" iSd Art. 135 Abs. 1 Buchst. l MwStSystRL (bzw. Art. 13 Teil B Buchst. b der 6. EG-RL) kann daher nicht auf das nationale Recht eines Mitgliedstaats zurückgegriffen werden (vgl. EuGH 16.1.2003, Maierhofer, C-315/00, Rn. 25f; EuGH 15.11.2012, Leichenich, C-532/11, Rn. 17; VwGH 30.10.2003, 2000/15/0109, VwSlg 7874/F).
21 Aus Art. 135 Abs. 1 Buchst. l MwStSystRL (bzw. Art. 13 Teil B Buchst. b 6. EG-RL) folgt, dass der Unionsgesetzgeber im Gegensatz zur Vermietung von Grundstücken, die grundsätzlich steuerfrei sein soll, die Vermietung beweglicher Gegenstände der Besteuerung unterwerfen wollte (vgl. EuGH 16.1.2003, Maierhofer, C-315/00, Rn. 29; Ruppe/Achatz, UStG5, § 6 Tz 384; Rattinger in Melhardt/Tumpel, UStG2, § 6 Rz 484). So hat der EuGH im Urteil vom 3. Juli 1997, Kommission/Frankreich, C-60/96, eine Anwendung der Steuerbefreiung des Art. 13 Teil B Buchst. b 6. EG-RL (Art. 135 Abs. 1 Buchst. l MwStSystRL) auf die Vermietung beweglicher Gegenstände, die mobil (Wohnanhänger, Mobilheime) oder leicht versetzbar (Zelte, leichte Freizeitunterkünfte) sind, verneint (EuGH 16.1.2003, Maierhofer, C-315/00, Rn. 31f).
22 Im Gegensatz dazu ist der EuGH im Urteil vom 16. Jänner 2003, Maierhofer, C-315/00, zum Ergebnis gelangt, dass die Vermietung eines Gebäudes, das aus Fertigteilen errichtet wird, die so in das Erdreich eingelassen werden, dass sie weder leicht demontiert noch leicht versetzt werden können, eine Vermietung von Grundstücken iSd Art. 135 Abs. 1 Buchst. l MwStSystRL (Art. 13 Teil B Buchst. b 6. EG-RL) darstellt, auch wenn dieses Gebäude nach Beendigung des Mietvertrags entfernt und auf einem anderen Grundstück wieder verwendet werden soll. Der EuGH maß dem Umstand, dass die Gebäude weder mobil noch leicht versetzbar waren, entscheidende Bedeutung zu. Nach den Feststellungen des vorlegenden Gerichts standen die Gebäude auf Betonsockeln, die auf einem in das Erdreich eingelassenen Betonfundament errichtet worden waren. Zwar konnten sie nach Beendigung des Mietvertrages zwecks späterer Wiederverwendung demontiert werden, jedoch nur unter Einsatz "von acht Personen während zehn Tagen". Nach Ansicht des EuGH seien solche Gebäude, die aus in das Erdreich eingelassenen Konstruktionen bestünden, Grundstücke. Hierfür komme es darauf an, dass die Konstruktionen nicht leicht demontiert und versetzt werden könnten. Nicht entscheidend sei etwa, ob die Konstruktion untrennbar mit dem Boden verbunden sei. Auch die Dauer des Mietvertrags sei für die Beantwortung der Frage, ob es sich bei den fraglichen Gebäuden um bewegliche Gegenstände oder Grundstücke handle, nicht entscheidend (vgl. EuGH 16.1.2003, Maierhofer, C-315/00, Rn. 32 ff).
23 Im Urteil vom 15. November 2012, Leichenich, C- 532/11, kam der EuGH zum Ergebnis, dass die Verpachtung eines Hausboots einschließlich der dazugehörenden Liegefläche und Steganlage als Vermietung und Verpachtung von Grundstücken iSd Art. 135 Abs. 1 Buchst. l MwStSystRL (Art. 13 Teil B Buchst. b 6. EG-RL) anzusehen ist. Für diese Beurteilung war nach Ansicht des EuGH maßgeblich, dass das Hausboot mit nicht leicht zu lösenden Befestigungen (Leinen, Ketten, Ankern), die am Ufer und am Grund des Gewässers angebracht waren, ortsfest gehalten wurde, es an einem abgegrenzten und identifizierbaren Liegeplatz im Gewässer lag, es an verschiedene Netze (Telefon, Strom, Wasser) angeschlossen war und nach dem Pachtvertrag ausschließlich zur auf Dauer angelegten Nutzung an diesem Liegeplatz (als Restaurant bzw. Diskothek) bestimmt war.
24 Aus der Judikatur des EuGH folgt somit im Ergebnis, dass auch an sich bewegliche Gegenstände, die auf Dauer an einem Ort genutzt werden sollen, so am Boden befestigt werden können, dass sie unbeweglich werden. Selbst wenn es möglich ist, sie aufgrund ihres mobilen Charakters später wieder zu bewegen, sind sie als Grundstück anzusehen, solange sie immobilisiert sind und sich nicht leicht, d.h. nicht ohne Aufwand und erhebliche Kosten entfernen lassen (vgl. nochmals EuGH 15.11.2012, Leichenich, C-532/11, Rn. 23; sowie die "Erläuterungen zu den 2017 in Kraft tretenden EU-Mehrwertsteuerbestimmungen zum Ort der Dienstleistung im Zusammenhang mit Grundstücken (Durchführungsverordnung (EU) Nr. 1042/2013)", Rn. 78).
25 Ausgehend von dieser Judikatur des EuGH ist dem Bundesfinanzgericht nicht entgegen zu treten, wenn es aufgrund der von ihm getroffenen Feststellungen, wonach die streitgegenständlichen (an der Alten Donau gelegenen) Kabanen auf (in das Erdreich eingelassenen) Betonfundamenten aufgesetzt, durch Ver- und Entsorgungsleitungen (Wasser, Strom, Kanal) fest mit dem Boden verbunden sind und ein Abbau der Kabanen nur unter Einsatz hoher Kosten möglich ist, zum Ergebnis gelangt ist, dass eine Vermietung von Grundstücken vorliegt. Im Übrigen ist nach der Judikatur des EuGH (vgl. EuGH 16.1.2003, Maierhofer, C- 315/00, Rn. 33) nicht entscheidend, ob die Konstruktion untrennbar mit dem Boden verbunden (in diesen "eingelassen") ist. Die in diesem Zusammenhang in der Amtsrevision gerügte Aktenwidrigkeit erschließt sich dem Verwaltungsgerichtshof nicht, hat das Bundesfinanzgericht doch lediglich - gestützt auf die in der Amtsrevision genannte Vorhaltsbeantwortung des Mitbeteiligten vom 5. Mai 2014 - die Feststellung getroffen, dass die Ver- und Entsorgungsleitungen (nicht aber die Außenhaut der Kabanen) nicht ohne Substanzverletzung demontiert werden könnten.
26 Soweit in der Amtsrevision die Ansicht vertreten wird, dass es sich bei den streitgegenständlichen Kabanen nicht um Gebäude, sondern um Betriebsvorrichtungen handle, ist dem entgegen zu halten, dass die streitgegenständlichen Kabanen nach den Feststellungen des Bundesfinanzgerichts offenkundig dazu geeignet sind, aufgrund ihrer räumlichen Umfriedung Schutz vor äußeren Einflüssen zu gewähren, den Zutritt von Menschen gestatten, mit dem Grund und Boden fest verbunden und von einiger Beständigkeit sind (vgl. VwGH 31.7.2012, 2008/13/0117, VwSlg 8738/F, mwN; zur grundsätzlichen Maßgeblichkeit dieser im Bewertungsrecht entwickelten Einstufung vgl. Ruppe/Achatz, UStG4, § 6 Tz 209, zur Rechtslage vor dem Inkrafttreten des Art. 13b der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 1042/2013 mit 1. Jänner 2017). Im Übrigen ist das Bundesfinanzgericht aufgrund der von ihm getroffenen Feststellungen zum Ergebnis gelangt, dass die Kabanen aufgrund ihrer konkreten Ausführung nicht leicht demontiert und versetzt werden können, sodass eine Vergleichbarkeit mit bloßen Bauhütten nicht gegeben ist.
27 Nach § 10 Abs. 2 Z 4 lit. a UStG 1994 unterliegt die Vermietung (Nutzungsüberlassung) von Grundstücken für Wohnzwecke dem ermäßigten Steuersatz von 10 %. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes dienen Grundstücke Wohnzwecken dann, wenn sie dazu bestimmt sind, in abgeschlossenen Räumen privates Leben, speziell auch Nächtigung, zu ermöglichen, wenn sie somit Menschen auf Dauer Aufenthalt und Unterkunft gewähren (vgl. VwGH 25.6.2014, 2010/13/0119, VwSlg 8920/F, mwN). Ob das Wohnbedürfnis auf Dauer oder nur vorübergehend etwa im Zusammenhang mit Urlaub oder Freizeitgestaltung befriedigt wird, ist unerheblich. Maßgeblich ist, ob das Wohnbedürfnis auf Dauer bzw. auf längere Sicht befriedigt werden kann.
28 Das Bundesfinanzgericht hat im angefochtenen Erkenntnis die Feststellung getroffen, dass die im vorliegenden Fall zu beurteilenden 8 m2 großen Kabanen mit einer Schlaf-, Wasch- und Kochgelegenheit ausgestattet seien. Die Wasser- und Energieversorgung sei ganzjährig möglich. Die Kabanen dürften auch nach Auskunft der Baubehörde ganzjährig benutzt werden. Wenn das Bundesfinanzgericht ausgehend von diesen Feststellungen, auch wenn die tatsächliche Nutzung im Wesentlichen nur in der "Badesaison" stattfand, im Ergebnis eine Vermietung zu Wohnzwecken iSd § 10 Abs. 2 Z 4 lit. a UStG 1994 bejaht, vermag der Verwaltungsgerichtshof darin keine Rechtswidrigkeit zu erblicken.
29 Die Revision war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Wien, am 21. März 2018
Gerichtsentscheidung
EuGH 62000CJ0315 Maierhofer VORABEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2018:RO2015130004.J00Im RIS seit
24.04.2018Zuletzt aktualisiert am
27.11.2018