Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Univ.-Prof. Dr. Neumayr als Vorsitzenden sowie die Hofrätin Dr. Fichtenau und den Hofrat Mag. Ziegelbauer als weitere Richter (Senat gemäß § 11a Abs 3 ASGG) in der Sozialrechtssache der klagenden Partei H*****, verstorben am *****, zuletzt wohnhaft: *****, gegen die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt, 1021 Wien, Friedrich-Hillegeist-Straße 1, wegen Berufsunfähigkeitspension, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Fortsetzungswerberin H*****, vertreten durch Mag. Johann Juster, Rechtsanwalt in Zwettl, gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 5. September 2017, GZ 10 Rs 67/17x-89, mit dem der Rekurs der Fortsetzungswerberin gegen den Beschluss des Landesgerichts Krems an der Donau als Arbeits- und Sozialgericht vom 5. April 2017, GZ 41 Cgs 29/12s-81, als verspätet zurückgewiesen wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der außerordentliche Revisionsrekurs wird gemäß § 526 Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Text
Begründung:
Mit Beschluss vom 5. 4. 2017 (ON 81) wies das Erstgericht (Landesgericht Krems an der Donau) den Antrag der Ehegattin des verstorbenen Klägers auf Fortsetzung des nach dem Tod des Klägers gemäß § 76 Abs 1 ASGG unterbrochenen Verfahrens ab.
Dieser Beschluss wurde der – damals noch unvertretenen – Fortsetzungswerberin am 3. 5. 2017 durch Hinterlegung zugestellt. Am letzten Tag der Rekursfrist, dem 17. 5. 2017, überreichte die Fortsetzungswerberin beim Bezirksgericht Waidhofen an der Thaya ein als „Rekurs“ betiteltes Schreiben samt Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe. Dieses Schreiben und der Verfahrenshilfeantrag langten am 18. 5. 2017 beim Erstgericht ein. Die Fortsetzungswerberin hatte zum damaligen Zeitpunkt weder Wohnsitz noch Aufenthalt im Bezirksgerichtssprengel Krems an der Donau, aber auch nicht im Sprengel des Bezirksgerichts Waidhofen an der Thaya.
Das Erstgericht bewilligte der Fortsetzungswerberin nach Durchführung eines Verbesserungsverfahrens die Verfahrenshilfe mit Beschluss vom 27. 6. 2017 (ON 85). Der der Fortsetzungswerberin beigestellte Verfahrenshelfer brachte am 12. 7. 2017 beim Erstgericht den Rekurs gegen den Beschluss vom 5. 4. 2017 (ON 81) ein.
Das Rekursgericht wies den Rekurs als verspätet zurück. Die Fortsetzungswerberin habe den mit einem schriftlichen Rekurs verbundenen Antrag auf Verfahrenshilfe bei einem nicht zuständigen Gericht schriftlich eingereicht, er sei nicht innerhalb der Rekursfrist beim zuständigen Gericht eingelangt. Die durch die Versäumung der Rekursfrist eingetretene Rechtskraft der Entscheidung des Erstgerichts werde auch durch die später vom Erstgericht bewilligte Verfahrenshilfe nicht beseitigt. Der Revisionsrekurs sei mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage im Sinn des § 528 Abs 1 ZPO nicht zulässig.
Mit ihrem außerordentlichen Revisionsrekurs zeigt die Fortsetzungswerberin keine Korrekturbedürftigkeit der Entscheidung des Rekursgerichts auf.
Rechtliche Beurteilung
1. Das Rekursgericht hat die Rechtsprechung beachtet, wonach ein erst nach Ablauf der Rechtsmittelfrist gestellter Verfahrenshilfeantrag die Rechtsmittelfrist auch dann nicht unterbricht (nicht unterbrechen kann), wenn das Erstgericht die Verfahrenshilfe bewilligt und einen Rechtsanwalt beigegeben hat (10 ObS 140/91, SSV-NF 5/57; 10 ObS 185/10v; RIS-Justiz RS0036235 [T6, T11]; E. Kodek in Rechberger, ZPO4 § 464 Rz 4 Abs 1 aE).
2. Es kommt entgegen der Rechtsansicht der Revisionsrekurswerberin nicht darauf an, dass § 464 Abs 3 ZPO keine Regelung enthält, bei welchem Gericht die Verfahrenshilfe zu beantragen ist, weil sich dies, worauf das Rekursgericht hingewiesen hat, aus § 65 ZPO und – im konkreten Fall – § 39 Abs 2 Z 2 ASGG ergibt. Die Rechtsansicht des Rekursgerichts, dass das Bezirksgericht Waidhofen an der Thaya nicht zuständig zur Entgegennahme eines schriftlichen Verfahrenshilfeantrags der Fortsetzungswerberin war, weil diese zum Zeitpunkt der Einreichung ihres Verfahrenshilfeantrags weder ihren Wohnsitz noch ihren gewöhnlichen Aufenthalt noch ihren Beschäftigungsort im Sprengel dieses Bezirksgerichts hatte, wird von der Fortsetzungswerberin nicht in Frage gestellt.
3. Von der Fortsetzungswerberin behauptete unrichtige Auskünfte von Mitarbeitern des Bezirksgerichts, auf die sie vertraut habe, ändern nichts an der Versäumung der Rekursfrist. Sie können allenfalls, bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen, zu Schadenersatzansprüchen nach dem AHG führen (RIS-Justiz RS0113363, RS0113365), was aber nicht in diesem Verfahren zu beurteilen ist.
Der außerordentliche Revisionsrekurs war daher mangels Vorliegens einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung im Sinn des § 528 Abs 1 ZPO zurückzuweisen.
Über den dem außerordentlichen Revisionsrekurs von der Rechtsmittelwerberin nachgereihten (vgl RIS-Justiz RS0036501 [T2]) Wiedereinsetzungsantrag wird das Erstgericht zu entscheiden haben.
Textnummer
E121217European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2018:010OBS00138.17T.0314.000Im RIS seit
24.04.2018Zuletzt aktualisiert am
22.06.2020